Buch lesen: «Nachhaltigkeit interdisziplinär», Seite 4

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Unsere gemeinsame Zukunft

Als Ergänzung der beiden anderen Texte möchte ich auf zwei Kernaspekte aus der Analyse des Brundtland-Reports mit dem Titel Unsere gemeinsame Zukunft eingehen – alle weiteren Kriterien aber aus Platzgründen auslassen.26 Im Anschluss an das letzte Beispiel sei gleich zu Beginn gesagt, dass im Brundtland-Report das Wachstum wieder eingeführt wird, aber als „dauerhafte Entwicklung“ („sustainable development“), und es wird der Versuch unternommen, die oben beschriebene soziale Asymmetrie über die Zusammensetzung einer „Weltkommission“ zu umgehen (vgl. Brand/Jochum 2000: 20–25). Die Kommission wird 1983 von den Vereinten Nationen als ein unabhängiges Gremium initiiert.27 Ihr gehören Mitglieder aus 22 Ländern aller Kontinente an. Geleitet wird sie von der späteren norwegischen Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland. Nach drei Jahren gemeinsamer Arbeit legt die Kommission 1987 der UNO-Generalversammlung ihren Bericht vor. Ihr Verständnis von Nachhaltigkeit definiert sie wie folgt: „Dauerhafte Entwicklung ist Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, daß künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können“ (Weltkommission 1987: 46).


Abb. 3: aus: Meadows et al. 1980: 148.

Der Anlass für ihre Arbeit besteht in der Gefährdung der Umwelt: „eine gemeinsame Besorgnis um den Planeten und die verflochtenen ökologischen und wirtschaftlichen Bedrohungen“ (Vorwort Brundtland in Weltkommission 1987: XXII f.). Zur Verdeutlichung zählen sie die Umweltkatastrophen auf, die sich allein während der drei Jahre ihrer Arbeit ereigneten: darunter sind die Dürre in Afrika, das Bhopal-Unglück in Indien und Tschernobyl (vgl. Weltkommission 1987: 5). „Diese Herausforderungen überschreiten die Grenzen nationaler Hoheit, begrenzter Strategien von wirtschaftlichem Gewinn und getrennter Wissenschaftsdisziplinen“ (Vorwort Brundtland in Weltkommission 1987: XX). Der Bezug auf die Einheit ergibt sich bereits aus der Verflechtung und dem grenzüberschreitenden Maßstab der Bedrohungen.28 „Die zu bewältigenden Probleme sind sowohl miteinander verflochten als auch Teil eines größeren Ganzen“ (Weltkommission 1987: 11).

Es gibt noch einen weiteren Anlass und Einheitsbezug, der in den ersten Sätzen des Berichts formuliert wird:

Mitte des 20. Jahrhunderts gewahrten die Menschen zum ersten Mal den Anblick, den ihr Planet aus dem All bietet. Vielleicht werden künftige Historiker einmal zu der Einsicht gelangen, daß dieser Anblick unser Bewußtsein grundlegender veränderte, als es selbst der – das menschliche Denken zutiefst erschütternden – Kopernikanischen Revolution des 16. Jahrhunderts durch das Verbannen der Erde aus dem Mittelpunkt der Welt gelungen war. Aus dem All erscheint die Erde als kleine, zerbrechliche Kugel, geprägt nicht von menschlichem Wirken, sondern von Wolken, Ozeanen, Wäldern und Kontinenten. Die Unfähigkeit der Menschen, ihr Wirken diesen Gegebenheiten unterzuordnen, hat grundlegende Auswirkungen auf globale Wirkungszusammenhänge zur Folge. Viele dieser Auswirkungen gehen Hand in Hand mit lebensbedrohenden Gefahren. Dieser neuen, unentrinnbaren Wirklichkeit gilt es ins Auge zu sehen, und sie müssen wir in den Griff bekommen. (Weltkommission 1987: 1)

Hier wird der Anblick des Planeten – nicht mehr unbedingt der Welt oder der Erde – aus dem All geschildert. Die Erzählperspektive, die dabei eingenommen wird, entspricht dem Blick aus dem Weltraum. Aus großer räumlicher Distanz wird die ‚kleine, zerbrechliche Kugel‘ beschrieben. Auch zeitlich handelt es sich um die Fern-Perspektive zukünftiger Historiker, die auf diese Zeit zurückblicken bzw. die Geschichte der letzten Jahrhunderte überblicken.29


Abb. 4: Foto Nr. AS17–148–22727 aus dem Apollo Image Atlas.


Abb. 5: Foto Nr. 68-HC-870 der Apollo-8-Mission.

Der Blick aus dem All, der am Anfang des Zitats aufgerufen wird, bezieht sich auf eine Aufnahme, die der Astronaut Harrison Schmitt am 7. Dezember 1972 im All beim Flug mit der Apollo-17-Kapsel gemacht hatte (vgl. Abb. 4).30 Sie wurde „blue marble“, also ‚blaue Murmel‘, und dann später ‚der Blaue Planet‘ betitelt (vgl. Heise 2008: 22–28; Schneider 2018: 335–379). Sie zeigt im Original den Südpol oben und ist „zur besseren Orientierung“ meist um 180° gedreht. Dieser fotografischen Aufnahme geht das Bild „earthrise“ vom 24. Dezember 1968 voraus (Apollo 8), das William Anders aufgenommen hatte (vgl. Abb. 5).31 Es wurde im Original mit der Mondfläche in der Vertikalen fotografiert, wird aber meist um 90° gedreht. Beide Fotos haben zunächst einmal dokumentarischen Charakter. Aber schon der Umstand, dass sie anders gezeigt als fotografiert werden, verdeutlicht, dass sie mehr darstellen als bloß fotografische Aufnahmen – sie haben, so könnte man vorsichtig formulieren, eine Orientierungsfunktion, man verortet sich selbst, das eigene Dasein auf der Erde, über diese Bilder, weswegen ihre Ausrichtung auch so wichtig ist.32

Das Bild earthrise wurde, kurz nachdem es gemacht worden war, im Rahmen einer Live-Fernsehsendung noch am Weihnachtsabend 1968 gezeigt und die drei Astronauten wurden zugeschaltet. Sie begrüßten die Zuschauer und anschließend kommentierte William Anders live aus dem All:

Wir nähern uns nun dem lunaren Sonnenaufgang. Und für alle Menschen unten auf der Erde hat die Besatzung der Apollo 8 eine Botschaft, die wir euch senden möchten: Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Und die Erde war wüst und leer, und es war finster auf der Tiefe. Der Geist Gottes schwebte über dem Wasser, und Gott sprach: Es werde Licht. Und es ward Licht. […] Und von der Besatzung der Apollo 8: wir schließen mit einem Gute Nacht, Viel Glück, fröhliche Weihnachten und Gott segne euch alle – euch alle auf der guten Erde.33

Wenn man sich die Begleitumstände dieses Bildes anschaut, dann ist vor allem klar, dass die Apollo-Mission eine Reaktion auf den Sputnik-Schock von 1957 darstellte und den Kontext also noch der Weltraum-Wettlauf mit der Sowjetunion bildete (1969 fand die erste bemannte Mondlandung statt). Es ging also um politisches Prestige und die Konkurrenz in hochtechnologischen Entwicklungen.

Die Bedingungen, unter denen das Foto entstanden ist, stehen in deutlichem Kontrast zu der Wirkung, die ihm zugesprochen wird. Steward Brand, der das Vorgängerbild34 auf das Cover seines „Whole Earth Catalog” nimmt, kommentiert den Effekt des Bildes folgendermaßen: „Bucky [Buckminster Fuller] led me to this notion. He said people still think the earth is flat because they act as if its resources are infinite. But that photograph showed otherwise […]. This is all we’ve got and we’ve got to make it work. There’s no backup.“ Das nennt Frank White später den „Overview-Effekt“.35

Weil man die Erde als ganze sehen kann, wird zugleich deren Begrenzung deutlich – dass sie keine unendliche Fläche darstellt. Das ähnelt der Endlichkeits-Einsicht, wie sie schon von Carlowitz formuliert hatte. Hatte dieser die begrenzten Holzvorräte des Landes Sachsen thematisiert, wird hier der Blick auf die größtmögliche Bezugseinheit gelenkt: den Planeten Erde. Bei Meadows et al. spielte das Motiv der Begrenzung der Ressourcen ebenfalls eine wichtige Rolle: Die Grenzen des Wachstums formuliert die zentrale Erkenntnis bereits im Titel.36 Auch darin werden globale Zusammenhänge thematisiert (die fotografischen Aufnahmen der Erde existierten zu dieser Zeit bereits, es wird auf sie aber nicht direkt Bezug genommen). Allerdings macht es für die Darstellung der Einheit, auf die sich das Nachhaltigkeitsverständnis bezieht, einen Unterschied, ob sie aus sich wechselseitig bedingenden Variablen innerhalb eines Weltsystems dargestellt wird oder als von außen als ganzer erfassbarer Planet Erde. Im ersten Fall werden vor allem die Wechselwirkungen, die wechselseitige Abhängigkeit der einzelnen Systemelemente voneinander thematisiert; in der zweiten Darstellung wird die Einheit, aber vor allem auch die Begrenzung der ‚einen, kleinen Erde‘ im All sichtbar.

Wie der Anfang des Buches bereits zeigt, wird mit diesem Blick aus dem All eine quasi göttliche Perspektive eingenommen – die ihren Widerhall auch im Rezitieren der biblischen Schöpfungsgeschichte durch die Astronauten findet. Aber die Schöpfung wird dadurch eine menschliche Aufgabe. „Mit dem Leitbild ist eine Gestaltungsaufgabe in einer Komplexität verbunden, die einmalig in der Menschheitsgeschichte ist: Die Menschheit bzw. Weltgesellschaft ‚als Ganzes‘ wird zum Objekt von bewusster Gestaltung“ (Grunwald/Kopfmüller 2012: 15). Stewart Brand schreibt in seinem Whole Earth Catalogue gleich zu Anfang „We are as gods“ (1968: 2). Im Weiteren führt das Erringen der gottähnlichen Außenperspektive zum „Verlust des Außen“37. Mit der planetarischen Positionierung und der Entgrenzung der Referenz auf die größtmögliche Einheit der Erde geht zugleich der geschilderte Eindruck der Begrenzung einher. Man fühlt sich zur Begrenzung des eigenen Wirkens aufgefordert und beansprucht zugleich die Gestaltung des Ganzen. Auch die Haltung zu Technik, Fortschritt und Wissenschaft ist ambivalent, weil sie einerseits zu der Zerstörung beigetragen hätten, andererseits lägen die hochtechnologischen Bedingungen der Raumfahrt dieser Ansicht der Erde und der damit einhergehenden Einsicht zugrunde (vgl. Heise 2008: 23 f.).

Das Bild der blue marble dominiert noch heute die Visualisierungen von Nachhaltigkeit, was man schnell sehen kann, wenn man Nachhaltigkeit in der Bildersuche bei Google eingibt. Meist findet man Darstellungen des Blauen Planeten – oft noch mit zwei Händen, die ihn schützen oder halten.

1.3Fazit und Ausblick

Die Analysen der drei Grundlagentexte der Nachhaltigkeitsdebatte haben gezeigt, dass sich anhand der fünf Kernaspekte (Anlass, Ressource, Bezugseinheit, Wissen und Akteure) das jeweilige Verständnis von Nachhaltigkeit klarer konturieren lässt und die unterschiedlichen Wissensformationen dadurch vergleichbar werden. Ein Vergleich kann die genannten Anlässe und die Weise, wie mit ihnen ein bestimmtes Handeln plausibilisiert wird, nebeneinanderstellen. Interessant wäre auch, wie sich die Bezugseinheit, mit der die Erhaltung der Ressourcen berechnet wird, vergrößert: Hatte von Carlowitz noch den Holzvorrat im Land Sachsen als Referenz, weitet sich der Bezug über das Weltsystem bis zum planetarischen Blick auf die Erde als ganze aus. Auch im Hinblick auf die Frage, wer aus welcher Position für welche anderen spricht, geben die drei Texte unterschiedliche Antworten, deren Ähnlichkeiten und Differenzen man noch genauer herausarbeiten könnte.

Es wurde außerdem deutlich, dass es bei den verschiedenen Nachhaltigkeitsverständnissen nicht nur um Ideen oder begriffliche Definitionen geht. Vielmehr formiert sich das Wissen in unterschiedlichen medialen Artikulationen (Buch mit Druckgrafiken, computergenerierte Graphen) wie auch technischen und sozialen Settings (Oberbergamt, MIT mit Großcomputer), die in ihrem Zusammenspiel komplexe historische Dispositive im Sinne Michel Foucaults (vgl. 1978) bilden. Exemplarisch wurde an der Grafik im Meadows-Buch gezeigt, welche impliziten Ansprüche wie Wissenschaftlichkeit (und implizite Abwertung anderer ‚Wahrheitsformen‘) und globale Gültigkeit (‚wir haben als einzige die wesentlichen Dynamiken der ganzen Welt im Blick‘) mit den spezifischen Möglichkeiten bestimmter Medien transportiert werden können. Gleichzeitig wurde auf die widersprüchlichen Bedeutungen hingewiesen, die im Zustandekommen und der Rezeption des blue-marble-Fotos liegen.

Die einzelnen Wissensformationen lagern sich im Laufe der Zeit ab. Sie bilden in der Folge Bedeutungsschichten, die aufgegriffen und aktualisiert werden können, wenn Nachhaltigkeit zur Sprache kommt. Das, was im frühen 18. Jahrhundert als forstwissenschaftliches Wissen entwickelt worden ist, stellt dreihundert Jahre später eine wichtige Referenz dar. Immer wieder findet sich in Formulierungen zur Nachhaltigkeit eine Bedeutungsschicht, in der es um den Erhalt einer Ressource geht, um ihr Wachstum, darum, nicht mehr zu verbrauchen, als nachwächst. Der Holzvorrat im Wald fungiert dabei als metaphorischer Bildspender, um das, was Nachhaltigkeit bedeutet, zu veranschaulichen und zu plausibilisieren. Die Überlagerung der verschiedenen Bedeutungsschichten, durch die der Nachhaltigkeitsdiskurs heute gekennzeichnet ist, erklärt einerseits dessen Vieldeutigkeit und Komplexität und stellt andererseits einen Grund für dessen hegemoniale Stellung dar. Die Unschärfe kann, wie oben bereits ausgeführt, der kommunikativen Anschlussfähigkeit dienen. Daraus kann sich aber auch das Bedürfnis ergeben, die verschiedenen semantischen Schichten bzw. die unterschiedlichen Verständnisse von Nachhaltigkeit mit ihrer historisch-sozialen Herkunft und ihren medialen Prägungen voneinander zu unterscheiden – die Heuristik der fünf Kernaspekte soll dazu als Analyseinstrument fungieren.

Durch die unterschiedlichen Sinnformationen und ihr Zusammenspiel wird der Nachhaltigkeitsdiskurs und damit ein wichtiger Teil des sozialen Imaginären der Gegenwart bestimmt. Wenn die Systemtheoretiker des MIT ihr Weltmodell aufstellen, dann formulieren sie mit diesen Mitteln ein Verständnis von Nachhaltigkeit und ein entsprechendes Wissen darüber, welches es ohne die Simulation nicht gegeben hätte. Sie wählen fünf Grundgrößen, die aus ihrer Sicht die entscheidenden Faktoren darstellen (und beanspruchen, sämtliche Aspekte der Welt zu repräsentieren). Diese stehen miteinander in systemischer Wechselwirkung und lassen sich technisch berechnen. Auch das Foto der Erde aus dem All ist kein bloßes Foto, sondern wird durch Geschichten gerahmt – ganz neue, hochtechnologische der Raumfahrt und ganz alte mit dem Anfang der Genesis – und auf diese Weise mit Bedeutung aufgeladen.

Auch wenn sich gerade wissenschaftliche Beschreibungen diesen Anstrich geben, so gibt es von der Erde oder der Menschheit keine Darstellungen, die nicht über ihre Medialität und ihre Positionierung das Dargestellte mit prägen. Die Bilder bringen die Wirklichkeit, die sie beschreiben, immer auch mit hervor. Das bedeutet nicht, dass es sich bei der Kultur um ein autonomes System handelte. Vielmehr gilt es, die „komplexen Interdependenzen von Naturgegebenem und Menschengemachtem zu analysieren“ (Zemanek 2018: 15), Natur und Kultur nicht dichotom zu konzipieren. Wenn man jedoch die konstitutive Leistung der Darstellungsformen anerkennt, stellt sich die Frage, welche Weltbilder hier zum Tragen kommen und auf welche Weise sie unsere Zukunft prägen. Gerade in einem Diskurs, der einen globalen Anspruch hat, muss außerdem gefragt werden, wer die Sprache und die Bilder für die Darstellung der Welt stellt. Entsprechend wichtig sind Analysen, die zeigen, wie und unter welchen Bedingungen das jeweilige Verständnis von Nachhaltigkeit formiert und formuliert wurde und wird. Denn in dem Wie und dem Woher stecken Selbstverständnisse, Wertungen, Ansprüche, soziale Asymmetrien etc., die politisch wirksam sind. Eine solche Konturierung der verschiedenen Nachhaltigkeitsverständnisse könnte die Grundlage für die gesellschaftlichen Diskussionen über ein nachhaltiges Leben bilden, wobei es dann nicht nur um ökonomische Herausforderungen ginge, sondern ebenso um die Frage nach kulturellen Artikulationen, Visionen und Übersetzungen.

1.4Forschungsliteratur
Zur Einführung empfohlene Literatur

Brand, K./Jochum, G.: Der deutsche Diskurs zu nachhaltiger Entwicklung. München 2000.

Grober, U.: Die Entdeckung der Nachhaltigkeit. Kulturgeschichte eines Begriffs. München 2010.

Grunwald, A./Kopfmüller, J.: Nachhaltigkeit. Eine Einführung, 2., aktualisierte Aufl. Frankfurt a. M./New York 2012.

Meadows, D./Meadows, D./Zahn, E./Millig, P.: Die Grenzen des Wachstums. Bericht des Club of

Rome zur Lage der Menschheit. Reinbek 1980. Weltkommission für Umwelt und Entwicklung: Unsere gemeinsame Zukunft. Greven 1987.

Zitierte Literatur

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Grunwald, A./Kopfmüller, J.: Nachhaltigkeit. Eine Einführung, 2., aktualisierte Aufl. Frankfurt a. M./New York 2012.

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Schüttpelz, E.: Ein absoluter Begriff. Zur Genealogie und Karriere des Netzwerkkonzepts, in: Kaufmann, S. (Hg.): Vernetzte Steuerung. Soziale Prozesse im Zeitalter technischer Netzwerke. Zürich 2007, 25–46.

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1Fragen, die hier unter dem Titel der Ideen- und Wissensgeschichte verhandelt werden, bilden auch den Forschungsgegenstand in den Wissenschaftstraditionen der Begriffsgeschichte und der historischen Semantik (vgl. dazu Müller/Schmieder 2016). Zum Ansatz der Wissensgeschichte vgl. Sarasin 2011.

2Zur globalen Zirkulation sozialwissenschaftlicher Konzepte vgl. Keim 2016.

3„Dazu bedarf es eines Begriffs, der hinreichend scharf, aber auch hinreichend unscharf ist, um die Probleme und Lösungen in einem Wort zu bündeln“ (Hamberger 2013: 11). Vgl. dazu auch Kap. 8/Hamman.

4Ein leerer Signifikant ist selbst bedeutungslos – und in diesem Sinne ‚leer‘ –, bildet aber für sämtliche Kommunikationen den Referenzpunkt (vgl. Laclau 2002).

5Das Vorgehen entspricht Max Webers Konzept der Idealtypen (vgl. Weber 1951: 190–214). Diese sind aus der Analyse konkreter Phänomene abgeleitet, stellen aber selbst wissenschaftliche Konstruktionen dar, die bestimmte Aspekte der Wirklichkeit akzentuieren und somit als heuristische Instrumente einem spezifischen Erkenntnisinteresse dienen.

6Eine diskursanalytische Untersuchung der Nachhaltigkeitsdarstellungen von transnationalen Unternehmen des Nahrungsmitteleinzelhandels liefert Graf 2016. Die Deutungsmuster der Debatte über nachhaltige Entwicklung erarbeiten in ihrer Diskursanalyse Brand/Jochum 2000. Welche Darstellungsverfahren ökologische Literatur hervorgebracht hat, bildet den Gegenstand von Zemanek 2018. Birgit Schneider untersucht die verschiedenen Visualisierungen des Klimas und der Erde (2018).

7Joachim Hamberger (2013) stellt seiner Ausgabe des Buches eine hilfreiche Zusammenfassung der Kapitel (ebd.: 47–87) und auch eine Besprechung des Bildprogramms (ebd.: 19–24) voran.

8Vgl. Du Pisani 2006; Spindler 2013 und die Einleitung dieses Kompendiums. Zur französischen Debatte um Nachhaltigkeitskonzepte vgl. Kap. 8/Hamman.

9Es ist interessant, dass es von Carlowitz nicht in erster Linie um Fragen der Beforstung des Waldes geht, sondern darum, anderweitig oder gar nicht genutzte Brachflächen für den Holzanbau zu nutzen. Denn die davon abgeleitete Vorstellung von Nachhaltigkeit bezieht sich in der Regel auf den Wald als Ökosystem.

10Die Frage, ob es einen Holzmangel gebe, wurde durchaus kontrovers diskutiert. Vgl. z. B. Radkaus Kommentare zur Debatte in Kap. 3/von Detten.

11Es handelt sich dabei um die Organisationseinheit. In seine Überlegungen bezieht er nicht nur regionale, sondern auch globale Aspekte mit ein. Vgl. von Carlowitz 2013: 225–228.

12Er selbst beschreibt seine Arbeit als „Naturmäßige Betrachtung der Höltzer“ (von Carlowitz 2013: 127). Zur Entwicklung der frühen Forstwissenschaft vgl. Mantel 1980.

13Zusätzlich zu seiner universitären Bildung hatte er eine ganze Reihe an Reisen unternommen, die ihm ein breites, durchaus global ausgerichtetes Wissen verschafften (vgl. Hamberger 2013: 40–46; Bendix 2013).

14Mit ‚Akteuren‘ sind nicht nur einzelne Menschen gemeint, sondern auch Institutionen und andere Akteur-Netzwerke, die ihre Agency erst im Zusammenspiel mit ihrer strukturellen Einbindung erlangen (vgl. Emirbayer/Mische 1998).

15Anfang des 20. Jahrhunderts wird die Ressource Holz als Leitbild um die Fischbestände ergänzt (vgl. Grunwald/Kopfmüller 2012: 19).

16Zur öffentlichen Resonanz und massenmedialen Verbreitung von The Limits to Growth vgl. Seefried 2015: 270 f. Zum Erfolg des Buchs trug auch die erste Ölkrise von 1973 bei.

17Zum Club of Rome vgl. Seefried 2015: 235–254.

18Rückseite des Covers von Meadows et al. 1980. Im Klappentext wird noch ergänzt, die Mitglieder des Club of Rome übten „Spitzenfunktionen in Weltfirmen, Forschungszentren oder internationalen Wirtschaftsorganisationen“ aus.

19Computersimulationen werden ab den 1950er, zunehmend dann ab den 1970er Jahren als neues Erkenntnisinstrument eingesetzt (vgl. Gramelsberger 2010: 157).

20Meadows et al. 1980: 142. Gleiche Einsicht wie von Carlowitz: „ [U]nsere Erde ist nicht unendlich.“ Meadows et al. 1980: 74. Interessant ist, dass der Anlass in der Selbstbeschreibung im Grunde erst aus dem Ergebnis abzuleiten ist.

21Forrester entwickelte nicht nur das Weltmodell, sondern mit dem Whirlwind auch den ersten digitalen Computer für das MIT.

22Alle Meadows et al. 1980, 13. Im Unterschied zum üblichen Raster im Koordinatensystem und den abstrakten Punkten sind diese Angaben nicht in Metern oder Kilometern bzw. Jahreszahlen notiert, sondern lebensnah formuliert. Es steht auch nicht ‚eine Woche‘, sondern ‚kommende Woche‘, was sich persönlich auf die Zeit der Leserin oder des Lesers beziehen lässt. Allerdings heißt es auch nicht ‚meine Familie‘. Die verschiedenen Angaben unterliegen keinem gemeinsamen Maßstab.

23„Nur wenige denken weit voraus in die Zukunft von einem globalen Gesichtspunkt aus“ (Meadows et al. 1980: 13). Adressaten des Buchs sind jedoch alle: „Wir hoffen, daß dieses Buch das Interesse der Menschen auf allen Gebieten der Forschung und in allen Ländern der Erde erweckt und das Verständnis für die riesige Aufgabe fördert: den Übergang vom Wachstum zum Gleichgewicht“ (Meadows et al. 1980: 17).

24Meadows et al. 1980: 142. In der englischen Fassung wird hier das Wort sustain verwendet, das dann substantiviert zu sustainability wird.

25Zu den Paradigmen ‚pastoraler‘ vs. ‚apokalyptischer‘ Darstellungen vgl. Zemanek 2018: 18–20.

26Zur weiteren Entwicklung der Nachhaltigkeitsdebatte vgl. Grunwald/Kopfmüller 2012: 25–30.

27Sie folgt auf die „Nord-Süd-Kommission“, die ihre Arbeit in Willy Brandts „Das Überleben sichern“ (1980) dokumentiert, und die „Unabhängige Kommission für Abrüstungs- und Sicherheitsfragen“, die unter der Leitung von Olof Palme den Bericht „Gemeinsame Sicherheit“ (1982) veröffentlicht.

28Vermeintlich voneinander unabhängige Krisen unterschiedlicher Nationalstaaten stellen sich als Symptome einer weltweiten Krise dar (vgl. Weltkommission 1987: 4). Das Ziel sei deswegen „die Förderung des gemeinsamen Verstehens und des gemeinsamen Verantwortungsbewußtseins, die in unserer geteilten Welt so dringend erforderlich sind.“ Vorwort Brundtland in Weltkommission 1987: XXV.

29Zeitlich ist diese Perspektive nicht verortet und räumlich ist es der Überblick aus dem All, aus dessen Sicht die Erde klein, zerbrechlich und nicht von menschlichem Wirken bestimmt scheint. Erst zum Schluss des Abschnitts wird aus der Wir-Perspektive geschrieben; und es wird eine Forderung gestellt, die unentrinnbar ist. Zu der Forderung gehört, dass man die Wirklichkeit „in den Griff bekommen müsse“ – entgegen der kurz zuvor artikulierten Ansicht, dass das Geschehen auf der Erde nicht von menschlichem Wirken geprägt sei.

30https://www.lpi.usra.edu/resources/apollo/frame/?AS17–148–22727, Zugriff: 04.07.2018. Dazu und zu weiteren Bildern der Erde vgl. Bühler 2014.

31https://www.flickr.com/photos/nasacommons/9460163430/in/album-72157634973839148/, Zugriff: 11.07.2018. Bereits 1966 hatte der amerikanische Satellit Lunar Orbiter ein Foto der aufgehenden Erde gemacht.

32Am 14. Februar 1990 wurden von der Raumsonde Voyager 1 aus einer Entfernung von etwa 6 Milliarden Kilometern Aufnahmen gemacht, welche die Erde nur noch in Pixelgröße – als „Pale Blue Dot“ (Carl Sagan) – im Sonnensystem zeigen.

33Der Originaltext ist verfügbar unter https://history.nasa.gov/afj/ap08fj/21day4_orbit9.html, Zugriff: 04.07.2018. Die Übersetzung findet sich in Lesch/Kamphausen 2017: 219.

34Es handelt sich um die Satellitenaufnahme der Erde (von AST-3 am 10. November 1967).

35Vgl. White 1993. Zur Metapher des Spaceship Earth vgl. Höhler 2005.

36Das Thema der begrenzten Ressourcen wird ab den 1980er Jahren dadurch ergänzt, dass man die Umwelt auch als ‚Deponie‘ (Senke) für Abfall und Emissionen sieht (vgl. Grunwald/Kopfmüller 2012: 22).

37So wird es im Kontext der Ausstellung „The Whole Earth. Kalifornien und das Verschwinden des Außen“ im Haus der Kulturen der Welt in Berlin 2013 formuliert.

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