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Fieber und Besucher

Eines Tages im Jahr 1983, nicht lange nachdem ich meinen Abschluss am College gemacht hatte, fühlte ich mich ein wenig angeschlagen: Ich hatte Schmerzen, Kopfweh und fühlte mich fiebrig. Ich war kein großer Fan davon, Aspirin als fiebersenkendes Mittel zu nehmen, denn ich wusste, dass das Fieber seinen Sinn hatte, und ich wollte diesem Fieber seinen Lauf lassen. Folglich ging ich ins Bett, zog mich warm an und trank eine Menge Flüssigkeit – und sah fern (ohne schlechtes Gewissen: der eindeutige Höhepunkt, wenn man zu Hause im Bett liegt und krank ist). Aber nach ein paar Tagen beschloss ich, dass es Zeit war, etwas Aktiveres zu tun, um das Fieber herunterzubringen. Also stapelte ich jede Nacht die Oberdecke und die Bettdecken übereinander, schwitzte sie nass und wechselte mindestens zweimal die Bettlaken und den Pyjama.

Wenn ich morgens aufwachte, ging es mir nie besser als am Tag zuvor. Schließlich gab ich auf und rief einen Arzt an. Er verschrieb mir Tylenol mit Kodein. Das muss Tylenol Nr. 4 mit Kodein gewesen sein – die richtig großen Kodeintabletten –, denn man braucht verdammt viel Kodein, um mich während eines I-love-Lucy-Marathons ins Land der Träume zu schicken. Aber ich kann Ihnen sagen, nachdem ich diese Pillen geschluckt hatte, bestand der ganze Tag nur noch aus einem Schleier roter Haare und kubanischem Akzent.

Meine Temperatur war ganz weit oben, bei etwa 41 °C. Nachdem ich schließlich noch eine Nacht Leintücher und Pyjama gewechselt hatte (ich war mir sicher, dass das Fieber heruntergehen würde, wenn ich einfach nur dieses Programm weiter fortsetzte), öffnete ich die Augen und sah für einen flüchtigen Augenblick, dass ich »Besuch« hatte. Dort, am Fußende meines Bettes, stand eine Gruppe von »Personen«. Es schien, als seien es sieben, unterschiedlich in Größe und Form: Manche waren groß, manche klein und einer sah fast wie ein Zwerg aus. Sie blieben gerade lange genug, bis ich sie gesehen hatte und bis sie sahen, dass ich sie gesehen hatte.

Dann waren sie verschwunden.

Ehe mein Verstand bewusst verarbeiten konnte, was sich soeben ereignet hatte, atmete ich tief ein. Der Atem fühlte sich so an wie der erste Atemzug eines Neugeborenen, und mir kam es so vor, als wäre dies mein allererster Atemzug – als hätte ich von dem Zeitpunkt an, als ich meine Augen geöffnet hatte, bis zu dem Zeitpunkt, an dem meine »Besucher« verschwunden waren, nicht geatmet. Während des Einatmens fühlte – und hörte – ich ein leichtes Rasseln in meiner Brust. Plötzlich begriff ich: Ich sterbe.

Ich rief meinen Arzt an und sagte ihm, dass ich sofort vorbeikommen würde, rief dann einen Taxidienst und bat darum, mir ein Auto mit Klimaanlage zu schicken, da wir gerade in einer Sommerhitzewelle waren, und durch mein Fieber hatte ich mehr als genug mit meiner eigenen Hitzewelle zu tun.

Ich konnte kaum stehen, doch ich schaffte es bis zur Tür und hi-naus auf die Straße. Das Taxi kam ... natürlich ohne Klimaanlage. Trotzdem stieg ich wie im Delirium ein.

In seiner Praxis machte der Arzt eine Röntgenaufnahme von meinen Lungen und sagte mir, ich solle sofort ins Krankenhaus gehen. »Halten Sie unterwegs nicht an«, meinte er. Ich hatte offensichtlich eine Lungenentzündung. Da ich spürte, dass mir mehr als nur ein kurzer Besuch bevorstand, fuhr ich trotzdem mit dem Taxi zuerst nach Hause, damit ich meinen Pyjama, meine Zahnbürste u.a. zusammenpacken konnte.

Ich war zu dieser Zeit nicht krankenversichert und deshalb ließ man mich im Bezirkskrankenhaus lange warten, bis ich in der Station aufgenommen wurde. Am nächsten Morgen wurde ich in einen Raum gebracht, in dem ich 10 Tage an Schläuche angeschlossen lag, Sauerstoff ... und ein Essen, wie es einem von einer Inlandsfluglinie serviert wird. Als ich schließlich entlassen wurde, war mein Gewicht auf 138 Pfund gesunken – und ich bin etwa gut 1,80 Meter groß. Mein Arzt gab später zu, er habe angenommen, ich würde dort aller Wahrscheinlichkeit nach nicht mehr lebendig herauskommen.

Ich erinnere mich nicht allzu gut an meine Zeit im Krankenhaus, doch ich weiß, dass ich viel von meinem Kurzzeitgedächtnis verloren hatte, wahrscheinlich als Folge des hohen Fiebers.

(Wo wir gerade von überhitzten Gehirnen sprechen: Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, welche Ähnlichkeit zwischen den englischen Worten für schwitzen (engl. perspiration) und Erscheinung (engl. apparition) besteht? Beide enthalten zweimal I, zweimal P, fünf Selbstlaute, vier Silben ... und ein Zustand kann den anderen herbeiführen). Wer also waren diese Personen, die ich am Fußende meines Bettes zu Hause gesehen hatte? Waren sie Geistführer? Geistwesen? Schutzengel? Waren sie eine interdimensionale Gruppe von Beobachtern? Waren sie Erscheinungen, die durch mein Fieber verursacht worden waren – mit anderen Worten, eine Täuschung? Oder waren sie Erscheinungen, die in Wahrheit zwar existierten, die ich aber nur aufgrund meines Fiebers sehen konnte – das heißt, Wesenheiten, die auf einer Ebene innerhalb der (bis jetzt) 11 angenommenen Daseins-ebenen lebten (gemäß der heutigen Lehre von der Quantentheorie)?

Ich weiß es nicht. Eines aber ist gewiss: Wenn ich diese Besucher an dem Tag, als das Rasseln in meiner Brust war, nicht gesehen hätte, so hätte ich einfach nur meine Diät mit Safttrinken fortgesetzt und mich weiterhin warm angezogen – und wäre mit ziemlicher Sicherheit gestorben. Doch ich war noch nicht bereit gewesen, zu sterben. Ich hatte andere Pläne. Und vielleicht, nur vielleicht hatte ja auch noch jemand anderer oder etwas anderes irgendwelche Pläne für mich.

Auferstehung – die zweite

Zu der Berufsausbildung, die ich mir ausgesucht hatte, gehörte auch, dass ich schließlich als »externer Assistent« tätig sein musste; im Wesentlichen war dies eine Tätigkeit als Arzt im Praktikum in einer anerkannten Chiropraktiker-Praxis. Obwohl dieser Abschnitt in der Karriere eines neuen Chiropraktikers in vielfacher Hinsicht lohnend war, so war er doch nicht unbedingt das, was man lukrativ nennen würde. Wie die meisten Menschen nahm ich an, dass alle Ärzte wussten, wie man eine Praxis führt. Damit lag ich falsch. In der Praxis, in der ich anfing, gab es viele Dinge, von denen die Ärzte nichts wussten. An oberster Stelle stand das Verhalten gegenüber den Patienten. Wir hatten vereinbart, dass ich 50 Prozent der Einnahmen, die ich von meinen Patienten erhielt, als Gebühr an die Praxis bezahlen musste. Da sie allerdings schon ihre eigenen Patienten, sagen wir mal, nicht ganz königlich behandelten, war es nicht erstaunlich, dass sie meine sogar nur halb so gut behandelten. Und weil sie meine Patienten dementsprechend behandelten, kamen viele von ihnen nicht mehr wieder.

Mit einem Einkommen, das nur aus 50 Prozent meiner Einnahmen bestand, und einer unvorhersagbaren Anzahl von Patienten konnte ich kaum die Miete für das Büro und für meine Wohnung bezahlen. Je länger ich als Externer arbeitete, desto mehr Schulden hatte ich. Je mehr Schulden ich hatte, desto weniger konnte ich es mir leisten, wegzugehen – bis ich nach drei Jahren gehen musste –, andernfalls hätte ich meine Karriere ganz aufgeben müssen.

Also ging ich weg.

Ich zog jedoch auch ein paar Vorteile aus dieser Erfahrung. Einer meiner Patienten war zufälligerweise ein zentraler Verbindungspunkt zum Film Auferstehung, der – wie ich erwähnt habe – einer meiner Lieblingsfilme war. Eine andere Patientin war zufälligerweise Mitglied bei der Akademie für Filmkunst und Filmwissenschaft und sie nahm mich in jenem Jahr zu den Academy Awards mit. Da saß ich also auf der Balustrade und sah mir die Veranstaltung an. Als ich mich umdrehte, bemerkte ich, wie Ellen Burstyn, die nominiert worden war und die vorne im Hauptbereich ihren Sitzplatz hatte, sich direkt hinter mich setzte. Wie seltsam, dachte ich. An diesem Abend war mir vorher gar nicht aufgefallen, dass dieser Sitzplatz noch frei war.

Nach einer Weile stand sie auf und ging. Ich sah sie nie wieder persönlich und dachte auch nicht viel darüber nach, dass wir uns beinahe begegnet wären, genauso wenig wie über die anderen seltsamen Ereignisse, die sich in meinem Leben gezeigt hatten: die »Wesenheiten« am Fußende meines Bettes, die vorhergesagten Erdbeben, die Psychometrie, die Armbanduhren, die sich von selbst »reparierten«

Zumindest dachte ich zum damaligen Zeitpunkt nicht viel da-rüber nach, das tat ich erst 13 Jahre später, als die Heilungen begannen.

Der Geist von Melrose Place

Als Ex-Externer mit wenig Geld miete ich mir die erstbeste Lokalität, die zu meinem Budget passte: eine Zweizimmer-Wohnung die zu einem Dreizimmer-Apartment im Obergeschoss am Melrose Place umgebaut worden war und das ich mir mit zwei Psychologen teilte. Melrose Place – samt seinen drei Blöcken – wurde von vielen für eine der interessantesten und renommiertesten Straßen in Los Angeles gehalten, doch offensichtlich hatten die Leute, von denen diese Einschätzung stammte, meine neue Praxis noch nicht gesehen. Die Patienten dazu zu bringen, sich einen Treppenaufgang hinaufzubemühen, war nicht das einzige Problem. Wie jedem bekannt ist, bewegt sich niemand in L.A. ohne sein Auto, und Parkmöglichkeiten gab es am Melrose Place so gut wie gar keine – was mich dazu anregte, mit einigen Leuten, den Besitzern von vornehmen Antiquitäten- und Kunsthandlungen, Vereinbarungen über Parkmöglichkeiten zu treffen. Und so geschah es, dass meine Klienten, die größtenteils zu den gesellschaftlichen Aufsteigern gehörten, sich rühmen konnten, dass ihr Chiropraktiker einen Kundenparkplatz hatte.

Aber all dies passierte zu einem späteren Zeitpunkt. Am Anfang bestand mein größtes Problem darin, herauszufinden, wie ich dieses Apartment in eine brauchbare Praxis für einen Chiropraktiker verwandeln konnte. Nachdem ich eine Reihe von abgeteilten Räumen in merkwürdigen Formen entworfen hatte, schuf ich aus dem Schlafzimmer drei kleine Räume, wandelte den »Frühstücksraum« in einen Empfangsbereich um und zwängte einen Schreibtisch und eine Sprechstundenhilfe in den winzigsten Küchenbereich, den man sich vorstellen kann. Dann beauftragte ich einen Bauunternehmer mit der Arbeit.

 

Jeder, der schon einmal mit Bauen zu tun hatte, weiß, dass gearbeitet und gearbeitet wird und dass das Budget und der Zeitplan bei weitem überschritten werden. Schließlich ging mir das Geld aus, und ich konnte die Bank nicht davon überzeugen, mir noch mehr Geld zu leihen.

Jeden Morgen kam ich in meine halbfertige Praxis, um Patienten zu empfangen und zwei weitere Dinge zu tun: die Bank anzurufen, um sie zu überreden, mir mehr Geld zu leihen, und die Schrauben meiner neuen Lichtschiene festzuziehen. 27 Dollar hatten eine Lichtschiene und vier Leuchtröhren gekostet, aber die schöne Vorstellung einer integrierten Beleuchtung hatte sich bisher ebenso als Illusion herausgestellt wie die geschätzten Baukosten und das Fertigstellungsdatum des Bauunternehmers.

Aus irgendeinem Grund hatten sich die Schrauben dieser Lichtschiene jeden Morgen gut 2 Zentimeter aus der Position, in der sie fest angeschraubt waren, gelockert. Meine Praxis befand sich an der Ecke einer stark befahrenen Straße, daher kann es sein, dass die Schrauben durch die Erschütterungen des Verkehrs gelockert wurden. Wie dem auch sei, jeden Morgen musste ich die Schrauben wieder neu anziehen. Es war ein Kreislauf: Die Bank zog bei mir die Schrauben an, und ich zog die Schrauben auf meiner Lichtschiene an.

Eines späten Abends, nachdem meine »Belegschaft« (eine Frau, die so viel Zeit mit Nagelfeilen verbrachte, dass es mich überraschte, dass nicht alles, was sie berührte, mit Blut bedeckt war) zugeschlossen hatte und nach Hause gegangen war, war ich noch dageblieben, um einen Patienten zu behandeln, der später kommen sollte. Mir fiel eine Bewegung ins Auge, ich blickte auf und sah einen Mann, der durch den Flur und am Eingang zum Behandlungsraum entlangschlenderte. Ich wusste, dass der Haupteingang zum Apartment verschlossen war, es war also nicht möglich, dass jemand hereingekommen war. Doch ich sah diesen Mann ziemlich deutlich: Er war knapp 1,80 Meter groß, hatte ein rundes Gesicht und kurz geschnittenes, welliges Haar. Er trug einen grauen, gerippten Mantel und sah aus, als wäre er Ende 20 oder Anfang 30.

Ich wusste ohne den geringsten Zweifel, dass er ein Geistwesen war. Als ich dies am nächsten Morgen den Psychologen, die sich das Apartment mit mir teilten, erzählte, war ich verblüfft zu erfahren, dass beide bereits von diesem Besucher wussten. Sie hatten mir gegenüber nichts davon erwähnt, weil sie eine dritte Person gebraucht hatten, um die Miete zu teilen, und Angst gehabt hatten, dass mich die Vorstellung von einem Geist abschrecken würde.

In Wahrheit störte nicht mich der Geist, sondern es sah so aus, als würde ich ihn stören. »Zu viel Unruhe«, sagte ein Medium, das meinte, es könne den Geist dazu bringen, wegzugehen. »Ein Mensch pro Stunde wie bei den Psychologen macht ihm nichts aus, aber Sie bringen zu viele Fremde in seine Wohnung.«

Ich beobachtete, wie das Medium durch mein Apartment (meine Praxis) ging, die Stelle fand, an der sich der Geist seinem Gefühl nach die meiste Zeit aufhielt, und den Geist dann höflich davon in Kenntnis setzte, dass er tot sei. Anschließend sagte er ihm, er solle »in das Licht gehen« oder etwas in dieser Art. Das alles dauerte zirka 30 Sekunden. Dies geschah an einem Sonntagabend. Am nächsten Morgen kam ich in meine Praxis und sah meine Beleuchtungskörper an: Sie waren alle fest angeschraubt und blieben es auch, bis ich sie fünf Jahre später bei einem Ausbau der Praxisräume herunternahm. Dann klingelte das Telefon. Es war die Bank. Mein Kredit war genehmigt worden.

Neue Türen öffnen, das Licht einschalten

»Was hinter uns liegt und was vor uns liegt, sind Kleinigkeiten, verglichen mit dem was in uns liegt.«

Ralph Waldo Emerson

Die jüdische Zigeunerin von Venice Beach

Zwölf Jahre vergingen und in der Zwischenzeit hatte ich etwa die Hälfte der zweiten Etage am Melrose-Place-Gebäude für meine Praxis übernommen. Alles florierte. Die Praxis war mit acht Behandlungsräumen und Kundenparkplätzen ausgestattet, und Assistenten, Massagetherapeuten, Fußreflexzonenmasseure und so viele Patienten, wie ich annehmen konnte, erfüllten sie mit Leben. Doch gefühlsmäßig hielt ich all dem kaum stand.

Ich hatte gerade eine sechs Jahre dauernde Beziehung beendet, von der ich vollkommen überzeugt war, sie würde für den Rest meines Lebens bestehen bleiben. Irgendwie strauchelte ich seit der Trennung herum, nahezu unfähig, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Das einzige, was mir noch schwerer fiel, als jeden Morgen aufzustehen und in die Praxis zu gehen, war, mich während meiner Anwesenheit dort für die Patienten zusammenzureißen.

Als ob in meinem persönlichen Leben in dieser Zeit nicht ohnehin schon genug Veränderungen passieren würden, war ich zur selben Zeit dabei, eine vollkommen neue Belegschaft einzustellen. Eine äußerst kompetente Frau, die meine Praxis verwaltet hatte, zog zu ihrem Freund in eine andere Gegend des Landes. Der Zeitpunkt dieses Umzugs fiel zusammen mit zwei weiteren Kündigungen, die miteinander abgesprochen worden waren. In kurzer Zeit musste ich einen Neuanfang machen. Ich brauchte jetzt zwei Personen, um die Büroverwalterin zu ersetzen, die ausgeschieden war – eine Person für die Erledigung der Dinge im Hintergrund, wie Versicherungsabrechnungen, medizinische Gutachten und Korrespondenz; und eine weitere als Verbindungsperson zu den Patienten und für den Praxisbetrieb, der so genannten Rezeptionsarbeit.

Wie in einer Broadway-Show (oder in diesem Fall einer Seifenoper) musste der Betrieb weitergehen, und deswegen begann ich, mit Leuten Vorstellungsgespräche für die Stelle an der Rezeption zu führen. Als Merkmal einer Empfangsdame hatte ich immer »Persönlichkeit« geschätzt, denn eine umgängliche Persönlichkeit an der Rezeption stellt eine Verbindung zu den Patienten her und eine starke Persönlichkeit verhindert, dass es mir langweilig wird.

Ich hatte noch nicht viel Erfahrung mit dem Einstellen von Mitarbeitern, und daher kam ein Freund, der dies beruflich machte, um die Vorstellungsgespräche mit mir gemeinsam durchzuführen. Noch ein oder zwei Menschen halfen bei dem Auswahlverfahren. Als wir die Bewerber durchgingen, blieb mir – ebenso wie den anderen – eine Frau besonders im Gedächtnis. Ob Sie es glauben oder nicht, sie sah aus, hörte sich an und sie benahm sich wie die Frau in der Rolle der Fran Drescher in der Fernsehsendung Die Nanny: Sie war groß, dunkelhaarig und attraktiv, sie hatte eine lockere Einstellung, einen schrillen, nasalen New Yorker Akzent und eine Stimme, die Diamanten hätte zerschneiden können. Sie war eine Nicht-weiter-nach-Karriere-strebende Schauspielerin (falls es so etwas gibt).

Alle sagten: »Stell sie nicht ein. Stell diese Frau nicht ein.« Doch ich hatte das Gefühl, sie sei die Richtige. Zum einen hatten ihre Augen etwas an sich, was mich an Bubba erinnerte. Und zum anderen konnte ich nicht glauben, dass so ein Mensch wirklich existierte. Ich versuchte mir ihre Anstellung ein letztes Mal auszureden und auf die Stimmen derer zu hören, die Erfahrung mit solchen Dingen hatten und gekommen waren, um mir bei der Auswahl einer kompetenten Belegschaft für meine Praxis zu helfen, doch ich war fasziniert von ihr. Es war sinnlos, die Angelegenheit durch logische Argumente zu beschönigen.

Es entwickelte sich zwischen uns in der Folge eine Beziehung, die wahrlich von Hassliebe geprägt war. Ich liebte sie. Die Patienten hassten sie.

Eines Tages verkündete sie, dass mir bei all dem Stress, dem ich ausgesetzt war, ein Tag am Strand gut tun würde. In Wirklichkeit meinte sie damit, dass sie an den Strand gehen und nicht ihr eigenes Geld für Benzin ausgeben wollte, aber was soll’s. An diesem Sonntag gingen wir an den Strand von Venice Beach. Einige Zeit ruhten wir uns einfach im Sand aus, dann verschwand sie. Als sie zurückkam, sagte sie: »Dort drüben ist eine Frau, die Karten legt. Du musst dir unbedingt von ihr die Karten legen lassen.«

Ich hatte überhaupt nichts dagegen, die Karten gelegt zu bekommen, doch ich wäre lieber zu jemandem mit einer besseren Empfehlung gegangen.

»Ich möchte mir nicht die Karten von irgendeiner dahergelaufenen Person am Strand legen lassen«, erwiderte ich.

Wenn sie eine so wunderbare Kartenlegerin wäre, würden die Leute sie aufsuchen, dachte ich mir. Sie würde nicht einen Kartentisch, Tischtuch, Stühle und sonstige Ausrüstung an einen überfüllten Strand schleppen, nur um Leute herbeizuwinken, damit sie ihnen die Karten legt.

Doch meine Empfangsdame drängte und schubste mich in genau ihrer Nanny-Art. Ein Blick in ihre Augen sagte mir, dass jeder weitere Protest vergeblich sein würde. Schließlich gestand sie mir, sie habe diese Frau auf einer Party kennen gelernt und ihr gesagt, dass wir heute am Strand sein würden. »Es würde mich sehr in Verlegenheit bringen, wenn du dir nicht die Karten legen lässt«, jammerte sie und runzelte dabei die Stirn. »Biiiiiitte ...«

Ich gab nach und folgte Nanny durch den heißen Sand den Strand entlang, um diese Frau zu sehen. Dort saß sie an einem Tisch, ihre Karten genau in der Art ausgebreitet, wie es meines Erachtens zu einer Zigeunerin passte. Nachdem wir uns vorgestellt hatten, sagte sie »Bubbelah, ich deute die Karten für 10 Dollar oder für 20 Dollar.«

Bubbelah? Gab es wirklich so etwas wie eine jüdische Zigeunerin?

Ich war mit nur 20 Dollar in der Tasche zum Strand gekommen. Als ich daran dachte, wie hungrig ich war, sagte ich: »Ich nehme die 10-Dollar-Sitzung.«

Im Austausch für mein Geld erhielt ich eine nette, wenngleich nicht wirklich erinnerungswerte Deutung der Gegenwart. Als sie fertig war, sagte die Frau, fast so, als wäre es ihr nachträglich gerade noch eingefallen: »Es gibt da eine ganz besondere Arbeit, die ich mache. Sie verbindet die Meridianlinien des Körpers mit den Gitternetz-Linien des Planeten, was uns wiederum mit den Sternen und den anderen Planeten verbindet. Sie meinte, dass dies etwas sei, was ich als Heiler brauchen würde. Sie sagte auch, dass ich es in einem Buch namens Das Buch des Wissens: Die Schlüssel des Enoch von J. J. Hurtak nachlesen könne. Dies alles hörte sich ganz interessant an und so stellte ich die Frage: »Wie viel kostet es?« Sie sagte: »333 Dollar«, ich sagte: »Nein danke.«

Das ist genau die Sache, vor der in den Abendnachrichten gewarnt wird. Ich konnte schon den Ansagetext hören: »Jüdische Zigeunerin nimmt 333 Dollar von einem arglosen Chiropraktiker ... « Mein Foto mit dem darunter geschriebenen Wort Naivling oder Einfaltspinsel flackerte über den Bildschirm. »... überzeugt einen Arzt, ihr zusätzlich ein Leben lang 150 Dollar pro Monat zu bezahlen, um für seinen Schutz Kerzen anzuzünden ...«, der ganze Film um 23 Uhr. Ich fühlte mich schon allein deshalb erniedrigt, weil ich dies überhaupt in Erwägung gezogen hatte. Meine Empfangsdame und ich verließen den Strand, um auf einfallsreiche Weise ein 10-Dollar-Abendessen für zwei zusammenzustellen.

Sie glauben vielleicht, dies wäre das Ende der Geschichte gewesen, doch der Verstand arbeitet auf geheimnisvolle Weise. Mir gingen die Worte dieser Frau nicht mehr aus dem Kopf. Ich ertappte mich dabei, wie ich in den letzten Minuten einer Mittagspause zum Bodhi-Tree-Buchladen ging, der in der Nähe meiner Praxis war, und den Versuch machte, rasch das Kapitel 3.1.7 in: Das Buch des Wissens: Die Schlüssel des Enoch durchzulesen. (Dies war das Kapitel, das mir an jenem Tag am Strand empfohlen worden war.) Die größte Lektion dieses Tages war allerdings: Wenn jemals ein Buch geschrieben worden ist, das man nicht mal eben schnell durchlesen konnte, dann war es ganz sicher dieses. Doch ich hatte genug gelesen. Es verfolgte mich von da an so lange, bis ich aufgab. Ich warf meine Bedenken über Bord und rief die Frau an.

Ihre Behandlung sollte an zwei Tagen erfolgen, mit zwei Tagen Pause dazwischen. Am ersten Tag gab ich ihr mein Geld, lag auf ihrer Massageliege und lauschte meinen widerstreitenden Gefühlen und Gedanken, während sie den Raum verdunkelte und ein New-Age-Musikgeklimper auflegte. Dies ist das Dümmste, was ich je getan habe, dachte ich insgeheim. Ich kann nicht glauben, dass ich einer völlig fremden Person so viel Geld zahle, damit sie mit ihren Fingerspitzen Linien auf meinem Körper zeichnet. Als ich dort lag und daran dachte, welchen guten Verwendungszweck dieses Geld gehabt haben könnte, überkam mich plötzlich eine Welle der Erkenntnis und ich hörte mich denken, Nun, du hast ihr das Geld bereits gegeben. Du könntest jetzt auch mit dem negativen Gequatsche aufhören und dich für das öffnen, was auch immer es ist, das du hier empfangen kannst. Also lag ich da, ruhig, bereit und offen. Als es vorüber war, verkündete mir mein Verstand, dass ich nichts erfahren hatte. Absolut gar nichts. Allerdings war ich scheinbar der einzige im Raum, dem dies bewusst war. Die Frau richtete mich auf, als hätte sich die Erde bewegt und würde schwanken, und sie sagte mir, ich solle mich an ihr festhalten, während sie mich nun langsam in ihrem Wohnzimmer herumführte.

 

»Erden Sie sich«, wies sie mich an. »Kehren Sie in Ihren Körper zurück.«

Und dann hörte ich sie: diese kleine, nicht ganz so ruhige Stimme in meinem Kopf, die sagte: Liebe Dame, ich weiß nicht, was sich Ihrer Meinung nach hier abgespielt hat, aber ich habe es verpasst, ich habe nichts davon mitbekommen.

Da ich für beide Sitzungen bezahlt hatte, beschloss ich, dass ich genauso gut am Sonntag zur zweiten Sitzung wiederkommen könnte. Wie auch immer, die merkwürdigsten Dinge trugen sich dann in jener Nacht zu. Etwa eine halbe Stunde, nachdem ich schlafen gegangen war, ging die Lampe neben meinem Bett – die ich schon seit zehn Jahren besaß – von selbst an und ich erwachte mit einem Gefühl, dass definitiv andere Personen in meinem Hause anwesend waren. Daher stand ich mutig auf und durchsuchte – bewaffnet mit einem Tranchiermesser, einer Dose Pfefferspray und meinem Dobermann-Pinscher – das Haus. Doch ich fand niemanden. Dann ging ich mit dem äußerst unheimlichen Gefühl, dass ich nicht allein war und dass ich beobachtet wurde, wieder ins Bett.

Meine nächste Sitzung begann zuerst ziemlich genau so wie die erste. Es zeigte sich jedoch bald, dass es alles andere als das sein würde. Meine Beine wollten nicht ruhig liegen bleiben. In meinen Beinen war dieses Schütteln, von dem manche Menschen alle Jubeljahre einmal mitten in der Nacht heimgesucht werden. Bald breitete sich dieses Gefühl über meinen ganzen Körper aus, begleitet von nahezu unerträglicher Kälte. Alles, was ich tun konnte, war, ruhig liegen zu bleiben. So gern ich auch auf und ab gesprungen wäre und die Gefühle aus jeder Zelle meines Körpers herausgeschüttelt hätte, ich wagte nicht, mich zu bewegen. Warum? Weil ich der Frau mehr Geld gegeben hatte, als ich normalerweise in einer Woche für Lebensmittel ausgab und weil ich die Erfahrung für jeden einzelnen Penny herausholen wollte – darum.

Endlich war die Sitzung zu Ende. Es war ein drückend heißer Tag im August, und wir hielten uns in einem Apartment ohne Klimaanlage auf. Dennoch war mir so kalt, als wäre ich erfroren, meine Zähne klapperten, während diese Frau sich beeilte, mich in eine Decke einzuhüllen, unter der ich dann etwa fünf Minuten lang liegen blieb, bis sich meine Körpertemperatur wieder normalisiert hatte.

Jetzt war ich verändert. Ich verstehe nicht, was geschehen war, und ich könnte auch unmöglich versuchen, es zu erklären, jedoch war ich nicht mehr derselbe Mensch wie vier Tage zuvor. Irgendwie schaffte ich es bis zu meinem Auto, das scheinbar von alleine den Weg nach Hause fand.

Ich habe keine Erinnerungen an den Rest dieses Tages. Ich kann Ihnen auch nicht mit Sicherheit sagen, ob der Rest dieses Tages überhaupt stattgefunden hat. Alles, was ich weiß, ist, dass ich am nächsten Morgen wieder an meinem Arbeitsplatz war.

Meine Odyssee hatte begonnen.

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