Die Narben aus der Vergangenheit

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Als sich ihre Lippen um meine empfindliche Eichel legen und ich die sanfte Berührung ihrer Zunge spüre, schließe ich die Augen. In mir pulsiert mein heißes Blut. Wenn ihre Zähne mich berühren, pocht doch eine hintergründige Furcht durch mein Innerstes, die ich mit aller Macht zu unterdrücken versuche.

Ich öffne die Augen und sehe ihren sanften Blick. Er spiegelt so viele Emotionen und Zuneigung wider und beruhigt mich. Ich lasse das Gefühl, dass sie in mir auslöst, wirken und in mir peitscht das Verlangen auf, sie fühlen zu wollen, sie unter mir zu begraben, sie zu besitzen.

Ich mache einen Schritt zurück, um mich ihr zu entziehen, dränge sie auf die Matratze und schiebe mich dicht an sie heran. Ich will alles gleichzeitig tun, sie berühren, sie spüren, sie küssen, sie lieben …

Das ist besser als alle Drogen der Welt und ich will sie jetzt und mit aller Macht.

„Du machst mich so unglaublich an“, surre ich in ihr Ohr und küsse ihren Hals, ihre Brustwarzen, die der BH nur widerwillig frei gibt und ihren warmen weichen Mund, während meine Hand über ihre Haut streicht und sie erobert. Ihre Arme schlingen sich um meinen Körper und sie zieht die Knie an und schiebt mich damit ganz zwischen ihre Beine. Mein Herz schlägt noch schneller und sie drängt ihren Körper mir lustvoll entgegen. Sie ist so voller Leidenschaft und schenkt mir eine Bandbreite ihrer Zuneigung, die mein Innerstes warm umspült und mich in ungeahnte Höhenflüge versetzt.

Ich dringe langsam in ihre feuchte Hitze ein, während ich mich auf meine Ellbogen abstütze, ihr Gesicht mit beiden Händen umfasse und sie zärtlich küsse. Sie stöhnt unter mir auf und ich lasse meine Zunge mit ihrer verschmelzen. Dabei schiebe ich mich in einem sanften Rhythmus immer wieder auf ihr hoch. Ihre Hände streichen dabei über meine Muskeln und ich spüre sie wie sanfte Seide, die über meine Haut streicht. Es ist wie ein Rausch, den sie durch meinen Körper schickt und ich weiß, ich will das für immer.

Irgendwo springt ein Wecker an, aber es ist nicht meiner. Ich spüre eine Bewegung neben mir und bleibe einfach in der Wärme liegen, die mich noch umfangen hält. Ich möchte mich der tröstlichen Umarmung einer angenehmen Nacht noch nicht entziehen und lasse mich wieder in sie hineingleiten.

Aber dann steige ich doch aus einem Traum empor, dessen Welt sich in meinem Kopf sofort verflüchtigt, sobald ich die Augen öffne.

Ich finde mich in einem Raum wieder, der mir unbekannt ist. Langsam fällt mir ein, dass ich bei Carolin bin und ich schließe einen Moment benommen die Augen. Meine Hand erfühlt das kalte Laken neben mir.

Ich hebe den Arm, um auf meine Uhr zu schauen. Es ist kurz vor sechs und seichtes Tageslicht schiebt sich schwach und träge durch das Fenster in den Raum.

Unschlüssig steige ich aus dem Bett und gehe zur Tür. In der angrenzenden Küche sehe ich Carolin über ihre Schulsachen gebeugt am Tisch sitzen. Ihre Haare sind noch feucht und sie hat nur ein Handtuch um ihren Körper geschlungen.

Ich gehe zu meiner Hose und greife nach der Zigarettenschachtel. Mir eine Zigarette anzündend, lehne ich mich nackt an den Türrahmen der Küchentür. Es ist ein seltsames Gefühl mich ihr heute Morgen so zu präsentieren. Es ist wie eine Herausforderung von etwas, dass ich nicht benennen kann. Wie eine Aufforderung zu einer Regung.

Carolin sieht auf und lässt langsam ihr Schulbuch zuklappen. Ihr Blick läuft über meinen Körper und ich weiß, ich wollte diesen Blick herausfordern. Ich wollte sehen, wie sie mich ansieht. Und es fühlt sich seltsam an, mich vollkommen nackt zu zeigen, wo ich mein Leben lang mich niemals ohne T-Shirt zeigte. Niemandem. Und es fühlt sich bedrückend an, wie Anfangs ihre Berührungen auf meinen Narben. Aber ich sehe erneut keine Spur von Abneigung oder Abscheu in ihrem Blick.

Ich ziehe an meiner Zigarette und lasse den Gedanken durch meinen Kopf rollen, dass ich immer noch bei ihr bin und es sich immer noch in Ordnung anfühlt. Am Anfang meiner nächtlichen Eskapaden blieb ich manchmal bis morgens. Es kam auch vor, dass ich eine erst im Morgengrauen vor die Tür setzte. Aber das war sehr selten. Ich war da noch gefangen von dem, was mir der Sex bot. Das mit den Rachegelüsten kam erst später, als sich alles in zu vielen durchwälzten Lacken abgenutzt hatte. Also ist das heute in vielerlei Hinsicht eine Premiere.

Carolin packt ihre Schulsachen in ihre Tasche und sieht erneut auf. „Stimmt etwas nicht?“, fragt sie verunsichert.

„Doch! Aber ich habe Ellen nicht geglaubt, dass du um fünf aufstehst und deine Hausaufgaben machst.“

„Auch mein Tag hat nur vierundzwanzig Stunden und das sind entschieden zu wenig“, sagt sie lächelnd und checkt ihre Tasche, ob auch alles drin ist, was sie für den Tag braucht. Dabei murmelt sie leise: „Ich darf heute auf gar keinen Fall vergessen meine Pille zu holen.“

„Deine Pille?“, frage ich und gehe auf sie zu, mir immer noch des Umstands bewusst, dass ich nichts anhabe. Es fühlt sich etwas beklemmend an und verunsichert mich, was ich aber zu ignorieren versuche. Heute Morgen fühlt sich alles wie aus einem anderen Leben an.

„Ja, die letzte Packung ist leer. Ich hole sie mir auf dem Weg zur Arbeit“, sagt sie und lässt ihren Blick erneut über meinen Körper laufen.

Ich würde zu gerne wissen, was sie denkt.

„Pille wofür?“, frage ich und stelle mich dumm. Es ist ein Versuch, mich von meinen Gedanken abzulenken, die mir meine Unzulänglichkeit vor Augen halten wollen.

„Verhütung. Meinst du, ich kann einfach so mit dir ins Bett gehen, ohne zu verhüten? Du scheinst dir darüber wenig einen Kopf zu machen“, raunt sie und klingt etwas ungehalten.

„Stimmt, da denke ich wenig drüber nach. Bisher ist nichts passiert“, tue ich so, als wäre ich in dieser Hinsicht völlig gedankenlos. Und leider bin ich das auch manchmal, so wie bei Sandra am Samstag. Ich verdränge den Gedanken schnell.

„War klar! Deshalb kümmere ich mich darum. Bisher hat noch keiner von den Männern sich wirklich darum geschert“, knurrt sie.

Dieser Ausspruch verdient einen Arschvoll. Sie ist siebzehn und soll nicht so reden, als wenn sie eine Studie darüber ausgearbeitet hat und zu diesem Zweck hunderte von Probanden testete.

Ich lege meinen Finger unter ihr Kinn und zwinge sie mich anzusehen. Ihr Blick wirkt verdrossen und ich sage: „Ganz so ist es nicht. Ich nehme eigentlich immer Kondome. Aber ich wusste von Ellen, dass du die Pille nimmst. Nach der Geschichte, die Tim über dich und Marcel erzählt hat, wo Marcel glaubte, Vater zu werden, habe ich Ellen danach gefragt. Sonst hätte ich nicht mit dir ohne Kondom geschlafen, glaub mir“, lüge ich, ohne rot zu werden.

Fast sieht es so aus, als will sie mir das nicht abkaufen. Aber dann brummt sie beschwichtigend: „Ich glaube dir ja“, und fügt schneidend hinzu: „Du kannst nichts mit einer Beziehung anfangen. Was willst du dann mit einem Kind?“

„Stimmt“, sage ich und lasse ihr Kinn los. Dieses Thema sollten wir besser beenden. Es beginnt auszuarten und scheint sie gegen mich aufzubringen. Das will ich auf keinen Fall.

„Und … fertig mit deinen Hausaufgaben?“

Sie nickt und steht auf. „Kaffee?“, fragt sie.

„Nein“, antworte ich und meine Hand schließt sich um ihr Handgelenk. Sie wird von meinen seltsamen Empfindungen gelenkt, weil heute so viel anders ist, als es in meinem bisherigen Leben der Fall war.

„Ich mache uns ein Frühstück“, murmelt Carolin verunsichert.

„Nicht jetzt“, raune ich und versuche meine Gefühle zu durchschauen. In den letzten Minuten reichten sie von unbehaglich, weil ich mich ihr nackt präsentierte, bis gequält, weil ich mir meiner Unvollkommenheit völlig bewusst war, bis hin zu Verdruss, was unser Gespräch anging.

„Es ist noch zu früh, um schon loszufahren. Oder willst du schon gehen? Ich kann mit dem Bus zur Schule fahren“, erklärt sie schnell.

Ich schüttele den Kopf. Mich überkommt das ungute Gefühl, dass sie mir entgleiten wird. Und ich bin nicht bereit, das zuzulassen. „Wir fahren später zusammen. Ich möchte kein Frühstück und keinen Kaffee. Ich möchte nur einen Quicky.“

Etwas in mir will nicht, dass es endet. Sie gehört immer noch mir und in mir schleicht die Sehnsucht an die Oberfläche, sie erneut fühlen zu wollen. Ich möchte noch einmal austesten, ob sie wirklich beständig die Macht hat, mich in den Himmel zu befördern.

Sie ins Schlafzimmer zurückziehend, setze ich mich auf das Bett. „Komm!“, raune ich leise und ziehe sie mit mir auf die Matratze und auf mich. „Du oben.“

Sie versenkt ihren Blick in meinen und setzt sich auf meinen Bauch. Ich spüre ihre feuchte Hitze und es erregt mich so unglaublich, dass ich tief einatmen muss, um genug Luft zu bekommen.

Ihre Hände gleiten über meine Brust, streicheln mich sanft, während sie mich einfach nur ansieht. Meine Narben scheinen sie wirklich nicht abzustoßen und meine Muskeln liebt sie offensichtlich. Als sie mir ins Gesicht sieht, wird ihr Blick so weich und ihre Augen leuchten, dass ich spüre, dass sie wirklich mag, was sie sieht.

Das schickt erneut eine warme Welle durch mein Innerstes, wie in der letzten Nacht schon und gibt mir das Gefühl von Anerkennung und Zuneigung.

Ich lasse meine Hände über ihre Oberschenkel wandern und will sie überall berühren.

Sie beugt sich zu mir runter und beginnt ihre Lippen über meine Haut gleiten zu lassen, bis sie ihre Zunge zwischen meine Lippen schiebt. Dabei stützt sie sich auf meiner Brust ab und hebt etwas das Becken, um sich langsam auf mich zu schieben.

Ich umfasse ihre Hüfte und drücke sie ganz auf mich. Ich will sie bis zum Anschlag fühlen und ich will sie ausfüllen und sie fühlen lassen, was ich für sie empfinde.

 

Sie stöhnt auf und ihre Hände gleiten über meine Muskeln. Mit sachten Bewegungen schiebt sie sich immer wieder auf mich und beugt sich zu mir runter, um mich zu küssen oder setzt sich wieder auf, um ihre Hände über meine Brust und meinen Bauch gleiten zu lassen.

Auch meine Hände wandern über ihre weichen Formen und legen sich um ihre Hüfte, um sie aufrecht zu halten. Ich sehe ihr ins Gesicht und spüre eine sanfte Wärme, die mich in einen Strudel aus unglaublich tiefreichender Zuneigung reißt. Bei ihr erfüllt mich ein Gefühl, dass ich mich wie mit ihr verbunden fühle und als wenn hundert weiche Tücher um uns zwei gehüllt sind, die uns in einen Kokon aus Zusammengehörigkeit einschließen. Es ist unbeschreiblich.

Die Gefühle, die sie in mir auslöst, lassen mich Worte murmeln, als hätte ich ein Wahrheitsserum eingeflößt bekommen. „Es ist unglaublich … ich liebe es … oh, verdammt.“

Sie hebt ihre Hüfte mehr an und schiebt sich mit einer unbändigen Leidenschaft immer wieder auf mich, dass es sogar das ganze Bett erschüttert.

Ich spüre das Rauschen in meinen Ohren und dann schießt eine Hitze durch meinen Körper, ohne aufgehalten werden zu können. Ich bäume mich unter ihr auf, schnappt nach Luft, presse die Lippen zusammen, um nicht zu laut zu werden und ziehe sie auf mich, damit sie aufhört, mich mit diesem Gefühlschaos zu quälen, das mich in meinen Grundfesten erschüttert. Dabei schiebe ich meine Hand in ihren Nacken, ziehe sie auf mich und küsse sie. Mein Becken dränge ich ein letztes Mal ihr entgegen, bevor alle Spannung aus mir weicht und sie stöhnt ergeben auf. Sie sinkt auf mir zusammen und ich schlinge meine Arme um sie und drücke sie an mich. Es ist unglaublich. Bei ihr laufe ich fast Gefahr, zu schnell zu kommen. Aber es geht. Ohne Drogen und ohne stundelangen Einsatz, der eher einem Glückspiel gleichkommt, bei dem man zu neunzig Prozent verliert.

„Es funktioniert!“, kann ich nur fassungslos stammeln und möchte sie nie wieder loslassen.

Sie hat die Augen geschlossen und lässt sich ganz in meine Wärme sinken.

„Hey, nicht einschlafen“, murmele ich leise und streiche ihr eine Strähne aus dem Gesicht.

Sie dreht den Kopf und schaut auf den Radiowecker. Es ist sieben. „Owee, schon so spät. Verdammt!“ Sie springt fast von mir runter und ich möchte sie am liebsten wieder an mich ziehen. „Ich fahre dich doch. Also reicht es, wenn wir hier in zwanzig Minuten starten. Also keine Panik.“

Sie küsst meine Narben auf der Brust und steigt trotzdem eilig aus dem Bett, zieht sich schnell an und geht, ohne mich noch einmal anzusehen.

Ich folge ihr langsam. Mein Kreislauf macht etwas Probleme und mein Mund ist trocken. Ich ziehe mich an. Meine Hände zittern und ich frage mich, ob meine Nerven mir plötzlich einen Streich spielen.

Carolin erscheint in der Tür und sieht mir zu, wie ich mir meine Hose und mein T-Shirt überstreife. Ich hoffe, sie bemerkt nichts von meinen kränklichen Anwandlungen, die mich auf einmal anfallen.

Sie hat einen Blick drauf, als wolle sie mich am liebsten gleich noch mal ins Bett zerren und ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen. Es tut gut zu wissen, dass sie mich nicht mehr zurückweist und mich offensichtlich so begehrt, wie ich sie.

Schnell tickere ich im Badezimmer eine SMS an Daniel in mein Handy, dass er Ellen zur Schule bringen soll, bevor ich mich wasche und mir mit ihrer Zahnbürste die Zähne putze.

Als ich aus dem Badezimmer komme, hat sie zwei Coladosen und einige Knoppers in der Hand. Sie ist auf alles vorbereitet.

Ich irgendwie weniger. Irgendetwas setzt meinem Körper zu und ich frage mich, ob ich mir etwas eingefangen habe. Dazu packt mich eine innerliche Unruhe, die nur etwas gemildert wird, wenn ich Carolin ansehe und mir vor Augen halte, dass sie die letzte Nacht ganz mir gehörte … und nur mir.

„Alles in Ordnung?“, fragt sie und wirkt verunsichert. Merkt sie, dass mit mir etwas nicht stimmt?

„Ja“, antworte ich und ziehe sie in meine Arme. Um ihr und mir eine Begründung für meinen etwas maroden Zustand zu geben, raune ich: „Es verwirrt mich alles ein wenig … mit dir.“

„Du verwirrst mich auch“, antwortet sie und ihr Blick ist unergründlich. Ich wüsste schon gerne, was sie denkt, aber sie verschließt sich mir und fügt hinzu: „Es war schön, aber es verpflichtet keinen zu etwas, okay?“

Ist das nicht eigentlich ein Spruch, der Männern vorbehalten ist? Und warum sagt sie das?

Mir kommt erneut der Gedanke, dass sie wirklich ein Racheengel sein muss, von all den Frauen auf mich gehetzt.

Ich ziehe verunsichert meine Arme von ihrem Körper und murmele: „Komm, wir müssen los.“

Sie greift nach ihrer Schultasche, löscht überall das Licht und geht durch die Tür, die ich ihr aufhalte. Ich schließe hinter uns ab und folge ihr die Treppe hinunter zur Haustür. Sie öffnet sie ohne Probleme und murmelt: „Wir haben vergessen abzuschließen.“

Ich kann über ihren verdatterten Gesichtsausdruck nur lachen. „Hätte dich heute Nacht jemand klauen wollen, hätte er schlechte Karten gehabt. Aber das sollte dir nicht passieren, wenn du hier alleine bist.“

„Du hattest gestern den Schlüsseldienst übernommen“, sagt sie und grinst mich frech an.

„Stimmt! Und ich fühle mich auf ganzer Linie schuldig. Das nächste Mal achte ich darauf.“

Ich verschließe die Haustür hinter uns und werfe ihr den Schlüssel zu, den sie gekonnt auffängt.

Wir steigen in den Mustang und ich lasse den Motor aufdröhnen.

Sie sieht mich an, dann aus den Fenstern des Mustangs zu den Nachbarhäusern. Aber sie sagt kein Wort. Ihr Gesichtsausdruck sagt aber genug und ich grinse unverschämt. „Oje, habe ich alle Nachbarn geweckt? Das tut mir jetzt aber leid.“ Die werden ihrem Nachbarn einiges zu berichten haben, wenn er von seiner Musicaltour wieder da ist.

„Scheißkerl!“, knurrt Carolin kaum hörbar.

Ich muss lachen. „Ups …!“

Ihr Handy klingelt, während ich den Mustang durch den kleinen Ort lenke. Sie sieht mich herausfordernd an. Mit einem bösen Funkeln in den Augen nimmt sie ihr Handy und säuselt, ohne zu schauen, wer das ist: „Guten Morgen!“

Ich frage mich, wer sie um diese Zeit anruft. Ellen?

„Es ist Freitag und das Wochenende steht vor der Tür“, antwortet sie auf eine Frage.

„Läuft Prima. Ich bin so froh, dass ich ihn habe. Heute werde ich dann hören, wie es mit den Arbeitszeiten und Tagen so weitergeht. Diese Woche war schon etwas heftig … so jeden Tag“, sagt sie wieder und sieht aus dem Seitenfenster. Scheinbar hat sie mich vergessen.

„Ja, alles bestens. Das klappt alles super.“

Ich will wissen, wer ihr früh morgens schon diese Antworten aus dem Bauch leiert.

Die Stimmung schwenkt um und sie wirkt etwas verunsichert. Sie scheint auch eine Nuance blasser zu werden.

„Okay, mache ich.“

Das klingt weniger nach guter Laune, Spiel, Spaß und Spannung. Wer zum Teufel ist das?

Auf der Schnellstraße schleicht einer in seinem blauen Bauernopel vor mir her und ich drücke auf die Hupe, weil er gefälligst die linke Fahrbahn freimachen soll.

Carolin fährt erschrocken zusammen und ich werfe ihr einen düsteren Blick zu.

„Tim, ich muss Schluss machen. Wir sprechen uns die Tage noch mal“, sagt sie schnell.

Tim? Der Mistkerl ruft sie morgens schon an? Ich fasse es nicht.

„Okay, bis dann“, verabschiedet sie sich, aber Tim scheint nicht auflegen zu wollen. Sie hat ihr Handy immer noch am Ohr und ihr Gesicht nimmt einen verdrossenen Ausdruck an, als sie raunt: „Nein, vergesse ich nicht. Tschau und einen schönen Tag noch.“

Endlich scheint das Gespräch wirklich beendet zu sein und ich weiß nicht, was ich davon halten soll.

„Tim?“, frage ich und sehe stur auf die Straße vor uns.

„Ja.“

„Warum ruft der dich an? Kontrollanruf, ob du auch mit keinem die Nacht verbracht hast“, knurre ich aufgebracht.

„Blödsinn! Das kann er so doch wohl kaum feststellen, oder? Außer er merkt, dass ich nicht im Bus sitze“, murmelt sie.

„Mir ist egal, ob er weiß, dass ich bei dir gepennt habe“, brumme ich und weiß, dass nächste Mal wird er das auf alle Fälle mitbekommen, sollte sich noch einmal so eine Situation ergeben. Dann halte ich am Straßenrand an und werde sie vernaschen, während er mit ihr versucht zu telefonieren. Das soll dann wohl reichen.

„Ist mir klar. Aber mir ist das nicht egal! Ich habe ihm das versprochen“, sagt sie und wirft mir einen Blick zu, den ich nicht deuten kann.

„So ein Schwachsinn!“, zische ich wütend.

„Wie würdest du es finden, wenn du mir dein Schlafzimmer überlässt und ich würde jemanden mit in dein Bett nehmen?“, fragt sie mich doch tatsächlich.

Ich starre sie an. „Dann würde es Tote geben.“

„Eben“, antwortet sie, als wäre das vollkommen klar.

Wir fahren auf Osnabrück zu und sie sagt: „Kannst du mich bitte an der Bushaltstelle rauslassen?“

„Warum? Ich lasse dich vor der Schule raus“, brumme ich und habe mich immer noch nicht ganz von Tim und seinem Anruf erholt.

„Nein, bitte! Ellen wartet bestimmt an der Haltestelle.“ Sie klingt, als würde Ellen sie verprügeln, wenn sie nicht dort aussteigt.

Ich werfe ihr einen kurzen Blick zu und raune: „Daniel bringt sie heute hin. Ich habe ihm heute Morgen eine SMS geschickt. Ich lasse dich bei der Schule raus.“

Ihr Gesichtsausdruck wird panisch und mir wird klar, es geht nicht nur um Ellen. Es geht darum, dass ich sie morgens an der Schule absetze und dass das jemand mitbekommen könnte. „Vergiss es! Keine Diskussion deswegen“, sage ich unerbittlich. Mir sollte das eher etwas ausmachen als ihr.

Wir halten vor der Schule und sie raunt: „Danke! Ich wünsche dir noch einen schönen Tag.“ Ein schneller, verunsicherter Blick und sie greift nach der Türklinke und will aussteigen.

„Moment, was wird das?“, knurre ich ungehalten. Sie will sich jetzt einfach so davonstehlen, der kleine Rachefalter.

„Ich will aussteigen“, sagt sie kleinlaut und sieht mich an, als würde da draußen ein Säbelzahntiger auf sie lauern … oder hier drinnen im Auto.

„So, und was ist mit der Bezahlung?“, murmele ich.

„Erik, ich schwöre dir, ich fahre nie wieder mit dir mit, wenn du damit nicht aufhörst“, blafft sie mich missmutig an, steigt aus und knallt die Tür zu.

Poor, so nicht!

Ich steige auch aus und nutze die Zeit, die sie braucht, um den Mustang zu umrunden.

In dem Moment kommt der grüne BMW und parkt hinter uns.

Ellen springt beschwingt aus dem Wagen, uns ein aufgedrehtes: „Guten Morgen!“, zurufend. Sie läuft zu Daniels Fenster und küsst ihn. „Tschüss, mein Schatz.“

So geht das, denke ich und sehe Carolin an, die langsam um den Wagen herumschleicht, als müsse sie noch überlegen, wie sie an dem Säbelzahntiger vorbeikommen soll. Ihre Hand hat sie schon in Abwehrhaltung erhoben und ihr Blick läuft beunruhigt zum Schulhof hin.

Ich sehe sie fassungslos an und als sie auf meiner Höhe ist, packe ich ihr Handgelenk und ziehe sie vor meine Füße. „Ist dir das wieder peinlich? Warum? Vergiss die Bezahlung. Wir haben die Nacht zusammen verbracht, da wird doch wohl ein angemessener Abschied drin sein“, zische ich ungehalten.

Sie schiebt die Tasche zwischen uns, als ich sie an mich ziehen und sie küssen will. Das macht mich wütend. „Warum tust du das? Bin ich dir so peinlich?“

Sie wirft Ellen einen hilfesuchenden Blick zu, der mich noch mehr in Rage versetzt. Als sie mich wieder ansieht, schüttelt sie den Kopf.

„Warum tust du das dann?“, frage ich, nicht gerade leise. Mir ist egal, was die anderen denken.

Leise und verunsichert murmelt sie: „Weil ich nicht weiß, mit wie vielen von denen du schon im Bett warst.“ Sie nickt zum Schulhof hin.

Ich sehe auch zum Schulhof und bin etwas irritiert über ihre Gedankengänge. „Ach, darum geht es dir.“

„Ich will nicht, dass ich in der Pause von einer Meute deiner Extussen gelyncht werde“, raunt sie etwas bissig.

So ist das also? Nah Danke. Ich nicke verstehend und drehe mich um. Mit zwei Schritten bin ich an der Autotür, reiße sie auf und steige ein. Ich bin wütend und kann ihre Ansichten nicht nachvollziehen. Was kümmern sie die anderen Weiber? Die müssen sie überhaupt nicht kümmern.

Als ich einen Blick zurückwerfe, sieht sie mich aufgebracht und traurig an, dreht sich um und geht.

Der Motor des Mustangs brummt auf und das Gefühl, das ihr Blick in mir auslöst, kommt irgendwo bei mir an, wo es ziemlich hohe Wellen schlägt.

 

Ich stelle den Motor wieder ab und springe aus dem Auto. So geht das nicht, wenn ich den Tag überstehen will.

Ich höre Ellen entsetzt rufen: „Erik, nicht!“

Carolin dreht sich erschrocken um und ich baue mich vor ihr auf. Meine Hände umfassen ihre Schultern und ich sehe ihr wütend in ihre weit aufgerissenen Augen. „Was meinst du eigentlich? Dass ich die halbe Stadt durchhabe, oder was? Mag sein, dass es die eine oder andere hier gibt. Aber glaub mir, die haben keine Bedeutung und wissen das auch“, fauche ich aufgebracht und reiße ihre Tasche aus ihren Armen. Ich lasse sie poltern zu unseren Füßen auf die Pflastersteine des Schulhofes krachen. Dann lege ich meine Hände um ihr Gesicht und küsse sie, keine Widerrede duldend.

Ihre Hände krallen sich in mein T-Shirt und sie erwidert den Kuss, was mein wütendes Herz etwas beruhigt.

Als ich es endlich schaffe, mich von ihren Lippen zu lösen, sehe ich ihr in die Augen und murmele: „Kapiert?“

Sie nickt nur und ich raune: „Gut, ich rufe dich an.“

„Ist gut“, sagt sie nur und ich drehe mich um, nicke Ellen zu, die neben uns auftaucht und gehe zu meinem Mustang. Ich steige ein und starte den Motor. Jetzt geht es mir besser.

Als ich den Wagen zur Hauptstraße lenke, sehe ich im Rückspiegel den grünen BMW direkt hinter mir.

Daniel fragt nicht viel, als wir beim Haupteingang der Uni aufeinandertreffen, außer: „Und, alles okay?“

Ich antworte nicht viel, nur: „Alles bestens.“

Um es auch wirklich so werden zu lassen, habe ich im Auto eine kleine Dosis Speed gezogen, die mein unruhiges Inneres wieder ins Gleichgewicht gebracht hat. Aber mir ist klar, ich muss langsam vorsichtiger werden. Es geht mir mittlerweile schlecht, wenn ich nichts nehme und es fühlt sich wie ein kleiner Entzug an. Die Pillen helfen auch. Aber ich kann nicht immer nur stoned sein, das ist mir natürlich klar. Aber so komme ich gut durch den Tag und am späten Nachmittag machen Daniel und ich eine Liefertour nach Rheine.

Daniel fährt meinen Mustang wieder zurück und ich lehne mich tief in den Sitz und denke über Carolin nach. Dass Tim sie heute Morgen anrief, macht mich wütend. Was er ihr wohl ins Ohr gezwitschert hat? Ich kann mir sowieso beim besten Willen nicht denken, was er am frühen Morgen schon von ihr will. Sie war auf einmal wie ausgewechselt gewesen und hatte gesagt, „Okay, mache ich.“ Was soll sie machen? Was will er von ihr?

Ich nehme mein Handy und schreibe Tim eine SMS: „Schreib mir, wenn ich dich anrufen kann. Es ist wichtig. Erik.

Daniel sieht mich kurz an und ich erkläre: „Tim hat heute Morgen Carolin schon um viertel nach sieben angerufen.“

„Das tut der öfters, hat Ellen gesagt“, meint Daniel nur und ich starre ihn verdrossen an. Warum erfahre ich das als letzter?

„Was will der von ihr? Hat Ellen darüber auch etwas gesagt?“, brumme ich.

„Wohl nur fragen, wie es ihr geht und ihr von seiner Tour erzählen.“

Mein Handy klingelt und ich sehe, dass es Tim ist. In mir sträubt sich alles dagegen, mit dem Kerl zu reden. Dennoch nehme ich schnell ab und brumme ein: „Ja!“

Tim denkt natürlich, dass wieder etwas mit Carolin ist. Ich beruhige ihn, dass es ihr gut geht, ich aber nicht verstehen kann, warum er sie ständig anruft.

„Warum ich sie anrufe?“, fragt Tim etwas verständnislos. „Sie ist meine Freundin und ich rede halt gerne mit ihr. Sie erzählt mir alles und ich ihr.“

Hätte er wohl gerne.

„Mann Tim, ist dir mal in den Sinn gekommen, dass sie das auch nerven könnte?“

Er scheint von meinen Worten erschrocken zu sein und brummt aufgebracht: „Wenn es so wäre, würde sie es mir sagen. Das tut sie aber nicht. Und außerdem kann dir das doch völlig egal sein.“

Ist es mir aber nicht und ich knurre: „Meinst du, bloß weil du sie in deine Wohnung verfrachtet hast, steht sie dir jetzt für immer zur Verfügung und wartet auf dich?“

Tim scheint nun wirklich wütend zu werden. „Sag mal, was geht dich das eigentlich alles an? Sie ist meine Freundin und es war für mich selbstverständlich, ihr meine Wohnung zu überlassen. Sie braucht dafür nichts zu tun.“

Ich muss die Wut runterschlucken, die mir Worte wie: Nur mit dir ins Bett gehen - zurechtlegt, um sie ihm entgegen zu spucken. Aber ich sage nichts. Ich frage ihn nur, wann er das nächste Mal hier aufkreuzen will und bemühe mich um einen einigermaßen netten Ton.

Daniel wirft mir einen schnellen Blick zu.

„Übernächste Woche bin ich verlässlich in der Stadt. Aber ich weiß nicht, ob ich so lange warten will. Vielleicht kann ich mich früher schon loseisen“, sagt Tim und sein Ärger wandelt sich in Vorfreude.

Ob er so lange warten will? Auf was? Ich könnte diesen säuselnden Schnösel durch den Hörer ziehen.

„Alles klar. Und wo willst du pennen?“

„In meiner Wohnung natürlich. Warum, liegt etwas an? Wieder ein Geburtstag?“

Als wenn wir ihn auf alle unsere Geburtstage einladen würden.

„Ne, passt schon. Wir hören ja, wenn du da bist.“

„Bestimmt! Von Carolin!“ Ich höre sein süffisantes Grinsen sogar in seiner Stimme mitschwingen.

„Bis dann.“ Ich lege schnell auf und könnte kotzen.

Daniel sagt nichts und ich sehe aus dem Seitenfenster. Der Typ kann jederzeit hier auftauchen und dann wird er zu Carolin ins Bett kriechen. Und wenn sie nicht will, dann wird er sagen, dass alles nur Bezahlung ist. Ist sie deshalb immer so wütend, wenn ich ihr mit der Bezahlungsnummer komme? Mir wird wirklich übel.

Es ist schon nach 21 Uhr, als wir bei Daniel zu Hause ankommen und beschließen, ein Abschlussbier zu trinken.

Ellen sieht uns vom Sofa her verschlafen entgegen und schiebt sich schwerfällig hoch, um Daniel mit einem Kuss zu begrüßen.

Mir wird klar, dass sie einen Schlüssel zu Daniels Wohnung haben muss, wenn sie immer schon da ist, wenn wir kommen. Im Fernseher läuft irgend so ein Schnulzenfilm.

Wir gehen in die Küche und setzen uns an den Küchentisch. Daniel stellt uns ein Bier hin und ich greife nach meinen Zigaretten, als Ellen dazukommt und schnippisch zischt: „Und, alles klar bei dir?“

„Ja, wieso?“, frage ich sie verunsichert, weil sie mich so blöde anquatscht.

„Schön für dich. Leider geht es nicht jedem so“, meint sie nur mürrisch und zündet sich eine ihrer eigenen Zigarette an, ohne darauf zu warten, dass ich ihr eine anbiete.

Ich sehe Daniel an, der Ellen einen besorgten Blick zuwirft. Sie will doch jetzt nicht wieder einen Streit vom Zaun brechen, scheint der zu sagen.

„Was meinst du?“, frage ich und kann mir beim besten Willen keinen Reim auf ihr Gequatsche machen.

„Du hast Carolin heute ganz schön vorgeführt“, murmelt sie und nimmt einen Schluck von ihrem Bier. Da ich sie nur verständnislos anstarre, erklärt sie: „Die Aktion heute Morgen … Das ging rum wie ein Lauffeuer. Du weißt doch, was du für einen Ruf hast und Carolin hat heute die volle Breitseite abgekriegt.“

„Was ist passiert?“, frage ich und mir wird sofort klar, wie das ausgesehen haben kann.

„Naja, ungefähr die gefühlte Hälfte der Schule wollte persönlich von Carolin wissen, ob sie mit dem, wie war das?" Ellen macht ein gehässiges Gesicht. „Junkie, Dealer, Schläger, Draufgänger, Frauenheld, Irren und Knastbruder … zusammen ist. All ihr Dementi ließ die Gerüchteküche nur noch höher brodeln. Sie war so außer sich und so wütend, ich konnte sie kaum mehr beruhigen.“

Es ist schlimmer, als ich dachte. Natürlich hätte ich daran denken müssen und ich hätte vielleicht einmal auf Carolins Intuition hören sollen. Nun ist es zu spät. Verdammt!

„Was hat sie gesagt?“, frage ich beunruhigt.

Ellen lacht spöttisch. „Das kann ich alles gar nicht wiedergeben. Aber glaub mir, die macht aus dir Kleinholz, wenn sie dich in die Finger bekommt. Und ich kann nur hoffen, dass sie nicht den Wohnort und die Schule wechseln will.“