Little Pearl

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Aus der Reihe: Little Pearl #1
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Madlen Schaffhauser

Little Pearl

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Zu diesem Buch

Widmung

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Danksagung

Über die Autorin

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Gesucht Gefunden

Machtspiel

Impressum neobooks

Zu diesem Buch

»Wenn ich dazu geboren wäre, jemanden zu lieben, wärst du diejenige, der ich mein Herz schenken würde.«

Cécile Johnson lebt in einer Kleinstadt, wo sie ein erfolgreiches Bed & Breakfast leitet. Eines Tages bittet sie Dylan um einen Gefallen - den größten Bad Boy von Little Pearl. Bestimmt nicht hat sie erwartet, dass sie sich in ihn verlieben würde. Sie wurde von allen gewarnt, doch sie wollte nichts davon hören. Sie war zu blind von seinem Aussehen, von seinen geheimnisvollen Augen. Zu sehr versuchte sie, ihn zu retten.

Nie hat sie damit gerechnet, dass ihr Herz in einzelne Stücke zerteilt werden würde.

Von ihm.

Widmung

Für meine Leser

Kapitel 1

O Mannomann, wenn meine Eltern wüssten, wohin ich auf dem Weg bin, würden sie mich sofort knebeln und mich in meinem Haus einsperren. Egal, dass ich schon sechsundzwanzig bin und seit drei Jahren erfolgreich ein Bed and Breakfast führe. Meine Mom und mein Dad würden in diesem Punkt keine Ausrede dulden. Allerdings ist es Dads Reaktion, vor der ich mich am meisten fürchte. Dabei möchte ich bloß den antiken Kasten, der noch von meiner Urgroßmutter stammt, restaurieren lassen. Ich möchte ihm wieder etwas vom Glanz und der Schönheit zurückgeben, in denen er vor Jahren gestrahlt haben muss. Aber das verstehen weder meine Eltern noch meine Brüder nicht. Sie würden das alte Möbelstück eher ersetzen, als aufzufrischen. Nur können sie mich nicht von meinen Plänen abhalten, weshalb ich jetzt meinen alten, verbeulten roten Toyota Yaris zu Mr. Moores Grundstück steuere.

Draußen herrschen nicht mal zehn Grad und der Wind bläst heute besonders stark um die Häuser, trotzdem ist mir heiß. Wahrscheinlich sind es nur meine Nerven, die Blank liegen. Ja, das muss es sein, denn auch mein Herz schlägt etwas zu schnell gegen den Brustkorb. Aber das würde ich natürlich meiner Familie gegenüber nie zugeben.

Ich höre meine vier Brüder gleichzeitig entsetzt fragen: »Was hast du dir dabei nur gedacht? Bist du verrückt, zu diesem Spinner zu fahren? Willst du Ärger mit mir? Ich habe dir doch gesagt, du hast bei diesem Typ nichts verloren. Was davon hast du nicht verstanden?«

Wenn ich ehrlich bin, habe ich nur daran gedacht, Urgroßmutters Erbe aufzupolieren. Und auch wenn mich wegen der Stimmen meiner Brüder plötzlich Zweifel überkommen, so gibt es kein Zurück mehr. Ich bin schon viel zu nah an meinem Ziel, als dass ich umkehren könnte.

Seine Werkstatt liegt etwas außerhalb des Dorfkerns, was eher ungewöhnlich ist. Normalerweise streiten sich die Geschäfte von Little Pearl darum, einen Platz an der Main Street zu ergattern. Doch anscheinend mag es Dylan Sawyer lieber abgelegen und einsam, wie mir der Weg zu Mr. Moores Grundstück eben zeigt.

Obwohl ich Mr. Moore seit zehn Jahren kenne, bin ich noch kein einziges Mal zu seinem Haus gefahren. Ich hatte bis heute auch noch nie einen Grund dazu.

Ich biege nach rechts und nach wenigen Metern überquere ich einen kleinen Bach. Dann folge ich längere Zeit einem Waldrand, bis ich schließlich am Ende der Straße ankomme. Und somit vor dem Haus meines Gärtners stehe.

Ich bin nicht sicher, was ich erwartet habe, aber das, was ich hier zu sehen bekomme, überrascht mich. Vor mir steht ein ziemlich großes, zwar altes, dennoch gepflegtes Haus. Die Fassade ist aus hellbraunem Holz, während die Fensterrahmen und die Tür in hellem weiß sind. Es macht den Anschein, als wäre es vor gar nicht langer Zeit renoviert worden.

Vor dem Eingang geht eine Treppe hoch auf eine gedeckte Veranda. Sie erstreckt sich über die ganze Breite und die gesamte Linksseite. Das Haus ist zweistöckig. Und ich frage mich sofort, was Mr. Moore mit all diesem Platz macht. Soweit ich weiß, lebt er allein, seit seine Frau vor fünf Jahren gestorben ist.

Ich halte auf der linken Seite des Grundstücks neben einem schwarzen Pick-up, der unter einer Eiche steht, und mit großer Wahrscheinlichkeit Sawyer gehört. Bevor ich mich überwinden kann auszusteigen, klappe ich meine Sonnenblende nach unten und öffne die Abdeckung des Spiegels, um meinen Anblick zu kontrollieren. Ich befeuchte meinen Zeigefinger und wische damit etwas schwarzen Kajal, durch den meine blauen Augen besonders hervorstechen, unter den äußeren Augenwinkel weg. Schnell kämme ich mir mit den Fingern noch durch meine blonden Haare, die mir knapp bis zur Schulter reichen. Ich atme nochmals tief durch, ehe ich die Autotür aufmache, meine Unterlagen unter den Arm klemme und mich zu Sawyers Werkstatt aufmache, die rechts an Moores Haus angrenzt.

Sawyers Werkstatt war ursprünglich eine Garage, wie mir Moore mal erklärt hat, und die er nun Dylan vermietet. Sie hat ein weißes Doppeltor. Auf der linken Seite gibt es eine Tür, die einen Spalt offen steht. Über der Garage entdecke ich zwei Gauben. Ich wundere mich über den weiteren Platz.

Hinter dem Grundstück folgt dichter Wald. Es wäre nichts für mich, hier zu wohnen, umzingelt von Bäumen, die schnell Dunkelheit bringen. Außerdem diese Abgeschiedenheit ... Moores Nachbar liegt Meilen zurück. Das letzte Haus sah ich, ehe ich am Bach die Brücke überquert habe. Aber wenn sich Mr. Moore hier wohl fühlt ... Ich zucke innerlich mit den Schultern. Jedem das Seine.

Nur, mache ich das Richtige, alleine hier zu sein, obwohl mich alle vor Sawyer gewarnt haben?

 

Ich schüttle meine aufkeimenden Gedanken ab. Mr. Moore hat nur in den besten Tönen von Dylan Sawyer und seiner Arbeit gesprochen, also, warum sollte ich vor diesem jungen Mann Angst haben?

Mit Fotos von dem Möbelstück, das ich gerne restauriert haben möchte und wegen dem ich hier bin, gehe ich zum Seiteneingang, aus dem Schleifgeräusche dringen. Als ich sie aufziehe, gibt sie keinen Mucks von sich. Ich bin überrascht über diesen makellosen Zustand. Wie ich Moore kenne, hat er bei der Renovation alles, was er kann, selbst gemacht. Doch er ist bald siebzig, und ich glaube nicht, dass er all diese Erneuerungen am Haus und diesem Nebengebäude alleine gemacht hat. Ich bin fast davon überzeugt, dass ihm Sawyer dabei geholfen hat. Daher kann dieser seltsame Kerl, wie ihn alle nennen, gar kein so übler Typ sein.

Es kursieren viele Gerüchte über ihn, auch Pru, eine Freundin aus der Schulzeit, und die gerne ein großes Maul führt, hat schon manches über ihn erzählt. Aber ich glaube eher, diese Geschichten sind alle frei erfunden. Trotzdem haben sie eine gewisse Unsicherheit hinterlassen, und ich versuche mich ständig davon zu überzeugen, dass er ein ganz normaler Mann ist, der einfach lieber für sich ist, als unter die Leute zu gehen. Denn soviel ich weiß, gibt er sich nur mit seinem Vermieter ab. In den zwei Jahren, die er nun in unserer Kleinstadt lebt, hat er sich so gut wie noch nie blicken lassen. Er geht nicht in die örtlichen Pubs, lässt sich nicht an unseren verrückten Stadtfesten blicken, und auch im Kino habe ich ihn noch nie gesehen.

Vielleicht steht er schlicht nicht auf Unterhaltung oder darauf mit Kumpels ein Bier trinken zu gehen.

Das Schleifen hat aufgehört, als ich die Tür hinter mir zuziehe. Sawyer steht mit dem Rücken zu mir, gebeugt vor einer Werkbank. Er hat mich nicht bemerkt, wie mir seine Haltung zeigt, und so nutze ich den Moment, um seine Werkstatt in Augenschein zu nehmen. Sie ist vollgestellt mit Regalen und Werkbänken. Und es riecht ein wenig nach Sägemehl und Politur. Der Raum ist größer, als ich erwartet habe. Ein großes Fenster sowie einige Lampen an der Decke sorgen für Licht. Verschiedenste Werkzeuge hängen an der Wand. Auf Regalen reihen sich unzählige Farb-, Lackier-, Holzöl- und was weiß ich noch für Dosen. Ich habe ein riesiges Chaos erwartet, doch hier scheint alles seinen genauen Platz zu haben. Es gibt eine zweite Tür. Wahrscheinlich führt dahinter eine Treppe nach oben. In einer Ecke stapelt sich Holz. Daneben steht ein antikes Sofa. Der Stoff ist völlig durchgesessen. Das Holz der gebogenen Beine und der kunstvollen Rückenlehne ist nur noch ein schwaches Braun.

Schließlich schweift mein Blick zurück zu Dylan, der in seine Arbeit versunken scheint. Gerade pustet er über das Holz und Staub fliegt durch die Luft. Er trägt eine verwaschene Jeans und ein schwarzes Langarmshirt. Auf der Schulter ist ein kleines Loch, die Ärmel hat er über die Ellbogen hochgeschoben. Sein Bizeps wölbt sich, als er mit dem Schleifpapier über die Holzplatte fährt. Er hat auf beiden Armen Tattoos, die unter dem Stoff seines Oberteils weiterlaufen. Links ein Drache in schwarz und grau, wenn mich nicht alles täuscht. Das auf dem anderen Arm kann ich nicht erkennen.

Ich wage einen Schritt, um ihn auf mich aufmerksam zu machen und wandere mit meinem Blick weiter über seinen durchtrainierten Körper. Sein Haar ist braunschwarz, an den Seiten und im Nacken kurz, oben etwas länger, das ihm jetzt in die Stirn fällt.

Mein Herz setzt einen Moment aus. Ich kann kaum noch atmen.

Seine braunen Augen blicken geradewegs in meine. Sie durchbohren mich.

»Hast du noch nie etwas von Anklopfen gehört?« Eine Menge Feindseligkeit schwingt in seiner Stimme mit, trotzdem entgeht mir nicht, wie tief sie ist. Wie angenehm tief.

Ich habe mich bereits seit längerer Zeit auf dieses Treffen vorbereitet, bin meine Begrüßung immer und immer wieder durchgegangen. Doch jetzt wo ich den Mann, der in meinem Alter sein muss und mich ansieht, als wäre ich ein Eindringling, fällt mir nichts Besseres ein, wie ihn zu fragen: »Sind Sie Mr. Sawyer? Dylan Sawyer?«

Er zieht seine dicken Brauen hoch. »Willst du mich verarschen?«

»N... nein«, stammle ich verlegen und verlagere mein Gewicht von einem Bein aufs andere.

Als ich nichts weiter anfüge, legt er sein Schleifpapier aus der Hand und klopft den Staub von seinen Fingern, ehe er sie in seine Hüfte stemmt. Er hat eine beeindruckende Statur. Mir sollte sowas nicht auffallen, dennoch gleitet mein Blick auf seine breiten Schultern und wie sich sein eng anliegendes Oberteil über der Brust spannt.

»Was willst du hier?«

Sofort laufe ich rot an und fühle mich ertappt. Ich schlage die Augen nieder und starre auf den grauen Betonboden. »Ich ... ich.« Herrgott nochmal, dieser Typ bringt mich mit seiner schroffen Art ganz durcheinander und katapultiert mich ins Schulzimmer zurück. Mir ist, als wäre ich wieder ein kleines Mädchen, das vor ihrer Klasse einen Vortrag halten muss. Ich habe es gehasst. »Nun ... ich habe Sie gesucht.«

»Könntest du dich klarer ausdrücken?«

Ich hebe den Kopf und halte seinem kalten Blick stand.

Nach wie vor steht er mit seinen Händen in die Seite gestemmt vor mir und sieht mich mit missbilligender Miene an.

Ich frage mich, wie er zu seinen Aufträgen kommt. So mürrisch kann er doch nichts an Land ziehen. Oder ist er nur zu mir so?

»Verhältst du dich immer so unfreundlich?« Ich verschränke meine Arme vor der Brust, die Fotos dazwischen geklemmt. Endlich habe ich meine Stimme wieder. Auch kann er meine Höflichkeit vergessen.

Ein amüsierter Ausdruck huscht über sein Gesicht. Aber so schnell, dass ich glaube, es mir nur eingebildet zu haben.

Er zieht seine Augen zu schmalen Schlitzen. »Du nennst das unfreundlich? Du hast mich noch nicht erlebt, wenn ich das wirklich bin.« Sawyer zieht seine Mundwinkel hoch und grinst mir hämisch zu. »Na, sag schon, Blondchen, was willst du hier?«

Auch wenn er sich aufführt wie ein arroganter Mistkerl, kann ich seinem Blick nicht ausweichen. Seine Augen rauben mir den Atem.

Die Papiere in meinen Armen rascheln und erinnern mich daran, aus welchem Grund ich in seiner Werkstatt stehe. »Ich wollte dich fragen, ob du mir einen Kasten auffrischen könntest.« Es ist besser, ich komme schnell auf den Punkt und verschwinde wieder, ehe er noch mehr Gemeinheiten von sich schleudert. »Er stammt von meiner Urgroßmutter und steht seit Jahren im Esszimmer ohne einmal geölt worden zu sein, oder was auch immer nötig ist, um ihm seinen Glanz zurückzugeben. Das möchte ich ändern lassen. Nur verstehe ich nichts davon. Mr. Moore ...«

»Der gute alte Mr. Moore, war ja klar«, unterbricht er mich. »Was hat er denn so schönes gesagt?«

Ich bin schockiert über seinen Sarkasmus, aber davon lasse ich mich nicht unterkriegen. Wusste ich doch, dass dieses Gespräch nicht einfach werden würde. »Du wärst ein richtiges Genie. Etwas ungehobelt im Umgang mit Menschen, doch sonst ein unschlagbarer Künstler in diesem Metier.«

Für eine winzige Sekunde glaube ich so etwas wie Verblüffung in seinen Augen zu lesen. Aber bei seinem kalten Blick, der wieder seine Mimik beherrscht, schüttle ich innerlich den Kopf und sage mir, dass meine Brüder mit ihren Annahmen vielleicht doch recht hatten. Dieser Mr. Eisig ist auf jeden Fall schwierig.

»Dylan, richtig?« Als er nickt, frage ich: »Würdest du dir eventuell mal die Fotos ansehen?«

Einen Augenblick lang starrt er mich bloß an und als ich schon denke, er setze mich vor die Tür, obwohl ich gar nichts getan habe, winkt er mich zu sich. »Klar.«

Ich breite die Fotos vor uns auf der Holzplatte aus, die er vorhin bearbeitet hat. Ich habe den Schrank von drei Seiten fotografiert, damit sich Sawyer ein Bild machen kann.

Dylan hat eine Hand an seinem Kinn, mit der anderen nimmt er ein Blatt nach dem anderen und betrachtet es eingehend.

Ich sollte mich auf etwas anderes konzentrieren als auf seine langen Finger und seinen männlichen Duft, der leicht nach einem Aftershave und Zigarette riecht. Ich schließe die Augen und atme tief ein. Diese Mischung ist betörend. Sie macht mich benommen.

»... genügen die Fotos nicht.«

Erschrocken reiße ich die Lider auf, um gleich ins schönste Kaffeebraun zu blicken, das ich je gesehen habe - und das sofort ein Kribbeln durch meinen Körper jagt.

Was hat er gesagt? Ich suche in meinem Hirn nach Dylans Worten, die er in den letzten Sekunden zu mir gesagt hat, aber mir entzieht sich alles, bis auf seine gepflegten Hände und dass er einen ganzen Kopf größer ist als ich.

O Gott, O Gott, ich schäme mich. Warum hat dieser Kerl solch eine Wirkung auf mich?

»Wie?«, frage ich nach. Dabei bin ich selbst überrascht, wie gelassen ich klinge.

»Hättest du womöglich die Güte, mir zuzuhören?« Sein Mundwinkel zuckt, als müsse er ein Lächeln zurückhalten. Aber wahrscheinlich täusche ich mich bloß. Denn nach wie vor wirkt seine Mimik grimmig.

Ich spüre, wie mir die Röte in die Wange steigt. Schon das zweite Mal, seit ich mich in dieser Werkstatt befinde. »Sicher, sicher«, sage ich und streiche mir eine Haarsträhne hinters Ohr.

»Und, was habe ich gesagt?« Er hört sich wie ein Lehrer an. Als er dann noch seine Arme vor der Brust verschränkt, vervollständigt er mein Bild.

»Könntest du es möglicherweise wiederholen?«, bitte ich ihn mit einem schwachen Lächeln.

»Ihn zu restaurieren ist im Grunde keine große Sache. Wenn du aber eine genaue Offerte haben möchtest, muss ich ihn mir ansehen.«

Oh, oh. Da kommen wir zum ersten meiner Probleme. Wenn meine Familie Dylan im Bed and Breakfast sieht, macht sie mir die Hölle heiß.

Ich denke einen Augenblick nach und entscheide mich dann für den einfacheren Weg. »Das geht schon. Wann kannst du ihn abholen?« Ich sollte ihm eine Zeit vorschlagen, dann wenn alle in der Arbeit sind oder ihre Einkäufe machen, und ich nicht dem Risiko ausgesetzt bin, dass sie ihm im B&B über den Weg laufen. Stattdessen überlasse ich ihm die Planung.

»In den nächsten zwei Wochen habe ich noch zu tun.« Er zeigt auf die rotweiße Couch, die ich schon gesehen habe, als ich reingekommen bin. »Danach könnte ich mich um deinen Schrank kümmern.«

Ich nicke und lächle ihn an. »Okay, danke«, meine ich, wende den Blick ab und sammle die Blätter ein.

»Sag erst danke, wenn ich meine Arbeit gemacht habe.«

Warum habe ich geglaubt, er würde mir ebenfalls ein Lächeln oder wenigstens eine Andeutung davon schenken? Oder mir für den Auftrag danken? Und warum überrascht mich seine letzte Bemerkung noch? Habe ich wirklich gedacht, die Auftragserteilung würde ihn freundlicher stimmen? Innerlich verdrehe ich die Augen.

»Wirst du bei der Verladung Hilfe brauchen?«

Dylan verneint mit einem kurzen Kopfschütteln, dabei fallen ihm die Haare ins Gesicht. Mit einer Hand streicht er sie zurück und ich ertappe mich dabei, wie ich diese Aufgabe gerne übernommen hätte.

Ojeojeoje. Was hat er nur an sich, dass ich mir wünsche in sein Haar zu fassen? Oder mich frage, wann ich ihn das nächste Mal wiedersehen werde? Wie kann ich mich nur zu einem Mann hingezogen fühlen, der kälter ist als ein Stück Eis? Wahrscheinlich spielen einfach meine Hormone verrückt, da meine letzte Beziehung schon etwas länger her ist. Dass Monate vergangen sind, seit ich einen Mann berührt habe, oder von einem berührt wurde.

»Falls ich Hilfe benötige, wird mir Moore behilflich sein.« Dylan hat wieder seine Hände in die Hüften gestemmt. »Sonst noch was?«, fragt er genervt, dabei sieht er auf sein Schleifpapier.

Ich verstehe nicht, was ihn an mir aufregt, aber ich sehe zu, dass ich Land gewinne. Anscheinend will er wieder allein sein.

»Nein.« Ich drehe mich auf dem Absatz um und laufe zur Tür.

»Gib mir deine Nummer, dann kann ich mich bei dir melden, sobald ich Zeit habe.« Dylan steht in kleinem Abstand hinter mir, als ich über die Schulter zurücksehe. Er streckt mir einen kleinen Spiralblock und Stift hin.

Ich mache kehrt und gehe zwei Schritte, bis ich den Block nehmen kann. Flüchtig berühren sich unsere Finger, während sich unsere Blicke treffen. Ein sonderbares Prickeln durchläuft meinen gesamten Körper. Schnell wende ich den Kopf ab.

Ich versuche mir nicht anmerken zu lassen, was unsere kaum nennenswerte Berührung für Gefühle in mir ausgelöst hat. Und auf keinen Fall probiere ich es, zu begreifen.

»Ich gebe dir noch meine Adresse. Brauchst du eine Wegbeschreibung?«, frage ich, nachdem ich meine Nummer vom Handy, sowie vom Bed and Breakfast aufgeschrieben habe.

 

»Nicht nötig«, meint Dylan, und ich achte darauf, ihn nicht noch einmal anzufassen – auch wenn das momentan mein größter Wunsch ist -, als ich ihm den Stift zurückgebe. »Ich weiß, wer du bist, Cécile Johnson.«

Ich blinzle. Einmal. Zweimal. Ich kann nicht glauben, was er da gerade gesagt hat. Und wie himmlisch mein Name aus seinem Mund geklungen hat.

Mir liegen plötzlich unzählige Fragen auf der Zunge, aber ich gebe keinen Mucks von mir. Statt mich zu erkundigen, woher er meinen Namen kennt, nicke ich, drehe mich zur Tür und verlasse ohne Verabschiedung die Werkstatt.