Anja und das Reitinternat - Auf gut Glück

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Anja und das Reitinternat - Auf gut Glück
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Anja und das Reitinternat - Auf gut Glück




Titelblatt




Die Autorin




Prolog




Hiobsbotschaft




Déjà-Vu




Wunder Punkt




Feuer und Flamme




Träume




Herzschmerz



10 


Geduldsfaden



11 


Auf gut Glück



12 


Nikolaus



13 


Keinen Sinn mehr



14 


Zwischen Freude und Trauer



15 


Maya und das Krippenspiel



16 


Im Gegenteil



17 


Blieb fehlend



18 


Gute Miene zu bösem Spiel



19 


Arschtritt



20 


Epilog



21 


Impressum









Anja und das Reitinternat - Auf gut Glück





Feli Fritsch












Für Till








Die Autorin



Die Autorin

Feli Fritsch

 wurde im Sommer 1997 in Darmstadt geboren und wuchs in der Nähe von Frankfurt/Main auf, bis sie 2016 nach dem Abitur nach Mainz zog, um dort Buch- und Erziehungswissenschaft an der Johannes Gutenberg-Universität zu studieren.



Schon als Kind begann Feli, Ideen festzuhalten und kleine Geschichten zu schreiben, die mit den Jahren immer länger wurden. Es entstanden Stück für Stück erste Romane.



Thematisch befassen sich die meisten ihrer Bücher mit Pferden, denn sie hat ihre Liebe zum Reiten bereits vor der Grundschule entdeckt. Aber auch das Segeln und eine eigene Segeljolle begleiten und inspirieren Feli seit 2013 zu neuen Büchern.



Seit 2016 veröffentlicht sie als Self-Publisherin bei epubli aus Berlin Jugendbücher unter einem anderen Namen.




Ihr erstes Buch als Feli Fritsch war der erste Band dieser Jugendbuchreihe:



Anja und das Reitinternat - Himmel und Hölle



Print-ISBN: 978-3-7450-2479-1



eBook-ISBN: 978-3-7450-3721-0




Weitere Infos zur Autorin und ihren Büchern gibt es im Internet unter www.feli-fritsch.de.tl







Prolog



„Bein ran, Anja! Parade, Parade, Druck übers Kreuz … und drüber!“ Steffan Klein, Anjas Vater, stand in einer dickeren Jacke in der Mitte der Reithalle und gab seiner Tochter Anweisungen, die auf seinem Nachwuchspferd Sky saß und ihn auf das Turnier vorbereitete, das in einer Woche in Nordrhein-Westfalen zu reiten geplant war. Es war eine Geländepferde-A und Anja und ihr Vater versuchten, den fünfjährigen Hengst auf Kondition zu trainieren.



„Manchmal macht er vorm Absprung noch einen Galoppwechsel, aber das ist total unpraktisch“, rief Anja ihrem Vater zu, während sie eine Galoppvolte ritt und Sky so besser wieder zurück an die Hilfen brachte. Draußen war es kalt geworden und der junge Hengst wurde in der aufkommenden Kälte des Herbstes spritzig und feurig. Außerdem wurde er pubertär, wie Anja zu sagen pflegte, und machte von Tag zu Tag mehr Faxen. Anja hatte mit ihm zu kämpfen und ihr wurde bewusst, dass Sky eine Menge Arbeit kosten würde. Aber er war ein Projekt der Familie Klein und Anja freute sich über das Vertrauen, das ihre Eltern in sie steckten; sie hätten ja auch ihren großen Bruder Cedric fragen können, aber der wollte erstens nicht und hatte zweitens mit seinem Pferd Spirit’s Best und dem Training für die Vielseitigkeitsmeisterschaften genug um die Ohren. Außerdem besuchte er jetzt die Qualifikationsphase zum Abitur.



„Dann versuch du herausfinden, welchen Galopp er bevorzugt und lass ihn vorher umspringen. Oder lenk ihn so sehr ab, dass er so springt“, erklärte Steffan und Anja nickte.



Als sie das nächste Mal an den Sprung heranritt, wechselte sie früh genug über eine Hilfe den Galopp, sodass Sky nicht aus dem Rhythmus fiel. Es klappte besser. Aber woher sollte sie früh genug erkennen, welchen Galopp er bevorzugte?



„Ich hoffe, dass er sich im Gelände ein bisschen besser drauf einlässt als jetzt im Parcours“, sagte Anja außer Atem und klopfte Skys Hals, während der Hengst sich bei den länger werdenden Zügeln etwas mehr zu strecken begann.



„Wenn du im Gelände das Gefühl hast, dass er sich auch schlecht für einen Galopp entscheiden kann, dann reite du mehr Kurven und bestimme dadurch den Galopp. Am Anfang kommt es ja nur zweitrangig auf die Zeit an“, versuchte Steffan, seine Tochter zu beruhigen.



„Das ist eine gute Idee“, fand auch Anja und parierte Sky durch zum Trab. Der junge Hengst streckte sich unter seiner Reiterin und schnaubte zufrieden ab.



„Anja, hier bist du!“ Amelie, Anjas beste Freundin, tauchte am Halleneingang auf. Sie strahlte ihr entgegen.



„Du hast mich gesucht? Du wusstest doch, dass ich mit Sky heute das letzte Hallentraining gemacht habe“, erwiderte Anja erstaunt und ließ Sky im Schritt ein paar Runden um die Hindernisse drehen. Er spitzte die Ohren, drehte sie aber wieder in Anjas Richtung, als sie weitersprach. „Ich reite noch eben ab, dann hab ich Zeit.“



„Prima. Ich warte solange“, Amelie blieb an der Bande stehen, während Anja abritt.



Nach zehn Minuten stieg Anja ab und führte Sky zurück in den Stall. Amelie lief neben ihr her. Sie redete und redete und das Wort

Sebastian

 fiel dabei bestimmt hundert Mal. Sebastian war seit neustem Amelies Freund und noch waren die beiden glücklich zusammen. Auch machte Amelie – nicht so wie früher – keinen Eindruck, ihn schnell wieder loswerden zu wollen. Es beruhigte Anja und bestätigte ihren Verdacht, dass sich Amelie das erste Mal in ihrem Leben so wirklich verliebt hatte. Amelies Schwärmereien über ihren Freund untermauerten das nur zusätzlich. Denn früher war Amelie ein Teufel in Form eines Engels gewesen, hatte eine Beziehungsliste gehabt, die länger war als die Liste der Donnerhallnachkommen. Mit keinem war sie länger als drei Wochen zusammen geblieben. Vor den Herbstferien war sie für kurze Zeit mit Julian aus Cedrics Jahrgangsstufe gegangen, hatte ihn aber mit ihrem Reitpartner und Ex-Freund Hendrik betrogen, Julian hatte sie bei Knutschen erwischt und seitdem hatte Amelie nicht nur Hendrik, der sauer auf sie war, sondern auch Julian, der überall herumerzählte, was für eine miese Kuh Amelie war, gegen sich. Zunächst hatte auch Sebastian sie ziemlich hart abgeblockt, doch Amelie hatte sich vom einen auf den anderen Tag postwendend geändert und Sebastian hatte ihr eine Chance gegeben. Amelie schien diese Chance zu nutzen, denn jetzt erzählte sie Anja brennend heiße News:



„Ich habe mir die Pille verschreiben lassen“, Amelie grinste ihre beste Freundin an.



„Bitte?“ Anja glaubte, sich verhört zu haben. Was hatte Amelie vor?



„Ich war bei der Frauenärztin und habe mir das Rezept für die Pille geholt. In zwei Wochen kann ich anfangen“, sagte Amelie etwas ruhiger, aber Anja runzelte trotzdem nur die Stirn.



„Aber ihr seid doch grade mal seit ein paar Wochen zusammen und außerdem bist du noch fünfzehn“, wandte Anja ein.



„Ich habe ja nicht gesagt, dass ich sofort von der Pille Gebrauch machen will“, Amelie verdrehte die Augen. „Ich will sie nur vorsichtshalber schon mal nehmen und außerdem werde ich im nächsten Juni auch sechzehn.“



„Lasst euch Zeit und bitte setz Sebi nicht unter Druck. Ich glaube nicht, dass ihm das gefallen wird“, erwiderte Anja.



„Mach ich schon nicht.“ Amelie grinste und begleitete Anja dann in den Stall, wo diese Sky absattelte und für die Abendfütterung fertig machte. „Und bei dir und Phil?“, wollte Amelie dann wissen.



„Was soll da sein? Ich muss mir über so Sachen wie die Pille keine Gedanken machen, denn mein Freund wohnt nicht wie deiner bei mir auf dem Internat“, entgegnete Anja schroff.



„Ach, Anja“, Amelie hatte die Niedergeschlagenheit ihrer besten Freundin sofort bemerkt. „Es tut mir so leid, dass du und Phil immer noch mit diesem Umstand zu kämpfen habt. Ich frage mich sowieso, warum seine Eltern nach über einem Jahr Beziehung immer noch nicht verstanden haben, dass ihr euch ernsthaft liebt“, sie verzog verständnislos das Gesicht.



„Es geht ihnen ja auch nicht um die Ernsthaftigkeit unserer Liebe, sondern darum, dass Phils Schulleistungen unter meinem Einfluss schlechter werden könnten. Und sie wollen ihn und Baltic lieber in einem Stall in der Nähe bei einem

guten

 Trainer wissen“, Anja schnaubte.



„Das heißt doch im Grunde nichts anderes, als dass sie das Reitinternat als niveaulos ansehen?“ Amelie erschrak. „Was für eingebildete Eltern sind denn das?“

 



„Sie sind nicht eingebildet, nur etwas zu … reich. Und zu verwöhnt. Sie haben Phil nicht umsonst ein so gutes Pferd gekauft“, warf Anja ein.



„Trotzdem. Auch hier auf dem Internat wird man richtig trainiert. Schau dir deinen Bruder an! Der ist talentiert und das Talent wird sogar bis zur Deutschen Meisterschaft gefördert“, regte sich Amelie auf.



„Er ist ja auch mein Bruder, der Sohn vom Chef. Phils Eltern haben für alles eine Ausrede. Und ich möchte da ehrlich gesagt auch nicht weiter drüber diskutieren. Solange Phil nicht sagt

Hey, Anja, ich hab keine Lust mehr auf die Fernbeziehung. Wir werden jetzt zusehen, dass ich zu dir ziehe

 , mach ich gar nichts mehr!“ Mit den Worten schlug Anja den Spind ihres Pferdes zu und ließ eine verdutzte Amelie zurück.





Draußen war es bitterkalt. Anja fror und spürte ihre Finger nicht mehr, die zwar in dicken Handschuhen steckten, aber eben auch Skys Zügel festhalten mussten. Am liebsten hätte sie den Start zurückgezogen, als sie sich auf den Weg vom Abreiteplatz zur Startbox machte, aber ihr Vater Steffan redete ihr gut zu und gab ihr die letzten Tipps.



Warum muss es ausgerechnet heute so bitterkalt werden?

 , fragte sich Anja, als das grüne Licht den Start freigab und sie Sky treibende Hilfen gab. Der Schimmelhengst gab mächtig Gas und wirbelte Anjas negative Gedanken davon. Sie musste sich jetzt konzentrieren, um ihr Pferd sicher durch die Geländepferdeprüfung der Klasse A zu bringen, deren Endergebnis über Skys weiteres Training entschied. Sie hatten zwar im A-Gelände des Willkommensturniers eine 8,7 abgestaubt und für Anja war damit bereits klar, dass sie in den nächsten Wochen mit L anfangen konnten, aber ihr Vater wollte dennoch noch mal Skys Leistung unter Beweis stellen.



Anja nahm Sky ein wenig zurück, als sie den breiten Oxer anritten. Der Hengst zog mächtig an, gab Gals, als Anja in den Zügeln nachgab und setzte darüber hinweg. Dahinter ging es einen kleinen Hügel hinauf und nach einem kleinen Sprung wieder herunter. In einem großen Bogen galoppierten sie über die Wiese, nahmen drei Hindernisse mit und machten sich dann auf den Weg ins Wasser. Sky spitzte die Ohren und fixierte mit den Augen den Aufsprung. Mit einem großen Satz ließen sie das Wasser hinter sich und Anja ließ ihm die Zügel länger, damit er sich auf der Distanz zum nächsten Hindernis gut strecken konnte. Den letzten Sprung, ein blaues Dach, nahmen sie fehlerfrei und schlossen den Parcours damit in der neuen Bestzeit ab. Anja klopfte zufrieden Skys Hals und ließ ihn zum Abreiteplatz traben.



„Das sah gut aus“, lobte Anjas Mutter Friederike.



„Danke“, Anja war erleichtert, dass sie sich nicht die Finger abgefroren hatte, und ließ Sky die Zügel länger.



„Für die Startnummer 453 Sky von Skyline aus einer Frisko-Mutter ergibt sich in dieser Prüfung eine Endnote von 8,5. Herzlichen Glückwunsch auch an die junge Reiterin“, wurde verkündet.



„Hey, das war auch ein Kompliment an dich“, grinste Cedric, Anjas Bruder, der an den zwei Tagen Turnier mit seinem Pferd eine Kader-Sichtung ritt.



„Du bist toll geritten, meine Kleine“, sagte auch Steffan, als er Anja liebevoll und stolz umarmte und sie dann zum Abreiteplatz begleitete.



„So klein bin ich doch gar nicht mehr“, lächelte Anja und ihr Vater nickte.



„Da hast du recht. Du bist mittlerweile auch meine Große geworden. Du hast Talent, Anja! Ich bin wirklich sehr stolz auf dich!“ Er lächelte ihr väterlich zu und Anja freute sich über seine Worte, dann ritt sie Sky ab, bis die Siegerehrung begann. Mit seiner Wertnote hatten sie – wenn auch ein wenig überraschend – gewonnen und so führten sie die Ehrenrunde an. Anja winkte zum Publikum, das begeistert applaudierte, während ein Sommerlied des Jahres 1985 aus den Lautsprechern dröhnte.



„Lasst uns Sky zurück in die Box bringen und Cedric beim Fertigmachen helfen. Seine erste Prüfung beginnt in zwei Stunden mit der Dressur.“ Steffan Klein hatte mal wieder alles im Griff und so machten sich die vier samt Pferd auf den Weg zu den Boxen, in denen Sky und auch Cedrics Pferd Spirit’s Best für zwei Tage untergebracht waren.



Für Anjas Bruder war heute ein wichtiger Tag. Er war aufgrund seiner vielen Erfolge in der letzten Saison inklusive des deutschen Jugendmeister-Titels zu einer Kadersichtung eingeladen worden und die fand an diesen zwei Turniertagen statt. Reiten musste Cedric eine CIC*, also eine Vielseitigkeit auf L-Niveau, was für ihn wirklich keine Herausforderung mehr war, denn in der Schule ritt er bereits auf einem guten S-Niveau. Dennoch war er aufgeregt, das konnte Anja ihm ansehen, als er Spirit für die Dressur fertig machte.



„Du machst das ganz bestimmt total super“, versuchte Anja, ihren Bruder etwas aufzulockern.



Cedric grinste schief. „Selbst wenn ich nicht in den Kader berufen werde, kann ich mich immer noch zur Deutschen Jugendmeisterschaft nächsten Sommer qualifizieren“, er nickte Anja zu. Für ihn war es wichtig, seinen Titel zu verteidigen. Im letzten Sommer war er wie Phoenix aus der Asche aufgetaucht und hatte alle anderen Vielseitigkeitsreiter ziemlich dumm aussehen lassen, denn er hatte drei wirklich gute Prüfungen abgelegt und haushoch gewonnen. Seinen Namen kannten alle in der Vielseitigkeitsszene. Dass er sich das nicht mehr abjagen lassen wollte, war klar.



„Ich drück dir die Daumen“, sagte Anja lächelnd und schnappte sich einen Eimer, um Sky frisches Wasser zu holen. Für sie war das Wochenende hier ein Ausflug in eine frühere Sparte. Anja selbst ritt mit ihrem eigenen Pferd, dem Pony-Wallach Boreo, in der Schule auf einem anfänglichen M-Niveau und war eine begnadete Springreiterin. An der Dressur fand sie wenig und das Geländereiten war ihr in mancher Hinsicht ein wenig zu actionreich. Aus diesem Grund versuchte sie, die Trainingszeit mit Sky in den unteren Klassen zu genießen, und hegte klammheimlich den Plan, sich mit Boreo, mit dem sie seit dem letzten Sommer nicht mehr auf Auswärts-Turnieren unterwegs gewesen war, zu den Deutschen Ponyjugendmeisterschaften im Springreiten zu qualifizieren. Das wäre ein geeigneter Abschluss, denn für Boreo würde der kommende Sommer das Ende seiner Karriere bedeuten: Er war bereits fünfzehn Jahre alt, hatte viele Titel gewonnen und Anja wollte ihn nicht einer Ausbildung über M hinaus unterziehen. Stattdessen wollte sie ihn nur noch als Freizeitpony reiten oder mit ihm in kleineren Klassen starten. Ihre Eltern wussten wie Anja, dass sie danach ein neues Pferd bräuchte. Auch dass Sky bis dahin nicht auf einem sicheren S-Niveau unterwegs war, musste ihnen klar sein.



Anja verdrängte den Gedanken, als sie ihren Eltern und ihrem Bruder zum Abreiteplatz folgte. Jetzt wollte sie die Zeit, die sie noch mit Boreo hatte, genießen und nicht schon darüber nachdenken, was kommen würde, sollte er nicht mehr ihr täglicher Schulbegleiter sein. Eines war ihr jedoch klar: Sie hätte niemanden mehr – weder Phil noch Boreo. Beide würden sie alleine lassen …





Cedric schlug sich ziemlich gut. In der Dressur hatte er mit einem ziemlich guten Ergebnis vorgelegt und sich eine gute Startposition fürs Springen ergattert. Und auch dort lief es gut. Cedric hatte nicht zu viel versprochen, seine Leistungen waren gut. Mit einer Startposition an drittletzter Stelle für das Gelände schloss er am Donnerstag die Prüfungen ab.



„Wir sind wirklich sehr stolz auf euch zwei Großen“, sagte Friederike Klein beim Abendessen, zu dem Steffan seine Familie eingeladen hatte.



„Ihr seid beide richtig gut geritten und habt keine Schande über das Reitinternat und die Familie Klein gebracht“, stimmte Steffan seiner Frau zu.



„Darf ich mich mit Boreo bei ein paar Ponyturnieren melden?“, fragte Anja vorsichtig nach, als längst ein anderes Thema eingeschlagen worden war und sie die Vorspeise längst verputzt hatten.



„Klar. Hast du etwas Bestimmtes vor?“ Etwas erstaunt schaute Steffan Klein seine Tochter an.



„Ich möchte mit Boreo eine letzte wirklich gute Saison haben und die gerne mit den Jugendmeisterschaften der Ponyreiter abschließen. Dafür muss ich mich aber in meinem Landesverband qualifizieren und wenn ich nie ein Turnier mit ihm reite, dann wird das wohl eher nichts“, erklärte sie ihren Plan und ihre Eltern sagten einen Augenblick lang gar nichts.



„Bist du sicher, dass du das machen willst?“, wollte Friederike besorgt wissen. „Du weißt, dass das sehr viel Arbeit und Training bedeutet – nicht nur für Boreo, sondern auch für dich.“



„Ja, das ist mir bewusst“, erwiderte Anja. „Aber ich sehe es als Abschluss. Wir wissen alle, dass es Boreos letzte Saison sein wird, jedenfalls in der Schule. Und ich möchte ihm die Chance geben, nach seinen Erfolgen in Baden-Württemberg noch mal mit mir ein bisschen Karriere zu machen. Außerdem ist es auch meine letzte Chance, im nächsten Jahr kann ich nicht mehr in der U16 reiten.“



„Das verstehen wir. Und wir wollen dich natürlich darin unterstützen“, Anjas Mutter nahm ihre Hand und drückte sie leicht. „Wir haben euch lieb“, sagte sie dann zu Anja und Cedric und ihre Kinder warfen ihr einen lieblichen Blick zu.





Hiobsbotschaft



„Und???“ Amelie platzte fast vor Neugier, als ich aus dem Pferde-LKW kletterte. Es war ein später Freitagabend, der Schulalltag auf dem Internat war bereits schlafen gegangen, während sich die älteren Schüler ins Dorf oder in den Partykeller auf dem Internat verzogen.



„Was und?“, spannte ich meine beste Freundin grinsend auf die Folter, als ich die Rampe des LKW öffnete und mir die kalten Finger rieb.



„Wie ist das Turnier gelaufen? War Sky brav? Und hat es dein Bruder in den Kader geschafft?“ Amelie hibbelte strahlend über den dunklen Hof, im Scheinwerferlicht konnte ich ihre Atemwolken sehen.



„Sky hat mit 8,5 gewonnen“, begann ich und kam auch nicht weiter, weil mir Amelie um den Hals fiel.



„Ich wusste es! Ihr seid einfach die Besten. Herzlichen Glückwunsch, Anja!“ Sie grinste mich an. Ihre treuen blauen Augen strahlten.



„Danke“, erwiderte und führte Sky vom LKW. „Und Cedric hat es auch geschafft. Er ist zweiter in der Sichtung geworden und hat im Gelände echt noch mal alles gegeben. Du hättest seinen Ritt sehen müssen. Die besten zehn der fünfzig Starter sind auf jeden Fall in den Kader berufen worden und er gehört auch dazu. Und als vollwertiges Mitglied des C-Kaders der U18-Reiter darf er bei den Deutschen Jugendvielseitigkeitsmeisterschaften teilnehmen.“ Ich grinste Amelie stolz an und übergab ihr Sky, damit ich Spirit vom Hänger holen konnte. Cedric war nämlich auf der Rückfahrt bereits eingeschlafen und bis jetzt auch nicht wieder aufgewacht. Ich hatte Mama und Papa vorgeschlagen, mich auch um Spirit zu kümmern.



„Wow. Dann muss ich ihm ja gratulieren … sobald er wieder wach ist“, sagte Amelie bei einem Blick ins Führerhaus unseres LKW.



„Ja, solange solltest du warten“, ich lachte, dann machte ich ihr klar, mir in den Stall zu folgen. Wir brachten Sky und Spirit in ihre Boxen und nahmen ihnen Decken und Transportgamaschen ab. Wir deckten sie um und gaben ihnen ein verspätetes Abendessen. Boreo protestierte in seiner Box.



„Dein Dickerchen will auch was haben“, bemerkte Amelie und strich Boreo kurz über die weiche Nase. Der Wallach hoffte schon auf eine Möhre.



„Der kriegt aber nichts, sonst wird er mir zu dick. Und ich habe keine Lust, das im Frühjahr alles wieder abzutrainieren und mich dann am Ende total zu blamieren“, ich drückte Boreo einen Kuss zwischen die Nüstern, dann verließen wir den Stall.



„Blamieren? Vor Maya? Ich dachte, das sei vorbei“, stellte Amelie erstaunt fest. Damit meinte sie die dämlichen Sabotage-Attacken, die die Fünftklässlerin Maya nach den Sommerferien auf mich und teilweise auch auf meine Freunde ausgeübt hatte. Und das alles nur, weil sie Boreo vor zig Jahren mal hatte reiten wollen, als er noch bei seiner Vorbesitzerin gewesen war. Als sie beim Willkommensturnier selbst sabotiert worden war, hatten Olli und Celina endlich alles aufdecken können.



„Quatsch, das mit Maya ist abgehakt. Ich … ich habe mir ein großes Ziel für Boreo und mich gesetzt: Wir wollen zu den Pony-Jugendmeisterschaften der deutschen Springreiter“, erklärte ich ihr und hielt Amelie eine Hand auf den Mund, bevor sie loskreischen konnte.



„Wirklich?“, murmelte sie deshalb an meiner Hand.



„Ja. Als Abschluss sozusagen“, nickte ich.



„Also steht seine Internatsrente fest?“ Amelie wirkte ein wenig traurig.

 



„Für mich ja. Und für meine Eltern eigentlich auch. Ist doch logisch, dass Boreo ab nächstem Schuljahr Schwierigkeiten bekommen wird und der Jüngste ist er auch nicht mehr“, ich seufzte. „Meinen Eltern muss damals schon bei seinem Kauf klargewesen sein, dass sich irgendwann etwas ändern muss.“



„Und haben sie auch schon gesagt, wie es dann weitergeht? Du brauchst ein neues Pferd“, fragte Amelie neugierig nach. Mittlerweile hatten wir das Privathaus erreicht, blieben aber noch im schwachen Licht der Lampe an der Hauswand stehen, an der sich die letzten müden Motten des Herbstes im Licht sammelten.



„Nein, haben sie nicht. Ich weiß überhaupt nicht, ob sie überhaupt schon eine Idee haben. Wenn du mich fragst, kam das jetzt alles schneller, als sie dachten, und jetzt sind sie ein kleinwenig überfordert mit der Situation“ erwiderte ich Schulter zuckend und gähnte in die Dunkelheit hinein.



„Mmm, das ist natürlich nicht gut. Aber weißt du was? Wir gehen jetzt schlafen. Morgen ist auch noch ein Tag“, Amelie nahm mich in den Arm.



„Das ist eine gute Idee“, fand ich. „Gute Nacht, Amelie!“



„Gute Nacht, Anja. Schlaf gut!“ Damit war sie in der Dunkelheit verschwunden.





So gut wie Amelie es für uns prophezeit hatte, wurde es dann doch nicht. Ich kämpfte mit meiner Ungewissheit und damit, dass ich Phil vermisste, und meine beste Freundin bekam am Dienstag nach der Schule einen Besuch von meiner Mutter, die ihr die Hiobsbotschaft überbringen musste. Ich selbst hatte von nichts gewusst und fiel ebenfalls aus allen Wolken, als Mama das sagte, womit keiner gerechnet hatte:



„Amelie, setz dich besser“, sagte Mama und ich starrte sie erstaunt an. Amelie hatte darauf bestanden, dass ich bei ihr blieb, sodass ich mich auf Celinas Schreibtischstuhl setzte. Celina war mit ihrem Reitpartner Timo auf dem Reitplatz.



„Was ist denn los?“ Unsicher blickte Amelie von Mama zu mir und zurück, als ich ratlos die Schultern gezuckt hatte.



Mama antwortete seufzend. „Ich komme am besten gleich auf den Punkt: Wir haben eine Kaufanfrage für Starbux bekommen. Das Ehepaar hat dich und ihn beim Willkommensturnier gesehen und war begeistert davon, wie er läuft. Sie wollen ihn für ihre Tochter kaufen.“ Damit war es raus. Starbux sollte verkauft werden?



„Aber … er ist doch schon seit der fünften Klasse Amelies Reitbeteiligung“, mischte ich mich entsetzt ein.



„Es kommt eher selten vor, dass wir Anfragen auf den Kauf eines unserer Schulpferde bekommen, aber Starbux ist tatsächlich gut und wir sind uns sicher, dass er es bei seiner neuen Besitzerin sehr gut hätte.“ Sagte Mama das gerade allen Ernstes? Konnte sie sich denn nicht vorstellen, wie sehr es Amelie verletzten würde.



Diese nickte nur und unterdrückte die Tränen mit einem Schniefen. „Ist okay. Es geht eben ums Geschäft“, sagte sie bitter. Dass sie damit auch meine Eltern kritisierte, schien nur ich zu bemerken. Aber ich musste ihr rechtgeben. Wieso verkauften meine Eltern diesem Ehepaar denn nicht ein anderes Pferd? Eines, das genauso gut passte, aber eben niemandem ans Herz gewachsen war. Das Leben war unfair!



„Amelie, alles wird sich regeln. Ganz sicher“, sagte Mama und strich ihr über die Schulter. Amelie zuckte zusammen und rückte ein Stückchen weg.



„Ab wann wird er denn dann weg sein? Kann Amelie denn noch das Schuljahr zu Ende machen oder ist er bereits zum Halbjahr weg?“, fragte ich nach, weil ich wusste, dass Amelie später viele Fragen quälen würden und ich dann für sie da sein wollte.



„Das steht noch nicht fest. Wir müssen jetzt erst mal abklären, wie das genau läuft, einen Kaufpreis aushandeln und einen Vertrag aufsetzen. Und dann wird sich auch herausstellen, wann Starbux in den Besitz der Familie übergeht“, erklärte Mama uns, aber ich merkte, dass Amelie mit ihren Gedanken bereits ganz woanders war.



„Okay“, sagte ich deshalb und stand auf. „Am besten gehst du jetzt“, zischte ich Mama mit einem Nicken in Amelies Richtung zu und sie nickte.



„Es tut mir leid“, flüsterte sie mir zu, dann zog sie hinter sich die Tür zu. Amelie brach in Tränen aus und ich stürzte auf meine beste Freundin zu, die laut nach Luft schnappte.



„Was soll denn das?“, heulte sie. „Wieso bin ich mit ihm bloß bei der blöden Prüfung geritten?“



„Weil du das kannst und weil keiner von uns ahnen konnte, dass potenzielle Käufer zuschauen. Gib dir keine Schuld, Amelie. Du kannst rein gar nichts dafür“, versuchte ich, sie wieder aufzumuntern, damit sie nicht in ihren Tränen ertrank.



„Ich bin einfach zu schlecht. Wäre ich besser, hätten deine Eltern zugesehen, dass ich auf meinem Pferd weiterreiten kann. Stattdessen verkaufen sie ihn und ich muss mich bis zum Abitur an ein neues Pferd gewöhnen“, schluchzte sie.



„Aber was sagst du denn da? Du bist eine fabelhafte Reiterin, Amelie! Egal was in meine Eltern gefahren ist, an dir liegt es garantiert nicht“, sagte ich entschlossen.



„Meinst du echt?“ Amelie blickte aus tränenverschmierten Augen hoch.



„Aber klar!“, erwiderte ich. „Darin besteht kein Zweifel!“



„Danke, Anja. Du bist wirklich eine gute beste Freundin!“ Amelie wischte sich die Tränen weg. Anscheinend hatte sie den ersten Schock verdaut. Realisieren würde sie es erst nachher, wenn sie mit ihren Gedanken alleine war.



„Bin ich gerne“, erwiderte ich und lächelte ihr aufmunternd zu. So traurig, wie Amelie jetzt war, hatte ich sie lange nicht mehr gesehen. Nicht mal Sebastians anfängliche Abneigung ihr gegenüber hatte sie so verletzt wie die Tatsache, dass ihr geliebtes Pferd demnächst nicht mehr dem Internat gehörte.



Beim Abendessen im Anschluss gab es deshalb natürlich auch kein anderes Thema in unserer Fünfer-Clique. Sebastian hatte die ganze Zeit einen Arm um Amelies Schulter gelegt und sie saß schniefend an ihn gelehnt.



„Du solltest mal etwas essen“, fand Sebastian und bot ihr etwas von seinem Salat an. Amelie liebte Salat und wenn sie ihn ablehnte, so wie jetzt, dann ging es ihr wirklich schlecht.



„Hab aber keinen Hunger“, Amelie drehte den Kopf weg, als Sebi die Gabel zu ihrem Mund hob.



„Och, Amelie“, sagte er und versuchte, sie anzusehen. „Du weißt, dass du Energie brauchst. Wer so viel weint, der braucht ’ne Menge Nachschub“, er tippte mit dem Zeigefinger an ihre Nase und ich sah den beiden zu. Es war herzzerreißend, wie liebevoll er sich um seine Freundin kümmerte.



„Trotzdem“, erwiderte Amelie trotzig.



„Tu’s für Starbux. Glaubst du, er würde dich so leiden sehen wollen, wenn er wüsste, was los ist?“, startete Sebi einen erneuten Versuch.



„Er würde genauso nichts mehr essen wie ich.“ Amelie verschränkte die Arme. Ihr Blick ging ins Leere.



„Dann seid ihr beide blöd. Trotzfasten ist nämlich der falsche Weg.“ Sebastian legte die Gabel zur Seite und löste seinen Arm um Amelie, sodass sie realisierte, dass seine Geduld am Ende war.



„Na gut, gib schon her“, sie zog sich Sebastians Salatschüssel heran und piekte mit der Gabel hinein. Etwas lustlos aß sie, aber immerhin ließ sie das Abendessen nicht gleich ganz ausfallen. Sebastian dachte wohl dasselbe, denn er lächelte.




Auch wenn Amelie das zunächst nicht wahrhaben wollte, das Leben ging weiter. Nach den acht Stunden, die wir am Mittwoch gehabt hatten, trafen Olli und ich uns zur Präsentations-Probe für unseren Vortrag, der übernächste Woche Premiere hatte. Wir hatten unseren Text in der Woche nach den Herbstferien geschrieben und auch schon eingeteilt, unsere Reitpräsentation war ebenfalls schon fertig und musste nur noch geprobt werden.



„Ich bin mir ehrlich gesagt gar nicht mehr so sicher, ob das, was wir hier haben, so gut ist“, ich kratzte mich nachdenklich am Kopf.



„Anja, wir haben auf unseren Aufsatz eine glatte eins bekommen. Und da wir mit derselben Strategie vorgegangen sind, kann unser Vortrag jetzt nicht sooo viel schlechter sein. Konzentrier dich jetzt mal“, erwiderte Oliver, der mit einem Zettel in der Hand dastand und versuchte, seinen Text vorzutragen, während ich daneben stand.



„Ist ja gut“, sagte ich besänftigend und stellte mich ein paar Meter weiter weg, damit er in Ruhe seinen Text üben konnte.



Doch plötzlich unterbrach Oliver. „Wir hätten gleich