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Die Lohensteinhexe

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„Nicht so lange das Geständnis unvollständig ist“, lehnt der Magister ab.

Dn. Consul verzichtet auf einen Responsio genannten Einwand - eine höhere Form des Einspruchs, was in solchen Prozessen üblich ist - obwohl ihm die Prozessführung zunehmend missfällt. Er vermisst den Nachdruck. Nicht umsonst ist er ein Verfechter der ‚blutigen‘ Befragung, weil im Blut die einzige untrügliche Wahrheit liegt.

Als Zeuge von mittlerweile sechs Prozessen, weiß er wovon er redet. Nur mit Schmerzen erzwungene Geständnisse sind glaubhaft. Und ginge es nach ihm, würde er ihr diese Unverschämtheit schnell austreiben. Darin hat er einen Namen.

Auch wenn er in der Öffentlichkeit stets so tut, als lege er keinen Wert darauf, lässt er sich gern ‚den Unerbittlichen‘ nennen. Nebenbei bringt ihm jeder schnelle Erfolg noch einen kleinen Sonderbonus in Höhe von zehn Gulden ein.

Aber das ist ihm nicht wichtig. Vielmehr fühlt er sich aufrichtig in dieses Amt berufen. Auf seine Opfer sieht er gern herab und liebt es, sie auch so zu behandeln. Das bestärkt sein Gefühl der Überlegenheit, weshalb sein Hochmut besonders ausgeprägt ist.

„Weißt du eigentlich, was das Wort Hure bedeutet?“, schaltet sich jetzt Se. Cantorius provozierend ein.

„Ich verstehe diese Frage nicht.“

„Aber du gebärdest dich wie eine.“

„Ich habe ihm glaubend gemacht, etwas zu sein, was er nicht ist. Das ist bei einem in die Jahre gekommen Mann, der für sich die Liebe zu entdecken meint, nicht schwer. Es fiel mir aber nicht leicht. Allein beim Gedanken an die Metchhild und ihre Kinder überkam mich große Scham. Ich betete täglich dreimal für ihr Wohl und fürchtete, jedes Mal im Erdboden zu versinken.“

„Interessant, wie du das drehst. Fast klingt es so, als wärst du das Opfer?“

„Das war ich auch, edler Cantorius. Nur kann man als Opfer nicht überleben. Deshalb habe ich die Umstände für mich genutzt.“

„Indem du ihn vernarrt hast.“

„Das tat er wohl selbst. Ich habe es lediglich nicht verhindert.“

„Das läuft auf dasselbe hinaus. Seltsam ist nur, dass er sich erst seit deiner Bekanntschaft so verändert hat. Du hast ihn also um seinen Willen gebracht, so dass er dir am Ende ganz verfallen ist. Die Folge war der Mord an seinem Weib und der Verlust seines Verstandes. Das alles ist doch nicht nur deiner Koketterie geschuldet. Da steckt mehr dahinter.“

„Der Jacob war aufgrund seiner Einfalt für solche Dinge empfänglich. Da genügt nur ein Anstoß, und er entdeckte völlig neue Seiten an sich. Ein solcher Mann ist dann wie verwandelt und gebärdet sich bisweilen wie ein Narr, so dass ihn selbst engste Bekannte plötzlich für einen Fremden halten.“

„Das ist aber ohne Zauberei nicht möglich?“

„Sie hat recht“, interveniert der Magister erneut. „So etwas ist nicht teuflisch, sondern nur niederträchtig. Außerdem sind wir nicht hier, um zu verdammen, sondern zu urteilen. Nur sollte unser Urteil gerecht sein und nicht von Emotionen getragen werden. Im Übrigen weise ich darauf hin, dass es Euch als Zeugen nicht zusteht, das Verhör zu führen. Ich rufe euch zur Mäßigung auf.“

Die Herren sind verblüfft, wagen aber keinen Einwand.

Plötzlich beginnt die Beklagte zu lachen und nennt das alles eine ‚lächerliche Inszenierung‘, einen Lobgesang auf den hiesigen Klerus. Ginge es wirklich um Gerechtigkeit, wäre sie längst frei, da es Hexerei nicht gäbe.

Noch bevor der Magister reagieren kann, erhält sie zwei Schläge mit der Katze, worauf ihre linke Augenbraue aufplatzt. Der hinter ihr stehende Büttel konnte sich nicht beherrschen. Sie kauert sofort zusammen und hält schützend die Hände über den Kopf.

Der Anblick des zitternden Weibes und das Blut in ihrem Gesicht verwirren den Magister. Wütend entreißt er dem Büttel die Katze und ist kurz davor, ihn selbst zu züchtigen.

Dann aber kniet er vor ihr nieder und tupft mit dem Velum behutsam das Blut aus ihrem Auge. Er tut es mit großer Sorgfalt, während sie ganz still hält.

Die Zeugen sind entsetzt. Aber die Tatsache, dass dieses heilige Tuch mit ihrem Blut benetzt wird, ist für sie unerträglich.

Jetzt umfasst er auch noch ihre Hände und drückt sie, worauf sie allmählich ruhiger wird.

„Ihr habt es versprochen“, schluchzt sie.

„Und ich werde es halten“, erwidert er.

Daraufhin blitzt so etwas wie Erleichterung in ihren Zügen und sie verspricht ihm, nunmehr alles zu sagen.

„So ist es recht, meine Tochter. Rede, und ich werde es verstehen.“

„Als der Winter vorüber war, bedurfte ich seiner nicht mehr“, fährt sie fort. „Ich hoffte, dass er sich nun wieder seiner Familie zuwendet und ich mein eigenes Leben führen könnte. Doch das war ein Irrtum. Er war meiner inzwischen derart gewohnt, dass er nicht mehr von mir lassen wollte, obgleich ich ihn meinen Überdruss zunehmend spüren ließ. Hielt ich ihn anfangs noch für einen Gesandten des Satans, der mich mit seinen Zauberkräften schnell zu Glück und Wohlstand führen könnte, wurde ich schnell enttäuscht.

Offenbar war das alles nur eine Verquickung unseliger Umstände, dass er mir ausgerechnet zu jener Zeit begegnete, als ich die Mächte des Bösen anrief. Er war nichts weiter als ein einfältiger Narr, ohne jede Magie und Macht und war am Ende hilfloser als ich. So sehr vernarrte er sich, dass er nicht mal in der Lage war, mich zur Liebe zu zwingen, aus Furcht, mich zu verletzen.

Natürlich spürte ich, wie er litt und war darüber erleichtert. Glaubte ich mich doch ob all des Ekels, den ich immer vor ihm empfand, plötzlich entschädigt. Und so wurde ich auch nicht müde, ihm weiterhin meine Verachtung zu bezeigen. Hoffte ich doch, dass er dann ganz von selber von mir ließe und zu seinem Weib zurückkehrte.

Aber da irrte ich. Als habe er meine Absicht durchschaut, wurde er nur noch verrückter, begann sich vor mir zu demütigen und gebärdete sich wie ein Narr. Andererseits drohte er mir aber auch ganz unverhohlen, mich als Hexe zu diffamieren und somit dafür zu sorgen, dass ich dorthin komme, wo ich heute bin.

Ich hatte ihm das aber nicht geglaubt, hielt ihn für feige und habe darüber noch gelacht. Als er aber Anstalten machte, sich an meinem Kindlein zu vergehen, wusste ich mir keinen anderen Rat mehr, als zur Liese Kolken zu gehen.“

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kristian winter, wkrisch1@t-online.de

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ISBN: 978-3-8476-4877-2