Damian - Falsche Hoffnung

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Aus der Reihe: Damian #1
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Damian - Falsche Hoffnung
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Madlen Schaffhauser

Damian - Falsche Hoffnung

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Zu diesem Buch

Widmung

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

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11.

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38.

39.

40.

41.

Danksagung

Über die Autorin

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2.

3.

Impressum neobooks

Zu diesem Buch

Ich hatte ein angenehmes Leben und eine schöne Zukunft vor Augen. Doch eines Tages kam alles ganz anders. Ich verlor meine Liebe, meine Heimat und mein Leben.

Nun in London versuche ich schliesslich einen Neuanfang zu starten, wo ich auf den geheimnisvollen Damian treffe. Obwohl ich mir geschworen habe mich nicht mehr auf einen Mann einzulassen, kann ich mich seinem Zauber einfach nicht entziehen. Er entfacht in mir eine ungekannte und zügellose Leidenschaft, die mich beinahe alles vergessen lässt. Doch ich sollte mich von ihm fernhalten. Dafür gibt es mehr als einen guten Grund: Meine Vergangenheit, seine Dämonen und die Tatsache, dass er mein Chef ist.

Band 1

Widmung

Für Dani, Marianne, Samuel, die mich mit ihrem Können grossartig unterstützen und damit wunderbares vollbringen.

1.

Ich sehe dem kleinen, runden Licht zu, wie es im Sekundentakt von einem Stockwerk zum nächsten wandert, nach oben auf die oberste Etage zurast und mich an mein Ziel bringt, während ich nervös meine Hände abwechselnd ineinander verschränke, um sie dann gleich wieder an meinem dunklen Kleid abzuwischen.

Allerdings ist es nicht das erste Mal, dass ich in diesem Lift stehe, aber damals fuhr ich nicht in den sechsundvierzigsten Stock, wo sich das Heiligtum von Mr. Meyer befindet und der mich in wenigen Minuten in seinem Büro erwartet.

Es ist noch nicht einmal eine Stunde her, seit mich seine Assistentin auf meinem Smartphone angerufen und mich hierher gebeten hat. Obwohl sie kein Wort darüber verloren hat, was ihr Boss mit mir besprechen möchte, habe ich einen ziemlich genauen Gedanken darüber, was dieses Treffen bedeuten soll. Schliesslich hatte ich schon vor wenigen Tagen in diesem Gebäude, einer der höchsten Wolkenkratzer Londons, ein Vorstellungsgespräch. Nur dass es dieses Mal ein Stockwerk weiter oben stattfindet, mit dem Gründer der Firma, der unter anderem Eigentümer dieses Hochhauses ist und der noch weitere Geschäfte und Immobilien besitzt. Was mich etwas beunruhigt. Warum möchte einer der namhaftesten Männer von ganz London seine Zeit für mich opfern?

Weiter komme ich in meiner Grübelei nicht, denn schon gleiten die Türen lautlos auseinander und ich trete in einen halbrunden, hellen Flur hinaus. Verunsichert sehe ich mich in diesem grossen Empfangssaal um, in dem es so sauber zu sein scheint, wie in einem Krankenhaus, aber keineswegs so kalt und kahl wirkt. Die Möbel aus wertvollem, rotbraunem Holz und die cremefarbigen Wände bilden einen wunderbaren Kontrast zueinander.

Eine Handvoll hohe, dunkle Türen gehen von diesem Raum ab, doch nur eine davon ist verschlossen. Jene, die sich am äussersten Rand des Halbkreises befindet und hinter der ich Mr. Meyer vermute.

Ausser einer älteren Dame, die hinter einer gebogenen Theke sitzt, sehe ich niemanden. Es herrscht eine angenehme Stille, die nur durch das Tippen auf eine Tastatur unterbrochen wird. Erst als sie ihren Kopf hebt und mich mit einem warmen Lächeln empfängt, fällt etwas von meiner Unsicherheit ab und gehe auf leisen Sohlen auf sie zu, um ja nicht diese angenehme Atmosphäre zu unterbrechen.

Die Frau am Empfang erhebt sich aus ihrem Stuhl und kommt hinter der Theke hervor. Sie ist makellos gekleidet und jedes einzelne ihrer Haare scheint an seinem rechtmässigen Ort zu sein. Ich fühle mich sofort wie eine kleine, graue Maus. Hätte ich mir vielleicht ein anschmiegsameres Kleid überziehen und meine wilden Haare zu einem Zopf flechten sollen? Vielleicht etwas Lidschatten und Kajal?

Als würde die Frau meinen skeptischen Blick richtig deuten, lächelt sie mich beruhigend an. „Sie müssen Miss Weber sein?“ Ihre Stimme klingt sanft, ja fast mütterlich. Ihr Englisch ist makellos. Anscheinend stammt sie aus dieser Gegend, wie mir ihr Akzent verrät.

„Ja genau.“ und strecke ihr zur Begrüssung meine Hand hin.

Sie lächelt mich höflich an. „Ich bin Rose Morgan. Mr. Meyers persönliche Assistentin.“ erwidert sie, als sie bemerkt, wie ich mit einem Seitenblick ihr Namensschild versuche zu entziffern.

„Dann haben wir vorhin miteinander gesprochen?“ frage ich sie unnötigerweise. Aber mir fällt im Moment keine passendere Konversation ein.

„Sie brauchen nicht nervös zu sein.“ Wieder ihr beruhigendes Lächeln.

„Das können Sie so einfach sagen. Schliesslich habe ich in wenigen Augenblicken einen Termin mit einem der mächtigsten Männer Londons.“

„Er ist auch nur ein Mensch. Nehmen Sie doch bitte einen Moment Platz.“ Mrs Morgan deutet auf eine Reihe dunkler Sessel an der gegenüberliegenden Wand. „Ich werde ihm mitteilen, dass Sie da sind.“ Ich wende mich den Sitzmöbeln zu und lasse mich in die weichen Polster fallen, während Mr. Meyers Assistentin an die verschlossene Tür klopft, um gleich darauf dahinter zu verschwinden.

 

Ich lege meine Handtasche und meine schwarze leichte Jacke, die ich soeben ausgezogen habe, auf die Beine und bearbeite mit fahrigen Fingern meine Nägel, um mich vor der nicht zu verstreichen wollenden Zeit abzulenken, die ich alleine in diesem Raum verbringe.

Schon nach wenigen Sekunden steht Mrs Morgan wieder hinter ihrer Theke und blickt mich auffordernd an. „Er empfängt Sie nun.“

Ich nehme meine Sachen und folge ihr durch die Tür, die nun nicht mehr verschlossen ist.

„Wollen Sie etwas zu trinken? Ein Kaffee? Wasser?“ fragt mich die Assistentin, bevor sie sich an den Mann hinter dem robusten Tisch wendet.

„Nein danke.“ flüstere ich beinahe.

„Damian, kann ich dir etwas bringen?“

Mir bleibt beinahe der Mund offen stehen, als sie ihn mit seinem Vornamen anspricht und dazu noch duzt.

„Ein Glas Wasser.“ erwidert er mit einer festen, tiefen und enormen sexy Stimme, die all meine Nackenhaare aufrichten lässt.

Unumwunden starrt er mich an, während er sich entspannt aus seinem Stuhl erhebt. Ich kann meinen Blick ebenfalls nicht von ihm abwenden, als er sich zu seiner ganzen Grösse erhebt. Er überragt mich um mindestens zwanzig Zentimeter. Ich werde gezwungen meinen Kopf in den Nacken zu legen, um weiterhin in seine Augen sehen zu können, die wie zwei kleine, braune Magnete sind, die einen fesseln wie ein unsichtbares Band.

„Miss Weber“ Er umrundet den grossen Tisch und streckt mir seine Hand zur Begrüssung entgegen. „Danke, dass Sie sich so kurzfristig Zeit für mich nehmen konnten.“

„Kein Problem.“ ist das Erste, was ich herausbringe, lege meine Hand in seine und hoffe, dass er das Zittern nicht bemerkt, das mein Körper erfasst hat.

Er strahlt eine natürliche Autorität aus und besitzt eine unglaubliche Selbstsicherheit, welche mir selbst in diesem Augenblick verloren gegangen zu sein scheint.

„Setzen Sie sich doch bitte.“ Er deutet auf den Stuhl neben mir, als er auf die andere Seite des Tisches zurückgeht.

Wie jemand der von etwas völlig in den Bann gezogen wurde, sehe ich ihm nach, wie er sich um das Möbelstück herumbewegt und wieder auf seinem Stuhl Platz nimmt.

Er sieht viel besser aus, als auf den Fotos, die ich von ihm gesehen habe. Sein olivgrünes Hemd und seine schwarze Flanellhose umschmeicheln seinen Körper wie eine zweite Haut, wodurch mir sein breiter, muskulöser Oberkörper und seine festen Beine nicht verborgen bleiben.

Ach du meine Güte, wo wandern nur meine Gedanken hin? Schockiert darüber sehe ich verlegen zu Boden und grabe meine Hände in die Jacke.

„Haben Sie gut hergefunden?“

„J...ja, ich....war ja schon mal hier.“ stottere ich herum. Hör auf, dich wie ein kleines Schulmädchen zu benehmen. Reiss dich zusammen. Herrgott nochmal! Tadle ich mich im Stillen.

„Natürlich. Bei Mr. Baker. Wie fanden Sie das Gespräch?“

„Ziemlich interessant und aufschlussreich.“

„Mein Buchhalter meinte, dass Sie zu qualifiziert seien für diesen Job. Was halten Sie von dieser Aussage?“

„Zu qualifiziert?“ frage ich zurück, statt ihm eine Antwort zu geben.

„Schliesslich waren Sie die Chefin der Buchhaltung in einem grossen Schweizerkonzern. Wir bieten Ihnen nur eine einfache Anstellung in der Kreditabteilung. Lange nicht so anspruchsvoll, wie Ihr letzter Job es war. Was gedenken Sie hier zu erreichen? Sie haben eine angesehene Stelle aufgegeben, um nach London zu kommen. Warum?“

Ich weiss nicht, was er mit seinen Fragen beabsichtigt, aber sie werden mir allmählich etwas unangenehm und unter seinem durchdringenden Blick zu persönlich. „Ich brauche einen Tapetenwechsel.“ höre ich mich sagen, bevor ich noch lange über seine Neugierde nachdenken kann. Wenn es denn überhaupt Neugierde ist oder eben nur ein berechtigtes Interesse gegenüber seiner Firma. Er fixiert mich mit seinen braunen Augen. „Es ist eine private Angelegenheit.“ bringe ich knapp hervor. Mehr braucht er nicht zu wissen.

„So.“ entgegnet er gedehnt und streift mit dem Zeigefinger über sein Kinn, während er mich immer noch abwartend ansieht. „Und wenn Sie genau aus diesem Grund diese Stelle nicht erhalten werden, was machen Sie dann?“

Ich versuche ruhig zu bleiben, auch wenn mir das äusserst schwer fällt. Meine anfängliche Nervosität ist wie verflogen. Niemand braucht meine privaten Beweggründe zu kennen. Schliesslich hat das nichts mit meiner Arbeit zu tun. Gelassen sehe ich ihm in die Augen. Hoffe zumindest, dass es den Eindruck macht, als würde es mich kalt lassen, wenn ich diese Stelle nicht erhalten werde. „Dann muss es so sein und ich werde mich nach einem anderen Job umsehen.“

„Glauben Sie, dass Sie an einem anderen Ort bessere Chancen haben, wenn Sie nicht Ihre wahren Gründe nennen?“

„Warum sind Sie vor zehn Jahren nach London ausgewandert und haben alles hinter sich gelassen?“ Noch bevor ich meine Worte zurücknehmen und überlegen kann, was ich soeben gesagt habe, sind sie schon über meine Lippen. Verlegen senke ich meinen Blick. Meine Finger sind krampfhaft ineinander verschlungen, die auf meinem Schoss liegen und bringe ein kaum hörbares „Es tut mir leid.“ hervor.

„Sie haben Mut.“ Obwohl seine Augen einen gefährlichen und ja sogar einen schmerzhaften Ausdruck angenommen haben, zieht er seinen linken Mundwinkel leicht nach oben, das ein schwaches Lächeln andeuten soll.

„Oder ein vorschnelles Mundwerk. Das war nicht meine Absicht. Entschuldigung. Ihre Vergangenheit, sowie Ihr ganzes Leben geht mich nichts an. Das wollte ich Ihnen klarmachen. Ich habe ein Privatleben wie jeder andere auch und das soll so bleiben.“

„Nur das ein Teil von meinem Leben nicht so Privat ist, wie es sein sollte. Aber Sie haben Ihre Aufgabe gemacht.“

„Ich möchte wissen, für wen und was ich arbeite.“

„Das ist Ihr gutes Recht, wie es auch mein Recht ist, über meine Mitarbeiter Bescheid zu wissen.“ Er senkt seinen Blick auf die Unterlagen, die vor ihm auf dem Tisch liegen. „Ihre Adresse ist in der Schweiz.“ Er hebt seinen Kopf und sieht mich wieder an. „Haben Sie vor nach London zu ziehen oder wie stellen Sie sich das vor?“

„Ich wollte mich zuerst beruflich absichern, bevor ich meine Papiere umschreiben lasse und alles was sonst noch notwendig ist, um in ein anderes Land zu ziehen.“

Er bewegt leicht seinen Kopf auf und ab ohne seine Augen von mir zu wenden. „Ich habe mit Ihrem ehemaligen Chef telefoniert.“

Abwartend sehe ich ihn an.

„Er hat nur in den höchsten Tönen von Ihnen gesprochen. Ausserdem begreift er immer noch nicht, warum Sie Ihren Job an den Nagel gehängt haben.“

Ich nicke nur. Es stimmt mich traurig, wenn ich an meinen früheren Arbeitgeber denken muss. Philipp war ein fairer und toleranter Chef. Ich habe meine Arbeit geliebt. Mein Team war fast mehr wie eine grosse Familie für mich, als nur Arbeitskollegen und trotzdem konnte ich nicht so weitermachen, als wäre alles in Ordnung. Auch wenn ich mir mehrmals gewünscht habe, dass es eine andere Lösung für mein Problem geben würde, wusste ich, dass ich nur eine Möglichkeit hatte. Und genau aus diesem Grund bin ich nun hier und sitze vor einem Mann, der eines der erfolgreichsten Imperien von ganz London geschaffen hat und bewerbe mich um eine bescheidene Stelle, um mich endlich von meiner Vergangenheit zu lösen und neu zu beginnen.

„Ich weiss nicht, was genau Sie von mir erwarten Mr. Meyer. Wenn Sie hoffen, dass ich meine wahren Gründe offenlege, warum ich tatsächlich nach London gekommen bin, muss ich Sie enttäuschen. Aber eines können Sie sicher sein, es hat absolut nichts mit meiner ehemaligen Arbeit zu tun. Es betrifft einzig mein Privatleben und ich möchte nicht darüber sprechen. Wenn Sie mir deshalb die Stelle nicht geben, dann muss es wohl so sein und ich bedanke mich in aller Form bei Ihnen, dass Sie Ihre Zeit für mich geopfert haben.“ Meine Finger biegen sich um meine Jacke und Tasche und erhebe mich aus dem Stuhl. Ich habe mir mehr von diesem Gespräch erhofft. Tatsächlich glaubte ich, dass ich die Stelle bekommen würde, wenn der oberste Mann der Firma mich zu einem Treffen einlädt. „Darf ich Sie etwas fragen?“

„Nur zu.“ Er steht ebenfalls auf.

„Warum bin ich hier?“

„Jeder meiner Mitarbeiter ist von mir persönlich eingestellt worden. Ich möchte wissen, mit wem ich es zu tun habe, dem ich mein Geschäft anvertraue.“

„Sind Sie ein Kontrollfreak?“

„Wenn Sie es so nennen wollen.“

„Ich danke Ihnen, dass Sie mir die Gelegenheit gegeben haben bei Ihnen vorzusprechen und werde Sie nun nicht mehr länger aufhalten, Mr. Meyer.“

Er ergreift meine Hand, die ich zur Verabschiedung ausstrecke. „Mrs Morgan wird sich bei Ihnen melden, wenn der Vertrag zum unterschreiben bereitliegt.“ Er hält noch immer meine Hand.

Vor Sprachlosigkeit starre ich ihn mit offenem Mund an und stottere dann in meiner Muttersprache herum. „S...sie... Sie wollen mir damit sagen, dass ich den Job habe?“

„Ich habe schon lange niemanden mehr auf Schweizerdeutsch reden gehört. Es klingt schön.“ Er lächelt mich doch tatsächlich an. Lässt aber zu meinem Bedauern meine Hand los. „Sind Sie bereit?“

„Wofür?“ frage ich ihn ahnungslos. Ich bin noch immer verwirrt darüber, dass mir seine Berührung ein angenehmes Kribbeln durch den Körper jagte.

„Für mich zu arbeiten?“

Ich würde nichts lieber tun, als ihm um den Hals zu fallen, kann mich aber gerade noch im letzten Moment beherrschen. „Soll das ein Witz sein?“

„Eigentlich nicht.“ Wieder zieht er einen Mundwinkel nach oben. Dieses Mal erreicht es sogar seine Augen.

Ich drehe mich von ihm weg und gehe zur Tür. Doch bevor ich sie öffne, blicke ich mich nochmals zu ihm um. „Ich habe es nicht gelesen.“

„Was haben Sie nicht gelesen?“ Verständnislos sieht er mich an.

„Das, was im Internet über Sie zu finden ist. Über Ihre Vergangenheit. Was Sie dazu geführt hat, nach England zu gehen.“

„Warum nicht.“ Ich sehe, wie er einen grossen Kloss versucht hinunterzuschlucken, der seine Kehle zuzuschnüren droht.

„Wie ich schon sagte, hat jeder ein Anrecht auf eine Privatsphäre. Auch Sie. Was immer vor all den Jahren geschehen ist, Sie können nichts Schlimmes getan haben. Aber ich denke, dass Sie etwas sehr Dramatisches erlebt haben, das Ihr ganzes bisheriges Leben verändert hat. Auf Wiedersehen Mr. Meyer.“ Ich drücke den Griff nach unten und betrete den halbrunden Flur ohne mich nochmals zu meinem zukünftigen Chef umzusehen.

2.

Bereits zum dritten Mal lese ich die Schrift auf der grossen Tafel, die vor dem Eingang des Meyer Empires steht und versuche ein heimisches Gefühl für die Firma zu bekommen, für die ich ab heute arbeiten werde. Ich nehme die Worte wie ein Stück Schokolade in den Mund und lasse sie genauso darauf zergehen, als wären sie ein Teil dieser süssen Köstlichkeit.

In wenigen Minuten beginnt mein erster Arbeitstag. Denn wie versprochen, hat sich Mrs Morgan schon einen Tag nach meinem Gespräch mit Mr. Meyer kontaktiert und mich gebeten vorbeizukommen, um den Vertrag zu unterschreiben.

Aufgeregt? Zappelig? Erregt? Ich weiss nicht, wie ich meinen Gemütszustand beschreiben soll. Es sind schon einige Wochen vergangen, seit ich einer beruflichen Tätigkeit nachgegangen bin. Ich habe genug Zeit verstreichen lassen, um mich wieder zu fangen und bis vor Kurzem glaubte ich auch, ich hätte mich wieder unter Kontrolle. Aber jetzt, wo ich die Möglichkeit erhalten habe, ein Teil von einem der grössten Unternehmen von ganz England zu werden und vor diesem riesigen Gebäude stehe, drohen mir meine Beine nicht zu gehorchen.

Wie festgefroren stehe ich da und schweife mit meinen Augen ständig von den gläsernen Drehtüren vor mir nach oben, wo ich mein zukünftiges Büro vermute, dabei kann ich nicht einmal das obere Ende des Wolkenkratzers sehen.

Ich starre durch die Glastüren in die Lobby, in der sich viele Frauen und Männer hin und her bewegen oder vor den Fahrstühlen warten, bis sie mit einem der drei Aufzüge nach oben fahren können.

Plötzlich fühle ich mich um einige Jahre zurückversetzt und sehe mich, wie ich auf das nicht mehr ganz so weisse Schulhaus zugehe, in dem ich meine nächsten zwei Jahre verbringen werde. Jenes Haus, in dem ich meine obligatorische Schulzeit zu ende bringen werde. Viele mir fremde Gesichter sehen in meine Richtung, während ich mit unsicheren Schritten auf die Treppe zugehe. Teenager, Junge wie Mädchen verziehen ihre Münder und tuscheln hinter vorgehaltenen Händen miteinander, als ich näher komme.

 

„Wollen Sie nicht endlich hineingehen?“

Erschrocken drehe ich mich zu der mir bereits bekannten Stimme um, die mich soeben aus meinen trüben Erinnerungen holte. „Wie?“

„Macht Ihnen dieser kalte Wind etwa nicht zu schaffen?“ fragt mich Rose Morgan etwas verwundert und zieht sich ihren Schal ein klein wenig enger um den Hals, damit die frostige Kälte nicht an ihre Haut gelangt. „Kommen Sie, Ihr neuer Vorgesetzter wird sicher schon auf Sie warten. Mr. Baker ist nämlich immer einer der ersten und kann es ausserdem nicht ausstehen, wenn man unpünktlich zur Arbeit erscheint.“

„Dann lassen Sie uns keine Zeit mehr verlieren.“ Ich gehe neben Mrs Morgan durch die Drehtüren. Sie geht auf den Empfang zu und unterhält sich kurz mit der Dame dahinter. Daraufhin händigt mir die Frau mit den lockigen, blonden Haaren hinter der langen Theke einen Ausweis aus, damit ich von nun an ohne mich jedes Mal anmelden zu müssen, in die oberen Stockwerke gelange.

„Bitte weisen Sie den jeweils vor, wenn Sie nach oben wollen.“ Rose Morgan zieht ihren eigenen hervor und zeigt ihm dem Mann, der vor den Fahrstühlen Wache steht. Ich mache es ihr gleich und augenblicklich gehen die Fahrtüren auf und wir steigen ein.

„Sie brauchen nicht nervös zu sein.“ Sie blickt auf meine Finger, die ich unbewusst ineinander verkeilt habe und lächelt mich an. „Schliesslich haben Sie den Job schon längst in der Tasche.“

„Ich weiss. Obwohl sich meine Arbeit hier von meiner letzten nur in wenigen Dingen unterscheiden wird, ist das was auf mich zukommt trotzdem etwas Neues. Ich kenne keinen Menschen. Ich habe keine Ahnung, wie mich meine neuen Mitarbeiter aufnehmen werden und ob ich wirklich die Leistungen bringen werde, die Mr. Meyer von mir erwartet.“

„Was kann schon schieflaufen?“ Die Frau neben mir, die mir nun schon so oft moralische Unterstützung gegeben hat, sieht mich fragend an. „Sie können sich nicht mit allen gleich gut verstehen. Das kann niemand. Aber die Mitarbeiter von Meyer Enterprises sind wie eine Grossfamilie. Alle wurden persönlich von Damian“ Sie spricht diesen Namen auf eine Art aus, als wäre es ganz natürlich unseren Chef mit Vornamen anzusprechen. „eingestellt und wenn irgendwer denkt, er könne ihn hinters Licht führen oder einen anderen Kollegen mobben, fliegt dieser jemand schneller aus der Firma, als ihm lieb ist.“

Ihre Worte dringen tief in mein seelisches Empfinden, aber sie können meine Ängste und Zweifel, die mich schon seit Monaten verfolgen, nur ein klein wenig schmälern.

Als hätte sie meine Gedanken gelesen, fährt sie fort: „Ausserdem kennen Sie ja mich. Sie können sich jederzeit an mich wenden, wenn Sie irgendein Problem haben oder jemanden brauchen, um sich auszusprechen. Egal was.“

In den wenigen Momenten, in denen ich dieser Frau begegnet bin, hat sie mich jedes Mal freundlich und liebevoll behandelt. Wie oft in meinem Leben habe ich mir schon gewünscht, solch eine Mutter zu haben, die mir hilft meinen richtigen Platz im Leben zu finden und mich in allen Belangen unterstützen würde? Ich habe keine Ahnung. Aber seit dem Tag, an dem meine Mutter mich und meinen Vater einfach im Stich gelassen hat, verging kein einzelner Tag, an dem ich nicht wünschte, eine solche Person wie Mrs Morgan an meiner Seite zu haben.

Mein Vater ist der beste, fürsorglichste und einfühlsamste Dad, den man sich überhaupt erträumen kann und doch hat in all den Jahren meiner Kindheit die Wärme einer Frau gefehlt, die Stimme und das Lächeln einer liebenden Mutter.

„Miss Weber?“

„Ja?“ Ich blicke Rose Morgan fragend an.

„Zeit für Sie auszusteigen.“

Die Aufzugstüren sind bereits geöffnet, wie ich erst jetzt feststelle und sehe mich verlegen über meine Schultern nach Mrs Morgan um, als ich in den langen, hellen Flur hinaustrete.

„Ich wünsche Ihnen einen guten Start.“ ruft sie mir noch schnell zu, bevor sich die Türen wieder schliessen.

„Danke.“ und hebe die Hand zum Gruss.

Ich habe wackelige Beine und mein Herz flattert. So aufgeregt und zugleich erwartungsvoll habe ich mich schon seit langem nicht mehr gefühlt. Genau genommen seit dem Tag nicht mehr, als ich die Stelle in einem grossen Schweizerkonzern als Abteilungsleiterin der Buchhaltung bekommen habe. Jenen Arbeitsplatz den ich geliebt und erst vor wenigen Wochen gekündigt habe, um mich aus meinem alten Leben befreien zu können, das sich in letzter Zeit in ein einziges Chaos verwandelt hat.

Mein Büro das ich mit einer gleichaltrigen Mitarbeiterin teilen werde, liegt nur einige Schritte vom Fahrstuhl entfernt. Mr. Baker zeigte mir den Raum bei unserem Gespräch, das mittlerweile etwas mehr als einer Woche zurückliegt.

Ich atme nochmals kurz tief durch und wappne mich für meinen ersten Arbeitstag bei Meyer Enterprises. Der geräumige Raum, in dem zwei grosse Schreibtische einander gegenüber stehen, ist noch leer. Meine neue Mitarbeiterin, ich glaube ihr Name ist Mira oder so, ist offenbar noch nicht erschienen. Also lege ich erst einmal meinen Mantel ab und hänge ihn an die Garderobe, die gleich neben der Tür steht.

Ich gehe an das über zwei Meter grosse Fenster, das von der Decke bis zum Boden reicht und lasse meinen Blick über die Stadt und in die Ferne schweifen, wo ich sogar die Themes ausmachen kann und sehe, wie sie sich durch London schlängelt. Aber auf die Strasse unter mir, riskiere ich keinen Blick, sonst werde ich noch von Schwindel befallen. Schliesslich befinde ich mich im fünfundvierzigsten Stock, knapp hundertfünfzig Meter über Boden. Ich hätte mir niemals ausmalen können, irgendwann in dieser Höhe zu arbeiten. Ganz zu schweigen davon, dass ich mal in London leben werde. Und jetzt bin ich hier.

Ich gehe zurück an meinen Schreibtisch und frage mich, was ich nun machen soll. Soll ich hier warten, bis endlich jemand kommt und mich in meine neuen Aufgaben einarbeitet oder wäre es vielleicht klüger das Büro meines Vorgesetzten aufzusuchen? Ich brauche nicht lange darüber nachzudenken und trete wieder in den Flur hinaus.

Während ich den Korridor entlanggehe, komme ich an anderen Räumen vorbei und lächle jedem zu, der mir einen Blick entgegenwirft. Als ich am Ende des langen Ganges in einen Vorraum vor Mr. Bakers Büro trete, erkenne ich die Frau wieder, die mich schon bei meinem Vorstellungsgespräch empfangen und sich als Mr. Bakers Sekretärin vorgestellt hat. Sie lächelt mir zwar zu, während sie von Bakers Tür auf mich zukommt, aber es erscheint mir genauso kalt, wie ihr Charakter auf mich wirkt. Schon bei meinem ersten Besuch hatte ich ein eigenartiges Gefühl bei ihr. Ich kann mir nicht erklären warum, aber sie erweckt in mir das eigenartige Gefühl, als müsse ich mich bei ihr in Acht nehmen. So wie bei Michael. Nur dass ich es bei ihm viel zu spät festgestellt habe.

Auch dieses Mal trägt sie ein makelloses Kleid. Ein Ensemble aus weisser Seide. Dazu passenden Schmuck, perfekt manikürte Fingernägel und ein stark geschminktes Gesicht. Was für meinen Geschmack, für den beruflichen Alltag, zu aufgedonnert ist. Und wieder frage ich mich, wie sie diese teuren Sachen leisten kann. Hat sie als persönliche Sekretärin einen derart guten Lohn, dass sie sich mit solchen Kostbarkeiten eindecken kann? Ich kann mir jedenfalls kein Bild davon vor Augen führen. Aber vielleicht bin ich ja einfach nur eifersüchtig auf sie. Was ich mir wiederum nicht erklären könnte.

„Sie haben den Job also gekriegt?“ fragt mich die Blondine in einem herablassenden Ton und etwas zu hoher Stimme. „Mr. Baker hat mich soeben informiert, dass Sie heute erscheinen werden und mich gebeten, Ihnen auszurichten, dass er gleich Zeit für Sie hat. Nur einen kleinen Moment.“

„Danke.“ Ich bleibe stehen, wo ich bin. Die Möbel scheinen in der ganzen Firma das gleiche Muster zu haben und aus demselben Holz zu stammen. Genau wie in Mr. Meyers Büro. Cremefarbene Wände und Möbel aus Mahagoni.

Ich bin angenehm überrascht, dass der Inhaber dieser Firma sich nicht scheut für sein Personal ebenfalls so viel Geld auszugeben, wie für sich selbst. Meine Gedanken schweifen zu jenem Gespräch vor einer Woche zurück. Abermals betrete ich Damian Meyers Büro und sehe ihn hinter seinem riesigen Tisch, wie er lässig dahinter sitzt und seine Augen über mich schweifen lässt. Als wäre ich eine seltene Schönheit oder auch das genaue Gegenteil.

Seine glänzend braunen Augen, die mich jedes Mal an ein grosses Raubtier erinnern, wenn ich sie in meinem Gedächtnis wiedersehe, gehen mir nicht mehr aus dem Kopf. Sie zogen mich damals sofort in seinen Bann und liessen mich nicht mehr los. Bis jetzt nicht.

„Hat man Ihnen Ihr Büro schon gezeigt?“

Erschrocken drehe ich mich um und sehe genau in jene Augen, die soeben noch meine Gedanken beherrscht haben. „Äh...ja. Nein.... Also.“ Ich stottere wie ein Kleinkind herum, das man bei etwas Verbotenem ertappt hat. Dafür könnte ich mich ohrfeigen.

„Guten Morgen Miss Weber.“ Er lächelt mich an und reicht mir seine Hand zur Begrüssung, die ich schnell ergreife. Vielleicht eine Spur zu schnell.

„Tut mir leid. Guten Morgen Mr. Meyer. Ich habe Sie nicht gehört. Sie haben mich ein wenig überrascht.“

Er löst seine Hand von meiner. „Das habe ich bemerkt.“ Wieder dieses freundliche Lächeln. „Und haben Sie?“

„Was habe ich?“ frage ich ahnungslos.

„Ihren Arbeitsplatz gefunden?“ Ich bin ihm dankbar dafür, dass er sich in unserer Muttersprache mit mir unterhält. Denn ich bin mir ziemlich sicher, dass Mr. Bakers Sekretärin jedes Wort von unserer Unterhaltung mitanhören würde, wenn sie es verstehen könnte.

„Ja. Ich warte nur noch auf Mr. Baker, damit er mich in meine neuen Aufgaben einführt.“

„Gut. Dann wünsche ich Ihnen einen guten Start und heisse Sie herzlich willkommen bei Meyer Enterprises.“ Ohne ein weiteres Wort geht er weiter zu Bakers Assistentin.

Ich höre, wie er ihr einen guten Morgen wünscht. Mit jener weichen Stimme, wie er mich willkommen hiess. Warum sollte er nicht alle auf die gleiche Art begrüssen wie mich? Ich hebe meine Augenbrauen und verdrehe die Augen, um mich selbst zu tadeln, weil ich annahm, er würde mich als jemand besonderen betrachten.

Mir schwirrt beinahe der Kopf. Zwar war der Tag sehr interessant, aber trotzdem bin ich froh, dass ich endlich in mein Hotelzimmer, das ich seit gut zwei Wochen bewohne, zurückkehren kann. Ich habe viele neue Leute kennengelernt und von Mr. Baker etliche Erklärungen und Papiere erhalten, die meine Aufgabe in der Firma Meyer Enterprises betreffen.

Auch wenn die Arbeit nicht so anspruchsvoll sein wird, wie meine letzte als Chefin der Buchhaltung, freue ich mich trotzdem sehr darüber, dass ich die Stelle in der Kreditabteilung erhalten habe und die damit verbundene Chance in London ein neues Leben aufzubauen.

Mrs Morgan hatte kein bisschen damit übertrieben, als sie meinte, dass die Meyer Enterprises wie eine Grossfamilie sei. Alle gehen freundlich, hilfsbereit und respektvoll miteinander um, ausser die Superblondine von Mr. Baker, wie ich sie insgeheim getauft habe. Sie scheint bei fast allen ein Dorn im Auge zu sein. Sicher bei den Frauen. Bei den männlichen Arbeitskollegen ist das etwas schwieriger zu beurteilen.