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Es geht weiter

Ich fand schnell heraus, dass der Abschluss der High School nicht »Freiheit« bedeutete: Meine Eltern wollten mich unbedingt weiterhin in Reichweite behalten. Aber wie gewöhnlich hatte ich andere Vorstellungen. Warum sollte ich in New Jersey bleiben? Ich wollte in Kalifornien aufs College gehen. Sie hatten vielleicht angenommen, ich hätte gesagt, ich wolle »zum Nordpol«.

»Das ist zu weit weg«, beharrten meine Mutter und mein Vater. Aus einer vernünftigen Diskussion wurde eine zunehmende Meinungsverschiedenheit, die sich zu einer Schreierei entwickelte.

Letzten Endes wurde ein Kompromiss erreicht: Ich konnte in Miami, Florida, aufs College gehen. Meine Eltern dachten, dies sei sicherer – erstens war Miami zweimal weniger weit entfernt von zuhause als Kalifornien, und zweitens war mein Großvater väterlicherseits, Zeida, der mir als Kind die Schachtel mit den Uhren gegeben hatte, kurze Zeit nach Bubbas Tod dorthin umgezogen. Sie stellten sich vor, dass Zeida ein wachsames Auge auf den verlorenen Sohn haben würde. Schließlich war ich der erstgeborene Sohn eines erstgeborenen Sohnes.

Auf diese Weise verloren mich meine Eltern für ein volles Jahr.

Ich schrieb mich an der Universität von Miami ein.

Meine Eltern hatten mir immer gesagt, dass ich alles werden könnte, was ich wollte, und dass ich alles tun könnte, was ich mir ausdachte. Dies war eine machtvolle Vorstellung, während ich aufwuchs, doch als ich älter wurde und darüber nachzudenken begann, einen Beruf zu finden, wurde das Fehlen eines inneren Kompasses nach und nach zu einem Problem. Alles zu sein und alles zu tun, gab mir keine sehr genaue Orientierung. Die Sache war die, dass mich nichts interessierte, und daher gab es auch nichts, worauf ich mich ausrichten konnte.

Ich widmete mich selbst sofort einem völlig zusammenhanglosen Studienplan. Im Zeitraum eines Jahres zog ich nicht weniger als drei Hauptstudienfächer in Erwägung: Psychologie, Einführung in das Recht und modernen Tanz. Ich hatte keine Ahnung davon, was ich tun wollte. Und wie immer konnte nichts mein Interesse sehr lange fesseln.

Zeida beobachtete, wie ich mich entwickelte, während ich alleine in Miami lebte – und er wollte eine Fortsetzung dieses Prozesses sehen. Ohne meine Eltern um Erlaubnis zu bitten, eröffnete er mir die Möglichkeit, mein zweites Studienjahr am Mittelmeer zu verbringen. Dies war eine sehr aufregende Aussicht. Als mir Bilder von Rom und Athen durch den Kopf schwebten, »definierte« Zeida das Mittelmeer. Er hatte dafür einen Kosenamen. Er bezeichnete es als Israel. Zeida, der der Situation wie üblich einen Schritt voraus war, fabrizierte eine Broschüre für einen einjährigen Studienplan in Jerusalem, ein Programm für amerikanische Studenten. Dann machte er das Angebot, dieses Projekt finanziell zu unterstützen. Wie konnten meine Eltern da nein sagen?

Mehr als Milch und Honig

Ein Großteil der Studenten, die nach Israel reisten, erwarteten, dass Gott vom Himmel herunterkommen und in den Straßen Milch und Honig fließen würden. Sie wurden enttäuscht. Ich jedoch ging dorthin und erwartete nur wenig mehr als ein Jahr außerhalb der Vereinigten Staaten, was bedeutete, dass mir keine unrealistischen Erwartungen im Wege standen und ich mich letztlich in alles verliebte. Die Reise in das Heilige Land war damals das bedeutungsvollste Jahr meines Lebens. Bis zum heutigen Tage erwache ich noch aus Träumen, in denen ich dort bin, inmitten der Menschen, der alten Tempel und der atemberaubenden Ausblicke vom Berg Sinai.

Bei meiner Rückkehr in die Vereinigten Staaten wurde ich in genau das gleiche Leben zurückversetzt, das ich hinter mir gelassen hatte. Was auch immer ich im Heiligen Land gefunden hatte, meine wirkliche Aufgabe hatte es mir nicht offenbart – oder wenn doch, so hatte ich sie nicht erkannt. Nun war ich wieder mit meinem Dilemma konfrontiert: ein Hauptstudienfach zu finden.

In dem Jahr, bevor ich zu meiner Reise aufbrach, war mir eine Idee gekommen. Während meinem Jahr in Miami hatte ich eine Erfahrung mit Rolfing gemacht, einer Art Tiefengewebsmassage, die in der Lage ist, die Muskulatur des Körpers zu befreien. Einige meiner Freunde hatten sich den zehn vorgeschriebenen Rolfing-Sitzungen unterzogen, und ich hatte die körperlichen Veränderungen gesehen, die diese bei ihnen bewirkt hatten. Für meine Entscheidung, mich auch »rolfen« zu lassen, genügte es mir, sie in ihrem Vorher-und-Nachher-Zustand zu sehen.

Die Sitzungen bewirkten eine Veränderung der Art und Weise meiner Haltung und schienen mir einen erweiterten Blick für die Welt zu eröffnen. Dem Rolfing liegt die Vorstellung einer körperlich-geistigen Rückkopplungsschleife zugrunde, und die Theorie dahinter besagt, dass es einzelne Muskeln befreit und in diesem Prozess den in ihnen gespeicherten Schmerz freisetzt – sowohl körperlichen als auch emotionalen, alten oder neuen. Während man durch diese Heilungen geht, geschieht es oft, dass vergangene Erfahrungen aufgelöst werden und die mit ihnen verbundenen Unannehmlichkeiten verschwinden. Eine Folge davon ist oft eine Verwandlung des physischen Körpers wie auch der Gefühle. Dieses neue Leben, frei von vielen alten Schmerzen, lässt eine andere Bewegung zu, ein anderes Dastehen und eine andere Haltung. Und wenn wir eine andere Haltung einnehmen, dann ergibt sich daraus, dass wir auch einen anderen physischen Raum einnehmen – und ebenso einen anderen emotionalen Raum.

Ich war von diesem Konzept und den Ergebnissen so beeindruckt, dass ich darüber nachdachte, selbst ein Rolfer zu werden. Doch meine Eltern hatten das Gefühl, dass sich Rolfing vielleicht als eine Modeerscheinung erweisen, aus der Mode kommen und ich beruflich gesehen auf dem Trockenen sitzen würde. Sie schlugen mir vor, dass ich einen Bereich der Gesundheitsfürsorge in Betracht ziehen sollte, der schon erprobter war: Chiropraktik. So hätte ich letztendlich wenigstens einen Abschluss, auf den ich zurückgreifen könnte.

Ich stimmte zu, nach Brooklyn zu reisen und mit einem Chiropraktiker zu sprechen, der mir von einem Freund der Familie vorgestellt wurde. Der Arzt schilderte mir die grundlegende Philosophie hinter der Kunst und Wissenschaft der Chiropraktik. Er erklärte, dass es eine universelle Intelligenz gibt, die den Aufbau und das Gleichgewicht des Universums aufrechterhält, und dass in jedem von uns eine Ausdehnung dieser Intelligenz existiert, die sich angeborene Intelligenz nennt und die uns lebendig, gesund und im Gleichgewicht erhält. Diese angeborene Intelligenz oder Lebenskraft kommuniziert mit den übrigen Anteilen unseres physischen Wesens größtenteils über unser Gehirn, das Rückenmark und unser restliches Nervensystem – das Kontrollsystem unseres Körpers. Solange die Kommunikation zwischen unserem Gehirn und unserem Körper offen ist und frei fließen kann, bleiben wir in unserem größtmöglichen Zustand von Gesundheit.

Wenn sich einer der Wirbel verdreht oder aus seiner Position he-rausschiebt, kann dies zu einem Druck auf unsere Nerven führen, was die Kommunikation zwischen unserem Gehirn und demjenigen Teil von uns, der von diesen Nerven versorgt wird, stören oder unterbrechen kann. Als eine Folge dieser Störung kann es dazu kommen, dass unsere Zellen allmählich absterben und unsere Widerstandsfähigkeit nachlässt, was ein Unbehagen mit sich bringt, als Vorläufer von Krankheit. Die Tätigkeit eines Chiropraktikers besteht also darin, die Störung, die von den Verkrümmungen (sie werden Subluxationen genannt) in unserer Wirbelsäule verursacht wird, zu entfernen und dadurch unserer Lebenskraft die Möglichkeit zu geben, wieder die Führung zu übernehmen, was uns in einen gesunden Zustand des Gleichgewichtes zurückbringt. Anders gesagt, geschieht hier Heilung dadurch, dass die Ursache der Störung beseitigt wird und nicht dadurch, dass man das Symptom behandelt oder verdeckt.

Als ich plötzlich erkannte, dass die Kopfschmerzen der Leute nicht die Folge von angeborenem Aspirinmangel im Blut war – wie es uns die Werbespots im Fernsehen glauben lassen möchten – und dass es etwas gab, womit ich helfen konnte, fasste ich den Entschluss, Chiropraktiker zu werden. Ich habe nicht aufgehört, über die ungeheure Reichweite dieses Schrittes nachzudenken und konnte auch nicht voraussehen, welche Rolle dieser Schritt schließlich in meinem Leben spielen würde. Synchronizität war noch kein Begriff, mit dem ich mich bewusst beschäftigt hatte.

Ganz plötzlich machte etwas »klick«. Ich wurde überschwemmt von den Fantasien meiner Kindheit – oder waren es Visionen gewesen? –, wie ich den Menschen als Orakel von Delphi geholfen hatte. Vielleicht war dies hier für mich eine Möglichkeit, tatsächlich etwas in dieser Richtung zu tun. Alles, was ich in diesem Moment wusste, war, dass etwas von dem, was der Arzt gesagt hatte, eine Saite in mir zum Klingen gebracht hatte. Irgendetwas an dieser Sache fühlte sich vollkommen an – und das reichte für mich aus. Ich war drauf und dran, einen ersten Schritt in eine neue Richtung zu gehen – die mich zu guter Letzt meiner Bestimmung näherbringen würde.

Ein neuer Weg des Entdeckens

»Selbstverständlich bist du medial veranlagt; es ist dir nur nicht bewusst.«

Meine Freundin Debbie Luican

Zurück in der Schule

Der Chiropraktiker aus Brooklyn, mit dem ich sprach, hatte mir das Cleveland Chiropraktiker-College in Los Angeles empfohlen. Ich bewarb mich dort und wurde aufgenommen.

Und so geschah es, dass meine Eltern schließlich doch noch einen Sohn verloren – sie verloren ihn an Kalifornien, wohin er schon immer gehen wollte. Andererseits würden sie dadurch eines Tages einen Arzt gewinnen und ich vermute, das glich dann alles für sie aus.

 

Ich werde mich immer an meinen ersten Tag am Chiropraktiker-College erinnern. Die Klasse der Studienanfänger war groß und bestand aus mehr als 80 Studenten. Eine bewegliche Wand musste entfernt werden, damit wir uns bis in einen zweiten Raum hinein ausbreiten konnten. Der Dozent bat jeden von uns, kurz zu erklären, warum er oder sie Chiropraktiker / Chiropraktikerin werden wollte. Er begann mit dem Studenten in der ersten Reihe außen links, der natürlich ganz zufällig von meinem Sitzplatz in der hinteren rechten Ecke des Zimmers am weitesten entfernt war. Von da an erzählten die Studenten durch alle die Reihen ihre Geschichten. Ich saß da und hörte mir eine Geschichte nach der anderen an – darüber, wie dieser Student gelähmt war, bis er einen Chiropraktiker aufgesucht hatte; wie bei einem anderen Studenten der Krebs verschwunden war; dass bei einer Studentin das Sehvermögen wiederhergestellt und bei einem anderen Studenten lebenslange Kopfschmerzen gelindert wurden – immer weiter und weiter, eine nicht enden wollende Litanei bleibender Heilungen, die weit über das hinausgingen, was jemand, der kein Chiropraktiker war, zu hören gewohnt war. Ganz besonders ich. Zeida bezeichnete die Chiropraktiker nach wie vor als »Rückgratbrecher«.

Schlussendlich war ich an der Reihe zu sprechen. Dreiundachtzig Köpfe drehten sich nach hinten, um sich meine Geschichte – die letzte dieses Tages – anzuhören. Würde meine Geschichte wirklich die Steigerung sein und das Epos, das die anderen Studenten aus dem Raum hinaus und dann auf ihre neuen leuchtenden Lebenswege befördern würde? Ich glaube nicht. Ich war der einzige in der Klasse, der noch nie einen Chiropraktiker aufgesucht hatte. Aus diesem Grunde wusste ich noch nicht einmal wirklich, was ein Chiropraktiker war. Ich erinnerte mich nur an Bruchteile von dem, was mir der Arzt in unserem 20-minütigen Beisammensein erzählt hatte – dass eine Störung behoben wird, was wiederum dem Körper gestattet, sich selbst zu heilen. Diese Zusammenhänge waren so einleuchtend für mich gewesen, als sie mir erklärt wurden, dass ich mir nie die Mühe gemacht hatte, sie auszuprobieren, sie näher zu betrachten oder mit anderen darüber zu diskutieren. Ich erhob mich, blickte in die Menge und hörte mich sagen: »Nun, ... es hat sich gut angehört.«

Wenn du es nicht finden kannst, versuchst du es zu angestrengt

Hier war ich nun – zurück in der Schule –, doch diesmal sahen die Dinge ein wenig anders aus. Zum ersten Mal waren dies eine Schule und ein Studienplan, die ich mir ausgesucht hatte. Das machte einen himmelweiten Unterschied.

Ich war kein Bücherwurm und genoss es, soziale Kontakte zu schließen, zu feiern und meine neue Stadt zu entdecken. Ich nahm einen Teilzeitjob in einem Schuhgeschäft an, denn obwohl mir meine Eltern meine Ausbildung finanzierten, wollte ich mir ein paar Dollar dazuverdienen, um die Dinge tun zu können, die ich tun wollte. Eines Tages kam ein Kunde – ein Forscher aus einem seismologischen Labor – ins Geschäft, um Schuhe zu kaufen. Während des Kaufes erwähnte er beiläufig, dass das Labor für die Gegend von Südkalifornien in den nächsten 24 Stunden ein Erdbeben voraussagte.

»Haben Sie noch einen anderen der Angestellten hierüber informiert?«, fragte ich.

»Nein, das habe ich nicht.«

»Gut. Tun Sie es bitte nicht.« Ich lächelte. Er lächelte auch, denn er verstand; dann bezahlte er seine Schuhe und ging.

Ein paar Minuten, nachdem er das Geschäft verlassen hatte, tat ich so, als würde ich eine Vorahnung haben, und teilte meinen Kollegen mit, dass es meinem Gefühl nach in den nächsten drei Tagen ein Erdbeben geben würde.

Wie »vorhergesagt«, trat es ein. Jeder spürte es, und in den Nachrichten wurde davon berichtet. Meine Kollegen waren zutiefst beeindruckt.

Wenige Tage später und ohne Einschreiten eines Seismologen hatte ich wieder das Gefühl, dass es noch ein Erdbeben geben würde. Mutig ergriff ich die Gelegenheit und kündigte auch dieses an.

Ob Sie es glauben oder nicht, es folgte ein weiteres Erdbeben.

Es war so, als wäre in mir etwas ausgelöst worden. In den folgenden zwei oder drei Jahren sagte ich 21 von 24 Erdbeben korrekt voraus.

An einem Nachmittag kam mein Zimmergenosse nach Hause und fand eine Notiz vor, die ich ihm hinterlassen hatte: Die Erde wird beben. Später erzählte er mir, dass das Erdbeben genau in dem Moment begann, als er die Notiz las. Seine Freundin stand die ganze Zeit neben ihm ... und schrie.

An einem anderen Tag, als ich alleine in einem Restaurant zum Essen saß, spürte ich, wie ein weiteres Erdbeben begann, die Art von Erdbeben, die eine »rollende« Bewegung macht. Als die Stärke des Erdbebens zunahm, sah ich mich im Raum um. Niemand außer mir reagierte. Kein einziges Wasserglas bebte; die Lampen hingen reglos an der Decke über den Köpfen. Doch ich konnte zur selben Zeit sehen, wie die Lampen hin und her schwangen. Für mich war es real. Ich stand auf und eilte hinaus auf die Straße. Ich konnte nicht verstehen, warum niemand außer mir flüchtete, warum das Leben um mich herum völlig normal weiterging.

Es schien nicht möglich. Die Erde bebte noch; ich konnte es fühlen. Dies war das längste rollende Erdbeben, das ich je erlebt hatte, doch die Kombination dieser surrealen Bewegung mit der Tatsache, dass anscheinend niemand außer mir es bemerkt hatte, ließ mich den Schluss ziehen, dass es wohl doch nicht stattgefunden hatte. Voller Verlegenheit ging ich zurück in das Restaurant, ich war froh, dass ich alleine dort gegessen hatte; es wäre vielleicht ein wenig ... schwierig gewesen, meine abrupte Flucht auf die Straße erklären zu müssen.

Wenn es allerdings kein richtiges Erdbeben gewesen war, so musste es sich wieder um eine Vorahnung gehandelt haben. Es gab keine andere Erklärung dafür.

Als ich vom Restaurant nach Hause ging, machte ich einen Zwischenstopp bei der Reinigung, um meine Wäsche abzuholen, und erwähnte den Eigentümern gegenüber, dass die Erde heute Abend wieder beben würde. Sie lachten alle darüber.

Später an diesem Abend brach das Erdbeben los. Der Mittelpunkt dieses Bebens befand sich in Culver City, also genau in der Gegend, wo die Eigentümer der Reinigung wohnten.

Ein paar Wochen später, als sich so viel schmutzige Wäsche angesammelt hatte, dass ich damit ein halbes Dutzend Kissenbezüge in Übergröße füllen konnte, ging ich wieder zur Reinigung. Da ich Mühe hatte, über die ersten drei Wäschebeutel hinauszuschauen, die ich in meinen Armen hielt, tastete ich mit dem Fuß nach der Tür. Ich öffnete sie mit einem vorsichtigen Stoß und versuchte mit meinen Zehen den Ladentisch zu ertasten. Plötzlich erklang eine Stimme, so laut, dass ich mich heute noch darüber wundere, dass ich damals nicht alle drei Wäschesäcke fallen ließ.

»Da ist er! Das ist derjenige!«, rief die Frau hinter der Ladentheke mit einem starken russisch-jüdischen Akzent. »Hier haben Sie meine Adresse«, sagte sie, während sie mir ein hastig beschriebenes Stück Papier in die Hand schob: »Bitte rufen Sie mich an, bevor das nächste Erdbeben kommt!«

Von da an wurde ich jedes Mal, wenn ich diesen Laden betrat, gebeten, das nächste Erdbeben vorauszusagen. Und ich versuchte es auch – aber auf diese Weise schien es nicht zu funktionieren. Ich konnte es nicht erzwingen; die Vorahnungen kamen nur, wenn ich mich um meine eigenen Angelegenheiten kümmerte.

Ohne es zu bemerken, hatte ich eine grundlegende Wahrheit erlernt: Wenn du etwas nicht finden kannst, versuchst du es zu angestrengt.

Auferstehung

Von Zeit zu Zeit konnte ich genügend Geld aus meinem Studentenbudget zusammenkratzen, um im Kino, das sich gleich um die Ecke meines Apartments befand, ein Programm mit zwei Hauptfilmen besuchen zu können. An einem Nachmittag kam ich gerade rechtzeitig zum zweiten Hauptfilm, auch B-Movie genannt – Auferstehung, mit Ellen Burstyn in der Hauptrolle. Natürlich war dieser Film nur als »B« eingestuft, weil Burstyn erst noch daran arbeitete, als beste Schauspielerin für ihre Rolle im Film für einen Academy Award nominiert zu werden.

Der Film Auferstehung basiert auf der Geschichte einer Frau namens Edna Mae, die nach einem Autounfall im OP stirbt ... und dann wieder ins Leben zurückkehrt. Einige Zeit später entdeckt sie, dass sie die Fähigkeit hat – durch das Auflegen ihrer Hände – zu heilen. Indem sie die Menschen einfach nur berührt, während sie gleichzeitig in einen Zustand der Liebe eintaucht, erlebten die Menschen Heilung. Manchmal übernahm sie die Krankheit oder das Gebrechen – nachdem sie es von den anderen Menschen genommen hatte – und danach befreite sie ihren eigenen Körper von den Symptomen. In anderen Momenten sah es so aus, als würden die Heilungen aus Gnade geschehen, ohne dass sie selbst etwas auf sich nehmen musste.

Ich war von diesem Film dermaßen fasziniert, dass ich mir Auferstehung noch einmal ansah, nachdem ich den Hauptfilm über mich hatte ergehen lassen, was auch immer das für einer gewesen sein mag. Anschließend nahm ich meine Freunde mit in diesen Film. Später nahm ich noch mehr Freunde mit. Ich hatte keine Ahnung, warum ich mich wie gezwungen fühlte, diesen Film immer wieder ansehen zu müssen. Obwohl zu jener Zeit der Aspekt der Heilung diesen Film so interessant machte, ging mir doch am meisten die Ähnlichkeit der Darstellung von Edna Maes Nahtoderfahrung mit dem unter die Haut, was meine Mutter am Tag meiner Geburt durchgemacht hatte. Ich hatte hierüber noch nie etwas gesehen oder gelesen und dieser Film beschrieb auf das genaueste die Erfahrungen meiner Mutter. Jedes Mal, wenn ich mir den Film ansah, hatte ich das Gefühl, einen kurzen Einblick in etwas zu bekommen, das mir auf gewisse Weise sehr vertraut war. Es war nahezu so, als könnte ich etwas sehen, als könnte ich mich fast an etwas erinnern. An etwas ...

Andere Hinweise

Während der Zeit meiner Unternehmungen entdeckte ich auch etwas, das »Psychometrie« (A.d.Ü.: zeitliche Messung geistiger Vorgänge) genannt wird, die Fähigkeit oder die Kunst, Informationen über Menschen zu sammeln, indem man einen Gegenstand berührte oder hielt, der ihnen gehörte, für gewöhnlich ein Schmuckstück, das sie getragen hatten. Nachdem ich jemandem dabei zugesehen hatte, wie er dies gemacht hatte, versuchte ich es selbst und fand heraus, dass es mir eröffnete, einige bemerkenswerte, genaue Einblicke in Menschen zu erhalten, die ich zum Teil nie kennen gelernt hatte. Während meines kurzen Abstechers in dieses Gebiet entdeckte ich zwei damit verbundene Geheimnisse: Umso gleichmäßiger ich meine Finger über das Schmuckstück bewegte, umso konzentrierter wurde ich; und je schneller ich sprach, desto präziser waren die Informationen. Die beharrliche Erforschung des Gegenstandes durch meine Finger schien meinen Geist zu beruhigen, auf ähnliche Weise wie bei vielen von uns der Geist während des Autofahrens sich entspannt und beruhigt. Das schnelle Sprechen ließ mir offensichtlich keine Zeit, das Gesagte zu beurteilen. Mit dem Ruhigwerden meines Geistes kamen die Erkenntnisse; mit der Schnelligkeit des Sprechens kam der Mut, sie auszusprechen.

Ich erwähne diese Dinge nicht nur, weil sie mir seltsam erschienen, sondern auch deshalb, weil sie auf andere Einflüsse in meinem Leben hindeuteten – sogar schon in jenen frühen Jahren.

Abgesehen von diesen ziemlich illusteren Ereignissen entsprach meine Hauptaktivität in diesem Zeitabschnitt genau dem, was meine Grund- und Hauptschullehrer nie geglaubt hatten: Ich nahm am Unterricht teil und studierte. Na gut, in Ordnung, meine Art der Teilnahme am Unterricht bestand oft nur darin, dass ich hinten im Raum saß und meinen Arm lange genug ausstreckte, um »Hier« zu sagen. Doch genauso wie in meiner früheren Schulkarriere schaffte ich es auch diesmal, gute Noten zu bekommen ... und schloss schließlich mit einem akademischen Grad in Chiropraktik ab.

Ich hatte damit unabsichtlich bewiesen, dass mein Schuldirektor Recht gehabt hatte. Ich hatte etwas gefunden, was mich interessierte, und war endlich dabei, etwas aus meinem Leben zu machen.