Die Lohensteinhexe, Teil III

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Die Lohensteinhexe, Teil III
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Kristian Winter (winterschlaefer)

Die Lohensteinhexe, Teil III

Die Wiedergeburt

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Ein neuer Anfang

Erste Einsichten

Die Vorahnung

Ein erster Angriff

Der Plan

Die Zusammenkunft

Nachbemerkung

Impressum neobooks

Ein neuer Anfang

Zwei Jahre nach diesen Ereignissen macht im Patrimonialgericht der Comturei Wendenberg ein außergewöhnlicher Mann von sich reden. Aufgrund seiner Kompetenz in Fragen der Jurisprudenz wurde er erst kürzlich zum städtischen Camerarius ernannt. Das ist umso verwunderlicher, zumal ihn niemand wirklich kennt. Man fand ihn irgendwann auf einer Wiese, kahlgeschoren und in abgerissener Kleidung, ohne dass er sagen konnte, wer er war und wie er dorthin gekommen sei.

Nachdem man ihn zunächst für einen Landstreicher hielt und schon davon jagen wollte, verblüffte er durch sein resolutes Auftreten und profunde juristische Kenntnisse. Daraufhin unterzog man ihn einer Prüfung durch einen städtischen Assessor, wo er ein weiteres Mal beeindruckte.

Nach einem längeren Aufenthalt im Kloster ‚Zu den Liebfrauen‘, wo er gesundheitlich wieder hergestellt wurde und man sich seiner Gottesfurcht versicherte, kam man schnell zu der Überzeugung, dass er doch nicht verrückt sei, sondern nur unter einem Gedächtnisschwund leide - ein Zustand, den man nach einem schweren Ereignis allgemein als Gottesgnade betrachtete. Deshalb entschloss man sich, ihn als neuen Bürger anzuerkennen und seine Fähigkeiten in den Dienst der Stadt zu stellen – zunächst auf Probe. Da seine Leistungen aber weiterhin über dem Durchschnitt lagen, wurde es auf Dauer.

Seither versieht er seine Tätigkeit in der hiesigen Kämmerei, die sich dank seiner Hilfe erstaunlich schnell konsolidieren konnte. Selbst der Landgraf – so heißt es - sprach seinen Dank aus und verlieh ihm persönlich die Kette eines ordentlichen Mitglieds des hiesigen Rates.

Er nennt sich Maximilian Bruchleben. Seinen alten Namen hat er vergessen, wie alles seine Vergangenheit Betreffende. Nur ab und an beschleicht ihn eine vage Erinnerung, die er aber gleich einem unliebsamen Traum verdrängt. Jetzt ist er ein anderer und will es auch bleiben. Dafür hat er viel getan und sich innerlich wie äußerlich derart verändert, dass ihn kaum noch jemand von früher wiedererkennen würde.

Er trägt nun eine Kurzhaarfrisur, die er oftmals unter einem samtbeigen, federbesetzten Barett verbirgt. Im Gegensatz zu seinem sorgsam gezwirbelten Oberlippenschnauzer, hat er seinen Kinnbart vollständig abrasiert. Ebenfalls neu ist die kleine, runde Brille, welche ihm etwas Belesenes, Bürokratisches verleiht. Dagegen wirkt sein mittlerweile etwas aufgedunsenes Gesicht nunmehr ruhiger und freundlicher.

Am auffälligsten aber ist seine Kleidung. Diese besteht ausnahmslos aus geschlitzten Pluderhosen nach neuester französischer Mode; dazu taillierte, bis zur Halskraus zugeknöpfte Westen und hohe, schwarze Stulpenstiefeln, die ihm eine besondere Eleganz verleihen. Fast könnte man ihn für einen Stutzer halten, der es auf die Frauen abgesehen hat.

Aber das täuscht. Gerade in dieser Hinsicht zeigt er keinerlei Interesse, obgleich man ihm gelegentlich schon einige Avancen bedeutet hat, allen voran die gnädige Frau Hofrätin Beatrice, die Gemahlin des honorigen Konsistorialrates Kunibert von Ringfeld, dem der Vorsitz des hiesigen Rates untersteht und wo er gelegentlich zu Gast bei einem Glas Wein weilt.

Alles an ihm strahlt Ruhe und Würde aus, und niemand käme auf die Idee, hinter diesem Mann etwas anderes zu vermuten als eine biedere Amtsperson, die allein seinem Dienstherrn verpflichtet ist und sein Amt nach bestem Wissen und Gewissen erfüllt. Er betet dreimal am Tag und spendet stets sein ecclesia victimas genanntes Kirchenopfer.

Dennoch bleibt er ein widersprüchlicher Sonderling, den niemand so recht mag. Bis auf die sporadischen Kontakte zu den Ringfelds, hat er keine wirklichen Freunde. Vielmehr lebt er zurückgezogen in seiner kleinen Kammer in einem Bürgerhaus am Marktplatz und meidet jede Gesellschaft. Dort vertieft er sich in allerlei Studien, die er oftmals bis in die Nacht betreibt.

Selbst seine Aufwärterin, die alte Käthe, eine resolute Kammerfau von beeindruckender Körperfülle und Tatkraft, muss ihn hin und wieder ermahnen, wenn er am Tisch inmitten seiner Akten einschläft und dann bis zum Morgen hindurchdöst. Dabei gleicht seine Stube ohnehin schon einer Räuberhöhle. Doch wenn sie dort für Ordnung sorgen will, fährt er sie oftmals an, als fühle er sich nur im Chaos wohl.

Dabei erscheint er ihr manchmal nicht recht bei Trost, vor allem, wenn er bis spät abends beim Licht der Kerze irgendwelche Studien betreibt und dazu ellenlange Texte verfasst. Dann verbietet er sich jede Störung und wird fuchsteufelswild, wenn man sie sich nicht daran hält.

Nichtsdestotrotz hat er vor kurzem mit einer glänzenden Dissertation ‚zu Problemen des Articulum principalem im Urgicht‘ vor dem hiesigen Gremiums derart beeindruckt, dass man ihm kurzerhand den Titels eines ‚Magister disciplinae‘ zuerkannte. Warum er allerdings die nachfolgende Empfehlung zum ‚leitenden Amtmann‘ vor dem heiligen Tribunal ablehnte, konnte niemand sagen.

Damit brüskierte er vor allem seinen Protegé, den Herrn von Ringfeld, der nicht wusste, wie er das dem Bischoff erklären sollte, nachdem er ihn erst dafür empfohlen hat.

„Ja, weiß er denn nicht, was er will?“, empörte sich dieser, als er davon erfuhr.

„Vermutlich nein, Eminenz. Offenbar versteht er sich nur als Scholastiker, dem die Theorie genügt“, antworte er daraufhin ergebenst.

„Dann verschone man mich mit ihm. Davon haben wir weiß Gott genug.“

Zweifellos bedeutete das sein Karriereende. Aber seltsamerweise kümmerte ihn das nur wenig. Im Gegenteil, dadurch wahrte er die nötige Distanz zu unangenehmen Dingen und hielt sich damit verbundene Verantwortungen vom Hals.

Wahrscheinlich wäre er für immer in seiner selbstgewählten Geruhsamkeit verblieben, hätte ihn nicht eines Tages die Nachricht von einem jungen Novizen erschüttert, der vom hiesigen Tribunal der Ketzerei überführt wurde, da er im Streit einen Gerichtsmann erschlagen und in den Fluss geworfen habe.

Natürlich erfüllte das allein noch nicht diesen Tatbestand. Ausschlaggebend waren die Aussagen von Zeugen, wonach er mit Haut und Haaren einer Hexe verfallen sei, die ihn zu dieser Tat getrieben habe.

Auch wenn das wieder einmal maßlos übertrieben schien - wie immer, wenn von Hexen die Rede war - erschütterten ihn diese Geschichte dennoch, so dass er sich sogleich nach den näheren Hintergründe erkundigte. Dabei musste er jedoch bald feststellen, dass vieles nur auf Halbwahrheit und Gerüchten beruhte. Vor allem blieb die ihn interessierende Hexe nebulos. Kaum jemand wusste etwas zu ihr zu sagen und wenn, war es das Übliche, was man über solche Weiber redete. Aber gerade das beunruhigte ihn.

Hinzu kam, dass er erst davon erfuhr, nachdem das Urteil bereits vollzogen war. Demnach hatte man ihn auf dem Marktplatz öffentlich gestäupt – eine sehr martialische Todesart, der ein langes Leiden vorangeht, aber der Schwere einer solchen Tat durchaus entspricht.

Noch Tage danach waren die Schrecken dieser Marter in aller Munde, wobei sich die Leute die Mäuler zerrissen und mit ihren schaurigen Berichten zu übertreffen suchten. Diese machten selbst vor seriösen Orten wie der Kämmerei nicht Halt. So wusste man von dem grässlichen Gebrüll zu berichten, als man den aufs Rad Geflochtenen mit einer Eisenstange malträtierte und am Ende mit der Axt enthauptete. Den abgeschlagenen Kopf, so hieß es weiter, habe man auf eine Lanze gespießt und neben dem Tor auf den Zinnen weithin sichtbar aufgestellt, daneben ein Schild mit der Aufschrift ‚Ius gratiae‘.

Aber ist so etwas christlich? Kann Abschreckung der Läuterung dienen? Die hiesige Jurisprudenz verbietet so etwas, doch niemand kümmert es.

Er mochte nicht tiefer darüber nachdenken, denn er hat für sich beschlossen, künftig ein geruhsames Leben zu führen. Spürt er doch seit langem wieder festen Boden unter den Füßen und will ihn nicht mehr verlieren. Was kümmern ihn also solche Geschichten, solange er mit seiner neuen Welt im Reinen ist?

Diese Einstellung hat sich in ihm so verfestigt, dass er sich wundert, wieso er jemals anders gedacht hat. Selbst alten Rachegedanken erscheinen ihm jetzt wie ein Relikt aus einer anderen, fremden Welt.

Und doch kollidiert sie zuweilen mit seinen gewachsenen Vorbehalten gegenüber jeder Gewalt. Denn als er am nächsten Tag wie gewohnt nach dem Verlassen des Ratshauses über den Markplatz schreitet und plötzlich auf eine johlende Menschenmenge trifft, entsetzt ihn die Unverfrorenheit, womit man sich ganz offen über den Streit zweier angetrunkener Männer amüsiert. Fortwährend beschimpfen und beleidigen sie einander und nehmen dabei kein Blatt vor den Mund.

 

Während der eine, ein junger Bursche von höchstens zwanzig Jahren, wie ein Bauer gekleidet ist und lediglich ein ärmliches Unterhemd trägt, das in seinen Beinlingen steckt, weist der gesteppte Wams des anderen auf einen Kaufmann oder Krämer hin. Er ist wesentlich älter und kräftiger und scheint sich einen Spaß daraus zu machen, den jungen Dachs herauszulocken. Offenbar spielen auch Standesränke eine Rolle, denn nicht umsonst nennt er ihn einen dreckigen ‚Dörper‘, dem man das Maul stopfen sollte.

Eine auffallend hübsche, aber ebenfalls überaus ärmlich bekleidete Frau versucht immer wieder den Jüngeren zu besänftigen. Offenbar handelt sich um eine Verwandte oder gar Ehefrau.

Doch der ist viel zu erregt und wohl auch zu stolz, als nachzugeben. So streiten sie unvermindert weiter, sehr zur Freude der Umstehenden. Und während sie einander anschreien, wird die Frau in ihrer Ohnmacht immer verzweifelter. „Christof, lass ihn doch, komm endlich zur Vernunft“, jammert sie, den Tränen nahe.

Der Kaufmann macht sich darüber lustig, indem er ihre Stimme nachäfft: „Christof, komm doch endlich zur Vernunft.“

Das wiederum löst neues Gelächter aus. Der Bauer will ihm daraufhin an die Gurgel. Nur mit Mühe kann ihn die Frau davon abbringen.

Das hält den anderen jedoch nicht davon ab, ihn nun erst recht zu verspotten. Schließlich fordert er die Frau auf, ihn loszulassen, damit er ihm endlich - wie er sich ausdrückt – eins auf die Fresse geben kann.

Da sie sich aber schützend vor ihn stellt, fasst er sie an den Haaren und zerrt sie beiseite.

Sie schreit vor Schreck und Schmerz und will sich seinem Zugriff entwinden. Doch niemand von den Umstehenden kommt ihr zu Hilfe.

Zwar versucht sich der Bauer jetzt auf ihn zu stürzen, bekommt jedoch einen solch heftigen Fausthieb in den Bauch, dass er zu Boden fällt und ihm für Momente die Luft wegbleibt.

Wieder tönt von allen Seiten Gelächter, indes der Kaufmann mit breitem Grinsen über sein Opfer hinweg stolziert und triumphierend die Arme breitet.

Da reicht es dem Magister. Urplötzlich packt er den dreisten Kerl am Kragen und tritt ihn so kräftig in den Steiß, dass er zu Boden stürzt.

Da sitzt er nun im Dreck und guckt ihn verdattert an. Aber auch die Umstehenden sind verwundert, denn es ist sehr ungewöhnlich, dass sich ein solch edler Herr in eine Rauferei mischt.

Von seiner imposanten Gestalt und der würdevollen Haltung beeindruckt, wagt jedoch niemand einen Einwand. Selbst der Getretene schweigt, als sei er zur Besinnung gekommen. Schließlich erhebt er sich und verzieht sich mit seinen Kumpanen.

Während sich nun auch bald der Kreis der Zuschauer lichtet, bleiben nur noch die Frau und ihr am Boden kauernder Begleiter zurück. Der ist so durcheinander, dass er gar nicht weiß, was soeben geschehen ist.

„Vielen Dank, edler Herr“, bringt die Frau nach einigem Zögern heraus, fällt auf die Knie und will ihm schon die Hand küssen; eine hierzulande weit verbreitete Unsitte, die ihm zuwider ist.

Hastig zieht er seine Hand weg. Schon glaubt sie, ihn verletzt zu haben, doch er bedeutet ihr, wieder aufzustehen. Sie bleibt folgsam und setzt unter einer ehrfürchtigen Verbeugung hinzu, dass man ihren Mann zu Unrecht beschuldigt habe - er hätte nichts getan.

Ohne das weiter auszuführen, legt sie dessen Arm über ihre Schulter und hilft ihm wieder auf. So kommt er denn mit ihrer Unterstützung schließlich neben dem Brunnensims zu stehen, allerdings noch sehr schwankend.

Der Magister will helfen. Doch der Betrunkene fährt ihn gleich an, er brauche seine Hilfe nicht und überhaupt, was er von ihm wolle.

Der Frau ist das peinlich. Sogleich entschuldigt sie sich für dessen Benehmen und weist ihn zurecht. Doch der ist noch immer außer sich und brüllt seinem Gegner etwas nach, der jedoch längst verschwunden ist.

„Warum haben sie sich gestritten?“, will der Magister wissen.

„Manche Leute halten uns für Freiwild, nur weil wir arm sind“, umgeht sie die Antwort.

Er reicht ihr das Schultertuch, das ihr zu Zuge der Rangelei herunter gefallen war.

„Oh, Danke“, erwidert sie errötend. „Normalerweise tritt oder schlägt man uns. Wehrt man sich aber, wird man gleich angeklagt, als sei es unsere Pflicht, sich treten oder schlagen zu lassen ... Mein Mann ist nicht so, müssen Sie wissen, aber dieser Mensch beleidigte ihn vor allen Leuten, und das konnte er nicht ertragen.“

„Aber gewiss doch. Niemand muss Beleidigungen hinnehmen. Das ist doch keine Frage des Standes.“

„H-halten Sie sich da heraus, klar?“, lallt der Betrunkene in einem Anflug von Empörung.

„Es ist schon gut, Christof. Du hast das missverstanden. Der Herr meint es nicht so.“

„W- wie soll er es denn sonst meinen, hä? … S-sieh ihn dir nur an. Er ist doch auch so einer. Ihr s-seid schuld, nur ihr allein!“

An dieser Stelle gibt sie ihm eine Ohrfeige, worauf er sie wie erstarrt ansieht, ohne zu begreifen, was sie ihm noch einmal in hastigen, zornigen Worten auseinander setzt, dass nämlich dieser Herr hier – dabei weist sie auf seinen Retter - für ihn eingetreten sei und er ohne ihn jetzt noch im Dreck läge; und es wäre verdammt noch mal seine Pflicht, sich bei ihm zu bedanken und vor allem zu entschuldigen, anstatt hier noch weiter herum zu pöbeln.

Doch der Magister sieht darüber hinweg. Ihre Courage beeindruckt und beschämt ihn gleichermaßen, weckt aber auch seine Neugier. Wie eine gewöhnliche Bauersmagd sieht sie nicht aus. Sie ist ebenfalls noch sehr jung, höchstens Anfang 20, hat rotblondes, schütteres Haar und einen sehr klaren Blick. Ihre Züge sind regelmäßig und von einem gewissen Liebreiz, die einer tiefen Aufrichtigkeit entspringt. Vor allem, wenn sie lächelt, belebt sich ihr Gesicht sehr angenehm. Nichts an ihr wirkt linkisch. Vielleicht erahnt man gerade deshalb ihre Festigkeit, ja Entschlossenheit, und irgendwie erinnert sie ihn an …

Aber nein! Er will nicht erinnert werden, an niemanden! Und dennoch - wäre sei etwas schlanker und hätte die Mundpartie etwas anders – sie würde ihr zum Verwechseln ähneln. Wie ist so etwas möglich?

„Wenn ich Ihnen sonst noch behilflich sein kann?“, fragt er anstandshalber und fühlt sich plötzlich sehr unwohl.

„Oh nein. Sie haben schon genug getan, und dafür danke ich Ihnen, edler Herr …“

„Maximilian Bruchleben“, ergänzt er und deutet eine leichte Verbeugung an.

„Sehr angenehm, Julia Tietjen und das ist mein Mann Christoph. Wir leben draußen im Wildenbruchflecken und kommen manchmal in die Stadt auf den Markt, wie heute. Normalerweise trinkt mein Mann nicht. Aber das hat ihn doch sehr mitgenommen. Er ist gegenüber machen Versuchungen noch schwach, müssen Sie wissen, und ich kann nur hoffen, dass er bald zur nötigen Reife findet.“

Auch wenn aus ihren Worten die vollständige Aufrichtigkeit hervorleuchtet, um ihrem Empfinden die alles erklärende Formel zu verleihen, spürt er dennoch, dass sie etwas bedrückt, als wäre es nur die Hälfte von dem, was sie hatte sagen sollen. Er wagt aber nicht nachzufragen.

„Manchmal könnte ich ihn erwürgen“, setzt sie mit erstickter Stimme hinzu. „Dann ist er wie ein Kind und sagt Dinge, die er besser nicht sagen sollte. Damit bringt er uns in große Gefahr. Dabei ist unser Leben ohnehin schon schwer genug.“

„Aber ich bitte Sie. Man muss sich für seine Meinung nicht entschuldigen.“

„U-und ob, mein Bester, und ob“, mischt sich erneut der Betrunkene ein, der offenbar genau zugehört hat, und kommt ihm dabei unhöflich nahe. „Dieser No- novize, sage ich Euch, war unschuldig, wie wir alle hier. Und das sage ich jedem ins Gesicht, jawohl, selbst wenn ich dafür brennen muss.“

„Jetzt halt doch endlich deinen Mund“, fährt sie ihn erneut an, aus Angst, er könne sich noch verplappern. Doch der denkt gar nicht daran.

„Ich sage Euch, er war ihr verfallen“, fährt er fort. „S-sie hat ihn benutzt ... Ach, lass mich. Er kann es ruhig wissen, alle Welt kann es wissen, - sie ist eine Hexe ... Warum sehen Sie mich so an? Haben S-sie noch nie eine gesehen? Solche Krallen hat sie, grüne Augen und einen stechenden Blick.“

Zu seiner Frau gewandt fährt er amüsiert fort. „Er hat noch k-keine gesehen. Wie sollte er auch. Soll er nur hingehen zu ihrem Sabbat, wo sie ihrem Fürsten huldigt - dann k-kann er es selber erleben.“

Bei den letzten Worten fühlt der Magister plötzlich einen Stich im Herzen. Was sagte er da – Sabbat und Fürsten huldigen?

Das war doch unmöglich. Das konnte nicht sein. Das Letzte, was er von ihr gehört hat, war, dass man ihre ‚Dienste‘ gegenüber dem Tribunal mit dem Leben entlohnte und sie aus der Stadt gejagt hatte. Danach verlor sich ihre Spur, und er hat auch nicht die Absicht, sie jemals wieder aufzunehmen.

Es gibt sicher tausend Hexen im Lande, die irgendwelchen Fürsten huldigen. Das muss noch lange nichts bedeuten.

Schon möglich, dass hier irgendeine Kräuterfee ihr Unwesen treibt und den Pöbel narrt. Das wäre so weit nichts Neues, zumal das Landgesinde für so etwas empfänglich ist. Aber sie war es bestimmt nicht.

Auch wenn sich alles in ihm gegen diese Gedanken wehrt, muss er plötzlich lachen. Aber es ist ein irres Lachen, was die junge Frau verschreckt. Er bemerkt es und versucht sich zu erklären, findet aber nicht die rechten Worte.

Es sei nichts, sagt er und winkt ab. Wie ihr Mann das sage, wirke das reichlich komisch und erinnere ich an etwas.

Noch bevor sie reagieren kann, verabschiedet er sich und eilt davon, als fürchte er sich vor etwas, indes sie ihm verwundert nachschaut.

Zu Hause angekommen, sperrt er sich sogleich in seine Kammer ein und trägt der Käthe auf, jede Störung in den nächsten Stunden zu vermeiden. Er habe zu arbeiten.

Dann kramt er einige ältere Akten hervor und versinkt in tiefere Studien. Dabei rekapituliert er noch einmal die damaligen Geschehnisse, stellt Vergleiche an und zieht alle nur denkbaren Möglichkeiten in Betracht, um am Ende erleichtert zu dem Schluss zu kommen, dass es einfach unmöglich ist. Er muss sich irren, sie kann es nicht sein. Dennoch überkommt in plötzlich ein sehr seltsames Gefühl.

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