Kreation Vollblut – das Rennpferd eroberte die Welt. Teil III

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Nach den Franzosen, und speziell Nuage, beherrschte Dark Ronald fünf Jahre lang die Beschäler-Statistik in einer Folge vor dem vierfachen Champion und Galtee More-Sohn Fervor (1906), und den Dark Ronald-Söhnen Prunus (1915), Wallenstein (1917) – beide zog Schlenderhan – und dem Graditzer Herold (1917) mit insgesamt acht Championats-Titeln. Und der Schlenderhaner Prunus-Sohn Oleander – ein Dark Ronald Enkel- kam selbst zu neun Hengst-Championaten. Damit ist das, was die Importe, der Triple Crown-Sieger Galtee More, Ard Patrick und Dark Ronald für die Deutsche Zucht geleistet haben, gewaltig. Dass Graditz Dark Ronald überhaupt kaufen konnte, war auch ein wenig mit Glück verbunden, denn als dessen Sohn Son-in-Law auf der Insel groß einschlug, war das Geschäft längst abgewickelt und der Neuzugang bereits an der Elbe eingetroffen. Rund 100 Jahre später fand sich von ihm auch im Dressursport eine imposante Spur, die den international bekannten Namen des Millionen-Hengstes Totilas trägt. Dieses schwarze Dressurwunder stammt in direkter Linie von dem Bürgermeister-Sohn Pasteuer ab, einem Enkel von Der Löwe. Dieser, von Erlenhof gezogene Wahnfried-Sohn, der 1948 in Röttgener Farben den Großen Preis von Baden gewann, stammt aus der Herold-Tochter Lehnsherrin, die das Blut des großen Iren weiterreichte.

Und die Dark Ronald-Söhne Prunus (1915), der ein Jahr jüngere Eckstein (Henckel-, Union-Rennen, Großer Preis von Berlin), als auch der Jahrgang 1917 mit Der Mohr (Großer Hansa-, Großer Jubiläums-Preis), Herold (Derby, St. Ledger, Großer Preis von Berlin, Gladiatoren-Rennen), Nubier (Winterfavorit, Union-, Oppenheim-Rennen, Großer Preis von Hamburg und 1921 nach Ungarn exportiert), und der neunzehnfache Sieger aus Schlenderhan, Wallenstein (Großer Preis von Berlin, Großer Hansa-Preis, Ratibor-, zweimal Gladiatoren-Rennen, Goldene Peitsche), wurden alle Deckhengste, wie der ein Jahr jüngere Hanielsche Träumer (16 Siege; Großer Preis von Berlin), der in die USA verkauft wurde.

Prunus, dessen Mutter eine St. Simon-Enkelin war, lieferte zahlreiche Klassepferde, darunter drei Derbysieger und die Institution Oleander. Gewaltigen Speed mit Stehvermögen vereinte Herold, ein bildschöner Schwarzbrauner, der aus der sehr guten Ard Patrick-Tochter Hornisse (Leipziger Stiftungs-Preis) gezogen war und trotz der Kürze seiner Rennlaufbahn eine der bedeutendsten Erscheinungen des deutschen Rennsports war. Bei neun Starts wurde er, durch eine Unachtsamkeit seines Reiters, nur im Henckel-Rennen um einen Kopf geschlagen. Und es war Pech, dass die Rennen in Baden 1920 nicht stattfanden und der Hengst dort nicht international geprüft werden konnte. Um das nachzuholen, wollte Graf Siegfried von Lehndorff, der die Gestütsleitung 1906 von seinem Vater Georg übernommen hatte und auch die Graditzer Halbblutzucht komplett auf Trakehnerblut ausrichtete, Herold auch im Folgejahr im Rennstall belassen, denn fast alle Dark Ronald-Produkte wurden als Vier- und Fünfjährige noch besser. Diesen Wunsch untersagte ihm jedoch sein Vorgesetzter, Oberlandstallmeister Groscurth, der damaligen Fachleuten zufolge von der Materie Rennsport und Zucht aber wenig verstanden haben soll. Und auf den Linienbegründer Dark Ronald gehen auch Deckhengste wie Alchimist, Birkhahn, Literat (1965), Surumu (1974), Acatenango (1982) oder Lando (1990) zurück.

Fachleute sind der Meinung, dass Dark Ronalds Stutenqualität unter der seiner Hengste lag. Dennoch war er Vater einiger guter Töchter. Die 1915 geborene Reichenau gewann das Österreichisches Derby; Tulipan (1916) heftete die Erfolge Preis des Winterfavoriten, Deutschen Oaks, Stutenpreis und Kisasszony-Rennen an ihre Farben, und die 1927 geborene Stromschnelle, die zu Altefeld das Licht der Welt erblickte, überließ den Preis der Diana keiner Gegnerin. Andere Töchter wurden gute Mütter. So Dolly (1915), Landgräfin (1916), die deutsche Stutenpreis-Siegerin Harfe (1918) oder die Schlenderhanerin Abbazia (1919), die den Preis des Winterfavoriten gewann. Dass Dark Ronald auch einige erstklassige Hindernispferde auf der Bahn hatte, sei ebenfalls am Rande vermerkt und auf den 1919 geborenen Abenteurer – er gewann je zweimal die Großen Preise von Karlshorst (6.600 m) und von Grunewald), Glatteis (Deutsches Jagdrennen, Großer Prüfungspreis und zweimal das Große Stuten-Jagdrennen zu Karlshorst) und Lauscherin beschränkt, die das Hauptjagdrennen in Karlshorst gewann. Ein sehr guter Hindernis-Beschäler war auch der 15. Graditzer Deckhengst aus eigener Zucht, der Hannibal-Sohn Gulliver, der in dieser Sparte neunfacher Champion wurde, während sein Vater, den U. von Oertzen 1891 zog, zweimal das Championat bei den Deckhengsten der Flachsparte gewann.

Aber auch andere berühmte Beschäler hatten auf der Hindernisbahn erstklassige Steepler und Hürdler, die bei derartigen Vererbern meist vergessen werden. So stellten Oleander und Alchimist 1944 die beiden Erstplatzierten im Präsidentenpreis über zwei Meilen, den Feuerdorn unter J. Unterholzner für Trainer G. Arnull vor Seleukos gewann. Ard Patrick und Nuage lieferten mit Sängerin und Feuersnot 1918 ein ähnliches Duo im Großen Stuten-Jagdrennen in Karlshorst, während der Fels-Sohn Mainberg 1927 den Großen Preis von Karlshorst unter dem Amateur-Reiter Adrian von Borcke gewann. 1933 konnten das auch Herolds Tochter Gemma, die dafür 10.000 Mark als Siegpreis kassierte, und sechs Jahre später Oper, die Pergolese zum Vater hatte. Ticinos Sohn Waldemar gewann den Großen Preis von Karlshorst 1955/56, als dieses Rennen in Frankfurt über 5.000 Meter und Düsseldorf (4.000 m) ausgetragen wurde. Und der Hengst Gouverneur wurde Vater von Flieder und Wohlfahrts, die 1901/2, bzw. 1903/4 für Kurt von Tepper-Laski den Großen Preis von Karlshorst gewannen. Dieser Offizier und Rittmeister im Deutsch-Französischen Krieg gewann von 653 Ritten 206. Bei Abenteuer und Glatteis war dieser „Herrenreiter-Champion“, der den 13. Ullanen angehörte, ebenfalls im Sattel, als diese ihre großen Siege eingaloppierten.

Auch weniger bekannte Beschäler, die in Graditz kurz oder länger wirkten, hatten auf die deutsche Zucht Einfluss. Genannt sein sollen z. B. der Franzose Biniou (1904; Le Pompon) der ein sehr guter Renner war, z. B. den Großen Preis von Deauville gewann und vor seinem Import schon für die Hanielsche Zucht die Derbysiegerin von 1915, Pontresina geliefert hatte. Talion (1896; Fripon) war ein Belgier, gewann das dortige Derby und auch mehrere gute Rennen in Deutschland; Caius (1900; Reverend) hinterließ für Graditz einige gute Stuten, war aber besonders für Schlenderhan und für Richard Haniel ein voller Zuchterfolg. Dieser erhielt den Derbysieger von 1913, Turmfalke, und 1915 an Frauenlob die Mutter von Ferro. Für Schlenderhan wurde Maja (1914) die Mutter von Mah Jong, der 1927 das Derby und den Großen Preis von Berlin gewann, nachdem sich der Prunus-Sohn auch im Ratibor-Rennen und dem Preis des Winterfavoriten durchgesetzt hatte. Auch einige gute deutsche Hindernispferde hatten diesen Franzosen zum Vater.

Von Hammurabi (1903; Gallinule) glaubte seine Umgebung – Graf Georg Lehndorf und Trainer R. Waugh – dass er der am besten gezogene Graditzer bis zur Jahrhundertwende gewesen sei. Der Zweijährige, dessen Vater einer der ganz Großen der Zucht war, blieb ungeschlagen (inkl. Dresdener Jugendpreis), gewann ein Jahr später u. a. das St. Ledger und den Großen Preis von Baden, um als Vierjähriger erneut alle seine Starts zu gewinnen. Am Ende war man der Meinung, die großen Steherqualitäten dieses Hengstes zu spät erkannt, und so auf weitere Siege verzichtet zu haben. Ein Zuchterfolg wurde Hammurabi nicht. Er befruchtete schlecht, und die guten Stuten blieben bald aus. Diese Tatsache war besonders traurig, denn Hammurabi gehörte dem gleichen Zweig der Familie 6 an wie z. B. Sansovino, Big Game, Selene, Wallenstein oder Oleander …

Der von Nuage stammende Anschluss, der 1925 schon mit 13 Jahren einging, war das erste Fohlen der hervorragenden Ard Patrick-Tochter Antwort, bekam aber in Graditz, wo er als Vaterpferd debütierte, wenig Chancen. Auf der Rennbahn gewann Anschluss, der schwierig zu reiten war, sich mit Jule Rastenberger am besten verstand, vierjährig bei sechs Starts ungeschlagen blieb, und sich im Derby (3.) unterwegs auf eine Beißerei einließ, u. a. Hoppegartener Jubiläums-Preis, Silberne Schild und die Großen Preise von Berlin und Hamburg. Seine letzte Stallion-Saison absolvierte er in Altefeld. Die Klassehengste Großinquisitor (vielfacher Sieger, u. a. Goldene Peitsche, Ulrich-von-Oertzen Rennen) und der 1922 geborene zwölffache Sieger Marduck (Hoppegartener Jubiläums-Preis, Renard-, Kincsem-, Wallenstein-Rennen) gelten als seine besten Produkte. Anschluss lieferte aber auch den schwedischen Derbysieger von 1921, German, der aus der Sahir-Tochter Germania gezogen war, als auch mehrere gute Hindernispferde. Von diesen seien nur Immelmann (Großer Preis von Karlshorst), Niederwald (Haselhorster Jagdrennen) und Carl-Ferdinand (Großer Prüfungspreis im Grundewald) genannt.

Der besten Hengst der Graditzer Scholle und Graditzer Zucht war bis dahin jedoch der bereits erwähnte Dark Ronald-Sohn Herold. Zu seinen acht Siegen – bei neun Starts – zählten Derby, St. Ledger, Großer Preis von Berlin und das Gladiatorenrennen, wobei er im Derby unter Stalljockey Rastenberger Nubier schlug wie im St. Ledger. Er ging bereits Ende dreijährig in die Zucht, wo er ein Pferd von außerordentlicher Bedeutung und gleichfalls ein guter Stutenerzeuger wurde. Als Herold seine erste Beschälersaison für 600 Mark antrat, waren beispielsweise für Aditi (Erlenhof) 2.000, Augias (Römerhof) 1.500 oder Fervor (Waldfried) 4.000, Flamboyant (Röttgen) 2.000 Mark Taxe aufgerufen. Graf Isolani (Erlenhof) kostet 600 Mark, während dieses Deckgeld auch für Oleander und Prunus (Schlenderhan) galt und für Palastpage in Röttgen. Herold litt vorerst auch unter der bereits erwähnten Graditzer Seuche, erholte sich aber schnell und stand 1923 als Hauptbeschäler auch im hessischen Altefeld, das aber schon nach zehn Jahren wieder aufgegeben wurde, sodass Herold 1930 nach Graditz zurückkehrte.

 

Ein anderer Klassehengst von Herold war Arjaman, der die Stuten Newa (Mutter von Nebelwerfer), Nixe (Mutter von Neckar), Adriana (Mutter von Atatürk) und die 1948 geborene Thilde zeugte, die in der Zucht von W. Eichholz 1954 nach Magnat die großartige Thila fohlte, die u. a. die Diana, das Schwarzgold Rennen, den Deutschen Stutenpreis und Aral-Pokal gewann. Arjamans Befruchtungsquote hatte bereits 1941 schon gewaltig nachgelassen, doch sorgte er im Alter von 23 Jahren noch für Agamemnon (1941), der später nach Röttgen kam und bei Prince Ippi als mütterlicher Großvater zu finden ist. Dieser 1969 geborene Imperial-Sohn, der die Großen Preise von Europa und Mailand gewann, wurde auch Vater der Champion-Stute Anna Paola (1978), die u. a. bei der 2008 geborenen, und von Willie Mullins in Irland trainierten Shirocco-Tochter und Chapion-Hürdlerin Annie Power (17 Starts, 15 Siege, 715.000 £) als mütterliche Großmutter im Stammbaum steht. Herolds bestes Produkt war jedoch sein dritter Derbysieger, der großartige Alchimist (2. März 1930). Dieser lief seinem Vater auch den Rang als „bester Graditzer“ ab und war gleichzeitig das letzte Fohlen der Antwort-Tochter Aversion (St. Ledger), die im September seines Geburtsjahres einging.

Auch der „DDR-Graditzer“ Zigeunersohn, der 12 von 23 Rennen gewann, darunter den Großen Preis der DDR, trug über den Vater seiner Mutter, Birkhahn, Herolds Blut. In der Zucht hinterließ er an Zeleznik (1978) den besten Steepler der Tschechoslowakei, der dreimal Pferd des Jahres war, und die Große Pardubicer Steeplechase 1987,1988,1989, und 1991 gewann.

Die Heroldsöhne Lupus (Union; St. Ledger) und Dionys gewannen die Derbys von 1928 und 1931 und waren aus Müttern von Hannibal bzw. Nuage gezogen. Auch die Herold-Tochter Antonia lieferte nach Ferro an Abendfrieden einen Derbysieger (1937), der neben dem Deutschen St. Ledger auch das zu Ungarn gewann und als Deckhengst in Zoppenbroich wirkte. Sein Sohn Pik As begründete in der Hannoveraner-Zucht eine erfolgreiche Linie, der auch der Dressurpferde-Erzeuger Pik König angehörte.


Zigeunersohn (1965) von Grande aus der Zigeunerkind (Foto: Siegfried Müller, Leipzig)

Herold trat aber auch mit den Söhnen Arjaman (1930), Effendi (1939) oder Panzerturm (1940) überdurchschnittlich hervor und hinterließ zahlreiche gute Mutterstuten. Stellvertretend sollen lediglich die bereits erwähnte Antonia (Diana, Deutscher Stutenpreis), Lehnsherrin (1931), Diana-Siegerin und Mutter von Leibwache, die dieses Rennen ebenfalls gewann, und Aktine (1934), die Mutter des Union- und Ledger-Siegers Angeber (1945; Elritzling) wurde, genannt sein. Und die 1942 geborene Herold-Stute Edelwild gewann das Österreichische Derby. Herold, der zwei Beschäler-Championate errang, galt lange als „Stutenerzeuger“, doch 1930 kamen seine Söhne Alchimist und Arjaman, der, an das Gestüt Zoppenbroich verpachtet, viele gute Stuten hinterließ.

Der achte Derbysieger für Graditz, der Nuage-Sohn Gibraltar (1916), wirkte nur zwei Jahre in der eigenen, später in der Hanoveraner-Zucht. Auch der Hannibal-Sohn Gulliver II, der in zwei Rennzeiten sieben von zehn Rennen gewann und im Jahrgang nur unter dem Schlenderhaner Dolomit stand, wurde 1912 Derbysieger. Er ging auf die 1877 erworbene Goura, eine der ältesten Graditzer Stammstuten, zurück und lieferte auch einige gute Pferde. Als Vererber spielte er seine Rolle jedoch im Hindernissport, wo er neunmal das Hengst-Championat gewann. Wellenbrecher, Radiola, Fritz Fromm, Tüchtig, Magnolie, Kikeriki II, Berolina und Primadonna sind einige seiner Nachkommen, die dazu beitrugen.

Auch der aus Frankreich 1926 nach Graditz eingeführte Argentiner Pretal (1917), der nur kurz in Graditz verweilte und anschließend in Trakehnen und Celle stand, war ein sehr guter Erzeuger von Hindernispferden. Er stammte von dem Schimmel Pippermint, eines der besten Rennpferde, die je in Argentinien liefen. Pretals Mutter Bud (1907; William The Third), eine Urenkelin der Shannon (Goodwood- und Doncaster Cup), wurde 1911 nach Argentinien exportiert. In Deutschland hatte sie an dem Schimmel Ohio, der fast immer von Bruno Ahr geritten wurde, ihr bestes und gewinnreichstes Produkt auf der Bahn.

Nach rund zehn Jahren wurde Altefeld wieder aufgegeben. Wahrscheinlich war es zu teuer und die Graditzer Koppeln nun wieder erholt, denn auch in Altefeld wurden hervorragende Pferde gezogen, und die bewährte Scholle später durch das Heeresgestüt, Asta und Waldfried genutzt, bis sich 1981 die Vollblüter hier verabschiedeten. Altefeld, das als Preußisches Hauptgestüt galt, sich zwischen Eschwege und Bebra auf 800 Hektar ausbreitete, schufen die Graditzer in den Jahren 1913 bis 1919 aus dem Nichts. Der Boden war hier kalkhaltiger als in Graditz, das Klima jedoch rauer und die Weidezeit kürzer. Im April 1919 zogen auf der Komplett-Anlage mit Stuten–, Hengst- und Laufställen für die Jährlinge, Deckhalle, Gestütshof, Gestütsschule, Schmiede, Schäferei, Försterei und Hotel schon die ersten Stuten ein, denen später die Hengste Dark Ronald, Herold, Ard Patrick und Nuage folgten. Der letzte Jahrgang, dem auch Alchimist angehörte, wurde hier aber schon 1930 geboren, denn die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Weimarer Regierung und die in Graditz aufgetretene Anämie, die etliche Stuten kostete, zwangen zum Sparen.

Bis 1935 ruhte hier der Zuchtbetrieb, ehe Altefeld 1940 mit großer Mutterstutenherde, mehreren Deckhengsten und eigenem Rennstall in Hoppegarten zum Heeres-Vollblutgestüt, wurde dessen Schicksal mit Kriegsende ebenfalls besiegelt war. Danach fungierte die, auf einer Hochebene inmitten von Laubwäldern gelegene Anlage, als Pensionsgestüt, denn Heimatvertriebene, der Verlust der Ostgebiete und die Bodenreform erforderten dringend eine neue Scholle für die betroffenen Züchter. Die evakuierten Schlenderhaner kamen vorübergehend ebenfalls nach Altefeld, wo ihr großer Oleander sein Leben beendete, und die Stuten Asterblüte und Aubergine geboren wurden. Auch Birkahn erblickte hier noch das Licht der Welt, ehe das Gestüt Waldfried das Anwesen übernahm, das 1981 aufgelöst und von Manfred Graf gekauft wurde. Heute sind auf dem renovierten Hauptgestüt Altefeld ökologischer Gestütsbetrieb und moderne Sportpferdezucht etabliert, und an die Ursprünge dieses Gestüts, das auch Führungen anbietet, erinnern ein Museum und das Alchimist-Denkmal, das der neue Eigentümer errichten ließ.

Im Laufe der Zeit war die Graditzer Stutenherde von Dark Ronald-Blut übersättigt, da neben ihm auch seine Söhne Herold und Aberglaube eingestellt wurden und sich auch viele Herold-Töchter in der Herde befanden. Andere Hengste, die Ankäufe Sisyphus (1922; Fervor) und Ferro (1923; Landgraf) sollten dieses Problem lösen. Sisyphus, 3 x 2 auf St. Simon und 4 x 4 auf Kendal ingezogen, war ein Waldfrieder und Enkel des Triple Crown-Siegers Galtee More, den Graditz importiert hatte. Ein reiner Outcross war er damit für die Graditzer Herde nicht, aber ein Hengst, dem nur der letzte Schuss Klasse auf der Bahn gefehlt hatte. In der Zucht war er auch keineswegs ein Versager, sondern hatte in den ersten fünf Jahrgängen, in denen er kaum mehr als sieben bis neun Partnerinnen erhielt, bereits gute Pferde. Eines davon war der Derbydritte Calva, der auf der Hindernisbahn Rennen wie das Haupt-Jagdrennen oder das K.-v.-Tepper-Laski-Jagdrennen für sich entscheiden konnte, obwohl der von 1933 bis 1935 in Graditz stehende Beschäler von seinem Gestüt nur zwei Jahre stärker herangezogen wurde. Andere Beispiele sind Alte Liebe und Landmädel (Hamburger Criterium, Preis der Diana), beide Jahrgang 1934.

Mit dem 1926 geborenen Landgraf-Sohn Ferro, der von seinem Züchter-Besitzer R. Haniel angekauft wurde, konnte Sisyphus nicht mithalten, denn jener Neuzugang war nach Rennleistung einer der besten Hengste, der u. a. Preis von Dahlwitz, Union-Rennen, Derby, Großer Preis von Berlin und insgesamt neun Rennen gewonnen hatte. Als er, ein reiner Inländer mit viel ausländischem Blut, 1931 seine Tätigkeit in Graditz aufnahm, ging es mit dem 14 Jahre alten Herold schon langsam bergab. Die Klasse, wie sie für den Neubeginn Alchimist und Arjaman vertraten, vermochte Herold nur noch gelegentlich mitzugeben. In seinem vorletzten Jahrgang, als ihn Graditz schon nicht mehr berücksichtigte, hat er jedoch mit Birkhahns Dreiviertelbruder Bürgermeister, der 21 Rennen gewann und Härte bewies, nochmals „ein Rennpferd“ abgeliefert. Bei 39 Starts in fünf Rennzeiten gelangen u. a. Siege im Leipziger Stiftungs-Preis, Preis der Dreijährigen, je zweimal im Großen Preis der Sowjetischen Besatzungszone und Triumph, im Preis der Stadt Dresden, Großen Preis der Buchmacher, und das Chamant-Rennen heftete er dreimal an seine Farben.

Ferros Zuchtkarriere begann im ersten Jahrgang mit dem Paukenschlag Athanasius, und im zweiten, 1932, befand sich die die Klassestute Formidolosa. Auch der Paarung mit Stuten der Helden-Familie, wie die Vertreter der Alveole-Linie früh bezeichnet wurden, und Herold-Töchtern konnte man getrost entgegen sehen, denn mit der Herold-Tochter Antonia (Herold) stellte er gleich den 1934 geborenen Graditzer Derbysieger Abendfrieden, der auch in Ungarns und Deutschlands St. Ledger nicht zu schlagen war. Obwohl Ferro für Graditz und andere Zuchten viele gute und sehr gute Stuten lieferte, macht sich der Hengst jedoch einen Namen mit dem Erlenhofer Ausnahmehengst Athanasius und dem genannten Abendfrieden. Und als Ferro in Graditz groß herauskam, stand bereits der echte Graditzer Alchimist auf dem Sprung, seinen Großvater, den fünffachen Beschäler-Champion Dark Ronald, als auch seinen Vater Herold, der zweimal an der Spitze stand, „abzulösen“. Das Blut seines Großvaters hatte, in Verbindung mit dem Alveole-Zweig der Antwort-Adresse-Linie, an Alchimist das weitaus beste Pferd geschaffen, das Herold je geliefert hat. Und bereits auf der Rennbahn hatte Alchimist seinen Vorfahren alle Ehre gemacht, und als Zweijähriger u. a. das Zukunfts-Rennen in lockerer Manier gegen zwei Franzosen gewonnen. In der Rennsaison 1933, nach zweiten Plätzen im Preis von Dahlwitz (zu Janitor) und Henckel-Rennen (zu Cassius), wurde er jedoch zum Star der Saison. Die Siege begannen mit den Erfolgen im Union-Rennen und im Derby, in dem Ernst Florian Grabsch keine große Mühe hatte. Im Großen Preis von Berlin ließ Alchimist an Palastpage den Derbysieger des Vorjahres mit 2 ½ Längen hinter sich, als auch Wiederhall (Großer Preis von Baden) oder Janus und die Französin Thaouka, Lord Nelson und Aventin, die er regelrecht verlor. Alchinist nächster und letzter Start wurde ein imponierender Abschied: Im Großen Preis von Baden siegte der Graditzer mit drei Längen über den Franzosen Negundo (Banstar), dem er zwei Kilo gab, den fünf Kilo günstiger stehenden Janitor, den sieben Kilo weniger tragenden, in italienischen Farben laufenden Sans-Souci, Arjaman, Boussacs Stute La Circe, Unkenruf und Aventin, der das einzige ältere Pferd im Feld war.


Derbysieger Alchimist unter Ernst Grabsch. Links Graf Kalnein, rechts Trainer R. Utting (Foto Menzendorf; Leihgabe Niedersächsische Sparkassenstiftung und Kreissparkasse Verden im Deutschen Pferdemuseum)

Danach lieferte Trainer R. Uttig an Alchimist einen Hengst ab, der seiner Zuchtstätte das 19. Besitzer-Championat gesichert hatte und alles besaß, was einen Beschäler mit Zukunftsaussichten ausmacht. Und dieser Hengst hat auch niemanden enttäuscht, denn Alchimist gewann drei Beschäler-Championate.

Die Oberste Behörde hatte zunächst zwei, danach sechs und dann nur noch einen Freisprung zur Verfügung, obwohl er im Heimatgestüt zunächst sehr wenig beschäftigt wurde. 1934 erhielt er in seiner ersten Saison zehn Stuten, aber nur eine aus der Graditzer Herde, und von den acht Fohlen, die zur Welt kamen, wurden Effner (Westerberg), Hannenalt (Röttgen) und Guardi (Erlenhof) bekannt. Der zweite Jahrgang bestand bei 23 Bedeckungen aus 18 Köpfen, darunter der Mydlinghovener Gewerke, der zehn Rennen gewann (u. a. Großer Hamburger Ausgleich, Großer Preis vom Westwall, Jubiläumspreis in Dresden), und Röttgens Idar. Unter den anderen vielfachen Siegern befand sich auch Rusticus, der sich allein als Dreijähriger mit sieben Erfolgen bemerkbar machte.

1937, als der dritte Jahrgang aus sechs Fohlen bestand, wurde die Wunderstute Schwarzgold geboren, die in neun Gestütsjahren nur zwei lebende Fohlen gebar, mit Schwarzblaurot aber die Familie sicherte. Dass Alchimist die Chance der Paarung mit der Oleanderstute Schwarzliesel bekam, soll nicht züchterischen Überlegungen entsprungen, sondern Zufall gewesen sein. Obwohl sie im Kisasszony-Rennen die besten Altersgefährtinnen, und im Oleander-Rennen Ehrenpreis (Prunus) schlug, der vorher Rivalen wie Airolo (Teddy), Wolkenflug (Wallenstein) und Janitor (Fervor) abgefertigt hatte, blieb Schwarzliesel auch als Vierjährige im Training. Ein weitere Saison absolvierte auch die ein Jahr ältere Wallenstein-Tochter Arabeske aus der Ard Patrick-Tochter Arabis im Rennstall. Beide hatten wohl den Hengst verweigert und kamen deswegen 1935 zu George Arnull zurück. Schwarzliesel gewann von elf Starts noch vier in Folge, und die ältere Trainingsgefährtin gewann von vier Starts die beiden ersten, das Tegel- Jagdrennen in Karlshorst und das Ulrich von Oertzen-Rennen. Verabschiedet hat sie sich als Zweite zu Cyklop, und vor Jambus, im Großen Hürdenrennen von Karlshorst.

 

Danach sollen die Herren Graf Sponeck und Graf Kalnein die Situation beraten, und sich letzterer auch mit Gestütsmeister Hinrichs in Verbindung gesetzt haben, mit dem Graf Sponeck in Altefeld viele Jahre zusammengearbeitet hatte. Und Hinrichs soll damals gesagt haben: „Graditz verlässt kein Mädchen als Jungfrau“. Damit gingen beide Stuten zu Alchimist. Arabeske fohlte den nützlichen Adlerhorst, und Schwarzliesel, bei ihrem Ortello-Besuch in Italien, Schwarzgold. Schwarzliesels Paarung mit Ortello, Felicitation und viermal Magnat blieben erfolglos, und von ihren fünf Fohlen stammte nur eins, der Allgäu-Sohn Schlingel, nicht von Alchimist.

Im Jahrgang 1938 gab es Alchimist-Nachkommen namens Volturno (Deckhengst), Ebbeslohs Peperl (15 Siege; Deckhengst), Aureole, den hervorragenden Meiler Osterglaube (Stall Rösler), und Erlenhof hatte an Seleukos einen erstklassigen Steepler. Inzwischen deckte der Graditzer etwa dreißig Stuten, und in den beiden folgenden Jahrgängen befanden sich Pferde wie Rattenfänger (Preis von Dresden, Union-Klub Preis, Großer Wiener Ausgleich), der später mit großem Erfolg für den Wiener Stall Floridsdorf lief, oder Stall Haniels Passion, der sich auch im Hamburger Criterium, Dresdener Jugend-Preis, Preis der Dreijährigen in Dresden durchsetzen konnte. Ein Jahr später waren mehrere gute Pferde für ihren Vater unterwegs, auch Ilsenstein (Preis von Düsseldorf, Preis der Rheinprovinz, Deckhengst) oder die fünffache Siegerin Lenchen, die Ebbesloh zog. Sie entschied für sich u. a. Dorn-, Schwarzgold- und Husaren Rennen, als auch die Preise von Westernberg und der Mark Brandenburg. Danach fohlte sie für Ebbesloh Lümmel, danach für Charlottenhof den guten, 2 x 3 auf Herold ingezogenen Lenzwind. Weil sie jedoch mehrfach güst blieb oder verfohlte, kam sie neun- und zehnjährig zur Rennbahn zurück, gewann in Krefeld und nahm danach wieder auf. Das Ergebnis war die Ansitz-Tochter Legende (1952) die über ihre Kinder und Kindeskinder einflussreich wurde. Im „Nachkriegs-Graditz“ bekam Lenchen noch vier Fohlen, darunter den Hoppegartener Derbysieger Antritt (1955; Angeber), der auch das Weinberg- und Alchimist-Rennen gewann und in der dritten und vierten Generation stark ingezogen war. Antritts ein Jahr jüngere Vollschwester Ambition wurde von Graditz in die Zucht genommen und setzte das Erbe der Atalante, Ahnherrin und Adita fort.

1940 wurde die Paarung von Schwarzliesel mit Alchimist wiederholt. Das Produkt Schwarzkünstler konnte mit seiner Schwester Schwarzgold zwar nicht konkurrieren, war aber im Jahrgang 1941 der bester Nachkomme seines Vaters und hatte es verdient, aufgestellt zu werden. Der nächste Jahrgang war einer der besten und enthielt den Waldfrieder Klassehengst Gundomar, der wegen des Krieges dreijährig ungeprüft blieb. Als Vierjähriger gewann er fünf Rennen, darunter das Arthur-von-Weinberg-Erinnerungsrennen und das als „Prüfungspreis der Vierjährigen“ in München nachgeholte Derby. Obwohl seine so großartig begonnene Beschälerlaufbahn durch einen schweren Koppelunfall in Römerhof abrupt beendet wurde, hinterließ er in seiner kurzen Karriere als Deckhengst nicht wenig. In Frankreich zog F.Dupré von ihm Prince d’Quilly (Großer Preis von Baden 1951, und Sieger in Frankreich, Italien, England und Belgien), und die vom gleichen Züchter in Waldfried gekaufte Gundomar-Tochter Rhea fohlte 1955 nach Ticino die hervorragende Bella Paola. Die 1950 geborenen Maranon (Großer Preis der Düsseldorfer Industrie und Wirtschaft) und Baal (Großer Preis von Baden) waren weitere gute Gundomar-Söhne, sein bester Vertreter jedoch der ein Jahr ältere Mangon. Er gewann u. a. Henckel-Rennen, Derby und zweimal den Großen Preis von Nordrhein- Westfalen. Obwohl ihm auch nur drei Beschäler-Jahre vergönnt waren, war er in der Zucht noch besser. An Alarich (Gerling-Preis), der 1957 aus einer Ticino-Mutter gezogen wurde, und dem ein Jahr jüngeren Baalim (Winterfavorit, Union, St. Ledger) hatte er zwei Derbysieger auf der Bahn.

Was 1943 und später in Graditz gezeugt wurde, litt unter den Auswirkungen des Krieges und verlor, wie die westlichen Alchimist-Kinder, kostbare Zeit, weil der Rennbetrieb erst am 22.4.1946 in München wieder begann. Ganz ohne waren jedoch weder der Jahrgang 1943, noch die drei Jahre, die Alchimist verblieben. Seine Tochter Waldrun (1943), aus der Aurelius-Stute Walburga gezogen, wurde zu einer der bedeutendsten Stammmütter und rief die W- Familie in Ravensberg ins Leben. Und zu den sehr guten Pferden, die noch folgten, zählte auch die Röttgener Stammesart, die hohe Rennklasse vertrat (Deutscher Stutenpreis), und über ihre Tochter Sterna Großmutter des Prix de l’Arc de Triomphe-Siegers Star Appeal wurde. Und ihre Fohlen Stani (1949; Nuvolari) und Sant Cruz (1957; Caran D’Ache) konnten ebenfalls laufen. Der Hengst gewann den Großen Preis von Baden und den zu Düsseldorf, die Stute den Herbst-Stutenpreis, Preis der Diana, Schwarzgold-, Ratibor- und Sierstorpf Rennen.

1944 wurde Alchimist durch die Zuchtperle Ottomane und Grolledoch vertreten, die zu den besten Stuten dieses Jahrgangs zählte. Letztere war eine Vertreterin der Grave-and-Gay-Familie und Mutter von Grolledochnicht. Ein Jahr später hielt Alchimist als „Abschiedsgeschenk“ noch zwei echte Volltreffer bereit, Birkhahn und Aralia! Den Hengst für Madlene von Heynitz, der die Farben von K.-H. Wieland trug, die Stute für Schlenderhan. Während Birkhahn zwei Derbys gewann, siegte die Stute bei sechs Erfolgen auch im Schwarzgold- und Gladiatoren Rennen, Frühjahrs-Stutenpreis, dem Preis der Diana und wurde eine hervorragende Zuchtstute. Ihr Tantieme-Sohn Agio, Sieger im Großen Preis von Nordrhein-Westfalen und St. Ledger, zeugte mit Promised Lady (Prince Chevalier) 1966 Lombard, und ihre Tochter Aralina, die aus der Oleander-Stute Aster stammte, wurde Mutter des Kronzeuge-Sohnes Arratos. Dieser 1969 geborene Kronzeuge-Hengst gewann elf Rennen, während Lombard auf 20 Volltreffer kam, zu denen auch drei Preise von Europa zählten. Und beide, Birkhahn und Aralia, hatten sich auch im Derby zu Hamburg getroffen, wo der Hengst die Schlenderhaner Favoriten auf den Ehrenplatz verwies. In der Zucht stand der Alchimist-Sohn, der u. a. auch den Großen Preis der DDR gewonnen hatte, viermal an der Spitze seiner Kollegen, und einmal weniger führte er die Liste der Väter erfolgreicher Mutterstuten an. Birkhahn war ein Klasse-Rennpferd und in der Zucht ein hervorragender Vater.