Damian - Vertrauen

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Aus der Reihe: Damian #2
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Damian - Vertrauen
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Madlen Schaffhauser

Damian - Vertrauen

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Zu diesem Buch

Widmung

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

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36.

37.

38.

Danksagung

Über die Autorin

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2.

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Impressum neobooks

Zu diesem Buch

Endlich hat sich Damian seinen Dämonen gestellt und mir seine Vergangenheit anvertraut. Trotzdem ist es schwierig einem blind zu vertrauen. Besonders bei solchen Vorgeschichten, wie unseren.

Vermutlich hätte ich ihm genau aus diesem Grund von meinem Besuch bei meinem Ex erzählen sollen. Denn dann müsste ich nicht diesen stechenden Schmerz fühlen, der mein Herz zerreisst. Die Wahrheit, dass ich soeben den Mann meines Lebens verloren habe, lähmt meinen Körper und lässt meine Seele weinen. Hört das jemals wieder auf?

Band 2

Widmung

Eva & Paul

Nicht im Kopf, sondern im Herzen liegt der Anfang.

Maxim Gorki

1.

Während der ganzen Fahrt sitze ich steif auf dem Rücksitz und ergebe mich meinen Tränen. Ich dachte, dass ich irgendwann keine mehr haben würde, doch sobald ich mich ein wenig gefasst habe, rollen sie von Neuem.

Ich kann nicht glauben, dass er mich derart ausgenutzt und belogen hat. Dass ich nur eine kurze Abwechslung für ihn war. Oder möchte ich es einfach nicht wahrhaben? War es vielleicht von vornherein ein Spiel für ihn?

Ich höre die Frauen von der Benefizgala, wie sie auf der Toilette über mich gesprochen haben und mich als Zeitvertreib und Spielzeug betitelten. Lagen sie etwa doch richtig damit?

In den vergangenen Wochen war ich unglaublich glücklich, wie seit langer Zeit nicht mehr und ich habe wirklich angenommen, er wäre es auch. Ich dachte sogar an eine gemeinsame Zukunft, doch so leicht kann man sich irren. Wahrscheinlich war er glücklich, wobei dieser Begriff vielleicht nicht der richtige Gefühlsausdruck für ihn ist.

Meine Gedanken rasen wild im Kreis herum. Ich wünschte, ich könnte sie ausschalten, in der hintersten Ecke meines Bewusstseins verschliessen und sie vergessen, weil die Erinnerungen an Damian und unsere gemeinsame Zeit viel zu schmerzhaft sind. Aber es möchte mir nicht gelingen. Ständig sehe ich ihn vor mir. Mal liebend, mal lachend, mal kalt, mal distanziert.

Wann wird das endlich aufhören? Wann wird dieser Schmerz, der in meinem Herzen wütet, erlöschen? Wie soll es jetzt weitergehen? Kann ich noch immer bei ihm arbeiten oder muss ich mir einen neuen Job suchen? Wie komme ich mit dieser neuen Situation klar? Kann ich ihm noch unter die Augen treten, ohne dass ich an uns denken muss?

Ich starre aus dem Fenster, versuche mich auf die Umgebung zu konzentrieren, die nun, da wir uns London nähern, heller wird. London, die Stadt, in der ich ihn kennengelernt habe. London, wo er wohnt und arbeitet. London, wo ich ihm wieder begegnen werde, egal ob ich es möchte oder nicht.

Sollte ich vielleicht alles zusammenpacken und weiterziehen, so wie ich es schon einmal gemacht habe? Ich werde wieder von vorne beginnen müssen, doch das sollte nicht zu schwierig werden. Schliesslich wäre es nicht das erste Mal. Nur ist da das Problem, dass ich nicht von hier weg möchte.

Pietro biegt in Miras Strasse und hält den Rolls Royce vor ihrem Wohnblock. Eigentlich müsste ich jetzt aussteigen und in mein Zimmer gehen, aber ich brauche noch einen Moment.

Pietro sagt nichts. Er drängt mich nicht, den Wagen zu verlassen, damit er endlich nach Hause kann, um eine Mütze Schlaf zu bekommen. Nein, er bleibt geduldig sitzen, schaut nur kurz in den Innenspiegel und richtet seine Aufmerksamkeit wieder nach vorne.

Als ich mich letztendlich soweit gefangen habe, um nach oben zu gehen, steigt er schnell aus und hält mir die Tür auf. „Alles in Ordnung?“ fragt er unsicher.

Ich schüttle nur den Kopf. „Danke fürs herbringen.“ äussere ich mich leise.

„Soll ich Sie noch begleiten?“

„Es geht schon.“ Ich drehe mich um und öffne die Tür ins Treppenhaus.

Es ist bereits nach drei, während ich in mein Schlafzimmer komme. Ich überlege mir, ob ich die Kleider ausziehen soll, entscheide mich dann jedoch dagegen. Ich bin zu erschöpft und müde, um noch irgendwelche Bewegungen zu machen.

Aber als ich dann auf meinem Bett liege, kann ich noch lange nicht einschlafen. Immer wenn ich die Augen schliesse, sehe ich ihn vor mir, was mir ständig neue Tränen in die Augen treibt.

Irgendwann muss ich dann doch in den Schlaf gesunken sein, denn jetzt scheint die Sonne durch den nicht ganz geschlossenen Vorhang. Es dauert ein paar Sekunden, bis mir alles wieder einfällt und wie ein spitzer Pfeil durch mein Herz schiesst. Viel zu wuchtig kommen die Erinnerungen an die letzte Nacht zurück.

Mühsam rapple ich mich aus dem Bett und gehe hinüber ins Bad. Dort stelle ich mich unter den heissen Wasserstrahl und hoffe, dass mir die Dusche hilft zu vergessen. Leider vergebens. Meine Haut färbt sich bereits rot, weil das Wasser brennt, nur dass ich es kaum spüre, weil der Schmerz, der in meiner Brust tobt, viel stärker ist.

 

Ich wage es kaum in den Spiegel zu sehen, trotzdem werfe ich einen kurzen Blick hinein und erschrecke über mein Äusseres. Meine Augen wirken leblos. Die dunklen Ringe unter ihnen werde ich nicht mal mit reichlich Make-up kaschieren können. Glücklicherweise ist heute Samstag. Ich brauche also nicht vor die Tür zu gehen. Vielleicht werde ich Mira und Alan über den Weg laufen, aber das werde ich schon irgendwie hinkriegen. Ich bin nur froh darüber, dass ich ihn nicht sehen muss.

Zwei Tage habe ich Zeit, um mich an die neue Situation zu gewöhnen und die werde ich nutzen. Ich werde am Montag als eine ganz andere Jessica zur Arbeit gehen. Als eine Jessica, die sich nicht zum Narren halten lässt. Als eine Jessica, die nicht ihr Herz an ihren Chef verloren hat. Ich werde mich nicht unterkriegen lassen. Nicht mehr.

Mit dieser neugewonnenen Energie ziehe ich eine schwarze Freizeithose an, ein abgetragenes T-Shirt und gehe in die Küche, um mir einen Kaffee zu machen. Nachdem ich mir eine Tasse von dem dunklen Getränk eingeschenkt habe, setze ich mich auf die Couch und geniesse die Stille in der Wohnung. Wahrscheinlich sind meine Mitbewohnerin und ihr Freund schon zur Hochzeit gefahren. Das bedeutet, dass ich heute niemandem mehr begegnen werde, was mir gerade sehr gelegen kommt.

Ich höre mein Telefon im Zimmer trällern, doch ich habe keine Lust dranzugehen. Später kann ich noch immer zurückrufen, wenn ich mag. Ich lehne mich zurück und geniesse immer wieder einen kleinen Schluck von dem heissen Kaffee, der jedes Mal langsam meine Kehle hinabrinnt und ein angenehmes Gefühl hinterlässt.

Das Klingeln in meinem Zimmer verstummt und die erwünschte Stille kehrt zurück. Nur leider hält das keine Minute an, dann beginnt mein Handy von neuem eine Melodie zu spielen. Ich brauche nicht nachzusehen, wer es ist. Nur für einen Menschen habe ich diesen Ton gewählt. Damian.

Was möchte er von mir? Wurde gestern nicht alles gesagt, was es zu sagen gibt? Möchte er mich vielleicht noch weiter erniedrigen? Oder möchte er mir mitteilen, dass ich meine Sachen bei ihm abholen soll? Das werde ich, aber nicht heute.

Ich halte mir die Ohren zu, damit ich das Klingeln nicht mehr hören muss und als es dann wieder verstummt, gehe ich schnell in mein Zimmer, um das Telefon auszuschalten. Meine Handtasche liegt noch immer an der Stelle, wo ich sie gestern achtlos hingeworfen habe, krame mein Smartphone heraus und entsperre das Display. Es sind über zehn unbeantwortete Anrufe und über fünf Nachrichten eingegangen. Allerdings mache ich es aus, bevor ich nachsehen kann, von wem die Anrufe und Mitteilungen sind.

Zurück in der Küche sehe ich mich nach etwas Essbarem um und muss enttäuscht feststellen, dass es nichts gibt, was mir irgendwie zusagen könnte. Ich beschliesse also in den Supermarkt zu gehen, obwohl ich darüber überhaupt nicht begeistert bin, aber ich brauche etwas für meinen Magen.

Schon eine halbe Stunde später schiebe ich den Einkaufswagen vor mir her. Ich werfe hinein, was mir gerade in die Finger kommt, wobei ich erst an der Kasse bemerke, dass ich überhaupt nichts für eine gesunde Ernährung eingepackt habe. Normalerweise achte ich immer darauf, doch an diesem Morgen kein einziges Mal. Wahrscheinlich widerspiegelt mein heutiger Einkauf meine Laune. Denn alles was ich mir besorgt habe, deutet unmissverständlich auf Frust hin. Genauso wie ich mich fühle.

In jeder Hand halte ich eine Tasche und mache mich wieder auf den Weg in die Wohnung. Ich biege gerade um die Ecke und die Tafel der U-Bahn kommt in Sicht, als ich jemanden meinen Namen rufen höre. Mein Körper spannt sich sofort an, weil ich im ersten Augenblick annehme, es könnte Damian sein. Wer sonst sollte mir hier über den Weg laufen? Als ich dann die weibliche Stimme deutlicher höre, drehe ich mich um und die Anspannung fällt augenblicklich von mir.

„Hey Jessica. Dachte ich doch, dass du es bist.“ Bernice, die im Kundendienst von Meyer Enterprises arbeitet, begrüsst mich mit einem freundlichen Lächeln.

„Hallo Bernice.“

„Warst wohl einkaufen?“ Sie deutet auf die Taschen an meinen Seiten. „Bist du mit der Tube hier?“

„Ja. Mira ist mit Alan auf einer Hochzeit. Also muss ich das Zeug halt auf diese Weise nach Hause schleppen.“

„Brauchst du Hilfe?“

„Das ist nett von dir, aber es geht schon. Was hat dich hierher verschlagen?“ Ich weiss, dass sie am anderen Ende der Stadt wohnt, daher bin ich etwas neugierig geworden und frage mich, was sie in dieser Gegend macht.

„Ich hab einen Bekannten besucht.“ Dabei kann sie ein Schmunzeln nicht unterdrücken.

„Ach so, einen Bekannten.“ Ich rümpfe meine Stirn und steige, so gut ich kann, in ihr Lachen ein, als sie über meine Bemerkung grinsen muss.

Wie ich von Mira gehört habe, hat Bernice eine Vorliebe für kurze Bettgeschichten. Sie ist ein total lieber Mensch, nur mit einer etwas anderen Einstellung als ich. Manchmal wünsche ich mir, ich könnte so locker sein wie sie. Dann würde ich mich jetzt vielleicht nicht so niedergeschlagen und alleine fühlen. Vielleicht könnte ich Damian dann ganz einfach aus meinem Herzen entfernen.

„Du siehst aus, als könntest du ein bisschen Abwechslung vertragen.“ reisst sie mich aus meinen abschweifenden Gedanken und ich sehe sie etwas verdattert an. „Hast du heute Abend schon was vor? Ich kenn da einen ausgezeichneten Club.“

„Ich weiss nicht, ob das was für mich ist.“

„Na komm. Zwei meiner Freundinnen werden auch da sein. Das wird bestimmt lustig. Oder hast du was Besseres vor?“

Was soll ich antworten? Dass ich mich in Miras Wohnung verkriechen möchte, um mich dem Schmerz, der sich immer mehr in meiner Brust ausbreitet, ergeben zu können?

„Ich weiss nicht.“

„Ach komm, gib dir einen Ruck.“

Plötzlich erscheint mir die Gesellschaft zu meiden, nicht mehr als die sinnvollste Art, um mit Damians Verrat umzugehen. Ich brauche Ablenkung. Ich muss wieder nach vorne schauen und alles andere hinter mir lassen. Noch bevor ich länger darüber nachdenken kann, höre ich mich sagen: „Also gut. Wann und wo?“

Nachdem ich mit Bernice einen Treffpunkt abgemacht habe, verabschieden wir uns und ich gehe weiter zur U-Bahn. Doch kaum bin ich zehn Meter weiter, ruft wieder jemand meinen Namen. Dieses Mal ist der italienische Akzent nicht zu überhören.

„Darf ich Sie nach Hause bringen, Miss Weber?“

Ich traue meinen Augen und Ohren nicht, als ich Pietro vor mir sehe und mir dieses Angebot macht. Warum? Sofort suche ich die Strassen nach Damian ab, aber ich kann ihn nirgends sehen. Ausser er sitzt im schwarzen Rolls Royce, neben dem Pietro steht und der auf eine Antwort wartet.

„Ist er da drin?“ Ich nicke Richtung Limousine.

„Nein. Er ist auf einer Konferenz. Den ganzen Tag.“

„Und warum sind Sie hier?“

„Weil er mir aufgetragen hat Sie zu bewachen.“

„Ich verstehe das nicht. Es ist aus zwischen uns. Also, warum lässt er mich noch beschatten? Es kann ihm scheissegal sein, was ich mache, wer mich verfolgt oder was mir passiert!“ schreie ich heraus, woraufhin sich der Leibwächter versteift, sich aber gleich wieder fängt und mich mitleidig ansieht.

„Er hat Sie schon mehrfach versucht zu erreichen, nur...“

Ich schneide ihm das Wort ab, weil ich nicht hören möchte, was er sagen will. „Richten Sie ihm aus, dass er sich von mir und meinem Leben fernhalten soll.“

„Wenn er nicht geschäftliche Dinge zu erledigen hätte, wäre er selbst hier. Es ist ihm wichtig, dass sie in Sicherheit sind und dass es Ihnen gut geht.“

„Soll das ein Witz sein?“ Ein grausames Lachen windet sich aus meiner Kehle. Er möchte, dass es mir gut geht? „Damian ist der, der Schuld für mein Gefühlschaos ist. Sie müssten mich vor ihm beschützen!“

„Miss Weber, bitte.“

Er tut mir schon fast leid. All das, was ich Damian an den Kopf werfen sollte, musste sich nun sein Bodyguard anhören.

„Lassen Sie uns gehen.“ Er hebt die Einkaufstaschen vom Boden, die ich vorhin fallen gelassen habe und legt sie in den Kofferraum. Danach öffnet er mir die hintere Wagentür. Ich leiste keinen Widerstand, weil ich auf einmal keine Kraft mehr habe und bin froh, dass mein aufgelöstes Ich niemand mehr sehen kann, nachdem ich eingestiegen bin.

Pietro und ich reden kein einziges Wort auf der Fahrt. Er wagt nicht einmal einen Blick in den Innenspiegel. Was er seinem Boss erzählen wird, ist mir eigentlich egal. Hauptsache Damian lässt mich in Ruhe.

Bei der Wohnung angekommen, steige ich schnell aus, bevor mir Pietro öffnen kann und nehme die Taschen entgegen, die er bereits ausgeladen hat.

„Seien Sie nicht zu hart zu ihm.“

Verblüfft sehe ich ihn an und mir liegt schon eine Erwiderung auf der Zunge, aber irgendwas in seinem Blick lässt mich innehalten. Stattdessen frage ich nur: „Warum?“

„Geben Sie ihm eine Chance, es Ihnen zu erklären.“

„Was zu erklären? Warum er mich brauchte, obwohl er die längste Zeit Helen hatte?“

Ich sehe, wie ein Schatten über sein Gesicht gleitet und er schwer schlucken muss. „Reden Sie mit ihm.“ Er tippt sich an seine imaginäre Hutkrempe und steigt wieder ein.

Der Appetit ist mir in der Zwischenzeit komplett vergangen und ich frage mich, warum ich überhaupt auf die Strasse gegangen bin.

Während ich die Einkäufe in die Kästen räume, gehe ich ständig das Gespräch mit Pietro durch. Warum besteht er darauf, dass Damian und ich uns aussprechen? Letzte Nacht wurde alles gesagt, was es zu sagen gab. Damian soll mit seiner Helen glücklich werden und mich in Ruhe lassen. Je früher desto besser.

Ich möchte von ihm nicht wissen, wie leid es ihm tut, dass er ein solches Spiel mit mir gespielt hat, dass er mir niemals wehtun wollte. Solches Mitleid brauche ich nicht. Er soll weiter sein Leben leben und ich werde meines wieder irgendwie kitten. Und damit werde ich an diesem Abend beginnen.

Obwohl ich heute schon einmal geduscht habe, stelle ich mich ein zweites Mal darunter. Das Wasser massiert meine angespannten Schultern und spült ein klein wenig von meiner Unruhe weg, die mich seit letzter Nacht immer noch fest im Griff hat.

Nachdem ich mich abgetrocknet und die Haare in ein Handtuch gewickelt habe, stelle ich mich vor meinen Schrank und gehe alle meine Kleider durch. Dabei fällt mir das teure Kleid, das mir Damian zur Gala gekauft hat, ins Auge und ich muss unweigerlich an jenen Abend denken. Wie wir getanzt haben, als hätten wir das schon jahrelang miteinander gemacht. Wie er mich immer wieder ansah, während wir uns unterhielten. Wie er mich anlächelte und wie erschrocken er aussah, als er mich draussen in der Kälte fand.

All jene Bilder flimmern mir durch mein inneres Auge und ich muss mich auf die Bettkante setzen, damit ich nicht zu Boden sinke, weil es in meiner Brust plötzlich unheimlich eng wird. Damian war immer sehr aufmerksam, liebevoll und einnehmend. Aber nun weiss ich, dass alles nur vorgeheuchelt war. Ich kann immer noch nicht begreifen, wie ich mich so in ihm täuschen konnte.

2.

Ich stehe vor dem Club und warte auf Bernice, die schon eine halbe Stunde zu spät ist. Wenn sie in den nächsten Minuten nicht erscheint, werde ich wieder nach Hause gehen. Hier zu sein kommt mir ohnehin immer absurder vor. Lieber würde ich jetzt zu Hause auf dem Sofa liegen und irgendeinen Film ansehen, statt an diesem Ort, wo ich auf meine Mitarbeiterin warten muss. Zwar fand ich die Aussicht auf Abwechslung äusserst verlockend, als ich mich Ausgang fertig gemacht habe, aber nun habe ich immer weniger Lust auf diesen Club, aus dem laute Musik dringt.

Gerade als ich mich entscheide von hier zu verschwinden, taucht Bernice neben mir auf.

„Tut mir leid, tut mir leid.“ meint sie laut schnaufend. „Ich habe etwas zu lange für mein Styling gebraucht.“ Sie lächelt mich entschuldigend an.

„Als ob du das nötig hättest.“ Sie ist von Natur aus eine schöne Frau. Mit ihren langen, gelockten, dunklen Haaren, die immer perfekt sitzen, ihren grünen Augen und Kurven, die genau an den richtigen Stellen sind. Und mit dem Kleid, das sie trägt, zieht sie alle Blicke auf sich. Daher ist es kein grosses Wunder, dass jedes Wochenende ein anderer mit ihr nach Hause gehen will.

Ich dachte, ich sähe ein wenig verführerisch aus in meinem schwarzen Minikleid, doch neben ihr verblasse ich total. Bernice jedoch ist da ganz anderer Meinung.

 

„Wow.“ Sie mustert mich von Kopf bis Fuss, was mir etwas unangenehm ist, aber als ich in ihrem Blick völlige Aufrichtigkeit lese, drehe ich mich sogar um die eigene Achse. „Ich hätte nicht gedacht, dass du solche Kleider in deinem Schrank hängen hast. Pass auf, dass dir nicht zu viele Kerle nachsabbern und jetzt lass uns endlich in den Club gehen.“

Es ist zu voll. Es ist zu laut. Überhaupt nicht mehr mein Ding. Aber wahrscheinlich bin ich genau aus diesem Grund hier. Ich versuche mich neu zu orientieren und dazu gehören Orte, wo Damian sich bestimmt nicht aufhält.

Bernice bestellt uns beiden ein Bier, das wir gleich auf Ex trinken. Nach dem zweiten erscheinen Bernices Freundinnen und die dritte Flasche wird ebenso schnell ausgetrunken, wie die ersten beiden. Irgendwann wechseln wir zu Cosmopolitans. Mit jedem weiteren Drink wird meine Stimmung besser und mit jedem Schluck vergesse ich, warum ich überhaupt hier bin.

Es macht Spass mit diesen Frauen hier zu sein und ich bin Bernice dankbar, dass sie mich dazu überredet hat.

Im Laufe des Abends entscheiden wir uns für die Tanzfläche, wo die Beats, die aus den Lautsprechern dröhnen, meinen Puls zum Rasen und meinen Körper in Bewegung bringen. Ich schliesse die Augen und konzentriere mich ganz auf die Musik. Ich fühle mich frei, unbeschwert und .... total betrunken. Aber es ist mir egal. Ich bin niemandem eine Rechenschaft schuldig, was die ganze Atmosphäre nur noch besser macht.

Plötzlich spüre ich Hände auf meiner Taille, was mich etwas aus dem Konzept bringt, doch als ich den Typen hinter mir begutachte und die Pfiffe der Mädels höre, schliesse ich wieder die Augen und geniesse den Augenblick.

Zuerst liegen nur seine Hände auf meiner Seite, doch irgendwann schmiegt er sich mit seinem ganzen Körper an meinen. Wir tanzen eng aneinander reibend und lassen uns von der Musik treiben. Er keucht an meinem Ohr, flüstert mir schmutzige Worte zu, was mein Blut zum brodeln bringt. Ich lehne mich noch mehr an ihn. Bewege mich an ihm, während er mit seinen Händen über meinen Bauch fährt.

Seine Erektion drückt durch den Stoff an meinen Po und er stöhnt: „Oh ja. Ja, mach weiter so, Babe.“

Schlagartig erwache ich aus meiner Trance, löse mich aus seinem Griff und weiche sofort zwei Schritte zurück.

„Sag niemals mehr Babe zu mir!“ Ich flippe fast aus, weil er dieses Kosewort benutzt hat.

Er hebt die Hände in die Höhe und kommt auf mich zu.

„Fass mich nicht an!“ brülle ich.

„Was ist los? Eben noch wolltest du, dass ich dir an die Wäsche gehe und jetzt drehst du durch oder was?“

Angewidert sehe ich ihn an. Wie konnte ich nur so blöd sein und mich auf diesen Typen einlassen? Ich kenne die Antwort auf meine Frage, aber ich möchte sie nicht in mein Bewusstsein lassen, denn das würde mich vollkommen fertigmachen.

„Alles in Ordnung bei dir?“

Ich atme erleichtert auf, als ich Bernice neben mir sehe und die schützend einen Arm um mich legt.

„Alles gut.“ versuche ich so normal wie möglich zu antworten. „Ich möchte nur weg hier.“

„Komm.“ Sie zieht mich mit sich mit, wobei ich den Kerl, mit dem ich eben noch getanzt habe, fluchen höre: „Ihr seid doch alles Schlampen!“

„Verpiss dich du Arsch!“ gibt Bernice zurück und schiebt mich weiter.

Der Alkohol ist nicht gerade hilfreich, um Ordnung in die Gedankenwelt zu bringen und zum ersten Mal heute Abend wäre es mir lieber, wenn ich nicht so viel getrunken hätte. Alles dreht sich, als wir auf einen Tisch zugehen, der in einer dunklen Ecke steht.

„Möchtest du vielleicht noch einen Cosmo?“ fragt mich Bernice.

Abwehrend hebe ich die Hand. „Lieber nicht.“

„Was anderes?“

„Ein Wasser.“

„Sicher?“

„Ich möchte nicht nochmal einem Typen wie dem da begegnen.“ und deute zur Tanzfläche, wo ich noch vor wenigen Minuten mit einem Fremden getanzt habe.

„Aber er war doch ganz schnuckelig?“

„Vielleicht. Nur bin ich nicht der Typ für One Night Stands.“

„Dann solltest du dich vielleicht nicht mehr so ins Zeug schmeissen, wie bei dem Kerl eben. Er war richtig geil auf dich.“

„Es war dumm von mir.“ Ich kann mein Tun nicht vor ihr erklären. Ich kann ihr nicht sagen, dass ich an unseren Chef gedacht habe, während der Blondschopf sich an mich heranmachte. Wie sehr ich mir wünsche, dass Damian hier wäre, wie sehr ich ihn vermisse. „Ich sollte vielleicht mal an die frische Luft.“

„Soll ich dich begleiten?“

„Nein, bleib du nur bei deinen Freundinnen. Ich komm schon klar.“ Klar vielleicht nicht wirklich, aber ich muss allein sein. Ich muss über das, was ich eben gemacht habe, nachdenken und wieder einen klaren Kopf bekommen.

Ich setze mich auf eine Bank, die nur ein paar Meter vom Club entfernt steht und lasse den Abend, ganz besonders die letzte Stunde, Revue passieren. So gut es in meinem benebelten Zustand eben geht.

Was würde Damian wohl sagen, wenn er mich so gesehen hätte? Würde er über mich herziehen, weil ich kurz nach unserer Trennung auf eine verführerische Art mit einem anderen tanzte? Oder wäre er eher zornig, weil ich ihn so schnell abgeschrieben habe? Oder könnte er vielleicht eifersüchtig sein?

Der letzte Gedanke gefällt mir mit Abstand am besten, doch davon kann ich nur träumen. Ich muss ihn vergessen, nach vorne sehen und so tun, als hätte er mir nicht unheimlich wehgetan.

„Miss Weber, darf ich Sie nach Hause bringen?“

Erschrocken drehe ich den Kopf und sehe Pietro neben mir stehen. Ich war wohl so sehr in meinen Erinnerungen versunken, dass ich ihn nicht habe kommen hören.

„Was tun Sie denn hier?“ ist das Erste, was ich hervorbringe.

„Auf Sie aufpassen.“ Er zuckt unschuldig mit den Schultern.

„Warum?“

„Weil es mein Job ist.“

Ich nicke nur, weil es nichts bringt, mit ihm über seine Aufgabe zu sprechen. Also stehe ich auf und folge ihm. „Waren Sie die ganze Zeit da?“

„So in etwa.“

„Dann haben Sie auch gesehen wie....“

„Ja, das habe ich.“ unterbricht er mich, bevor ich aussprechen muss, was ich im Club getan habe.

Verlegen sehe ich zu Boden. „Ich habe Sie nicht bemerkt.“

„Ich bin dazu ausgebildet, nicht gesehen zu werden.“

Wir schweigen, während er mich stützend zur Limousine bringt, die in der nächsten Strasse abgestellt ist. „Weiss Damian, wo ich bin?“

„Ja.“ Bevor ich ihm die nächste Frage stellen kann, spricht er weiter. „Er ist nicht begeistert.“

„Das kann ihm egal sein. Schliesslich sind wir nicht mehr zusammen.“

„Sie sind ihm nicht gleichgültig.“

„Wo ist er?“ höre ich mich auf einmal fragen.

„In der Schweiz.“

„Oh.“ Ich brauche eine Sekunde, um einen klaren Gedanken zu fassen und um den Schmerz zu verdauen, der eben mein Herz zugedrückt hat. „Geschäftlich oder Privat?“

„Privat.“

„Oh.“ sage ich wieder und ich muss schwer schlucken.

„Vielleicht sollten Sie ihr Telefon einschalten.“

„Wie?“

„Ihr Telefon ist schon den ganzen Tag aus.“ Pietro öffnet die Tür und ich klettere in den Fond des Rolls Royce.

Mein Smartphone liegt in meiner kleinen Handtasche. Ich habe es zwar eingesteckt, damit ich es bei einem Notfall dabei gehabt hätte, aber ich habe es seit heute Morgen nicht mehr eingeschaltet, weil ich mir nicht anhören konnte, was mir Damian sagen wollte und auf keinen Fall durfte ich seiner Stimme lauschen. Es wäre zu schmerzhaft gewesen.

Ich drücke auf den Knopf und das Handy erwacht zum Leben. Kaum habe ich die PIN eingegeben, zeigt es mehrere unbeantwortete Anrufe und unzählig Nachrichten an. Ehe ich nachsehe, von wem sie sind, tippe ich schnell eine SMS an Bernice. „Verdammter Mist.“ meckere ich, als sich herausstellt, dass ich ihre Nummer gar nicht habe.

„Irgendein Problem?“ fragt mich Pietro von vorne.

„Könnten wir nochmals zum Club fahren? Ich habe meiner Kollegin nicht gesagt, dass ich gehe. Ich möchte nicht, dass sie sich Sorgen um mich macht.“

„Schon erledigt.“

„Wie?“

„Als Sie nach draussen gegangen sind, habe ich Miss Turner mitteilen lassen, dass ich Sie nach Hause bringen werde.“

„Woher waren Sie sich so sicher, dass ich mit Ihnen gehen würde?“

„Obwohl Sie ziemlich betrunken waren, sind“ korrigiert er sich. „konnte ich an Ihrem Gesicht ablesen, dass Sie nicht mehr länger dort bleiben wollten.“

„Sind Sie nun auch noch Gedankenleser?“

Er schmunzelt nur und konzentriert sich wieder auf die Strasse. Also schaue ich auf mein Telefon. Bis auf ein Anruf sind alle von Damian. Der Erste war um sechs Uhr morgens. Der Letzte noch nicht einmal vor einer Stunde. Sowie ich den Nachrichtenordner geöffnet habe, seufze ich auf, als ich die vielen Mitteilung sehe, die allesamt von Damian stammen. Ich weiss nicht, ob ich es wagen darf, sie zu lesen, weshalb mehrere Minuten vergehen, bis ich den Mut gefasst habe nach unten zu scrollen, um die älteste zu öffnen.

Liebe Jess, vergib mir.

Geschrieben um kurz nach vier Uhr morgens.

Die nächste SMS:

Es tut mir leid, ich war ein Arsch.

Darauf folgend:

Ich muss in die Schweiz. Aber ich wünschte, ich hätte mich vorher mit dir unterhalten können. Ständig sehe ich dich vor mir, wie du mich mit deinen Augen traurig, verletzt und enttäuscht ansiehst. Bitte melde dich. Es tut mir leid.

So geht es zehn Nachrichten weiter, ausser dass sie immer ergreifender werden.

Wir starten bald. Ich werde erst wieder in London an mein Telefon gehen können. Das wollte ich dir kurz mitteilen. Eigentlich habe ich gehofft, dass ich noch etwas von dir höre, bevor wir abheben. Leider ist mein Wunsch nicht in Erfüllung gegangen. Jess, Babe, es war nicht meine Absicht. Sorry.

Ich versuche die Tränen zurückzuhalten, doch sie treten mir ungebeten in die Augen und lassen die Texte vor meinen Augen undeutlich werden.

Wir rollen nun über die Landebahn und noch immer kein Zeichen von dir. Ich wünschte, du wärst bei mir. Dein Damian

Erst vor wenigen Minuten:

Jess, meine Süsse. Das was ich zu erledigen hatte, habe ich getan. Ich dachte, ich würde mich danach besser fühlen, aber das tue ich nicht. Es geht mir sogar noch beschissener als davor. Es war ein sehr langer und anstrengender Tag. Wahrscheinlich sollte ich schlafen gehen, aber ich werde keine Ruhe finden, weil du nicht da bist und weil ich keine einzige Nachricht von dir erhalten habe. Jess, ich werde dir alles erklären. Ich werde dir erzählen, warum ich mich in den letzten beiden Tagen wie ein Arschloch benommen habe. Du kannst mich fragen, was immer du willst und ich werde dir alles beantworten. Bitte Jess, komm zu mir. Bitte komm in mein Appartement. Dein Damian

Ich weiss nicht, was ich von seinen SMS halten soll. Gerne würde ich ihm all das glauben, was er hier schreibt und ihm verzeihen, aber dafür brauche ich wirklich gute Erklärungen. Noch einmal eine solche Abfuhr wie letzte Nacht überstehe ich nicht.

Pietro meinte, dass Damian aus privaten Gründen in der Schweiz war, aber was sind das für Angelegenheiten? Hat er sich von Helen getrennt, weil er mit mir zusammen sein möchte? Wird er mir wirklich alles erzählen, was ich wissen möchte? Kann ich ihm vertrauen? Warum sollte er plötzlich bereit sein, sich mir gegenüber zu öffnen? Kann es sein, dass ich ihm vielleicht doch etwas bedeute?