Charlotte und das Reitinternat - Wie du mir, so ich dir

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Feli Fritsch

Charlotte und das Reitinternat –

Wie du mir, so ich dir

Für Inja

Die Autorin Feli Fritsch ist ein Sommerkind und wurden 1997 in Darmstadt geboren. Sie wuchs in der Nähe von Frankfurt/Main auf, bis sie 2016 nach dem Abitur nach Mainz zog, um dort an der Johannes Gutenberg-Universität ihren Bachelor in Buchwissenschaft und Erziehungswissenschaft zu studieren.

Schon als kleines Kind begann Feli, Ideen festzuhalten und kleine Geschichten zu schreiben, die mit den Jahren immer länger wurden. Es entstanden Stück für Stück erste Romane.

Thematisch befassen sich die meisten ihrer Bücher mit Pferden, denn die Liebe zum Reitsport entdeckte die Autorin noch vor der Grundschule. Aber auch das Segeln und eine eigene Segeljolle begleiten und inspirieren Feli seit 2913 zu neuen Büchern.

Seit 2016 veröffentlicht Feli Fritsch als Self-Publisherin bei epubli Jugendbücher. Ihr erstes Buch unter ihrem Pseudonym ist der erste Band der Reihe Anja und das Reitinternat, in der Charlottes Mutter ihre Abenteuer erzählen lässt.

Weitere Infos unter www.feli-fritsch.de.tl

Prolog

Der Sand knirschte leicht unter Alaskas Hufen und das salzige Meerwasser umspülte ihre Hufe, als Charlotte mir ihr dem Sonnenuntergang entgegenritt. Sie saß auf ihrer braunen Trakehnerstute, ohne Sattel, in kurzer Hose und Top. Ihre Haare wehten im Wind der dänischen Luft und er durchwirbelte ihre Gedanken. Das Pferd war nur mit einem Knotenhalfter gezäumt.

Ihr Freund David ritt mit seiner Lupita neben ihr her, die kleinen Wellen umspielten die dunkelbraunen Beine seiner Azteken-Stute. „Ich liebe diesen Anblick. Darf ich ein Foto davon machen?“, fragte er sie, als Charlotte dem Orange der untergehenden Sonne entgegenblickte.

„Klar.“ Sie lächelte David zu, dessen Augen ganz golden wurden. Er strahlte mindestens genauso wie die Sonne und machte ihr beinahe Konkurrenz, als er seine Kamera aus der Hosentasche seiner Dreiviertelhose fischte und Charlotte für ihn poste.

„Du bist so wunderschön!“ Er beugte sich zu ihr herüber und Charlotte küsste ihn. Sie lenkte Alaska mit den Schenkeln näher an Lupita heran, sodass sie mit einer Hand in Davids Haare gleiten konnte. Er verkniff sich ein Grinsen, als er mit einer Hand über ihren Oberschenkel glitt.

„Hey, könntet ihr mal bitte die Finger voneinander lassen, während ihr in der Öffentlichkeit seid?“, rief Elias zu ihnen herüber. Er ritt neben Emilia, seiner Freundin, her.

„Tja, das hättest du wohl gerne“, rief David grinsend zurück und küsste Charlotte demonstrativ, bevor sie ihre Pferde wieder anritten.

„Ihr seid fürchterlich“, beschwerte sich Bonnie von hinten. Aragon tänzelte, weil er schneller laufen und durch den warmen Sand galoppieren wollte.

„Nur, weil du dich bei Jana zurückhältst“, Annika drehte sich auf Stellas Rücken um und zwinkerte Bonnie zu, die nun breit grinste.

„Wir können uns halt zusammenreißen“, zwinkerte Jana zurück. Daydream war die einzig Entspannte unter den Pferden.

„Wie wär’s mit einem Wettrennen bis zur Strandbar?“, rief Charlotte nach hinten und die anderen begeisterten sich schnell dafür.

Sie stellten sich alle in eine Reihe auf, sodass sie gleichzeitig starten konnten. Aragon stand schon in den Startlöchern, als David das Startsignal gab und sie über den menschenleeren Strand preschten. Die Pferde wirbelten Sand hoch, die untergehende Sonne setzte die Szene in unwirkliches Licht. Das Fell der Pferde glänzte und die Reiter feuerten sie lautstark an, während sie ohne Sattel über den Strand galoppierten. Charlotte lenkte Alaska ins flache Wasser, weil dort der Sand fester war.

„Sie überholt von rechts“, kreischte Kiara lautstark und kämpfte gegen Melina, die ihr mit La Luna dicht auf den Fersen war.

„Ich krieg euch alle“, Lukas, Melinas Freund, ballte triumphierend die Hände zur Faust und streckte sie in den Himmel, dann trieb er seine Rappstute Amira siegessicher an und wollte an Annika und Elias vorbeiziehen, doch die schlossen die Lücke geschickt, sodass Charlotte vorne freie Bahn hatte und sich ein spannendes Wettrennen mit Aragon und Lupita lieferte.

„Lotte, gib endlich auf“, rief David seiner Freundin zu und versuchte, Lupita neben Alaska zu lenken, doch Charlotte schob ihre Stute so vor seiner her, dass er keine Chance hatte zu überholen. Aragon begann zu buckeln und Bonnie zügelte ihn, sodass sie nur noch zu dritt waren.

„Jana, lass es gut sein“, wollte David seine vorletzte Konkurrentin zum Austritt bewegen, doch die schüttelte nur grinsend den Kopf. „Grr, Mann“, schimpfte er und ließ Lupi die Zügel länger, sodass sie sich besser strecken konnte.

„Mensch, David. Ich kill dich, wenn du gewinnst“, drohte ihm auch Charlotte, die nun gleichauf mit David war.

„Das wüsste ich aber.“

Sie ließen Jana und Daydream ebenfalls hinter sich, keiner holte die beiden ein, sodass David und Charlotte sich auf einen Endspurt einstellten, denn die Strandbar kam gefährlich schnell näher.

„Ich liebe dich, Charlotte Brückner“, schrie David dann gegen den Fahrtwind an und Charlotte drehte sich erstaunt um. Mit diesen Worten hatte sie nicht gerechnet.

„Ich dich auch, David Hübner“, sie streckte ihre Hand nach ihm aus und er griff sie. Dann ritten sie gleichzeitig über die Ziellinie und gewannen so gemeinsam das Wettrennen.

„Wir sind die Besten“, grinste David und gab Charlotte einen kurzen Kuss auf den Mund.

Die anderen trödelten alle nacheinander auch ein und kamen außer Atem neben den Siegern zum Stehen. Annika ließ sich auf Stellas Hals fallen.

„Herzlichen Glückwunsch, ihr Raketen“, sagte sie dazu und lächelte Charlotte und David zu.

„Mann, ihr ward ja echt schnell“, fand auch Elias, der Gentleman den Hals klopfte.

„Noch ’ne Runde ins Wasser und dann nach Hause?“, schlug Charlotte atemlos vor und die anderen nickten.

Die Sonne hatte den ganzen Tag über geschienen, sodass sich die Insel schön aufgeheizt hatte. Sie zogen ihre Klamotten aus und ritten dann in Badesachen ins Meer hinein. Das Wasser war noch warm und Charlotte genoss die zwei Wochen an der dänischen Ostsee jedes Jahr aus vollen Zügen. Urlaub war für sie etwas ganz Besonderes, denn Hofbesitzer hatten keinen richtigen Urlaub. Umso schöner war die kleine Auszeit, die sie jedes Jahr hier mit ihren Freunden und den Pferden verbringen durfte. Das wurde ihr genau in diesem Moment wieder bewusst!

***

Sie wickelten sich in Handtücher und schlüpften wieder in ihre Klamotten. Dann machten sie sich auf den Weg zurück zum Hof. Die Sonne war nun schon fast komplett untergegangen und Anja und Philipp warteten bestimmt schon auf die Gruppe. Charlotte hatte für den abendlichen Ausritt lange betteln müssen, doch dann hatte ihr Vater Anja daran erinnert, dass sie damals mit ihrem Pony Boreo immer heimlich an den Strand geritten war, sodass sie es schließlich erlaubt hatte.

Ein bisschen erinnerte sie dieser Ritt an ihre Zeit mit David und Ben in Lübeck in den letzten Ferien, als David sie und Alaska mit in seine Heimatstadt an der deutschen Ostsee genommen hatte. Charlotte und David hatten sich bei einem heftigen Aprilwind ein Wettrennen geliefert, von dem Charlotte den Gewinner nicht mehr kannte.

„Da seid ihr ja“, rief Anja vom Stall aus, als sie die Gruppe Reiter erkannte. Ganz vorne ihre große Tochter, die nun schon ein richtig selbstständiger Mensch war. Nicht so wie Max, der erst drei Monate alt war und das alles noch erleben würde.

„Hi, Mami“, rief Charlotte ihrer Mutter zu. Dann stiegen sie im Stall ab, duschten die Pferde, um sie vom Salzwasser zu befreien, und versorgten sie mit Futter. Alaska stand zufrieden fressend in ihrer Box und der Anblick machte Charlotte glücklich.

„Ich hab dich lieb, meine Große“, Anja zog Charlotte in eine herzliche Umarmung.

„Ich hab dich auch lieb“, erwiderte diese und gab ihr einen liebvollen Kuss auf die Wange. „Wo sind eigentlich Papa und Max?“, erkundigte sich Charlotte nach ihrem kleinen Bruder.

„Die sind schon im Bett. Am besten geht ihr jetzt alle duschen und dann auch ab ins Bett!“

Der erste Tag der zweiwöchigen Freizeit am dänischen Meer war wahnsinnig schnell umgegangen. Gestern Abend waren sie erschöpft von der langen Fahrt endlich angekommen und hatten dann erst mal ausgeschlafen. Heute Morgen hatte Charlotte ihre Sachen eingeräumt und begonnen, den Urlaub willkommen zu heißen.

„Wir sehen uns gleich“, David gab ihr einen salzigen Kuss und verschwand dann mit den anderen Jungs in den Duschen. Charlotte hatte lange betteln müssen, doch dann hatten die Eltern schließlich erlaubt, dass David bei ihnen im Privathaus wohnen durfte. Und dann auch noch bei Charlotte im Zimmer! Das war eine wundervolle Erlaubnis, fand sie.

Schnell zog sie sich ihre Klamotten aus und schlüpfte unter die Dusche. Sie entspannte sich augenblicklich. Das warme Wasser umhüllte ihren zarten Körper und wärmte sie von außen auf.

Nach zehn Minuten hatte sie auch die Haare gewaschen und trocknete sich ab. Nachdem die Haare getrocknet waren, ging sie hinüber in ihr Zimmer. David lag auf dem großen Bett und starrte die Decke an.

„Woran denkst du?“, wollte Charlotte wissen und legte sich neben ihn in die weichen Kissen.

„Daran, dass Ben morgen kommt“, er grinste und dann drehte er sich so, dass Charlotte unter ihm lag.

Ben hatte als Freund von David die Möglichkeit gehabt, ebenfalls an der Freizeit teilzunehmen. Da er aber nicht direkt hatte mitfahren können, reiste er erst morgen mit seinem Pferd Mogli an. David und Charlotte freuten sich auf ihren gemeinsamen Freund. Außerdem konnte es Charlotte kaum erwarten, ihn nach fast fünf Monaten endlich wiederzusehen.

 

„Und jetzt? Woran denkst du jetzt?“, neckte Charlotte ihn und strich mit ihren Händen seinen Rücken auf und ab.

„Dass wir das Licht ausmachen und uns in die Decken kuscheln sollten!“ Er küsste sie und Charlotte lachte.

„Das ist eine exzellente Idee“, fand sie und dann loschen sie das Licht. David schlüpfte zu ihr unter die Decke und zog sie zu sich, sodass seine Wärme sie umhüllte.

***

Das Auto rollte in Schrittgeschwindigkeit mit dem Pferdehänger hinten dran auf dem kiesigen Weg Richtung Stall. Charlotte, David und all ihre Freunde standen am Stall und sie wanken den Leuten, die sich im Auto befanden.

Der Motor erstarb, nachdem das Auto stehengeblieben war, und ein Junge stieg aus einer der hinteren Türen aus.

„Ben!“, rief Charlotte laut und lief auf den besten Kumpels ihres Freundes zu.

„Charly, wie schön, dich wiederzusehen“, er umarmte sie herzlich und Charlotte freute sich riesig. „Hey, Alter“, Ben ließ Charlotte los und begrüßte auch David.

„Schön, dass du endlich da bist“, erwiderte David und dann stellten sich alle vor.

„Und das sind also deine neuen Freunde“, Ben sah sich die Gruppe mit zweierlei Gesichtern an. Einerseits war er froh, dass David seit seiner Abreise vor einem Jahr so gut angekommen war, andererseits vermisste er die gemeinsamen Zeiten mit seinem besten Kumpel, denn sie waren immer und überall füreinander dagewesen.

„Genau“, David sagte noch mal alle Namen, dann öffneten sie den Hänger und ließen Bens Pferd Mogli ankommen. Der zierliche Rappe schaute sich neugierig um und wieherte, als er die anderen Pferde auf der Weide bemerkte. Diese hoben die Köpfe und erwiderten seinen Ruf mit einem lauten Wiehern zur Begrüßung.

„Wollen wir ihn erst mal ankommen lassen“, Ben klopfte seinen Hals und dann führte er ihn unter Charlottes Wegweisungen in den Stall.

„Und du bist echt Davids bester Kumpel gewesen, bevor er zu uns aufs Internat gekommen ist?“, wollte Kiara neugierig wissen. Sie lag halb in Pauls Armen, der sich zu dem Pferdecamp hatte überreden lassen.

„Klar. Wir haben wirklich jede Menge Mist zusammengebaut“, grinste Ben und zwinkerte dabei. „In guten und in schlechten Zeiten haben wir überall, wo es nach Ärger rief, unsere Finger im Spiel gehabt.“

„Und wie“, lachte auch David und steckte Mogli ein Leckerli zu, bevor die anderen Pferde auf der Weide auch zu betteln beginnen konnten.

„Und hier geht’s wirklich jedes Jahr mit den Pferden hoch?“, Ben sah sich ehrfürchtig um und lehnte sich mit geschlossenen Augen der Sonne entgegenlächelnd gegen den Holzzaun, der die Pferdekoppel einzäunte.

„Ja, das ist mein Highlight!“, freute sich Charlotte und spielte mit Davids Fingern, die ihre umschlungen hatten.

„Ich find die Idee richtig klasse“, erwiderte Ben. „Und dann sind auch noch so viele coole Leute dabei!“

„Na, das ist ja wohl klar“, erwiderte Annika und alle brachen in Lachen aus.

***

Die Sonne senkte sich zum Untergang, als Charlotte und Ben mit ihren Pferden über die Gräser Richtung Strand ritten. Die Stimmung war ausgelassen und sie lachten viel. Es erinnerte Charlotte immer mehr an ihre Osterferien in Lübeck, auch wenn es jetzt deutlich wärmer war und sie Ben besser kannte.

„Auch wenn ich erst etwas genervt von Davids Quengelei war, mit auf euer Sommercamp zu kommen, bin ich doch froh, dass ich kommen durfte und die Chance genutzt habe“, sagte Ben irgendwann. „Hier ist es echt wahnsinnig schön!“

„Typisch David. Nein, im Ernst. Es freut mich, dass es dir hier so gut gefällt“, erwiderte Charlotte glücklich und ließ Alaska die Zügel länger. David war beim Springtraining am Nachmittag gestürzt und hatte sich die Schulter geprellt. Er war noch mit seinen Eltern beim Arzt gewesen, als Charlotte und Ben zum Ausritt loswollten, und er hatte gesagt, dass sie einfach ohne ihn starten sollten. Und nun waren sie unterwegs.

„Hoffentlich ist das bei David nur ein blauer Fleck“, sagte Charlotte besorgt, als sie den letzten Weg zum Strand einschlugen.

„Ach, bestimmt. David ist doch inzwischen gut bemuskelt, der steckt sowas locker weg“, winkte Ben ab.

„Bist du sicher?“, Charlotte blieb skeptisch.

„Logo! Der musste damals bei unseren Kämpfen auch ‘ne Menge einstecken, und wie du siehst, lebt er noch“, zwinkerte Ben und schließlich ließ sich Charlotte überzeugen.

„Sag, mal …“, begann sie nach einer kurzen Pause.

„Ja, was gibt’s?“, wollte er ruhig wissen.

„Hast du eigentlich ’ne Freundin?“ Sie war neugierig.

Plötzlich wurde Ben schweigsam und sah sich um, als ob die kleinen Häuser am Wegrand deutlich interessanter wären.

Charlotte räusperte sich kurz. „Ben?“

„Hä, was?“ Er erschrak und sah sie ertappt an.

Sie blickte ihn erwartungsvoll erinnernd an. „Ob du eine Freundin hast“, wiederholte sie.

„Nee, leider nicht“, erwiderte er dann.

„Inwiefern leider? Verliebt?“, sie grinste ihn breit an und fasste Alaskas Zügel kürzer, als sie sich den Dünen näherten.

„Ja, ach, Charly, weißt du, da gibt es dieses eine Mädchen“, er sah Charlotte mitleiderregend an und sie sagte nichts, sodass er weitersprach: „Sie heißt Melli und wohnt zwei Straßen weiter.“

„Und woher kennt ihr euch?“, wollte sie neugierig wissen.

„Ich war mit Mogli im Gelände und sie mit ihrem Hund Gassi. Da sind wir ins Gespräch gekommen. Sie ist auch mal geritten, bis ihre Mutter schwer gestürzt ist und das Pferd eingeschläfert werden musste, weil es zu stark verletzt war. Seitdem kam das Thema Reiten nicht mehr ins Gespräch“, erzählte er bereitwillig.

„Oh“, brachte Charlotte nur heraus. „Das ist natürlich heftig. Wie alt ist Marie?“

„Sechzehn. Wir treffen uns ab und zu heimlich im Wald auf einer Wiese und dann reitet sie Mogli. Sie ist wirklich talentiert und so, aber ihre Eltern haben zu viel schlimme Erinnerungen“, Ben litt unter der Situation, das merkte Charlotte.

„Vielleicht solltest du ihr gestehen, dass du dich in sie verliebt hast. Eventuell geht es ihr ähnlich und sie traut sich auch einfach nicht. Ist sie schüchtern?“, schlug Charlotte vor.

„Ja, ist sie … Was hältst du von einem Picknick, wenn wir uns das nächste Mal auf der Lichtung treffen? Mögen Mädchen sowas?“, Ben sah sie fragend und lächelnd an.

„Logo“, Charlotte nickte aufmunternd. „Sie wird sich garantiert mega freuen.“

„Danke, Charly“, Ben war stehengeblieben und zwinkerte ihr zu.

„Null Problem. Ich komm auf dich zurück, wenn ich mal deine Hilfe brauche“, erwiderte sie, dann ritten sie die Dünen schwungvoll hoch und Ben genoss den salzigen Wind, der ihnen sofort um die Nase wehte und Charlottes Haare durchwirbelte.

„Wow, ist das schön hier“, fand Ben und ließ Mogli die Zügel lockerer.

„Ich liebe diesen Ausblick. Es ist jedes Mal aufs Neue atemberaubend“, erwiderte sie und dann ritten sie gemeinsam den schmalen Weg zwischen den Dünen hindurch nach unten auf den Strand.

„Echt mega krass.“ Ben fand keine Worte mehr, als er sein Handy aus der Jackentasche zog und ein paar Fotos schoss.

„Bock auf ein Wettrennen?“, zwinkerte Charlotte und Ben ging sofort mit, als sie ihre Stute anfeuerte.

Die beiden rasten innerhalb von Sekunden los und flogen rasend schnell über den leicht feuchten Sand, über dem immer wieder die Wellen zusammenbrachen. Die Hufe der Pferde wirbelten Sandklumpen auf, die dann ruckartig nach hinten geschleudert wurden. Alaska und Mogli lieferten sich ein Rennen, ihre Reiter feuerten sie an. Am Ende überquerten sie gleichzeitig ihre imaginäre Ziellinie. Glücklich und zufrieden blieben sie dann stehen und warteten darauf, dass die Sonne hinter dem Horizont verschwinden würde. Der Wind umspielte sie, Alaska und Mogli beschnupperten sich gegenseitig. Charlotte ließ ihre Beine baumeln und streckte sich.

Plötzlich vibrierte ihr Handy und sie holte es heraus. Alles okay, nur ein blauer Fleck. Kann morgen wieder aufs Pferd ;) Hab dich lieb! David <3

„David geht es gut“, freute sich Charlotte.

„Echt??“, Ben atmete aus.

„Ja“, sie zeigte ihm die Nachricht und dann umarmten sie sich erleichtert.

Im selben Moment verschwand die Sonne hinter der blauen Linie und die beiden Reiter machten sich auf den Heimweg …

Hölle auf Erden

Draußen schien die Sonne strahlend vom Himmel und lächelte uns in ihrer vollen Sommerpracht entgegen. Es sagte sich an, ein wundervoller Tag zu werden: Die Einschulung der neuen Fünftklässler. Dass der Tag eigentlich der Beginn des Grauens und eines neuen Abenteuers war, ahnte ich nicht, als ich durch die Haustür nach draußen schlüpfte.

Es fuhr ein Hänger nach dem anderen auf den Hof. Ich lief vom Privathaus los Richtung Stall, um Alaska zu begrüßen. Es war noch recht frisch draußen, trotzdem konnte ich in T-Shirt und Dreiviertelhose durch die Morgenluft joggen.

Am Montag hatten wir unseren Stundenplan bekommen und waren mit Mama eine Runde im Gelände gewesen, die nun wieder den Reitunterricht übernommen hatte, denn Oma und Opa waren oft da, um Max zu besuchen. Heute hatten wir nur die fünfte und sechste Stunde Unterricht, weil wir bei der Einschulungsfeier halfen. Als die neue E-Phase der Oberstufe fühlten wir uns von nun an ganz wichtig.

„Lotte, warte!“, rief David hinter mir und ich drehte mich um. Mein Freund kam hinter mir hergelaufen und wir liefen gemeinsam in den Stall zu den Pferden. Alaska wieherte leise, als sie uns sah.

„Charlotte, David. Könnt ihr mir schnell helfen, die Pferde rauszubringen, bevor hier der ganze Terror losgeht?“, bat uns Papa und wir nickten. Ich schnappte mir Alaskas und Pharos Halfter und schließlich die Pferde. Dann brachte ich sie hinauf auf die Weide.

Als wir alle Pferde nach draußen gebracht hatten, liefen wir zurück zum Hof. Die Kinder hatten inzwischen gemeinsam mit ihren Eltern die Pferde vom Hänger geladen und führten sie herum. Einige der Pferde wieherten laut und tänzelten nervös am Führstrick, während ihre jungen Besitzer versuchten, sie zu beruhigen. Einige Autos kamen auch ohne Hänger. Ihre Pferde fuhren entweder in einem anderen Hänger mit oder sie besaßen kein eigenes Pferd, sodass sie eines unserer Schulpferde bekommen würden.

„Ich bin ja mal gespannt, was für verwöhnte Kinder dieses Mal das Internat unsicher machen werden“, sagte ich zu David und schnappte mir seine Hand. Dann liefen wir los in Mamas Büro, um sie abzuholen.

Im Haus wartete April, meine Hovawarthündin, schwanzwedelnd auf uns und ich streichelte ihr kurz über den Kopf. Dann lief sie jaulend neben uns her zu Mamas Büro. Ihr Bett, auf dem sie bis geradeeben noch geschlafen hatte, war plötzlich uninteressant. Mama saß am Schreibtisch und kämpfte mit dem Drucker. Wütend haute sie oben drauf und ärgerte sich im nächsten Moment, weil nicht nur ihre Hand wehtat, sondern diese eventuell auch bleibende Schäden am Drucker hinterlassen hatte.

„Mama, alles okay?“, fragte ich vorsichtig, als wir drei in der Tür erschienen.

„Ach, Charlotte, der Drucker streikt mal wieder, dieses Scheißteil!“ Sie sah mitleiderregend aus. „Das hab ich nicht offiziell gesagt“, sie deutete auf David und zwinkerte.

Mein Freund lachte. „Geht klar!“

„Wir müssen aber los“, ich warf einen Blick auf die Uhr.

„Ohne die Zettel kann ich aber nicht los.“ Mama öffnete wuchtvoll das Fach für das frische Papier und schob es wütend wieder zu. „Warum funktioniert dieses dumme Ding denn schon wieder nicht??“

„Ich kann ja mal gucken, was damit los ist“, schlug David vor und lief um den Schreibtisch herum.

„Oh, das ist super“, Mama war sofort erleichtert.

„Dann mache ich Max und April fertig“, erwiderte ich schnell und verschwand aus dem Büro, um David in Ruhe seine Arbeit machen zu lassen.

Im Wohnzimmer lag Max im Laufstall. Er spielte mit einem seiner Kuscheltiere und freute sich quiekend, als ich ins Zimmer kam.

„Hey, Kleiner“, ich hob ihn aus dem Stall heraus und nahm ihn auf den Arm. Mein Bruder grapschte mit seiner Hand nach meinen Haaren, die ich ihn einen schnellen Pferdeschwanz gebunden hatte. Ich nahm ihn mit ins Badezimmer und wechselte die Windeln. Dann zog ich ihm einen süßen kurzen Overall an und legte ihn in seinen Kinderwagen. Er spielte mit seiner Rassel, die am Kinderwagen befestigt war. Ich machte April die Leine am Halsband fest und schaukelte den Wagen so lange, bis David und Mama aus dem Büro kamen. Mama wirkte erleichtert und wedelte mit ein paar Zetteln in der Hand.

 

„Haben es doch noch geschafft“, sagte David dazu und nahm meine Hand.

„Na, was ein Glück“, zwinkerte ich ihnen grinsend zu. Dann nahm David Aprils Leine und ich trug mit Mama den Kinderwagen die Treppe hinunter. Dann fuhr ich den Kinderwagen hinüber Richtung Reitplatz, wo sich inzwischen ziemlich viele Kinder und Eltern mit ihren Pferden versammelt hatten. Ein paar Hunde sah ich auch, sodass David Aprils Leine kürzer nahm.

„Charly, warte“, rief Emilia hinter mir und wir warteten, bis sie uns erreicht hatte. „Geht’s jetzt los?“

„So ziemlich. Mama begrüßt gleich alle. Komm, wir suchen uns einen guten Platz“, ich nickte in eine Richtung und dann liefen wir los. Schließlich blieben wir neben Annika und Melina stehen. Der Rest unserer Clique traf ebenfalls ein paar Sekunden später ein und es konnte losgehen. Max saß in seinem Buggy und hörte aufmerksam zu, als Mama aufs Podest stieg und das Mikro in die Hand nahm.

„Herzlich Willkommen auf dem Reitinternat Schloss Rosenthal. Wir freuen uns, dass alle gut angekommen sind und das Wetter so schön mitmacht“, begrüßte sie und Max quiekte neben mir leise Mama. Wir sahen uns alle gerührt an.

„Dein Bruder ist echt süß“, fand Bonnie und ließ ihn mit ihrer Hand spielen.

„Verliebt dich ja nicht“, neckte ich sie und David lachte.

„Darum bitte ich aber auch“, meldete sich auch Jana und wir grinsten uns alle an.

„Quatsch“, winkte Bonnie mit einem Gesicht ab, das eindeutig zeigte, dass sie die Vorstellung absurd fand.

„Da wir ziemlich viele neue Fünftklässler haben – vier Klassen mit je 14 Schülern –, möchten wir erst mal Ordnung in das Chaos bringen. Ich lese die Klassen vor und sage dann auch gleich an, welche Box für euer Pferd gedacht ist“, erklärte Mama und dann wurden alle gespannt leise.

Wir tuschelten immer wieder leise, bis Theo kam und Annika mit einem Kuss begrüßte.

„Hast du denn nicht irgendetwas, zu dem du hinmusst?“, meine Freundin war total überrumpelt, dass ihr Freund plötzlich hier war.

„Studium beginnt erst im Oktober, Süße“, er küsste sie und Annika begann zu grinsen.

„Bist du gut hergekommen?“, wollte ich von Theo wissen, der sich echt geändert zu haben schien, seit Annika im Streit mit ihm Schluss gemacht hatte. Beim Maiturnier hatte er ihr Blumen gebracht und sie hatte ihm verziehen. Ob das die richtige Entscheidung gewesen war, wagte jeder zu bezweifeln.

„Ja, das schon, aber mir ist auf dem Parkplatz so eine aufgetakelte Frau entgegengekommen, riesiges Schlachtschiff, konnte nicht mal richtig parken. Ihre Tochter war auch ziemlich zickig und dann hatten die da noch einen Kinderwagen dabei und alles; totales Chaos“, schimpfte Theo.

„Oh, Mann, ich schätze, das war jemand unserer neuen Schüler“, ich zog grinsend die Augenbrauen hoch und dann hörten wir wieder zu.

Die A-Klasse war bereits aufgerufen und die Kinder liefen gemeinsam mit ihren Pferden auf den Platz, um sich für ein Foto aufzustellen. Dann liefen sie mit ihrer Klassenlehrerin los Richtung Stall, um ihre Pferde zu versorgen. Die B-Klasse wurde auch aufgerufen. Hier waren einige Kinder, die sogar mit Kader-Pferden ankamen und deren Namen mir teilweise etwas von Ponyturnieren sagten. Doch dann sagte Mama einen Namen, der uns die Luft anhalten ließ und der Beginn eines der schlimmsten Lebensabschnitte bedeutete.

„Als Nächstes: Vivian Johansen. Du bekommst unsere Welsh-D-Stute La Cora aus Stall B Box 35“, las Mama vor und David zog neben mir stark die Luft ein. Er versteifte sich automatisch und seine Augen weiteten sich.

Das Mädchen kam nach vorne und wurde von Mama, die gleichzeitig ihre Klassenlehrerin wurde, persönlich begrüßt. Das Mädchen hatte lange dunkelblonde Haare und wirkte glücklich. Lächelnd stellte sie sich neben ihre Mitschüler. Ich sah David erschrocken an und er nickte.

„Willst du mir damit sagen, dass das Kamillas Schwester ist??“, flüsterte ich ihm schockiert zu.

„Ja, das ist sie“, erwiderte er, ohne mich anzusehen.

„Dann waren sie bei den Spieletagen da, um sich zu informieren“, kombinierte Kiara schnell und schlug sich gegen den Kopf. Ich erinnerte mich schlagartig.

Als das Foto gemacht wurde, jubelten ein paar Leute besonders laut. Ich schob den Kinderwagen nach vorne, sodass ich besser gucken konnte und erkannte die Frau, die David mir im Februar als Kamillas Mutter vorgestellt hatte. Daneben stand ein Mädchen, das etwa so alt zu sein schien wie wir. Das musste Kamilla sein. Neben ihr stand ein gutaussehender Junge, der ein Kind auf dem Arm hatte. Da hatten wir ja die ganze Sippe auf einem Haufen.

„David, bitte sag mir, dass ich mich verhört habe“, Elias packte meinen Freund am Arm und rüttelte ihn, der nur völlig starr und wie tot auf Kamilla und den Rest starrte. Plötzlich drehte er sich um und lief ohne ein weiteres Wort los. Die Hundeleine hatte er mir schnell in die Hand gedrückt.

„David, jetzt bleib doch mal hier, verdammt“, rief ich ihm nach und einige Leute sahen mich ermahnend an.

„Sei still“, schimpfte mich ein Vater an und ich kochte los.

„Was wollen Sie denn jetzt?“ Mit diesen Worten lief auch ich los, so schnell, wie ich mit Hund und Kinderwagen halt laufen konnte.

„Charlotte!“, Oma kam mir auf dem Weg zum Stall entgegen. „Wo willst du denn so eilig hin?“

„Zu David. Lange Story“, wollte ich sie abwimmeln, doch sie hielt mich noch kurz auf.

„Dann gib mir April und Max. Ich kümmere mich um sie. Geh du zu deinem David“, sie nahm mir die Hundeleine aus der Hand.

„Du bist die Beste, Oma“, ich drückte ihr einen Kuss auf die Wange. Dann lief ich los. Ich fand meinen Freund schließlich bei Lupita in der Box. „David?“, fragte ich leise.

„Lotte“, schnell wischte er sich mit einer Hand über die Augen und ich vermutete sofort, dass er geweint hatte. Es war eine völlig neue Erfahrung für mich, ich so zu erleben. Ich fühlte mich unwohl, weil ich nicht genau wusste, wie ich nun reagieren sollte.

„Darf ich zu dir kommen?“, wollte ich vorsichtig wissen.

„Klar“, er schniefte und rackerte sich zu einem Grinsen ab.

„Es tut mir so leid für dich“, ich kam auf ihn zu und dann umarmten wir uns schweigend.

Eine ganze Weile sagte niemand was, dann vergrub David seinen Kopf an meiner Schulter und flüsterte: „Du darfst das nicht falsch verstehen, Lotte. Ich liebe dich wirklich über alles, aber da kam jetzt alles wieder hoch, all die Schmerzen, die ich hatte, als ich diesen Brief gelesen habe. Mir ist Kamilla egal, aber zu wissen, dass sie mich bis hierher verfolgt, überfordert mich gerade total“, versuchte er, sich zu erklären.

„Ich mach dir keine Vorwürfe, David“, ich nahm sein Gesicht in meine Hände. „Ich weiß ja, dass ich dir vertrauen kann. Und vergiss nie, dass ich dich auch über alles liebe!“

„Du bist süß.“ Er küsste mich und dann schienen wir die Gedanken zu vergessen. Doch als er sich von mir löste, waren sie wieder da.

„Wollen wir vielleicht zurückgehen? Es gilt doch gleich noch, das Büffet zu plündern“, ich zwinkerte ihm aufmunternd zu.

„Na, gut. Ich muss der Wahrheit immerhin ins Auge sehen“, er nahm mich in den Arm, dann liefen wir händchenhaltend los Richtung Reitplatz. Auf dem Weg trafen wir auf Oma, die mir den Kinderwagen mit Max und die Hundeleine mit April wieder überreichte.

„Charlotte, da bist du ja. Ich hab mir schon Sorgen gemacht, als ich dich nicht mehr gefunden habe“, Mama nahm mich in den Arm und ich ließ es zu. Inzwischen kam ich damit besser klar als früher.