Kirchlicher Dienst in säkularer Gesellschaft

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b) Konsequenzen im kirchlichen Kollektivarbeitsrecht?

Denkbare Konsequenz der dieser Rechtsprechung zu entnehmenden Grundwertungen49 für das „Streikrecht in kirchlichen Einrichtungen“ könnte sein, dass das Recht auf Streik von vornherein nur den Mitarbeitern kirchlicher Einrichtungen vorenthalten werden darf, bei denen „die Religion im Hinblick auf die Art der betreffenden beruflichen Tätigkeiten oder die Umstände ihrer Ausübung eine berufliche Anforderung ist, die angesichts des Ethos der in Rede stehenden Kirche wesentlich, rechtmäßig und gerechtfertigt ist und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht“.

Eine solche Folgerung ist nicht ganz fernliegend. Das zeigt ein Blick auf das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 13. Januar 2011.50 Es war Gegenstand der Revision, über die das Bundesarbeitsgericht – in der Sache abweichend – am 20. November 2012 in dem vorliegend als Ausgangspunkt gewählten Urteil entschieden hat. Die Achte Kammer des Landesarbeitsgerichts Hamm war der Auffassung, ein umfassender Ausschluss von Arbeitskämpfen im Bereich kirchlicher Einrichtungen sei nicht gerechtfertigt. Einschränkungen des Rechts zur Führung von Arbeitskämpfen seien vielmehr an der konkreten Aufgabenstellung der kirchlichen Einrichtung auszurichten. Dabei sei dem Selbstverständnis der Kirche Rechnung zu tragen, dass in karitativen Einrichtungen der in christlicher Überzeugung geleistete Dienst am Menschen durch Maßnahmen des Arbeitskampfs nicht beeinträchtigt werden dürfe. Hieraus ergebe sich aber nur die Notwendigkeit, zwischen verschiedenen Arbeitnehmergruppen und Funktionen je nach Nähe oder Ferne zum karitativen Auftrag der Einrichtung zu unterscheiden.

Das Bundesarbeitsgericht ist dem zu Recht nicht gefolgt. Dagegen sprechen schon praktische Überlegungen. Welche (Hilfs-)Tätigkeiten, die als solche vielleicht als dem karitativen Auftrag der Kirche fernstehend bewertet werden könnten, können wirklich im Wege des Arbeitskampfes verweigert werden, ohne dass „der in christlicher Überzeugung geleistete Dienst am Menschen“ beeinträchtigt wird? Es ist zudem ohne weiteres denkbar, dass zu den arbeitsvertraglichen Aufgaben, die ein Beschäftigter in einer kirchlichen Einrichtung hat, solche gehören, die dem kirchlichen Auftrag in der Welt näher und solche, die dem ferner stehen. Soll das Recht zum Arbeitskampf davon abhängen, in welche Richtung der Arbeitgeber sein Weisungsrecht aktuell ausgeübt hat? Hier bestehen in einer arbeitsteiligen, durch vielfältige Abhängigkeiten gekennzeichneten Arbeitsorganisation praktische Umsetzungsschwierigkeiten, die kaum bewältigt werden können. Aus ihnen erwachsen erhebliche Schadensersatzrisiken, die in aller Regel einen Streik tatsächlich hinderten. Außerdem ist auch nicht vorstellbar, dass eine Gewerkschaft nur die Träger solcher Funktionen zur Arbeitsniederlegung aufrufen – und an sie Streikunterstützung zahlen – würde, deren Ausfall mit Sicherheit die Verwirklichung des Einrichtungszwecks, also den hauptsächlichen Betriebszweck, nicht stört.

Der Ansatz des Landesarbeitsgerichts Hamm steht auch im Widerspruch zum kollektivistischen rechtsdogmatischen Grundverständnis des Bundesarbeitsgerichts vom Recht auf Arbeitskampf. Nicht der einzelne abhängig Beschäftigte hat ein Recht zu streiken, sondern eine tariffähige Gewerkschaft,51 deren Streikaufruf die individuelle Arbeitsniederlegung, die verfassungsrechtlich gewährleistete koalitionsgemäße Betätigung des Einzelnen durch Streikteilnahme, erst legitimiert. Jedenfalls besteht das Recht zu streiken für einen Arbeitnehmer als kollektives Recht, das immer nur zusammen mit andern ausgeübt werden kann.52 Auf seine persönlichen – aktuellen! – Arbeitsbedingungen kommt es dabei grundsätzlich nicht an. Auch wenn es etwa um die Leistung von Notdienstarbeiten geht, ist nicht jeder Beschäftigte, der arbeitsvertraglich mit Aufgaben betraut ist, deren Erfüllung die Notstandssituation vermeidet, ohne Weiteres vom Recht auf Streikbeteiligung ausgeschlossen. Seine Arbeitspflicht richtet sich vielmehr nach der durch das Erfordernis der Notdienstarbeiten legitimierten Organisationsmaßnahme von Gewerkschaft und Arbeitgeber53 im Zuge der Durchführung des Arbeitskampfes.54 Vielfach wird sie vom Träger des Streiks durch einen entsprechend eingeschränkten Streikaufruf umgesetzt, der hiervon nur die für die Vermeidung eines Notstandes unabdingbar nötigen Arbeitskräfte ausnimmt.

Danach scheidet eine unmittelbare Anwendung der individualrechtlichen Grundsätze, die der Europäische Gerichtshof der Union in den Rechtssachen „Egenberger“ und „IR/JQ“ aufgestellt hat, auf die rechtliche Behandlung eines Kollektivrechts auf Arbeitskampf in kirchlichen Einrichtungen aus.

c) Mittelbare Folgen?

Dies bedeutet indes nicht zwingend, dass die dortigen Erwägungen hier völlig unwirksam bleiben müssten. Denkbar erscheint immerhin, dass die nationalen Gerichte für Arbeitssachen die ihnen dort auferlegte materielle Prüfung der Nähe der individuellen Arbeitsaufgabe zum kirchlichen Auftrag intensiver als bisher auf die kollektivrechtlich bedeutsame Frage erstrecken, ob ein bestimmter Betrieb eine kirchliche Einrichtung und deshalb im geschützten Raum der Kirchenautonomie angesiedelt ist.

Bisher war für die Grenzziehung besonders wichtig, inwieweit die Kirche selbst durch ihre Autoritäten, wenn auch im Einzelfall nur über Mittelspersonen, in der betreffenden Einrichtung hinreichend und nachhaltig prägend Einfluss auf die religiöse Tätigkeit nehmen kann.55 Diese im Betriebsverfassungsrecht erprobte Grenzziehung für rechtlich verselbständigte Einrichtungen dürfte für das Erreichen des kirchlichen Autonomiebereichs insgesamt von Bedeutung sein.56 Weiter spielte auch bisher schon die inhaltliche Frage eine Rolle, inwiefern die betreffende Einrichtung auch tatsächlich kirchlich-religiös fundierte Zwecke verfolgte, eine kirchliche Grundfunktion wahrnahm.57 Dabei war man aber recht großzügig und ließ es genügen, wenn in rechtlich verselbständigten Einrichtungen bestimmte Funktionen nur für kirchliche Mitarbeiter wahrgenommen wurden. Hier könnten die angesprochenen Urteile des Gerichtshofs der europäischen Union zu einer auch in das kollektive Recht hineinragenden strengeren Sichtweise beitragen. Es ist vorstellbar, dass die staatlichen Gerichte für Arbeitssachen hier ähnlich wie für in der Betriebsverfassung privilegierte Tendenzbetriebe58 verlangen werden, dass die Einrichtung selbst unmittelbar und nachvollziehbar einen für eine kirchliche Privilegierung ausreichenden und ihr angemessenen Zweck, eine „kirchliche Grundfunktion“, wahrnimmt.

IV. Schluß

Der kleine Rundgang durch das kollektive kirchliche Arbeitsrecht und seine Beziehungen zu den staatlichen Vorgaben hat gezeigt, dass durch das auch das katholische Kirchenarbeitsrecht betreffende Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 20. November 2012 zwar ein wichtiger Pflock eingeschlagen wurde, an dem sich künftige Entwicklungen orientieren konnten. Ruhe, was im Recht heißt: Rechtssicherheit, ist indes nicht eingetreten. Daran fehlt es auch, weil die kirchenarbeitsrechtlichen Reaktionen in ihren Möglichkeiten begrenzt und ihrer Geschwindigkeit deutlich steigerungsfähig sind. Für die weiteren Entwicklungen könnte es zudem wichtig werden, dass mit dem Gerichtshof der Europäischen Union ein mit neuer Intensität Einfluss nehmender Rechtsgestalter hinzugekommen ist. Ob und wie es von hier aus zu Änderungen im kirchlichen kollektiven Arbeitsrecht kommen wird, kann man noch nicht sicher abschätzen. Eine sorgfältige Beobachtung und Bewertung, die auch strategische Überlegungen mit einbeziehen sollte, ist jedenfalls angezeigt.

1 Ähnlich Benda/Maihofer/Vogel/Paul Mikat, Handbuch des Verfassungsrechts, 2. Aufl. 1994, § 29 Rn. 3.

2 Dreier/Martin Morlok, Grundgesetz, 3. Aufl. 2018, Art. 137 WRV Rn. 44, 45.

3 Aktuelle Abwägungen und Grenzziehungen in diesem Bereich hat jüngst der Gerichtshof der Europäischen Union vorgenommen in der Rechtssache „Egenberger“ (EuGH, 17.04.2018 – C-414/16, NZA 2018, 569) und seiner danach absehbaren, von Seiten des über die dortige Beklagte Aufsicht führenden Erzbischofs von Köln, der „Hauptstadt des rheinischen Katholizismus“, nicht verhinderten Chefarztentscheidung „IR/JQ“ (EuGH, 11.09.2018 – C-68/17, NZA 2018, 1187). Der Verf. kann die Vermutung nicht unterdrücken, dass dies in der Verantwortung eines früheren Kölner Generalvikars nicht passiert wäre.

4 Sog. praktische Konkordanz; dazu zuletzt BVerfG, 12.06.2018 – 2 BvR 1738/12 u.a., Rn. 157 ff. NJW 2018, 2695; in Rn. 162 wird die Akzeptanz des Dritten Weges mit seinem Ausschluss des Streikrechts bei gleichzeitiger Installierung eines strukturell annähernd gleichwertigen alternativen Konfliktlösungsmodells durch die staatlichen Gerichte als Anwendungsfall der praktischen Konkordanz eingeordnet.

5 Zu diesem Regelungsweg für in eine Dienstgemeinschaft eingebundene Arbeitsverhältnisse kurz zusammenfassend Klaus Bepler, FS Willemsen, 2018, S. 33, 34 f.

6 BAG, 20.11.2012 – 1 AZR 179/11, NZA 2013, 448: Dieses Urteil erging zwar zu einer Einrichtung der Diakonie. Auch dort galten aber auf dem Dritten Weg unter – kirchlichem – Ausschluss des Streikrechts zustande gekommene Arbeitsrechtsregelungen. Die Ausführungen sind ohne weiteres auch für den Bereich der Caritas oder Einrichtungen der verfassten Kirche maßgebend. Das zweite Urteil des BAG vom selben Tag (– 1 AZR 611/11, NZA 2013, 437) behandelt den Zweiten Weg, beruht aber in vielen Einzelheiten auf entsprechenden rechtlichen Erwägungen.

7 Zu diesem Begriff zuletzt näher etwa MHdB ArbR /Hermann Reichold, Band 2, 4. Aufl. 2018, § 158 Rn. 55 f.

 

8 BAG 20.11.2012, aaO, Rn. 55, 58; dazu auch Klaus Bepler, ZMV 2014, Sonderheft, S. 14 ff.

9 Dass die klagenden kirchlichen Einrichtungen im Ergebnis keinen Erfolg mit ihren Unterlassungsanträgen hatten, ist hier nicht zu vertiefen. Die mögliche Verdrängung des gewerkschaftlichen Streikrechts durch kirchliche Vorgaben stellte das Gericht fest und begegnete mit dieser Feststellung auch deutlicher Kritik; beispielhaft Henner Wolter/Jens Schubert, AuR 2013, 285; Roland Czycholl, Anm. zu BAG EzA Art. 9 GG Arbeitskampf Nr. 148; dem wird hier nicht nachgegangen. Ausgangspunkt der folgenden Überlegungen ist die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, die in der Sache allerdings verfassungsgerichtlich nicht überprüft worden ist (BVerfG, 15.07.2015 – 2 BvR 2292/13, NZA 2015, 1117).

10 Begriff von Roger Blanpain, Katholische Universität Leuven.

11 Ebenso schon ErfK/Thomas Dieterich, 11. Aufl. 2011, GG Art. 4 Rn. 53; kritisch hierzu MHdB ArbR/Hermann Reichold, Band 2, § 160 Rn. 18 mwN.

12 EuGH, 17.04.2018 – C-414/16, NZA 2018, 569 m. Anm. Michael Fuhlrott; AuR 2018, 586 m. Anm. Johannes Heuschmid/Johannes Höller. Weiter etwa Jacob Joussen, EuZA 2018, 421.

13 EuGH, 11.09.2018 – C-68/17, NZA 2018, 1187; dazu Marcel Bieniek, DB 2018, 2643; Detlev Fey, ZMV 2018, 271; Stefan Greiner, NZA 2018, 1289; Gregor Thüsing/Regina Mathy, BB 2018, 2805.

14 Etwa BAG, 20.03.2002 – 4 AZR 101/01, NZA 2002, 1402; 08.06.2005 – 4 AZR 412/04, NZA 2006, 611; 17.11. 2005 – 6 AZR 160/05, NZA 2006, 872; 16.02.2012 – 6 AZR 573/10, NZA 2012, 1054; 14.07.2015 – 3 AZR 517/13, NZA-RR 2015, 595; zustimmend ErfK/Ingrid Schmidt, 19. Aufl. 2019, GG Art. 4 Rn. 52; Heinz Josef Willemsen/Christian Mehrens, FS Bepler, S. 619, 621; Fey/Joussen/Steuernagel/Detlev Fey, Das Arbeits- und Tarifrecht der Evangelischen Kirche, 2012, „Arbeitsvertragsrichtlinien“ Rn. 6; Reichold/Kortstock/Martin Böckel, Das Arbeits- und Tarifrecht der katholischen Kirche, 2014, „Arbeitsvertragsordnungen und -richtlinien“, Rn. 5; jeweils mit Nachweisen auch zur Gegenmeinung.

15 BAG, 24.05,2018 – 6 AZR 308/17, NZA 2019, 166. Joussen, jM 2018, 415; kritisch Bernhard Baumann-Czichon, JurisPR-ArbR 41/2018 Anm. 4.

16 Wie z. B. § 2 des Allgemeinen Teils der AVR des Deutschen Caritasverbandes; in dieselbe Richtung auch § 4 des Arbeitsrechtsregelungsgrundsätzegesetzes der EKD.

17 BAG, 21.06.2018 – 6 AZR 38/17, NZA 2018, 1413; im Anschluss an BAG, 23.11.2017 - 6 AZR 739/15, NZA 2018, 301; BAG, 23.11.2017 – 6 AZR 683/16, NZA 2018, 311; dazu Tino Frieling, JurisPR-ArbR 14/2018 Anm. 3; Jacob Joussen, Anm. zu AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 87; Hermann Reichold, RdA 2018, 248; Klaus Bepler, ZAT 2018, 2016, 225; allgemeiner zu AVR bei Betriebsübergängen unter Beteiligung kirchlicher Träger Klaus Bepler, FS Willemsen, 2018, 33.

18 Ausführlich Jacob Joussen, jM 2018, 415, 418 ff.

19 Ebenso in der Bewertung MHdB ArbR/Hermann Reichold, Band 2, § 161 Rn. 19.

20 BAG, 22.07.2010 – 6 AZR 847/07, NZA 2011, 631 = ZMV 2010, 331 = BB 2011, 186 mit Anm. Gregor Thüsing; BAG, 19.04.2012 – 6 AZR 677/10, ZTR 2012, 468 = ZMV 2012, 294; gegen BAG, 17.11.2005 – 6 AZR 160/05, NZA 2006, 872 = ZMV 2006, 262 = EWiR 2006, Gregor Thüsing/Ellinor von Löwis of Menar, EWiR 2006, 421; besprochen von Christian von Tiling, NZA 2007, 78. In diesem Urteil war man noch von einer uneingeschränkt angeordneten Inhalts- und Angemessenheitskontrolle kirchlicher AVR ausgegangen. Wie hier auch Jacob Joussen in Joussen/Steuernagel, AVR. DD, 2018, Einl. Rn. 13.

21 BAG, 06.05.2009 – 10 AZR 390/08, Rn. 29 mwN. NZA-RR 2009, 593, 596; ebenso Gerhard Reinecke, NZA Beilage 3/2000, S. 23, 29; Wolfgang Däubler, NZA 2001, 1329, 1335; Gregor Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, 2007, Rn. 189; wohl auch ErfK/Ulrich Preis, BGB §§ 305–310 Rn. 16 f.; jeweils mwN. auch zur Gegenauffassung, was die Inbezugnahme von ganzen Regelungskomplexen angeht; tendenziell in der Gegenrichtung Wiedemann/Hartmut Oetker, TVG, 8. Auf. 2019, § 3 Rn. 407.

22 Ebenso Jacob Joussen, jM 20189, 415–419; Bernhard Baumann-Czichon, JurisPR-ArbR 41/2018 Anm. 4; auch Klaus Bepler, ZAT 2013, 85, 89.

23 BAG, 16.04.2004 – 9 AZR 93/03, NZA 2004, 927 = ZMV 2004, 54.

24 Die Zuordnung der Vorsitzenden zu je einer Seite wird zumindest teilweise auch inhaltlich sehr ernst genommen. Der Verf. war aufgrund richterlichen Vorverständnisses überrascht zu erfahren, dass eine „Bank“ relativ regelmäßig vor einem anstehenden Vermittlungsverfahren mit „ihrem“ Vorsitzenden Kontakt aufnimmt.

25 Z. B. nach der Schlichtungs- und Schiedsvereinbarung für die Metallindustrie vom 14.12.1979; der Vereinbarung über ein Schlichtungsverfahren zwischen der Bundesrepublik Deutschland, der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände und ver.Di vom 25.10.2011; dem Tarifvertrag zur Regelung von Grundsatzfragen, den der Arbeitgeber- und Wirtschaftsverband der Mobilitäts- und Verkehrsdienstleister e. V. (AgvMoVe) und die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer am 30. Juni 2015 abgeschlossen haben; der Schlichtungsvereinbarung, die am 31. Januar 1984 zwischen der Tarifgemeinschaft des Deutschen Roten Kreuzes e. V. und der Gewerkschaft ÖTV (heute ver.Di) abgeschlossen worden ist.

26 Ebenso Moritz Hilje, Streikrecht in kirchlichen Einrichtungen, Berlin, 2015, S. 233.

27 Hier muss das kirchliche Satzungsrecht effektiv in Richtung auf einen Einigungszwang regeln und kann sich nicht mit der Übernahme irgendeines tarifvertraglichen Schlichtungsverfahrens begnügen. Denn im Tarifvertragsrecht steht am Ende einer gescheiterten Schlichtung die im Grundsatz aussichtsreiche Möglichkeit der kampfweisen Erzwingung einer Neuregelung. Das kirchliche Arbeitsrechtsregelungsverfahren wird bereits durch das Vermittlungsverfahren beendet. Es muss deshalb vergleichbar aussichtsreich sein, was eine Neuregelung angeht.

28 Eine dahin gehende Regelung ist aus meiner Sicht allerdings weniger empfehlenswert, weil sie Manipulationsmöglichkeiten eröffnet. Anders als im Tarifvertragssystem gibt es im kirchlichen Arbeitsrechtsregelungsverfahren keine der Friedenspflicht entsprechende zeitliche „Neugestaltungssperre“. Es kann jederzeit und mit jedem Inhalt eine Neuregelung initiiert werden. Wechselt die/der im Nichteinigungsfall allein entscheidende Vorsitzende von Vermittlungsfall zu Vermittlungsfall, lässt sich vorplanen, welchen Vorsitzenden man gern zu einem demnächst anstehenden Zentralproblem „in Stellung“ hätte.

29 Natürlich an sich auch der Dienstnehmerseite! Auf deren Möglichkeiten kommt es vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vom 20. November 2012 aber nicht an. Sie ist zur Herstellung praktischer Konkordanz um eine Ausgleichung der zulasten der Dienstnehmerseite bestehenden strukturellen Ungleichgewichtslage besorgt.

30 Meine eigenen Erfahrungen mit dem Doppelvorsitz haben nie auch nur in die Nähe einer Situation geführt, in der es unmöglich gewesen wäre, zusammen mit dem Mitvorsitzenden einen Vermittlungsvorschlag zu unterbreiten. Das sagt indes nur etwas aus über beteiligte Personen, nicht über Verfahrensstrukturen.

31 Man hätte auch daran denken können, (z. B.) dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz die Benennung einer/eines Vorsitzenden aus einer von beiden Seiten zusammengestellten Liste zu überlassen, wenn es zu keiner Wahl im Plenum kommt.

32 Auch Arbeitskämpfe können, wenn auch vermutlich vergleichbar selten wie Sitzungen eines Vermittlungsausschusses, ohne Ergebnis enden.

33 Je einem Dienstgeber- und Mitarbeitermitglied aus der Arbeitsrechtlichen Kommission und je einem, der nicht der Kommission angehört, zwei Vorsitzende.

34 ABl. S. 183.

35 ABl. S. 17.

36 ABl. Paderborn 2016, S. 21 ff.

37 Wobei die Gewerkschaft ver.di sich dem leider entzieht, vermutlich, weil auch bei ihr gelegentlich der gewerkschaftliche Konservatismus das Ziel der effektiven Vertretung von Arbeitnehmerinteressen überlagert.

38 ErfK/Ingrid Schmidt, GG Art. 4 Rn. 55.

39 Dazu Klaus Bepler, ZMV 2014 Sonderheft S. 14 ff., 20.

40 Johannes Heuschmid/Johannes Höller, AuR 2018, 586.

41 Peter Hanau, Soziales Recht 2018, 218, 219.

42 EuGH, 17.04.2018 – C-414/16, NZA 2018, 569 = NJW 2018, 1869.

43 BAG, 25.10.2018 – 8 AZR 501/14, NZA 2019, 455.

44 Diese Erwägung erinnert stark an die für die Anwendung des § 118 BetrVG wichtige Begriffsbestimmung zum sog. Tendenzträger. Diese Eigenschaft hat ein Arbeitnehmer einer karitativen Einrichtung, wenn er bei den tendenzbezogenen Tätigkeitsinhalten im Wesentlichen frei über die Aufgabenerledigung entscheiden kann und diese Tätigkeiten einen bedeutenden Anteil an der Gesamtarbeitszeit ausmachen (BAG, 14.05.2013 – 1 ABR 10/12, NZA 2014, 336). Daraus dürfte aber nicht zu schließen sein, dass Differenzierungen wegen der Religionszugehörigkeit nur oder auch immer bei Tendenzträger rechtmäßig sind.

45 In seinem Beschluss vom 22.10.2014 – 2 BvR 661/12, NZA 2014, 1387, der die erste Chefarztentscheidung des Bundesarbeitsgerichts betraf, hat das Bundesverfassungsgericht noch in einem amtlichen Leitsatz u.a. formuliert: „Die staatlichen Gerichte haben im Rahmen einer Plausibilitätskontrolle auf der Grundlage des glaubensdefinierten Selbstverständnisses der verfassten Kirche zu überprüfen, ob eine Organisation oder Einrichtung an der Verwirklichung des kirchlichen Grundauftrags teilhat, ob eine bestimmte Loyalitätsobliegenheit Ausdruck eines kirchlichen Glaubenssatzes ist und welches Gewicht dieser Loyalitätsobliegenheit und einem Verstoß hiergegen nach dem kirchlichen Selbstverständnis zukommt.“.

46 EuGH, 11.09.2018 – C-68/17, „IR/JQ“, NZA 2018, 1187.

47 AaO. Rn. 58.

48 BAG, 20.02.2019 – 2 AZR 746/14, NZA 2019, 901; nachdem sich das Kölner Erzbistum entschlossen hat, gegen dieses Urteil nicht Verfassungsbeschwerde einzulegen, ist dieser Rechtsstreit endlich bendet.

49 Es soll hier nicht erörtert werden, inwiefern unions- oder internationalrechtliche Bewertungen im Arbeitskampfrecht unmittelbar auf das nationale Arbeitsrecht einzuwirken in der Lage sind. Es ist ganz unabhängig davon heute fast selbstverständlich, dass aus diesen Rechtskreisen stammende Erwägungen die nationale Rechtsprechung beeinflussen.

50 LAG Hamm, 13.01.2011 – 8 Sa 788/10, NZA-RR 2011, 185–199 = ZMV 2011, 115–118.

51 Eine Mindermeinung lässt für eine kollektivrechtliche Legitimation von Arbeitsniederlegungen auch das anlassbezogene Zusammenwirken einer Arbeitnehmergruppe („Ad hoc Koalition“) ohne Organisation durch eine Gewerkschaft ausreichen (Däubler/Wolfgang Däubler, Arbeitskampfrecht, 4. Aufl. 2018, § 12 Rn. 19 ff.

52 Däubler/Wolfgang Däubler, Arbeitskampfrecht, § 12 Rn. 34; ErfK/Wolfgang Linsenmaier, GG Art. 9 Rn. 94, 123, 164.

53 Zu dem breit ausgetragenen Streit, wer letztlich die Organisationsmacht für Notdienstarbeiten hat, soll nicht Stellung genommen werden (dazu ErfK/Wolfgang Linsenmaier, GG Art. 9 Rn. 180 ff., 188; Däubler/Waldemar Reinfelder, Arbeitskampfrecht, § 15 Rn. 48 ff.). Regelmäßig wirken Arbeitgeber und Gewerkschaft hier tatsächlich im wechselseitigen Eigeninteresse sinnvoll zusammen.

54 Däubler/Waldemar Reinfelder, Arbeitskampfrecht, § 15 Rn. 55; ErfK/Wolfgang Linsenmaier, GG Art. 9 Rn. 187.

55 BAG, 05.12.2007 – 7 ABR 72/06, NZA 2008, 653 („Alfried-Krupp-Krankenhaus“); dazu Hermann Reichold, NZA 2009, 1377, 1378 f.

56 So zu Recht auch Hermann Reichold, NZA 2009, 1377, 1378.

57 Dazu zuletzt MHdB ArbR/Hermann Reichold, § 158 Rn. 40 ff.

58 BAG, 22.05.2012 – 1 ABR 7/11, NZA-RR 2013, 367.