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Buch lesen: «Geschichte von England seit der Thronbesteigung Jakob's des Zweiten. Zehnter Band: enthaltend Kapitel 19 und 20.», Seite 12

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Ministerwechsel in Saint-Germains. Middleton

So gedrängt, gab Jakob mit Widerstreben nach und verstand sich dazu, einem der Ausgezeichnetsten unter den Vergleichern, dem Earl von Middleton, einen Antheil an der Leitung seiner Angelegenheiten zu bewilligen.

Middleton’s Familie und Pairie waren schottischen Ursprungs. Er war mit einigen der vornehmsten Häuser England’s nahe verwandt, er hatte lange in England gelebt, war von Karl II. zu einem der englischen Staatssekretäre ernannt und von Jakob mit der Leitung des englischen Hauses der Gemeinen beauftragt worden. Seine Talente und Kenntnisse waren bedeutend, sein Character sanft und edel, seine Manieren leutselig, und sein politisches Verhalten war durchaus consequent und ehrenwerth gewesen. Er hatte sich, als der Papismus dominirte, entschieden geweigert, die königliche Gunst durch Apostasie zu erkaufen. Römisch-katholische Geistliche waren abgeschickt worden, um ihn zu bekehren, und die Stadt hatte sich höchlich an der Gewandtheit ergötzt, mit der der Laie die Theologen schlug. Ein Priester wollte ihm die Lehre von der Transsubstantiation demonstriren und leitete die Sache in der gewöhnlichen Form ein. „Eure Lordschaft glaubt an die Dreieinigkeit?” – „Wer sagt Ihnen das?” entgegnete Middleton. „Wie? Sie glauben nicht an die Dreieinigkeit?” rief der Priester ganz erstaunt. „Nein,” antwortete Middleton. „Beweisen Sie mir, daß Ihre Religion die wahre ist, wenn Sie es können, aber katechesiren Sie mich nicht über die meinige.” Da es sich klar zeigte, daß der Sekretär kein Disputant war, dem sich leicht beikommen ließ, so endete die Disputation fast sogleich nachdem sie begonnen hatte.148 Als das Glück sich wendete, blieb Middleton der Sache der erblichen Monarchie mit einer Standhaftigkeit treu, die um so achtungswerther war, als es ihm ein Leichtes gewesen sein würde, sich mit der neuen Regierung auszusöhnen. Seine Gesinnungen waren so wohl bekannt, daß er, als das Land von der Besorgniß einer Invasion und eines Aufstandes bewegt war, verhaftet und in den Tower geschickt wurde, aber man entdeckte keinen Grund, auf welchen hin man ihn des Hochverraths hätte anklagen können, und als die gefährliche Krisis vorüber war, wurde er wieder in Freiheit gesetzt. Er scheint auch wirklich während der drei Jahre, welche auf die Revolution folgten, keineswegs ein thätiger Verschwörer gewesen zu sein. Er sah ein, daß eine Restauration nur mit der allgemeinen Zustimmung der Nation herbeigeführt werden konnte und daß die Nation ohne Garantien gegen Papismus und Willkürherrschaft nie in eine Restauration willigen würde. Daher war er überzeugt, daß es, so lange sein verbannter Gebieter sich hartnäckig weigerte solche Garantien zu geben, schlimmer als nutzlos sein würde, gegen die bestehende Regierung zu conspiriren.

Dies war der Mann, den Jakob in Folge nachdrücklicher Vorstellungen von Seiten Versailles’ jetzt einlud, zu ihm nach Frankreich zu kommen. Die große Masse der Vergleicher vernahm mit großer Freude, daß sie endlich im Staatsrathe zu Saint-Germains durch einen ihrer Lieblingsführer vertreten werden sollten. Einige Noblemen und Gentlemen, die zwar die Entthronung Jakob’s nicht gebilligt hatten, denen aber sein verkehrtes und albernes Benehmen so zuwider geworden war, daß sie schon längst alle Verbindung mit ihm abgebrochen, begannen jetzt zu hoffen, daß er seinen Irrthum eingesehen habe. Mit Melfort hatten sie nichts zu thun haben wollen, mit Middleton setzten sie sich gern in Vernehmen. Der neue Minister conferirte auch mit den vier Verräthern, deren Schändlichkeit durch ihre Stellung, ihre Talente und ihre dem Staate geleisteten wichtigen Dienste eine besondere Bedeutsamkeit erlangt hat, mit Godolphin, dessen erster Lebenszweck darin bestand, bei beiden rivalisirenden Königen zu gleicher Zeit in Gunst zu bleiben und durch alle Revolutionen und Contrerevolutionen seinen Kopf, sein Vermögen und einen Platz im Schatzamte zu behalten; mit Shrewsbury, der, nachdem er einmal in einem unheilvollen Augenblicke verbrecherische und entehrende Verpflichtungen übernommen, nicht die Energie besessen hatte, sich von denselben loszureißen; mit Marlborough, der noch immer die aufrichtigste Reue wegen der Vergangenheit und die besten Absichten für die Zukunft an den Tag legte, und mit Russell, welcher erklärte, daß er noch der Nämliche sei, der er vor der Schlacht von La Hogue gewesen, und der das Versprechen erneuerte, zu thun was Monk gethan habe, unter der Bedingung, daß allen politischen Verbrechern ein Generalpardon zugesichert und daß die königliche Gewalt starken constitutionellen Beschränkungen unterworfen würde.

Ehe Middleton England verließ, hatte er die Meinung aller Oberhäupter der Vergleicher sondirt. Sie waren der Ansicht, daß es ein Mittel gebe, welches die streitenden Parteien des Vaterlandes mit einander aussöhnen und zur baldigen Pacifirung Europa’s führen werde. Dieses Mittel sei, daß Jakob zu Gunsten des Prinzen von Wales die Krone niederlege und daß der Prinz von Wales protestantisch erzogen werde. Wenn Se. Majestät, was nur zu wahrscheinlich sei, sich weigern sollte, diesem Vorschlage Gehör zu geben, so müsse er wenigstens einwilligen, eine Erklärung zu erlassen, welche den ungünstigen Eindruck verwische, den seine Erklärung vom vergangenen Frühjahr gemacht habe. Es wurde mit aller Sorgfalt eine Schrift in der für zweckmäßig erachteten Fassung entworfen und nach langer Discussion genehmigt.

Zu Anfang des Jahres 1693 stahl sich Middleton, nachdem er die Ansichten der vornehmsten englischen Jakobiten gesammelt hatte, über den Kanal und erschien am Hofe von Saint-Germains. Es fehlte an diesem Hofe nicht an Verleumdern und Spöttern, deren Bosheit um so gefährlicher war, weil sie die Maske der Gutmüthigkeit und Scheinheiligkeit trug.

Middleton fand bei seiner Ankunft, daß zahlreiche, von den ihn fürchtenden und hassenden Priestern fabricirte Lügen bereits in Umlauf gesetzt waren. Es hatten auch einige Nichtvergleicher von London geschrieben, daß er im Herzen ein Presbyterianer und Republikaner sei. Er wurde jedoch sehr freundlich aufgenommen und zugleich mit Melfort zum Staatssekretär ernannt.149

Jakob erläßt eine neue Erklärung

Es zeigte sich bald, daß Jakob fest entschlossen war, nie auf die Krone zu verzichten oder zuzugeben, das der Prinz von Wales als Ketzer erzogen wurde, und es schien lange zweifelhaft, ob irgend welche Beweisgründe und Bitten ihn bewegen würden, die von seinen Freunden in England entworfene Erklärung zu unterzeichnen. Das Schriftstück war allerdings sehr verschieden von jedem, das bisher unter seinem großen Siegel erschienen war. Man ließ ihn darin versprechen, daß er allen seinen Unterthanen, die ihm bei seiner Landung auf der Insel keinen Widerstand entgegensetzen würden, vollständige Amnestie gewähren wolle; daß er sogleich nach seiner Wiedereinsetzung ein Parlament zusammenberufen werde; daß er alle diejenigen während der Usurpation erlassenen Gesetze, die ihm die beiden Häuser zur Bestätigung vorlegen würden, bestätigen werde; daß er sein Recht auf die Kaminsteuer aufgeben, daß er die Staatskirche im Genusse aller ihrer Besitzungen und Privilegien schützen und vertheidigen werde; daß er die Testacte nicht wieder verletzen, daß er die Bestimmung des Umfangs seiner Dispensationsgewalt der Legislatur überlassen und die Ansiedlungsacte in Irland aufrecht erhalten wolle.

Er sträubte sich lange und heftig. Er berief sich auf sein Gewissen. Könne ein Sohn der heiligen römisch-katholisch-apostolischen Kirche sich verpflichten, das Ketzerthum zu beschützen und zu vertheidigen und ein Gesetz in Anwendung zu bringen, das die wahren Gläubigen vom Amte ausschließe? Einige der Geistlichen, von denen es an seinem Hofe wimmelte, sagten ihm, er könne ein solches Versprechen, wie seine pflichtvergessenen Unterthanen es verlangten, nicht ohne Sünde geben. In diesem Punkte konnte die Ansicht Middleton’s, der ein Protestant war, von keinem Gewicht sein. Aber Middleton fand einen Bundesgenossen an Dem, den er als seinen Nebenbuhler und Feind betrachtete. Erschreckt durch den allgemeinen Haß, als dessen Zielscheibe er sich kannte, und fürchtend, daß man ihn in England wie in Frankreich für den Starrsinn seines Gebieters verantwortlich machen würde, legte er die Sache mehreren ausgezeichneten Doctoren der Sorbonne vor. Diese gelehrten Casuisten erklärten die Declaration vom religiösen Gesichtspunkte für tadellos. Der große Bossuet, Bischof von Meaux, den die gallikanische Kirche als einen Vater von fast eben so großer Autorität wie Cyprian oder Augustus betrachtete, bewies durch gewichtige theologische wie politische Argumente, daß der Skrupel, der Jakob quälte, ganz genau zu denen gehöre, vor denen ein viel weiserer König mit den Worten gewarnt habe: „Sei nicht allzu gewissenhaft.”150 Die Autorität der französischen Theologen wurde durch die Autorität der französischen Regierung unterstützt. Die Sprache, die man in Versailles führte, war so nachdrücklich, das Jakob besorgt zu werden begann. Wie, wenn Ludwig sich ernstlich verletzt fühlen, seine Gastfreundschaft mit Undank vergolten glauben, mit den Usurpatoren Frieden schließen und seine unglücklichen Gäste ersuchen sollte, sich nach einem andren Asyle umzusehen? Es war nothwendig sich zu fügen. Am 17. April 1693 wurde die Erklärung unterzeichnet und besiegelt. Der Schlußsatz war ein Gebet. „Wir kommen, um unser gutes Recht geltend zu machen und die Freiheiten unsres Volkes zu begründen. Möge Gott uns zum Gelingen des Einen verhelfen, wie wir die Befestigung der Anderen aufrichtig wünschen.”151 Das Gebet wurde erhört. Jakob’s Erfolg stand in genauem Verhältniß zu seiner Aufrichtigkeit. Wie es mit seiner Aufrichtigkeit aussah, davon haben wir die sprechendsten Beweise. Kaum hatte er den Himmel zum Zeugen der Wahrheit seiner Versprechungen angerufen, so befahl er Melfort, eine Abschrift der Erklärung mit Erläuterungen, welche den Papst beruhigen konnten, nach Rom zu senden. Melfort’s Brief schließt folgendermaßen: „Im Grunde ist der Zweck dieser Erklärung lediglich, uns nach England zurückzubringen. Wir werden den Kampf der Katholiken mit viel größerem Vortheile in Whitehall ausfechten können als in Saint-Germains.”152

Inzwischen war das Dokument, von dem man so viel erwartete, nach London geschickt worden. Dort wurde es auf einer geheimen Presse im Hause eines Quäkers gedruckt; denn es gab unter den Quäkern eine zwar kleine, aber eifrige und thätige Partei, welche die politischen Ansichten Wilhelm Penn’s in sich aufgenommen hatten.153 Eine solche Schrift zu verbreiten, war mit einiger Gefahr verknüpft; aber es fanden sich Agenten dazu. Mehrere Personen wurden festgenommen, als sie in den Straßen der Stadt Exemplare vertheilten. Hundert Packete wurden an einem Tage auf dem Wege nach der Flotte auf dem Postamte confiscirt. Bald aber gab die Regierung wohlweislich den Versuch auf, etwas zu unterdrücken, was sich nicht unterdrücken ließ, und veröffentlichte selbst die Erklärung ihrem vollständigen Inhalte nach, begleitet von einem strengen Commentar.154

Eindruck der neuen Erklärung

Es bedurfte jedoch kaum eines Commentars. Die Erklärung verfehlte durchaus die Wirkung, welche Middleton erwartet hatte. Allerdings war sein Rath erst verlangt worden, als es gleichgültig war, welchen Rath er gab. Wenn Jakob im Januar 1689 ein solches Manifest erlassen hätte, so würde der Thron wahrscheinlich nicht für erledigt erklärt worden sein. Wenn er ein solches Manifest erlassen hätte, als er an der Spitze einer Armee auf der Küste der Normandie war, so würde er einen großen Theil der Nation für sich gewonnen haben und es wäre möglich gewesen, daß ein großer Theil der Flotte sich ihm angeschlossen hätte. Aber 1689 sowohl wie 1692 hatte er im Tone eines unversöhnlichen Tyrannen gesprochen, und es war jetzt zu spät, Milde und Achtung vor der Verfassung des Reichs zu heucheln. Der Contrast zwischen der neuen Erklärung und der vorhergehenden erregte allgemeines Mißtrauen und Verachtung. Wie konnte man dem Worte eines so unbeständigen Fürsten trauen, eines Fürsten, der von einem Extrem zum andren übersprang? Im Jahre 1692 war er nur durch die Köpfe und Glieder mehrerer Hundert armer Landleute und Fischer zu befriedigen, die sich vor Jahren einige rohe Freiheiten gegen ihn erlaubt hatten, über die sein Großvater Heinrich IV. herzlich gelacht haben würde. Im Jahre 1693 sollten die schmachvollsten und undankbarsten Verräthereien mit dem Mantel der Vergessenheit bedeckt werden. Caermarthen gab der allgemeinen Gesinnung einen Ausdruck. „Ich begreife das nicht,” sagte er. „Vorigen April sollte ich gehängt werden; diesen April soll ich vollständige Verzeihung haben. Ich kann mir nicht denken, was ich im Laufe des verflossenen Jahres gethan habe, um soviel Güte zu verdienen.” Man war allgemein der Ansicht, daß unter dieser ungewohnten Milde, unter dieser ungewohnten Achtung vor dem Gesetz eine Schlinge verborgen sei. Die Erklärung, sagte man, sei vortrefflich, und so sei auch der Krönungseid gewesen. Jedermann wisse, wie König Jakob seinen Krönungseid gehalten habe, und Jedermann könne errathen, wie er seine Erklärung halten werde. Während ernste Männer so argumentirten, waren die whiggistischen Spötter nicht sparsam mit Pasquillen. Zu gleicher Zeit ließen auch einige Nichtvergleicher ein unwilliges Murren vernehmen. Der König sei in schlechten Händen, sagten sie, in den Händen von Männern, welche die Monarchie haßten. Seine Gnade sei Grausamkeit von der schlimmsten Art. Die allgemeine Amnestie, die er seinen Feinden zugesichert, sei nichts weiter als eine allgemeine Proscription seiner Freunde. Bisher hätten die von dem Usurpator ernannten Richter unter einer zwar mangelhaften, aber doch nicht ganz unwirksamen Beschränkung gestanden. Sie hätten gewußt, daß ein Tag der Rechenschaft kommen könne und wären daher im Allgemeinen schonend gegen die verfolgten Anhänger des rechtmäßigen Königs verfahren. Diese Beschränkung habe Se. Majestät jetzt aufgehoben. Er habe Holt und Treby gesagt, daß sie bis zu seiner Landung in England Royalisten hängen könnten, ohne die mindeste Besorgniß, zur Rechenschaft gezogen zu werden.155

Keine Klasse des Volks aber las die Erklärung mit größerem Abscheu und Unwillen als die eingeborne Aristokratie Irland’s. Das sei also der Lohn für ihre Loyalität. So hielten die Könige ihre Versprechungen. Als England Jakob verstoßen, als Schottland nichts habe von ihm wissen wollen, seien die Irländer ihm noch treu geblieben, und er habe in Anerkennung dessen feierlich ein Gesetz sanctionirt, durch welches ihnen ein großes Ländergebiet, dessen sie beraubt worden waren, zurückgegeben wurde. Seitdem sei nichts geschehen, was ihren Anspruch auf seine Gunst vermindert habe. Sie hätten seine Sache bis zum letzten Augenblicke vertheidigt, sie hätten noch lange nachdem er sie verlassen, für ihn gestritten; Viele von ihnen seien, als sie nicht mehr im Stande gewesen, gegen die Uebermacht zu kämpfen, ihm in die Verbannung gefolgt, und jetzt zeige es sich, daß er mit seinen bittersten Feinden auf Kosten seiner treuesten Freunde Frieden schließen wolle. Es herrschte große Unzufriedenheit in den irischen Regimentern, welche in den Niederlanden und an den Grenzen Deutschland’s und Italien’s zerstreut standen. Selbst die Whigs gaben zu, daß die O und Mac einmal Recht hatten, und fragten triumphirend, ob man von einem Fürsten, der gegen seine ergebenen Diener sein Wort gebrochen, erwarten dürfe, daß er es seinen Feinden gegenüber halten werde?156

Rüstungen der Franzosen für den Feldzug

Während die Erklärung in England den Gegenstand des allgemeinen Tagesgesprächs bildete, begannen auf dem Festlande die militärischen Operationen wieder. Die Rüstungen Frankreich’s waren so gewaltig, daß sie selbst Diejenigen in Erstaunen setzten, die seine Hülfsquellen und die Talente seiner Beherrscher am höchsten anschlugen. Sein Ackerbau und sein Handel lagen darnieder. Die Weingärten Burgund’s, die unabsehbaren Kornfelder der Beauce hatten eine Mißernte gegeben; die Webstühle Lyon’s feierten und die Kauffahrteischiffe verfaulten im Hafen von Marseille. Dennoch zeigte die Monarchie ihren zahlreichen Feinden eine trotzigere und drohendere Stirn als je. Ludwig hatte sich vorgenommen keinen Schritt zu einer Aussöhnung mit der neuen englischen Regierung zu thun, bevor nicht durch eine weitere Anstrengung die ganze Macht seines Reichs entfaltet sein würde. Eine gewaltige Anstrengung war es in der That, aber zu erschöpfend, um wiederholt werden zu können. Er entwickelte ungeheure Streitkräfte zugleich an den Pyrenäen und an den Alpen, am Rhein und an der Maas, im Atlantischen und im Mittelländischen Meere.

Gründung des St. Ludwigsordens

Damit nichts fehlte, was geeignet war, das kriegerische Feuer einer vorzugsweise tapferen Nation zu entzünden, gründete er einige Tage bevor er seinen Palast mit dem Lager vertauschte, einen neuen militärischen Ritterorden und stellte ihn unter den Schutz seines heiligen Ahnherrn und Patrons. Das neue Ludwigskreuz glänzte auf der Brust der Offiziere, die sich in den Laufgräben von Mons und Namur und auf den Schlachtfeldern von Fleurus und Steenkerke ausgezeichnet hatten, und der Anblick spornte Diejenigen, die sich erst noch einen ehrenvollen Ruf in den Waffen zu erwerben hatten, zu einem edlen Wetteifer an.157

Middleton’s Bericht über Versailles

In der Woche, in der dieser berühmte Orden ins Leben trat, besuchte Middleton Versailles. Ein Brief, in welchem er seinen Freunden in England diesen Besuch schilderte, ist uns erhalten worden.158 Er wurde Ludwig vorgestellt, sehr freundlich empfangen und war von Dankbarkeit und Bewunderung überwältigt. Von allen Wundern des Hofes – so schrieb Middleton – sei der Gebieter desselben das größte. Der Glanz der persönlichen Vorzüge des großen Königs verdunkle selbst den Glanz seines Glückes. Der Ton, in welchem Se. Allerchristlichste Majestät sich über die englische Politik ausspreche, sei im Ganzen höchst befriedigend. Nur über Einen Punkt seien dieser hochgebildete Fürst und seine geschickten und erfahrenen Minister sehr im Irrthum. Sie seien sämmtlich von der thörichten Idee erfüllt, daß der Prinz von Oranien ein großer Mann sei. Es sei keine Mühe gespart worden, um sie zu enttäuschen, aber ihre Verblendung sei unheilbar. Sie sähen durch ein Vergrößerungsglas von solcher Stärke, daß der Blutegel ihnen wie ein Leviathan erscheine. Middleton hätte wohl auf den Einfall kommen können, daß die Täuschung möglicherweise in seiner Anschauung liegen könne anstatt in der ihrigen. Ludwig und seine ihn umgebenden Rathgeber waren allerdings weit entfernt Wilhelm zu lieben; aber sie haßten ihn nicht mit der wahnsinnigen Heftigkeit, die in der Brust seiner englischen Feinde wüthete. Middleton war einer der einsichtsvollsten und gemäßigtsten Jakobiten; aber selbst sein Blick wurde durch die Böswilligkeit so verdunkelt, daß er über diesen Gegenstand Unsinn sprach, der seiner Talente unwürdig war. Er wie seine ganze Partei konnte an dem Usurpator nur Verabscheuungswerthes und Verächtliches sehen: das Herz eines Teufels, den Geist und die Manieren eines einfältigen, rohen holländischen Bauern, der in der Regel ein finstres Schweigen beobachtete, und wenn er sprechen mußte, kurze mürrische Antworten in schlechtem Englisch gab. Die französischen Staatsmänner dagegen beurtheilten Wilhelm’s Fähigkeiten nach einer genauen Kenntniß der Art und Weise, wie er seit zwanzig Jahren Staatsangelegenheiten von größter Wichtigkeit und Schwierigkeit geleitet hatte. Seit dem Jahre 1673 spielte er gegen sie eine Partie um einen ungeheuern Einsatz; sie waren mit Recht stolz auf ihre eigene Geschicklichkeit in diesem Spiele, aber sie wußten, daß sie in ihm einen Gegner gefunden hatten, der ihnen mehr als gewachsen war. Bei Beginn des langen Kampfes war jeder Vortheil auf ihrer Seite gewesen. Sie hatten alle Hülfsquellen des größten Königreichs von Europa zu ihrer unumschränkten Verfügung, während er nur der Diener einer Republik war, deren ganzes Gebiet der Normandie oder Guyenne an Umfang nachstand. Eine Reihe von ausgezeichneten Generälen und Diplomaten hatten ihm gegenüber gestanden. Eine mächtige Partei in seinem Geburtslande hatte allen seinen Plänen beharrlich entgegengearbeitet; er hatte im Felde wie im Senate Niederlagen erlitten; aber seine Weisheit und Energie hatte die Niederlagen in Siege verwandelt. Trotz Allem, was man gethan, um ihn niederzuhalten, hatten sein Einfluß und sein Ruhm sich fortwährend gehoben und ausgebreitet. Das wichtigste und schwierigste Unternehmen in der Geschichte des modernen Europa war von ihm allein begonnen und glücklich durchgeführt worden. Er hatte die umfassendste Coalition gebildet, die die Welt seit Jahrhunderten gesehen, und diese Coalition würde sich sofort aufgelöst haben, wenn seine Oberleitung ihr entzogen worden wäre. Er hatte zwei Königreiche durch Diplomatie, ein drittes durch Eroberung gewonnen, und trotz fremder und einheimischer Feinde behauptete er noch immer den Besitz derselben. Daß solche Dinge durch ein alltägliches Geschöpf, durch einen Mann von den gewöhnlichsten Geisteskräften bewirkt worden seien, war eine Behauptung, die wohl unter den in Som’s Kaffeehause zusammenkommenden eidverweigernden Pfarrern Glauben finden konnte, erfahrenen Staatsmännern von Versailles aber nothwendig ein Lächeln abzwingen mußte.

148.Burnet I. 683.
149.Ueber diesen Ministerwechsel in Saint-Germains sehe man die höchst interessante aber sehr verworrene Erzählung im „Leben Jakob’s”, II. 498–515; Burnet II. 219; Mémoires de Saint-Simon; A French Conquest neither desirable nor practicable; und die aus den Nairne Papers von Macpherson abgedruckten Briefe.
150.Life of James, II. 509. Bossuet’s Ansicht findet man im Appendix zu Mazure’s Geschichte. Der Bischof faßt seine Argumente folgendermaßen zusammen: „Je dirai donc volontiers, aux Catholiques, s’il y en a qui n’approuvent point la déclaration dont il s’agit; Noli esse justus multum; neque plus sapias quam necesse est, ne obstupescas.” Im „Leben Jakobs” wird behauptet, daß die französischen Doctoren andrer Meinung geworden seien und daß Bossuet, obgleich er länger ausgehalten als die Uebrigen, endlich auch eingesehen, daß er im Irrthum gewesen, sich aber nicht habe entschließen können, förmlich zu widerrufen. Ich habe eine viel zu hohe Meinung von Bossuet’s Verstande, als daß ich dies glauben könnte.
151.Life of James, II. 505.
152.„En fin celle cy – j’entends la déclaration – n’est que pour rentrer; et l’on peut beaucoup mieux disputer des affaires des Catholiques à Whythall qu’à Saint Germain.” Mazure, Anhang.
153.Baden an die Generalstaaten, 2. (12.) Juni 1693. Viertausend noch feuchte Exemplare wurden in diesem Hause gefunden.
154.Baden’s Briefe an die Generalstaaten vom Mai und Juni 1693. An Answer to the late King James’s Declaration published at Saint Germains, 1693.
155.Life of James, II. 514. Ich kann nicht glauben, daß Ken zu Denen gehörte, welche die Erklärung von 1693 als zu mild tadelten.
156.Unter den Nairne Papers befindet sich ein Brief, den Middleton bei dieser Gelegenheit an Macarthy schrieb, welcher damals in Deutschland diente. Middleton bemüht sich, Macarthy zu beschwichtigen und ihn zur Beschwichtigung Anderer zu bewegen. Kein Staatsminister hat je etwas Falscheres geschrieben. „Der König,” sagt der Sekretär, „verspricht in der vorerwähnten Erklärung, die Vertheilung des Grundeigenthums wieder in den vorigen Stand zu setzen, zu gleicher Zeit aber erklärt er, daß er alle Diejenigen, welche darunter leiden, durch Aequivalente entschädigen werde.” Jakob erklärte jedoch keineswegs, daß er irgend Jemanden entschädigen wolle, sondern nur, daß er mit seinem Parlamente über den Gegenstand zu Rathe gehen werde. Ferner erklärte er nicht, daß er über die Entschädigung Aller, welche darunter leiden könnten, sondern nur Derjenigen, die ihn bis zuletzt begleitet hätten, mit dem Parlamente zu Rathe gehen werde. Und endlich sagte er nichts von Aequivalenten. Die Idee, Jedermann, der unter der Ansiedlungsacte litt, ein Aequivalent zu geben, mit anderen Worten, ein Aequivalent für das Freilehen des halben Grund und Bodens von Irland zu geben, war offenbar absurd. Middleton’s Brief befindet sich in Macpherson’s Sammlung. Ich will ein Beispiel von der Sprache geben, welche die Whigs bei dieser Gelegenheit führten. „Die Katholiken Irland’s,” sagt ein Schriftsteller, „weichen zwar im Punkte des Interesses wie des Bekenntnisses von uns ab, aber man muß ihnen die Gerechtigkeit widerfahren lassen, daß sie, wenn auch nicht von uns, so doch von dem vorigen Könige Gutes verdient haben, und daß der vorige König sie verließ und ausschloß, ist ein Beispiel von so ungewöhnlicher Undankbarkeit, daß die Protestanten nicht verpflichtet sind, zu einem Fürsten zu halten, der seine eigne Partei und ein Volk im Stiche läßt, das ihm und seinen Interessen bis zum letzten Augenblicke treu geblieben ist.” – A short and true Relation of the Intrigues etc. 1694.
157.Das Stiftungsdecret wurde vom Pariser Parlamente am 10. April 1693 einregistrirt.
158.Der Brief ist vom 19. April 1693. Er befindet sich unter den Nairne’schen Manuscripten und wurde von Macpherson abgedruckt.