Kreation Vollblut – das Rennpferd eroberte die Welt. Teil III

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„Ins Leben gerufen“ wurde das Rennen, das von 1867 bis 1909 in Hoppegarten, die restlichen fünf Jahre auf der Grunewaldbahn ausgetragen wurde, im Grunde von König Wilhelm I. der dafür jährlich den Ehrenpreise stiftete. 1864 und 1868 (Feldzüge) fiel die „Armee“ aus, sodass in 51 Jahren insgesamt 597 Starter gesattelt wurden, und 1876 mit 19 Teilnehmern das größte Feld antrat. Und diese Offiziere waren es, die den deutschen Hindernissport bekannt machten, der in unserer modernen Zeit auf deutschen Rennbahnen aber nur noch ein klägliches Leben führt. Das Hauptereignis der Karlshorster Bahn, der Große Preis von Karlshorst, der nach dem zweiten Weltkrieg in Bremen eine neue Heimat fand, ist inzwischen aus dem deutschen Rennprogramm auch verschwunden. Der letzte Sieger wurde 2007 in Bremen gefeiert, als sein Titel „125 Jahre Verein für Hindernisrennen e. V. Großer Preis von Karlshorst“ hieß, und den von Christian Freiherr von der Recke trainierte fünfjährige Our First Chestnut (Java Gold) unter J. Korpas für Bernd Raber gewann. Dass der Sieger aus dem Stall des vielfachen Trainer-Champions kam, der in jungen Jahren als Amateur ritt, war zumindest ein würdiger Abschluss für dieses Traditionsrennen, denn nach einem Erfolg 2004 war dem Trainer bereits 1998/99/2000 mit Last Corner (Weldnaas) für Bernd Raber ein lupenreiner Dreier gelungen. In der Erfolgsliste stehen neben Flachrenn-Championaten u. a. auch der Großen Preis von Meran (Gruppe I) über 5.000 Meter Jagdbahn mit Rosenbrief, als auch ein siegreiches Jagdbahn-Debüt im englischen Kempton-Park auf Gruppe-II-Ebene.

Zu den guten „Herrenreitern“, die vor dem I. Weltkrieg ritten, zählten ganz besonders Lt. Braune, Lt. Graf Holck, Lt. Freiherr von Berchem, Lt. von Egan-Krieger oder Lt. von Mossner, die zwischen 1908 und 1913 die Champions waren. Otto von Mitzlaff gewann das große Jagdrennen 1908 auf seinem Sven Hedin, und von insgesamt 422 Rennen konnte er 144 siegreich gestalten. Als ganz ausgezeichnete Reiter nennt der Verfasser des Buches zum Armee-Jagdrennen auch Zobeltiz und Oscar Christ, die es damals ebenfalls mit den besten Hindernisjockeys der Welt hätten aufnehmen können.

Als erfolgreichster der deutschen Herren-Reiter Deutschlands, die von 1827 bis 1935 unterwegs waren, gilt Rittmeister Otto Suermondt, dem bei 1.463 Starts 506 Erfolge gelangen, zu denen auch das Armee-Jagdrennen von 1901 auf seinem Rautendelein gehörte. 1887/88; 1890 bis 1895; 1897 und 1899 stand er an der Spitze seiner Reiterkollegen und setzte 1895 mit 53 Saisonsiegen einen neuen Rekord. Verbessert wurde dieser 1908 von Lt. Braune (58); Lt. von Raven 1909 (63); Dr. F. Riese 1910 (62); Lt. Graf Holck 1911 (57) und, 1912, durch Lt. Freiherr v. Berchem und Lt. von Egan-Krieger, die jeweils 61 Saisonsieger verzeichnen konnten.


Otto Suermondt gewann als „Amateur-Reiter“ 506 Rennen (Foto: Repro von einem unbekannten Druck)

Vier Reiter schafften in jener Periode hinter Suermondt mehr als 300 Siege: Rittmeister M. Lücker brauchte für 335 Erfolge 1.368 Ritte, Maj. C. Braune gewann von 1.163 Versuchen 312, und Gen.-Maj. Von Heyden-Linden musste in 912 Rennen in den Sattel steigen, um 302 davon zu gewinnen. Sechsmal war dieser auch im Armee-Jagdrennen zwischen 1877 bis 1902 erfolgreich, wovon er viermal auf eigenen Pferden saß. Lt. Graf Georg Lehndorf führte die Championatslisten von 1853, 1858 bis1862 an; Graf Nikolaus Esterhazy war 1865/67/68/71 der Spitzenmann und Lt. K. von Tepper-Laski gewann 1876, 1878 und von 1880 bis 1882 die meisten Rennen. Von den anderen großartigen Reitern seien, stellvertretend für die vielen anderen (63 von ihnen ritten im genannten Zeitraum jeweils mindestens 100 Sieger) sollen nur noch die Namen Lt. von Bülow, Maj. H. v. Rosenberg, Rittmeister Th. von Schmidt-Pauli, Lt. von Both, Adrian von Borcke oder Hans Lücke und Lucas Andreas Staudinger genannt sein. Dieser gewann auch zweimal den Karlshorster Helden-Preis, das als Gedächtnisrennen den im ersten Weltkrieg gefallenen Reitern gewidmet war, und das über 7.300 Meter führende Landsberg-Rennen, an gleicher Stelle, den Präsidenten Preis im Gundewald, oder das Alte Badener Jagdrennen und hatte viele Ritte im Ausland. Insgesamt absolvierte er 1.020 Starts, gewann 144 davon und belegte 355 zweite Plätze. Am 27.10.1939 gewann er in Leipzig bei seinem letzten Start, und 1987 verließ er als einer der ganz großen Reiter, der kein Pferd ablehnte, diese Welt.

1892 gründete der Berliner Bankier G. von Bleichröder das Gestüt Römerhof, und ein Jahr später startete Dortmund seine Rennen. 1895/96 gelang Ernst Freiherr von Falkenhausen vom schlesischen Gestüt Bielau mit Impuls, ein Galopin-Enkel aus einer Buccaneer-Tochter, und Trollhetta (Kisber), die beide George Johnson im Sattel hatten und von Tom Busby trainiert wurden, ein Doppelerfolg im Deutschen Derby. 1896 war gleichzeitig auch das Jahr, das für die deutsche Vollblutzucht ein Meilenstein werden sollte, denn die Gebrüder Carl und Arthur von Weinberg, deren Familie 1908 der Adelstitel verliehen wurde, gründeten das Gestüt Waldfried, das zwischen 1905 und 1968 allein im Derby, St. Ledger, der Diana und dem Henckel-Rennen insgesamt 40 Sieger hervorgebracht hatte. Den großen Erfolg des Gestüts begründete die 1893 geborene Festa, die von der Zuchtkommission 1901 importiert und an die Weinberg-Brüder verkauft wurde. Vier Söhne und eine Tochter dieser St. Simon-Stute gewannen alle wichtigen Rennen und etablierten eine starke Familie, während Schlenderhan die Kisber-Enkelin Alveole (1889) gekauft hatte, deren Nachkommen, zusammen mit der Ungarin Kisasszony (1869; Lord Cliften) und Orsova (1888; Bend Or) diese Zuchtstätte in Deutschland zur Nummer Eins machten.

Beim Köner Neubeginn 1897, als der „Kölner Rennverein“ aus der Taufe gehoben wurde, war Simon Alfred von Oppenheim die treibende Karft. Als Präsident wurde Egon Fürst zu Fürstenberg aus Donaueschingen gewonnen, und auch Graf August von Bismarck und Oberlandstallmeister Graf Lehndorf waren bei der Zusammenkunft zugegen.


Kaiser Wilhelm der I (1797-1888), seit 1858 Regent; 1891 wurde er König von Preußen; ab 1867 auch Präsident des Norddeutschen Bundes und ab 1878 erster Deutscher Kaiser. (Foto:1884 von Wilhelm Kuntzemüller (1845-1918), Public Domain via Wikimedia Common)

Um die Jahrhundertwende hatte Deutschland zwar viele Pferde, diese aber keine Klasse, doch sollten die Gestüte Graditz und Waldfried den Umschwung bald einleiten, denn schon der Derbyjahrgang 1908, an dessen Spitze der Festa-Sohn Faust stand, war ein gewaltiger Fortschritt. Und als auch das Preußische Nationalgestüt Graditz in die Vollblutzucht eingestiegen war, und sein Gestütsleiter Graf Lehndorff nach dem Kendalsohn Galtee Moore (1894), der Oleanders Mutter Orchidee zeugte, 1910 auch die St. Simon-Enkel Nuage (1907; Simonian) – Sieger im Großen Preis von Paris –, und Ard Patrick (1899; St. Florian), der für seinen Epsom-Derbysieg 1902 5.450 Pfund erhalten hatte, importierte, waren weitere wichtige Grundsteine gelegt.

Dass sich beide Hengste als hervorragende „Nicks“ entpuppten, war ein glücklicher Umstand, der durch den 1913 für 500.000 Mark importierten achtjährigen Dark Ronald (1905; Bay Ronald) auf eine noch breitere Basis gestellt wurde. Diesen Stallion-Kauf hatte Burchard von Oettingen bewerkstelligt, der 1911 in das Preußische Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten berufen worden war, ein Jahr später zum königlich-preußischem Oberlandstallmeister aufstieg, und 1913 das Mustergestüt Altefeld zwischen Eschwege und Eisenach auf 800 Hektar aufbaute, in das im Februar 1919 die ersten Stuten und Hengste aus Graditz einzogen. Der Import von Festa und der genannten Deckhengste war der Garant dafür, dass es nun aufwärts ging.

Zwischenzeitlich hatte es aber ebenfalls wichtige Termine gegeben: 1904 wurde das Rennverbot für Sonntage aufgehoben, ein Jahr später das Reichswettgesetz verabschiedet, dass nur noch Totalisatorwetten erlaubte, Buchmacher ausschloss und die Wettsteuer auf 16 2/3 % festsetzte. Dass die Derbysieger von 1902 bis 1905 wiederum alle aus Österreich-Ungarn kamen, könnte 1906 für den 73-jährigen Georg Graf Lehndorff vielleicht auch ein Grund gewesen sein, zu Gunsten seines Sohnes Siegfried in Graditz zurückzutreten und nur noch seine Position als Preußischer Oberlandstallmeister wahrzunehmen. Im gleichen Jahr verlor der deutsche Rennsport durch den Tod von Ex-General Victor von Podbielski, einen seiner wichtigsten Förderer, der als Minister für Landwirtschaft und Forsten die für den Rennsport positiven Dinge bewerkstelligt hatte. Die Bewilligung der Hengstankäufe und die Durchsetzung der Bereitstellung der dafür notwendigen Sondermittel, als auch die volle Unterstützung des Grunewald-Neubaus waren dabei besonders wichtige Stationen.


Das internationale Preisrichter-Kollegium 1902 in Baden- Baden. Von links: M. Maurice Eohrussi; M. du Boss und die Grafen Siegfried und Georg von Lehndorff (Foto: Von Anonym, Sport und Salon v. 27.9. 1902, Wikimedia.Org.)

1907 startete der Rennbahnbau auf dem Düsseldorfer Grafenberg, denn durch den neuen Rheinhafens ging die alte Rennbahn verloren. Die ersten Rennen auf Düsseldorfer Boden hatte allerdings am 25.5.1836 schon der „Verein für Pferderennen zur Aufmunterung der Pferdezucht in den Provinzen der Westfalen und der Rheinlande“ gestartet, als zu diesem Volksfest zehntausend Zuschauer erschienen. Danach ging es ganz unterschiedlich weiter: 1844 gründeten Offiziere der 14. Kavalleriebrigade der preußischen Armee den „Reitverein Düsseldorf“, der als Vorläufer des „Düsseldorfer Reiter- und Rennvereins“ gilt, den damals General von Versen als Präsident anführte. Er öffnete seinen Verein auch gleichfalls für „jeden unbescholtenen Interessenten“, inklusive Ausländer. Ab 1851 wurden Rennen im Bilker Busch oder in der Benrather Heide gelaufen, ehe die Lausward Wiesen 1884 zur ersten „festen“ Rennbahn wurden. 1891 hatte der „Große Preis von Düsseldorf“ zunächst als Jagdrennen Premiere, wechselte jedoch 1914 auf die Flachbahn. Nachdem man zwischenzeitlich auch in Neuss zu Gast gewesen war, wurde am 15.5. 1909 der Grafenberg eingeweiht, vier Jahre später das alte Waagegebäude renoviert, unter Denkmalschutz gestellt, und 1989 bekam diese Rennbahn auch eine neue Tribüne.

 

Damit war „Düsseldorf“ ein Jahr älter als die neue, hochmoderne Rennbahn Grundewald, die die Fürsprache des Kaisers besaß, Flach- und Hindernisrennen ermöglichte, mit vier großen Tribünen, einem mehrstöckigen Restaurant, Wetthalle, Terrassen und einem Tunnel zum Innenraum ausgestattet wat, wo Fußballspiele und Leichtathletik-Veranstaltungen stattfanden. Die Finanzen kamen dafür fast ausschließlich vom Union-Klub.


… und 1907 hatte die Großmutter von Alchimist, die Ard Patrick-Tochter Antwort, in Graditz das Licht der Welt erblickt. Hier als Zweijährige. (Foto Menzendorf; Leihgabe Niedersächsische Sparkassenstiftung und Kreissparkasse Verden im Deutschen Pferdemuseum)

Um 1908 hatte Graditz seine Schwächeperiode überwunden, und das Trio Siegfried Graf Lehndorf, Trainer Reginald Day und Jockey Fred Bullock kamen in jener Zeit auf eine Jahresbilanz von 61 Siegen und knapp 540.000 Mark Gewinnsumme, was zu einem Aufstand der Rennvereine führte. Diese verlangten, dass die Graditzer von bestimmten Rennen ausgeschlossen werden, oder die übrigen Pferde Gewichtsnachlässe erhalten müssen. 1910 lenkte der Landwirtschaftsminister ein, begrenzte den Rennstall auf 35 Pferde, die den Privatställen in kleinen Rennen auch keine Konkurrenz mehr machen durften, während Privatpferde in Prüfungen, die auch für Ausländer offen waren, bis zu sechs Kilo Erlaubnisse erhielten. Und Züchterprämien erhielten die Graditzer grundsätzlich nicht.

In jenem Jahr, in dem auch der Mülheimer Raffelberg seine Tore öffnete, waren in Deutschland etwa 700 Vollblutstuten registriert, Österreich/Ungarn verfügte über ca. 1.770, in England zählte man bereits 5.000, und Frankreich hatte noch 1.000 mehr in seinen Gestüten.


Der Düsseldorf Grafenberg (Foto: own work by Marek Gehrmann; GFDL 1.2 (Http://www.gnu.org-copy) and licenced under Creative Commons)

Als am 11.6.1913 im Krefelder Stadtwald eine weitere Rennbahn Premiere hatte – initiiert durch eine, von Rudolf Oetker angeführte Interessengemeinschaft von 1.150 Bürgern – existierten schon weit über 100 Rennplätze, und auch der Automobilhersteller Heinrich von Opel hatte bereits im Vorjahr begonnen, sein Gestüt Westerberg aufzubauen. Begonnen hatte es in der Textilstadt bereits 1884 mit der Gründung des „Crefelder Reiter- & Rennvereins“ und dessen Rennen auf dem Wiesengelände der heutigen Hüttenallee. Nach sechs Jahren setzten jedoch die finanziellen Möglichkeiten ein vorläufiges Ende.

Vor dem Ersten Weltkrieg hatte der deutsche Rennsport erheblichen Aufschwung erlebt, und im Westen waren auch Gestüte wie Ravensberg (1907; Paul Niemöller) oder Mydlinghofen entstanden. Die ersten Gebäude auf diesem Landgut werden von „Burgen-und-Schloesser.net“ als Wassermühle beschrieben, die 1460 zu einer Wasserburg umgebaut wurden. Danach wechselte das Gut mehrfach den Besitzer, bis es im 20. Jahrhundert an den Ritter Ernst Bischoff fiel, der die Wasserburg teilweise abreißen ließ, um Pferde züchten. Auch einen Gnadenhof für Grubenpferde, die hier bis in die 1930er Jahre noch für den Bergbau des Ruhrgebietes gezüchtet wurden, sollte eröffnet werden. Danach zogen Vollblüter ein. Als jedoch in den 1970ern der Zuchterfolg ausblieb, musste für das 1913-1915 errichtete Anwesen eine andere Lösung gefunden werden, die letztlich in Zusammenarbeit mit dem Denkmalschutz zur Entstehung von „Gut Mydlinghofen“ führte.

Unmittelbar vor dem Derby 1914, das der Schlenderhaner Ariel gewann und bei dem mehr als 1,2 Millionen Goldmark durch den Totalisator flossen, kam aus Sarajewo die Nachricht, dass der Thronfolger von Österreich-Ungarn ermordet wurde, nachdem Erzherzog Franz Ferdinand in Bosniens Hauptstadt wenige Stunden vorher durch serbische Nationalisten das gleiche Schicksal getroffen hatte. Kurz danach war der Erste Weltkrieg im Gange, und von den 1,3 Millionen Pferden, die die Kaiserliche Armee einzog, kam eine Million beim Kriegsdienst um. Im Herbst des gleichen Jahres, in dem auch der 81-jährige Georg Graf Lehndorff verstarb, kam der Rennsport zu erliegen, und 1915, als Pontresina unter Willy Plüschke – der erste deutsche Jockey dem das gelang – das Derby für Richard Haniel gewann, war der Rennsport nur eingeschränkt zu Zuchtzwecken unterwegs, während für die über Hindernisse reitenden Offiziere schon der Heringsdorfer Renntag vom 31.7. 1914 der letzte gewesen sein soll. 139 von diesen Herrenreitern und 22 Berufsreiter, so schreibt der Autor des „Armee-Jagdrennens“, Oscar Christ, kamen aus jenem verlorenen Krieg nicht zurück, und zu ihnen zählten mit Holck, Raven und Riese auch einige der Besten. Am 23. September 1925 setzte ihnen Reichspräsident Generalfeldmarschall von Hindenburg in Karlshorst ein Reiterdenkmal, das sich nach wie vor an seinem angestammten Platz präsentiert, jedoch ohne Gedenktafel und Hinweis auf seine historische Bedeutung. Danach entstand neben den Profis eine neue Reitergeneration „Amateure und Offiziere“, doch mit dem Ende des deutschen „Offiziers-Sports“ war auch das Ende des Armee-Jagdrennens mit dem „Kaiser-Preis“, der wertvollsten Trophäe, die dieser Sport zu vergeben hatte, gekommen. Dieser „Kaiser-Preis“ lebte nach dem Ersten Weltkrieg in Karlshorst aber wieder auf, als Karlshorster Heeres-Jagdrennen.

Das Derby 1916 gewann Amorino unter Otto Schmidt für Waldfried, und das nächste holte Landgraf für Richard Haniel. 1917 wurden zu Hoppegarten und Grunewald auch einige Rennen für Pferde aus Österreich-Ungarn geöffnet, und durch die Abwanderung zahlreicher englischer Jockeys wurden Namen wie Schmidt, Plüschke, Blume, Rastenberger oder Trainer wie Horawetz und Horalek bekannt. 1918, als englische und französische Truppen, unterstützt von den USA, an der Westfront eine Großoffensive starteten, wurden alle klassischen und großen Rennen auf der Grunewald-Bahn gelaufen, während es in Hoppegarten vier weitere Jahren still blieb. Im November 1918 dankte der Kaiser ab und floh ins holländische Exil; zwei Tage später war Waffenstillstand, die Preußische Militär-Monarchie zusammengebrochen und der Erste Weltkrieg zu Ende.

1919 entstand die Oberste Behörde für Vollblutzucht und Rennen (OBV), die in Zusammenarbeit mit dem Generalsekretariat des Union-Klubs agierte. Ullrich von Oertzen wurde zum Präsidenten, und Simon von Oppenheim als Präsident des Kölner Rennvereins in den Vorstand gewählt. Damit verlor der Union-Klub zwar seine führende Stellung, blieb jedoch Veranstalter in Hoppegarten. Vor dem Krieg hatte Deutschland noch 1.000 Mutterstuten, jetzt nur noch die Hälfte, und von 3.000 Rennpferden gab es noch etwa 1.600, während Österreich nur noch 70 Vollblüter in die Freudenau retten konnte. Auch die deutschen Rennplätze waren halbiert.

Nach den Festakindern, die in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts auftrumpften, zeigte sich beim Derbyjahrgang 1920 wieder ein Fortschritt der deutschen Zucht, als der Graditzer Dark Ronald-Sohn Herold (aus der Ard Patrick-Tochter Hornisse) u. a. das Deutsche Derby, den Großen Preis von Berlin, das St. Ledger und Gladiatoren-Rennen gewann, und der von dem Schlenderhaner Prunus stammende Weißdorn (aus der St. Simon-Enkelin Wiener Mädel) diesen Trend 1925 mit Siegen in der Union, Großen Hansa-Preis, Großen Preis von Berlin, Fürstenberg-Rennen und St. Ledger bestätigte. Ende der Zwanziger Jahre konkurrierten in Berlin vier Bahnen und drei Rennvereine mit insgesamt 90 Renntagen, während in München, wo die Traber viel populärer waren, keine klassischen Rennen entschieden wurden.


In Karlshorst ist der Kronprinz zu Gast (Foto: Um 1900; Günter Toepfer-Sammlung, Karlshorst)

In Deutschland gab es nun wieder etwa 1.000 Mutterstuten und rund 100 Deckhengste, doch ließ die Qualität noch immer zu wünschen übrig. Von den ca. 170 Vollblutzüchtern, die jener Zeit zugeordnet werden, hatten viele nur wenige Stuten, sodass kaum mehr als ein gutes Dutzend – mit Schlenderhan, Waldfried und Altefeld (Graditz) an der Spitze – in der Lage war, zur Verbesserung der Zucht beizutragen.

1922 erwarb Konsul Moritz Oppenheimer, ein jüdischer Unternehmer aus Frankfurt, ein Trabergestüt, wandelte es zu Erlenhof um und ließ sich von Gustav Rau beim Kauf von Mutterstuten beraten. Walter Bresges begann anschließend sein Zoppenbroich aufzubauen, in dem der Schlenderhaner „Der Mohr“ als Beschäler einzog. 1923 war jedoch auch ein Jahr wirtschaftlicher Not, des wertlosen Geldes, und der Rennsport hatte damit ebenfalls zu kämpfen. Ullrich von Oertzen, der das Renngeschehen fünfzig Jahre prägte, verstarb; in Hamburg gab es einen kommunistischen Aufstand, und in München verbreitete die Schwarze Reichswehr Schrecken; das neue Hoppegarten war fertig und zeigte statt Parkidylle Sachlichkeit. Sein Glanzstück waren die dreigeschossige Tribüne, 127 Wettschalter, Waagegebäude, Pressezentrum und der achtgleisige Rennbahn-Bahnhof, und im November 1923 kam endlich die erlösende Nachricht: Währungsreform, Einführung der Rentenmark und Ende der Inflation. Dass am 16. Januar 1924 die „Kölner Zeitung“ morgens noch „150 Millionen“, abends 15 Reichspfennig. kostete, war als Randbemerkung zu lesen. Am 30. August 1924 konnte die Rentenmark von der Reichsmark abgelöst werden, die durch Gold und wertbeständige Devisen gedeckt war.

Seit Jahren triumphierten damals in Deutschland die vier Gestüte Graditz, Schlenderhan, Waldfried und Waldburg, hinter denen die Persönlichkeiten Lehndorff, Oppenheim, Weinberg und Haniel standen, doch nach Ende der Inflation kamen auch Großindustrielle hinzu. So gründeten u. a. der rheinische Unternehmer Peter Mülhens 1924 sein Gestüt Röttgen, und Richard Kasselowski, Chef der Bielefelder Nahrungsmittelfirma Dr. Oetker, erwarb zwei Jahre später den Heyforthischen Hof, der als Ebbesloh bekannt wurde. 1925 schrieb Köln 70 Rennen aus, und vergab mit 500.000 Mark das höchste Preisgeld aller preußischen Bahnen, während das nächste Jahr Landgrafs besten Sohn Ferro innerhalb von drei Monaten in den Hanielschen Farben sechs Rennen gewinnen sah – darunter Henckel-, Union Rennen, Derby, Großer Preis von Berlin –, und durch das Ende der englischen Besatzung waren Rheinland und Ruhrgebiet wieder frei. Der Derbysieger von 1927 hieß Alba, der 11 von 12 Starts gewann, wegen eines Splitterbruchs den Versuch, die „Dreifache“ im St. Ledger zu vollenden, aber nicht mehr antreten konnte.

Am 06. April 1926 überträgt der Reichsfunk erstmalig von einer Rennsportveranstaltung, dem Osterpreis zu Karlshorst, und 1928/29 stand Oleander im Mittelpunkt; H. Himmler wurde zum Reichsführer der SS benannt; J. Göbbels hetzte gegen die Juden; einige Rennsport-Persönlichkeiten veröffentlichten diverse „Pferdebücher“; Schlenderhan und Weinberg waren die führenden Zuchtstätten während der Weimarer Republik (1918-1933), und die Weltwirtschaftskrise zeichnete sich ab. Als im Oktober 1929, drei Wochen nach Oleanders drittem Platz im „Arc de Triomphe“ der amerikanische Aktienmarkt zusammenbrach, war die Weltwirtschaftskrise ausgelöst, und die „Goldenen Zwanziger“ waren zu Ende. 1930 gewann der Schlenderhaner Alba zu Hamburg das Derby; in deutschen Rennställen standen etwa 2.600 Rennpferde, die von rund 200 Trainer vorbereitet und von 1.400 Stallangestellten gepflegt wurden, während für die Ritte etwa 300 Jockeys zur Verfügung standen. Für Zucht- und Rennzwecke wurden im gleichen Jahr 112 Stuten, 52 Hengste und 12 Wallache ausgeführt, während 24 Vollblüter neu ins Land kamen.

 

Zwei Jahre später verstarb Simon Alfred von Oppenheim, und Waldemar Freiherr von Oppenheim wurde als Nachfolger seines Vaters Präsident des Kölner Rennvereins; Schlenderhan feierte sein elftes Besitzer-Championat, und die „Preußische Staatsgestüts-Verwaltung“ ihr 200-jähriges Bestehen. Graditz war, nach der Auflösung von Altefeld, wieder ein Vollblutstandort; der Prunus-Sohn Palastpage gewann für Röttgen das erste Derby, und die Rennwettsteuer am Totalisator und bei den Buchmachern soll 33 Millionen Mark betragen haben. Im Land gab es sechs Millionen Arbeitslose, und auf den Straßen waren linke und extreme rechte als Schlägertrupps unterwegs.

1933 wurde Adolf Hitler von P. W. Hindenburg zum Reichskanzler ernannt, und die Nationalsozialisten übernahmen die Macht. In der Folge wurden die bürgerlichen Grundrechte außer Kraft gesetzt, die Preußische Staatsgestüts-Führung wurde personell „angepasst“, und im Landwirtschafts-Ministerium hatte der Reichsbauernführer Darré das Sagen. Gustav Rau führte seine Position als Preußischer Oberlandstallmeister nur kurzfristig aus, denn er musste erleben, wie sein Lebenswerk, der „Reichsverband ländlicher Reiter- und Fahrvereine“ (200 Vereine; 100.000 Mitglieder) in SS- und SA-„Reiterstürme“ umstrukturiert wurde. 1934 bat er daher um seine Entlassung, an die Spitze der „Obersten Behörde für Vollblutzucht und Rennsport“ (O. B. V.) trat als Generalsekretär F. Charles de Beaulieu, der vorher im Union-Klub als Pressereferent für den Berliner Rennsport zuständig war.

Im gleichen März wurde Kölns Oberbürgermeister Konrad Adenauer, der spätere Bundeskanzler Deutschlands, gezwungen, sein Rathaus zu verlassen; im April riefen die Nazis zum Boykott jüdischer Geschäfte auf; Carl von Weinberg musste alle Wirtschaftsämter niederlegen; Bruder Arthur wurde aus dem Universitäts-Kuratorium entfernt, und Moritz James Oppenheimer, dem Konkursvergehen nachgesagt wurde, verhaftet. Sein Gestüt Erlenhof veräußerte der Konkursverwalter – inklusive Graf Isolani – für 350.000 Mark an Baron Heinrich von Thyssen-Bornemisza.

Das Derby des gleichen Jahres, das Göring in SA-Uniform in der Ehrenloge erlebte, gewann der Graditzer Alchimst unter Ernst Grabsch – 1929 bis 1931 Champion-Jockey und SS-Mitglied, wie das M. Stoffregen-Büller in seinem Buch „Schlenderhan“ feststellte. 1933 wurde auch die ungeschlagene „Wunderstute“ Nereide geboren, und es sollte auch nicht mehr lange dauern, bis Waldemar von Oppenheim seine Präsidentschaft des Kölner Rennvereins an Fürst zu Wied übergab, der seinen Vorgänger jahrelang begleitet hatte.

1934, als im Union-Klub dem Präsidenten Fürst von Hatzfeld-Wildenburg der Ex-Herrenreiter und umstrittene Franz von Papen folgte, die Rennbahn Grunewald zu Gunsten der Olympischen Spiele abgebrochen wurde und Irmgard von Opel auf ihrem Schimmel Nanuk als erste Frau das „Deutsche Spring-Derby“ zu Klein-Flottbeck gewann, triumphierten im 66. Deutschen Derby zu Hamburg Athanasius, Willi Printen, Trainer Adrian von Borcke und Erlenhof. Im Februar 1935, drei Jahre nach ihrem Mann Baron Alfred, verstarb Baronin Flossy von Oppenheim, sodass ihr Sohn, Waldemar von Oppenheim, als neuer Gestütsherr zu Hamburg sofort einen Schlenderhaner Derbysieger vom Geläuf abholen konnte, denn vor 100.000 Zuschauern war der Oleander-Sohn Sturmvogel (Willi Printen) der Star der Stunde. Politisch zeichneten sich beim Nürnberger Reichsparteitag im September weitere dunkle Wolken ab, denn der „Arier-Nachweis“, ein Gesetzt zur Isolierung und Entrechtung der jüdischen Bevölkerung, wurde eingeführt.

Der nächste Derbysieger war die großartige Nereide, die im Olympiajahr 1936 mit 2 Minuten 28,8 Sekunden Rekord lief, der fast sechzig Jahre Bestand haben sollte. Anschließend, bei ihrem letzten Start im „Braunen Band“ (100.000 Mark) zu München, bezwang sie Frankreichs große Corrida, die im Herbst als Vierjährige den Prix de l’Arc de Triomphe gewann und diesen Sieg im Folgejahr, nachdem sie auch den Großen Preis der Reichshauptstadt in Berlin gewonnen hatte, wiederholte.

1938 folgte die „Reichskristallnacht“, als Synagogen und jüdische Geschäfte verwüstet wurden; ein Jahr später war Otto Schmidt mit 57 Saisonsiegen zum elften Mal Jockey-Champion, und zu den damaligen Spitzenjockeys zählten Reiter wie Gerhard Streit, Hans Blume, Enst Grabsch, Johannes Starosta, Hans Zehmisch, Walter Held oder Julius Rastenberger. 1940 wurde das Derby, das Schwarzgold gewann, auf Anordnung der Behörden in „Großer Deutschlandpreis der Dreijährigen“ umbenannt; im „Braunen Band“ zu München erhielten die Schlenderhaner Schwarzgold und Octavius Startverbot und wurden von den Nazis mit Waffengewalt am Verlassen des Stalles in München gehindert; im Mai 1941 erhielt Schlenderhan vom Generalsekretär des Union-Klubs die schriftliche „Entscheidung des Führers“, wonach das Gestüt unverzüglich in anderen Besitz zu überführen sei. Magnat sicherte im gleichen Jahr den zehnten Derbysieg für Schwarz-Blau-Rot, der Rennstall gewann sein 16. Besitzerchampionat, und Oleander führte zum sechsten Mal die Liste der Beschäler an. Als Allgäu 1843 den 11. Derbytreffer für die Schlenderhaner markierte wurde seine Zuchtstätte mit „SS-Gestüt Schlenderhan“ angegeben.

Einige Tage nach dem letzten Bombenangriff auf Köln brachte ein amerikanischer Jeep die Oppenheims aus ihrem Versteck wieder nach Hause, wo viele Gebäude teils oder ganz zerstört oder abgebrannt, und die Pferde auf Befehl der SS abtransportiert waren. Viele hatten ihr Ziel nicht erreicht und waren verloren, andere fielen den Russen in die Hände. Auch Graf Sponeck wurde von der SS gezwungen, Pferde Richtung Bayern zu verfrachten, doch konnte im Artilleriefeuer wertvolles Material nicht gerettet werden. Ein anderer SS-Trupp landete südöstlich von München in Niederseeon (Steinsee) auf dem Hof von Olga von Wedelstadt, und diese tapfere Frau wurde zur Retterin der etwa 40 Schlenderhaner, darunter Allgäu, Magnat und Schwarzgold. Ihre kurze Radiobotschaft, die täglich gesendet wurde, vernahm Carl Friedrich von Oppenheim, und als am 22.6.1945 Graf Sponeck auf dem Hof eintraf, waren diese Schlenderhaner gerettet, denn am 9.5.1945 hatte Deutschland kapituliert. Im September des gleichen Jahres trafen sich einige Unverzagte, um über die wichtigsten Schritte zu beraten, um Zucht (1943 hatten von 1.283 Mutterstuten nur noch 454 überlebt) und Sport wieder in Gang zu bringen. Und als die treibenden Kräfte dieser Aktivisten der „ersten Stunde“ werden Walter Bresges, Ferdinand Leisten und Waldemar von Oppenheim benannt. Schließlich erteilten die Amerikaner am 22.4.1946 eine Sondergenehmigung, um in München den ersten Renntag im „neuen Deutschland“ starten zu können.

Sieht man einmal von Schwarzgold ab, die noch immer als Deutschlands beste Rennstute gilt und 1940 das Derby gewann, so waren die Jahre 1941 und 1942 bis dahin die Höhepunkte der deutschen Zucht, die mit zwei dreijährigen Hengsten der Sonderklasse glänzte. Zunächst war das der Asterus-Sohn Magnat, der 1941 den vierten Derbysieg in Folge für Schlenderhan komplettiert, und der nach Renn- und Zuchtleistungen zu den Größten der deutschen Zucht zählt. In der Zucht kam er, trotz sehr guter Leistungen, jedoch zu keinem Championat, denn er stand im Schatten seines Derbynachfolger Ticino, einem herausragendem Pferd der deutschen Vollblutzucht.

Die beiden Weltkriege beeinflussten die deutsche Vollblutzucht ganz erheblich, doch waren die Pferde nach dem ersten besser als zuvor, und Vollblüter wie Alchimist, Sturmvogel, Nereide, Ticino, Schwarzgold, Magnat und Athanasius vertraten wohl die beste Zeit des deutschen Rennsports und schlugen die Ausländer in den großen Rennen zu Baden-Baden, Hoppegarten oder München. Nach dem Zweiten Weltkrieg, als K. H. Wielands Birkhahn 1948 nach dem ostdeutschen Derby zu Hoppegarten auch das zu Hamburg gewann, das erstmals wieder an seinem Stammplatz gelaufen wurde – die Ausnahmen waren 1919 Grunewald; 1943/44 Hoppegarten; 1946 München und ein Jahr später Köln, während es 1945 nicht gelaufen wurde – war nicht viel übriggeblieben, und das Nachkriegspferd reichte zunächst nicht an die Klasse der Pferde zwischen den beiden Kriegen heran.