Charlotte und das Reitinternat - Verliebt, verlobt, verheiratet, geschieden

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„Schau mal, sie muss erst mal alles genau abschnüffeln“, grinste David und ich ließ die lange Schleppleine auslaufen. Mein Hund rannte von einer Grasstelle zur nächsten und schnüffelte alles genauestens ab. Jetzt malte sie sich ein Geruchsbild vom ganzen Internatsgelände.

„Heute Mittag waren wir auf der anderen Seite gewesen. Da hat sie auch schon alles abgescannt.“ Ich war stehengeblieben und konnte mir ein glückliches Lächeln nicht verkneifen, als David nun einen Schritt näher an mich herantrat und seinen Arm um meine Taille legte. Ich senkte meinen Kopf auf seine Schulter.

„Ich liebe dich, Charly“, sagte er dann leise.

„Ich liebe dich auch“, ich drehte den Kopf und wir küssten uns. Bis April an der Leine zog.

„Ich glaube, sie will rein“, bemerkte David und ich lachte.

„Sie ist müde“, erwiderte ich und wir liefen zurück zum Privathaus. Dort angekommen wedelte April erst mal Mama und Papa um die Beine.

„Mama?“, fragte ich. „Papa?“

„Ja, meine Große?“ Sie sahen uns an.

„Darf David heute hier übernachten?“, wollte ich wissen. „Bitte?“, fügte ich hinzu, bevor sie etwas sagen konnten.

Mama und Papa wechselten einen Blick und Mama flüsterte etwas, doch Papa schaute sie eindringlich an und sagte etwas zur ihr. Schließlich nickten sie.

Ich verschwand mit April nach oben in meinem Zimmer und David lief los, um seine Sachen aus dem Internat zu holen. In der Zeit machte ich mich bettfertig.

„Na, du Kleine“, flüsterte ich, als April um meine Beine schwänzelte. Ich streichelte sie und setzte sie mir auf den Schoß. Sie war eine ganz Liebe und rollte sich zusammen. Irgendwann öffnete sie die Augen nur noch dann ganz müde, wenn ich mich bewegte.

„Die Kleine scheint ja echt richtig K.O. zu sein“, bemerkte David flüsternd, als er ins Zimmer kam und den Welpen in meinen Armen fand.

„Ja, sie ist innerhalb von Minuten eingeschlafen“, flüsterte ich zurück und stand vorsichtig auf. Dann legte ich April in ihr Körbchen neben meinem Schreibtisch und ging zurück zum Bett. David hatte sich bereits umgezogen und legte seine Tasche neben die Tür. Langsam trat er auf mich zu und zog mich in seine Arme. Wir küssten uns. Vorsichtig nahm ich sein Gesicht in meine Hände und strich über die glatte Haut. David schob seine von der Kälte draußen eisige Hand in meinen Nacken und versteckte sie in meinen Haaren. Eine Gänsehaut überzog meinen Körper.

„Noch mal alles Gute zum Geburtstag, meine Süße“, flüsterte er und sah mich an.

„Danke, David. Danke, danke, danke!“ Ich küsste ihn, dann liefen wir zu meinem Bett. Ich war aufgeregt, als er sich zu mir legte, die Decke über uns beide deckte, ich das Licht losch und er mich in der Dunkelheit an sich zog. Nur wenige Sekunden später war ich auch schon eingeschlafen …

Die Hormone!

„Wir müssen uns irgendeinen guten Einstieg einfallen lassen.“ David ließ sich nachdenkend in meinem Schreibtischstuhl nach hinten fallen und drehte sich mit dem Stuhl um die eigene Achse. Ich sah ihm dabei zu und überlegte.

„Vielleicht sollten wir die praktische Übung als Einstieg nehmen“, schlug ich vor und wartete auf Davids Reaktion. Er blieb mit dem Stuhl stehen und sah mich an. Dann bildete sich ein leichtes Lächeln auf seinen Lippen. Ich sprang vom Schreibtisch herunter und lief auf ihn zu.

„Das ist eine gute Idee“, erwiderte er und zog mich auf seinen Schoß. Ich küsste ihn grinsend. Dann wollte er vom Schreibtisch wegrollen, doch ich hielt ihn davon ab.

„Wir müssen weiterarbeiten, David“, hielt ich ihn ermahnend auf. „Der Vortrag ist wichtig und wir haben nur noch einen Monat Zeit, bis wir dran sind.“ Ich sah ihn abwartend an.

„Da hast ja recht“, erwiderte er schließlich und dann arbeiteten wir weiter an der Präsentation. Wir überlegten uns den genauen Einstieg, ein Ende, und was wir alles in den Vortrag reinpacken wollten. Irgendwann rief Mama.

„Charlotte? Könntest du mal runterkommen?“

„Kommen!“ Wir standen auf und liefen die Treppe nach unten ins Wohnzimmer, wo Mama in ihrem Sessel saß. Das Handy hielt sie in der einen Hand, eine Zeitschrift in der anderen.

„Was ist denn?“, fragte David atemlos an meiner Stelle.

„Papa ist unten im Stall und könnte eure Hilfe gebrauchen. Könnt ihr runter gehen? Ich darf mit dem Bauch doch nicht mehr so viel machen und …“, meinte Mama und wurde hektisch.

Ich trat auf sie zu. „Schon okay, Mama. Wir machen das“, ich küsste sie auf die Stirn und erhaschte einen Blick auf den Katalog, den sie auf ihren Schoß gelegt hatte. Es ging um Babysachen.

„Danke, mein Schatz. Danke, David“, sie lächelte uns erleichtert zu.

„Kein Problem“, erwiderte mein Freund im Hintergrund, dann zogen wir uns unsere Winterjacken an und schlossen die Haustür von außen.

„Es ist echt schweinekalt draußen geworden“, fand ich und lief zitternd hinüber in den Stall, David war direkt neben mir.

„Bei der Kälte geht doch kein Mensch mehr freiwillig raus. Ich bin mal gespannt, was dein Dad will“, David nahm meine Hand und ich lächelte in mich hinein.

„Und im September war es dafür noch voll warm. So schnell kann der Winter über uns hereinbrechen“, seufzte ich. „Ich glaube, ich muss Alaska jetzt bald mal scheren, sonst wird’s zu spät.“ Ich schob die Stalltür auf und wir schlüpften hinein. Von Papa war nichts zu sehen.

„Ist überhaupt jemand da?“, fragte mich David und sah sich um.

„Papa?“, rief ich in den Stall und wir hielten gebannt die Luft an.

„Bin oben auf dem Boden“, kam die Antwort aus luftiger Höhe und direkt dahinter ein paar Strohhalme heruntergerieselt, sodass sie sich in Davids Haaren verfingen. Wir liefen die Treppe hinauf. Papa versuchte, einen Strohballen zu bewegen.

„Was ist denn los, Dad?“, wollte ich wissen und wir blieben neben ihm stehen.

„Ich muss zwei neue Boxen fertigmachen“, erwiderte er. „Könntet ihr mir helfen, den Ballen nach unten zu schaffen?“

Wir packten mit an und verfrachteten den Strohballen bis zum Flaschenzug, der ihn nach unten in die Stallgasse transportierte.

„Wieso brauchen wir zwei neue Boxen?“, wollte ich wissen, als wir die Treppe wieder nach unten liefen. Dort setzte Papa den elektrischen Flaschenzug in Gang.

„Ich hab in knapp zwei Wochen einen Termin. Ich werde mir zwei neue Pferde ansehen, die dann hier einziehen sollen“, erwiderte Papa und wir nickten. Dann stellten wir den Ballen in eine der beiden leeren Boxen. Papa bedankte sich für unsere Hilfe und entließ uns wieder.

David und ich verabschiedeten uns und gingen zu Alaska. Meine Stute stand in der Box und fraß ihr Heu. Als wir kamen, hob sie den Kopf und wieherte leise.

„Hey, Alaska“, ich hielt ihr meine Hand hin und sie schnupperte daran.

„Na, du Gräfin“, neckte David sie und in erster Linie natürlich mich. Mit einem unauffälligen Blick gab er ihr ein Leckerli, das er in seiner Jackentasche fand.

„Sie ist keine Gräfin“, ich piekte David in die Seite und er sprang zur Seite. Er zog mich mit sich mit und drückte mich im Handumdrehen gegen die Boxenwand.

„Aber sie heißt eingetragen Gräfin Alaska. Also ist sie eine Gräfin“, erwiderte David und küsste mich, bevor ich antworten konnte. „Und außerdem krieg ich noch einen langen Kuss, den du mir vor den Ferien versprochen hast“, er tippte mir grinsend auf die Nase.

„Ich habe dir gar nix versprochen, David Hübner“, erwiderte ich und befreite mich grinsend.

„Bist du dir da sicher?“, fragte er mich herausfordernd und schlang von hinten seine Arme um mich.

„Ziemlich sicher.“ Ich küsste ihn kurz, dann liefen wir los Richtung Haus. Wir mussten noch kurz mit April raus, außerdem war im Moment nichts los auf dem Hof.

David und ich verließen gerade mit meinem Hund das Haus, als ein Auto auf den Parkplatz fuhr. Ich erkannte den protzigen Sportwagen sofort wieder.

„Was will der denn schon wieder hier?“, fragte ich murrend und nahm die Leine kürzer.

„Wer ist das?“, wollte David skeptisch wissen und legte besitzergreifend einen Arm um mich.

„Alexander“, erwiderte ich nur knapp und bog nach dem Stall ab auf den Weg, der Richtung Feld führte. Doch Zoey kam uns entgegen und krachte voll in David rein, während ich noch schnell genug zur Seite springen konnte, April folgte mir schnell genug.

„Boa, könnt ihr nicht aufpassen?“, fauchte Zoey noch bevor ihr Hintern den Boden erreicht hatte.

„Pass du gefälligst auf, wenn du in Lichtgeschwindigkeit um die Ecke sprinten musst“, David rappelte sich auf und klopfte sich den Sand von der Hose.

„Och nee, wie sieht das denn jetzt aus?“ Zoey warf einen Blick auf ihren runden Hintern in der ziemlich durchsichtigen Strumpfhose, an der jetzt nur noch Sand hing. „So kann ich Alexander doch nicht unter die Augen treten.“

„Dann lauf nicht vor ihm her, sondern hinter ihm“, meinte ich sarkastisch und marschierte los. April folgte mit gut gelaunt, während meine Laune schon wieder auf den Gefrierpunkt sank.

„Ha ha ha, Charlotte. Wem gehört überhaupt dieser Hund?“ Sie deutete auf April.

David verkniff sich ein Grinsen, als ich ihr antwortete: „Das ist mein Geburtstagsgeschenk von meinen Eltern. April wird der neue Hofhund“, verkündete ich einer sprachlosen Zoey, die nur die Augenbrauen hochzog.

„A-ha, Hofhund also. Naja“, damit ließ sie uns stehen und lief auf den Parkplatz. Dort umarmte sie Alexander überschwänglich, dieser küsste sie ziemlich eindeutig. Dann verschwanden sie im Einstellerstall. David und ich blieben unschlüssig stehen.

 

„Was ist denn mit Zoey los? Große Liebe oder was?“, fragte mich David und ich zuckte die Schultern. „Das war schon ein bisschen creepy“, fand er und legte mir einen Arm um die Schulter. Dann liefen wir los.

„Righti, right“, erwiderte ich und kassierte einen Knuff in die Seite.

„Und Wrongi, wrong“, David küsste mich.

Ich ließ April ohne Leine über den Feldweg flitzen und David und ich beobachteten sie dabei wie zwei Eltern ihr Kind. Mein Hund trabte von einer Seite zur nächsten und schnuffelte alles ab. Irgendwann hatte sie auch all ihre Geschäfte erledigt. Schließlich traten wir den Heimweg an und stapften den Weg zurück. Der Wind kam uns stechend entgegen.

„Sag mal, gibt’s bei euch auf dem Internat eigentlich eine Weihnachtsfeier? Also mit Schülern und Lehrern?“, fragte mich David, als wir die Haustür gerade erreicht hatten.

„Ja, gibt es. Die findet immer am letzten Wochenende vor den Ferien statt“, ich zog mir meine matschigen Gummistiefel aus und stellte sie neben die Haustür.

„Schreiben wir danach nicht noch Arbeiten? Das ist doch dann total doof“, erwiderte David und nahm den Eimer mit dem warmen Wasser von meiner Mom entgegen. Er stellte ihn mir hin.

„Aber nur noch eine einzige. Das ist in jedem Jahrgang so. Und das ist auch immer nur ein Nebenfach.“ Ich setzte April hin und nahm ihr erstes Vorderbein. Ich tauchte es ins Wasser und wusch den Sand ab. April leckte mir die Hände.

„Und warum nicht am Anfang der Ferien?“ David nahm von Mama ein paar alte Handtücher entgegen.

„Weil das Kölner Weihnachtsturnier vom Freitag bis zum Sonntag geht. Da wäre keine Zeit. Gibst du mir bitte mal ein Handtuch?“

„Ja, hier“, David gab mir den Stapel und ich trocknete die vier Beine meines Hundes ab. Dann ließ ich sie hineinrennen. „Wer nimmt eigentlich am Kölner Turnier teil?“, fragte mein Freund dann noch.

„Alle Mannschaften, die sich zuvor im Sommer qualifiziert haben. Die Reitschulen und eben auch unser Internat müssen in der Gesamtwertung genug Punkte erreichen. Dann wird eine Mannschaft zusammengestellt, die nach Darmstadt fährt“, Mama nahm uns die nassen Handtücher ab und ich goss das dreckige Wasser ins Beet vor der Haustür, Mama sah mich dabei tadelnd an, sparte sich aber einen Spruch.

„Darmstadt?“, fragte David in diesem Moment.

„Ja. Familie Kölner veranstaltet jedes Jahr dieses traditionelle Hessenturnier. Sie starten auch oft mit einer Mannschaft dort. Aber jetzt kommt, draußen ist es kalt und ihr braucht sicher einen warmen Kakao, um euch aufzuwärmen“, Mama lief los ins Wohnzimmer und goss uns jedem eine Tasse dampfenden Kakao ein.

„Wer trainiert eigentlich dieses Jahr die Internatsmannschaft?“, wollte ich dann wissen und mummelte mich in eine Decke ein. Der Wind pfiff an unserem Wohnzimmerfenster.

„Das machen Heiko, Jasmin und ich“, Mama zog sich einen Katalog vom Tisch und blätterte in ihm herum.

„Du?“, fragte ich entsetzt. „Du sollst doch nicht so viel machen“, ermahnte ich sie.

„Fräulein Brückner. Ich bin nicht krank, nur schwanger. Und das auch erst im vierten Monat. Ich habe noch etwas Zeit, bevor ich hier drinnen endgültig gefangen bin. Und außerdem ist das meine Entscheidung“, Mama sah mich trotzig an. „Wie findet ihr diesen Strampler?“ Die Hormone!

„Du weißt doch nicht mal, was es wird“, erwiderte ich und sah das Foto skeptisch an.

„Na und? Pinkverbot“, Mama grinste und David lachte. In diesem Moment kam Dad herein.

„Alles fertig. Die Sattelkammer ist aufgeräumt, zwei Spinde leer und zwei Boxen fertig eingestreut. Die Pferde können kommen.“ Er ließ sich neben mich aufs Sofa fallen und sah mich an. „Was ist denn hier für ‘ne Stimmung?“

„Deine Tochter meint, sich in meine Angelegenheiten einmischen zu müssen“, Mama sah nicht einmal kurz von der Zeitschrift hoch und blinzelte auch nicht mit den Wimpern.

„Meine Tochter?“ Papa runzelte die Stirn. „Das ist auch deine Tochter!“

„Wenn ihr das dann geklärt hättet, ich muss noch PW lernen. Wir schreiben morgen eine Arbeit“, ich stand auf und machte David klar, mitzukommen. Er folgte mir. Im Flur stand April von ihrem überdimensionierten Körbchen auf und blieb vor der Treppe stehen. Ich nahm sie hoch und trug sie bis nach oben, dort setzte ich sie wieder ab.

„Warum trägst du deinen Hund?“, fragte mich David skeptisch.

„Damit ihre Hüfte geschont bleibt. Das hab ich im Internet gelesen.“ Ich schloss hinter uns die Tür und setzte mich an meinen Schreibtisch.

„Ich befürchte, ich muss auch lernen“, stöhnte David.

„Ist auf jeden Fall besser, als unvorbereitet in die Klausur zu gehen“, meinte ich und schlug die ersten Buchseiten auf.

„Dann geh ich auch mal rüber. Mal gucken, was Elias und Samuel so machen.“ Mein Freund gab mir einen Kuss, dann noch einen, und lief schließlich rüber zum Internatsgebäude.

Ich saß am Schreibtisch und schrieb zu den verschiedenen Themen Stichpunkte heraus und malte ein paar Grafiken, um alles gut zu verstehen. Ein paar Sachen gab ich in die Suchmaschine ein und fügte Infos zu meinen Stichpunkten hinzu.

Plötzlich sah ich im Augenwinkel eine Bewegung an meinem Fenster und drehte mich erschrocken um. Doch dann merkte ich, dass es nur ein Reiter und ein Fußgänger auf dem Wiesenweg zwischen den Koppeln waren. Ich wollte mich schon wieder meiner Arbeitsvorbereitung widmen, als ich erkannte, wer die beiden Personen waren. Zoey und Alexander. Was machten die denn da?

Ich rollte mit meinem Schreibtischstuhl näher ans bodentiefe Fenster und kniff die Augen zusammen, um etwas zu erkennen. Die beiden unterhielten sich, Zoey ritt auf Veto und Alexander lief neben ihr her. Ihre Unterhaltung war angeregt.

Ich griff mir mein Fernglas, mit dem ich eigentlich die Pferde auf den Weiden beobachtete. Doch jetzt war es zu diesem Zwecke viel besser zu gebrauchen. Auch wenn mir Mama verboten hatte, das Fernglas zum Spannern – wie sie es nannte – zu benutzen, hielt ich es an meine Augen. Das hier war sicher eine Ausnahme.

Zoeys Wangen waren vom kühlen Wind ganz gerötet und Alexander lief in großen Schritten und neugierigen Augen neben ihr her. Veto schnaubte und schritt am langen Zügel über den löchrigen Boden. Ich hätte zu gerne gewusst, was sie sagen, aber ich konnte erstens nicht das Fenster aufmachen und zweitens aus dieser Entfernung eh nichts hören. In diesem Moment bekam ich eine WhatsApp-Nachricht von Emilia.

Kekse essen bei uns im Zimmer? Komm doch schnell rüber!

Ich musste grinsen. Klaro, war ich dabei. Ich sprang auf, schnappte meine Jacke im Laufen vom Stuhl und rannte die Treppe herunter. Ich zog die Jacke auf dem Weg zur Tür an und schlüpfte hinaus in die Kälte.

Der Wind kam mir entgegen und ich dachte an Hannah. Sie war bestimmt segeln bei dem tollen Wind. Aber dann kam mir die Erinnerung, dass sie mal was davon gesagt hatte, dass von Ende Oktober bis Anfang April das Hafengelände geschlossen war und sie nicht segeln konnten. Ein paar Regatten waren wohl trotzdem noch, wenn ich das richtig verstanden hatte, aber es war laut Hannah der langweilige Teil in der Segelsaison; sie ging dann einfach mehr zum Fechten.

Auf einmal hörte ich Stimmen und blieb stehen. In diesem Moment kamen Zoey und Alexander um die Ecke des Stalls. Er hatte seine Hände in den Hosentaschen vergraben und lief locker-lässig neben ihr her. Sie sah glücklich zu ihm auf. Ihre Reithosen waren gewaschen, ihre Haare trug sie offen, in der betonenden Winterjacke sah Zoey extrem gut aus. Auch wenn sie oft doof zu mir war, ich fand sie in diesem Moment ziemlich hübsch.

„Was machst du eigentlich am ersten Ferienwochenende?“, fragte Alexander Zoey und sah sie neugierig an. Er wirkte gar nicht mehr so komisch wie noch am ersten Schultag.

„Unser Internat konnte sich zu den Kölner Weihnachtsturniertagen qualifizieren. Alle anderen sind dann dabei und feuern an. Ich also auch“, antwortete Zoey.

„Wir starten da auch. Mein Verein ist ja der Gastgeber“, erinnerte Alexander sie überflüssigerweise. Und da war wieder dieses seltsame Gefühl. Er lungerte doch nicht nur wegen Zoey die ganze Zeit hier auf unserem Internat rum. Ich beschloss, ihn weiter im Auge zu behalten.

Als ich mich umdrehte, um ins Gebäude zu gehen, bevor ich das Kekseessen verpasste, krachte jemand in mich hinein. Es war Jonathan.

„Oh, sorry, alles okay?“, fragte ich, als ich ihn erkannte.

„Ja, und bei dir?“, wollte er wissen.

„Auch“, sagte ich und wir verabschiedeten uns schnell voneinander. Ich lief weiter Richtung Internat und er ging zu Zoey. Ich blieb auf dem Treppenansatz stehen. Seit ich Jojo dabei erwischt hatte, wie er Alex und Zoey heimlich beim Knutschen beobachtet hatte, war ich neugierig.

„Jonathan, was machst du denn hier?“ Zoey wirkte nervös. Anscheinend passte es ihr nicht in den Tee, dass er gerade jetzt auftauchte.

„Ich will euch echt nur ungern stören, aber wir müssen unseren Vortrag mal langsam vorbereiten, Zoey“, erinnerte Jonathan sie und Zoey schlug sich gegen die Stirn.

„Stimmt, Mist“, sie dachte nach.

„Du, nicht schlimm, ich muss eh nach Hause. Sonst krieg ich voll Stress mit meinen Eltern“, Alex hatte es plötzlich ziemlich eilig.

„Gut, dann können wir ja den Vortrag machen“, Zoey lächelte Jojo zu und der wirkte erleichtert.

„Dann sehen wir uns. Ich schreib dir“, Alex drehte Zoeys Gesicht mit zwei Fingern zu sich und küsste sie zärtlich auf den Mund.

Ich drehte mich um und ging, weil ich das alles ziemlich seltsam fand. Waren Alex und Zoey nun zusammen oder nicht? Also schlau wurde ich aus denen auch nicht!

Emilia saß auf ihrem Bett, die Keksschachtel raschelte, als sie versuchte, diese auszupacken.

„Lass mich dir doch helfen“, Bonnie wollte die Kiste greifen, doch Emilia zog sie weg.

„Das kann ich schon alleine“, Emilia grinste.

„Sagt mal, Mädels. Warum essen wir jetzt Kekse? Gibt’s was zu feiern?“, wollte ich wissen und zog meine Jacke aus.

„Klar! Deine zwei in Englisch zum Beispiel“, Annika stand auf und setzte sich auch zu Emilia aufs Bett.

„Wollte grad sagen; Adventszeit haben wir noch nicht“, ich grinste sie an und schleuderte meine Schuhe weg.

„Oh, je. Ich muss mir ja bald mal Weihnachtsgeschenke einfallen lassen“, erinnerte sich Melina genau in diesem Moment.

„Jetzt chillt mal, Leute. Es ist grad mal Anfang November. Wir haben noch genug Zeit bis Weihnachten“, ich drängelte mich zu den anderen auf Emilias Bett, dann aßen wir alle Kekse.

Emilia hatte sich selbst zur Keksverteilerin ernannt und bewachte die Schokokekse wie ihr Pferd. Trotz einiger Streitigkeiten um die Kekse hatten wir unseren Spaß. Kiara hatte ein paar gute Witze parat, die ihr Paul erzählt hatte.

„Wann kommt er uns eigentlich mal wieder besuchen?“, fragte Melina und kaute den Keks zu Ende, bevor sie bei Emilia nach einem neuen fragte.

„Keine Ahnung. Jetzt ist ja erst mal wieder Schule. Aber vielleicht lässt sich das in der nächsten Zeit doch noch irgendwie einrichten. Oder ich frag ihn, ob er zur Weihnachtsfeier kommen will“, Kiara wirkte glücklich. Ich erinnerte mich an ihr Gefühlstief, das sie vor den Herbstferien gehabt hatte.

„Das ist ja noch sau lange hin“, bemerkte Annika.

„So lange ist das gar nicht mehr“, wandte ich ein. „Fünf Wochen oder so.“

„Und Theo war das letzte Mal zum Willkommensturnier da“, meinte Bonnie spitz.

„Vielleicht“, Annika zuckte die Schultern.

„Paul fängt jetzt bald mit seinem Führerschein an und dann kann er mich besuchen kommen“, Kiara lächelte versonnen. Sie schien den weiteren Verlauf des Gesprächs nicht mitbekommen zu haben.

„Wann wird er denn siebzehn?“, wollte Melina erstaunt wissen.

„Im Januar.“

„Ach, was ich euch noch erzählen wollte. Ich habe von meiner Cousine Svenja eine E-Mail bekommen“, riss uns Bonnie aus dem Gespräch.

„Echt? Was wollte sie denn?“, ich war erstaunt.

„Sie wollte fragen, wie das Internat so ist. Sie fühlt sich auf ihrer Schule nicht so wohl und will zum Halbjahr vielleicht hier aufs Reitinternat wechseln. Sie belabert noch ihre Eltern“, erzählte Bonnie kauend.

„Hey, das ist doch cool“, fand Annika.

„Welche Klasse?“, wollte ich kauend wissen.

„Fünfte. Und sie reitet auch schon seit drei Jahren. Sie liebt Pferde total“, antwortete Bonnie.

 

„Dann soll sie sich einfach mal bei Mama melden“, ich lächelte Bonnie zu und sie erwiderte es.

„Was haltet ihr davon, wenn wir morgen ins Schwimmbad gehen?“, fragte Kiara in diesem Moment. „Nur wir Mädels?“

„Das hatten wir lange nicht mehr“, bemerkte Emilia.

„Stimmt“, fiel mir auf.

„Na, dann wird es höchste Zeit“, Annika grinste. „Außerdem bin ich meine Schiene ja ab morgen Mittag los und dann kann ich auch schwimmen“, sie lächelte.

„Du hast das Ding ja auch lange genug getragen. Es wird Zeit, dass du wieder ganz die Alte bist“, lachte ich.

„Die bin ich. Macht euch drauf gefasst!“

Wir brachen in Lachen aus. Meine Freunde waren wirklich die Besten auf der ganzen Welt.

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