Buch lesen: «Jahrbuch der Baumpflege 2020», Seite 9

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3 Identifizierung von Risikofaktoren

Wird bei den Erhebungen ein risikobasierter Ansatz verfolgt, kann dies nicht nur die Wahrscheinlichkeit erhöhen, den Schadorganismus zu finden, sondern es können auch die Ressourcen für die Erhebungen geschont werden, da ein niedrigerer Erhebungsumfang notwendig ist. Aus diesem Grund wird ein solches Verfahren empfohlen. Ein Risikofaktor ist ein biotischer oder abiotischer Faktor, der die Wahrscheinlichkeit eines Befalls mit dem Schadorganismus in dem betrachteten Gebiet erhöht. Zur Definition von Risikofaktoren müssen zunächst Risikoaktivitäten identifiziert werden, die zur Einschleppung oder Verbreitung des jeweiligen Schadorganismus beitragen könnten. Diese Aktivitäten müssen dann mit spezifischen Orten, sogenannten „Risiko-Orten”, in Verbindung gebracht werden.

Durch Berücksichtigung der Ausbreitungskapazität des Schadorganismus und der Verfügbarkeit von Wirtspflanzen um diese Orte herum können Risikogebiete bestimmt werden. In diesen Risikogebieten muss das Risiko des Auftretens des Schadorganismus im Verhältnis zur Gesamtpopulation erhöht sein und es muss abgeschätzt werden, um wie viel und wie hoch der Anteil (in Prozent) an der Gesamtpopulation ist. Die Anwendung eines Risikofaktors oder mehrerer Risikofaktoren ist nur dann sinnvoll, wenn der Risikofaktor nur einen Teil des Erhebungsgebietes betrifft, da es sonst keine Reduzierung des Erhebungsumfangs – durch Fokussierung auf das Risikogebiet – geben würde. Ist dies nicht der Fall, kann ein risikobasierter Ansatz nicht verfolgt werden.

Können Risikofaktoren identifiziert und das relative Risiko abgeschätzt werden, kann eine risikobasierte Erhebung erfolgen. Die risikobasierte Erhebung muss auf die Situation jedes Mitgliedstaates zugeschnitten sein. In den Schadorganismensteckbriefen werden Beispiele für Risikofaktoren gegeben:

  Risiko-Aktivitäten: Einfuhr, Transport potenziell befallener Ware/Pflanzen, Produktion, Lagerung, LKWs aus befallenen Drittländern.

  Risiko-Orte: Baumschulen, Gartencenter; Stopps an großen Straßen (LKW-Parkplätze) und Bahnstrecken von Strecken, die mit befallenen Gebieten verbunden sind, Flughäfen und Häfen mit Einfuhr aus befallenen Gebieten.

  Risiko-Gebiete: Gebiete um Hoch-Risiko-Orte, Umfang hängt von Mobilität der Schadorganismen ab.

Beispiele für ein relatives Risiko sind z. B.:

  In einem Radius von 10 km um Sägemühlen herum ist das Risiko dreimal höher als im Radius von 10–20 km.

  Das Gebiet, in dem hochanfällige Wirtspflanzen vorkommen, hat ein fünfmal höheres Risiko, befallen zu sein, im Vergleich zu dem Gebiet, wo weniger anfällige Wirtspflanzen vorkommen.

Es sollten maximal zwei Risikofaktoren mit dem dazugehörigen relativen Risiko bestimmt werden, um die statistische Planung und die Durchführung der Erhebung nicht zu komplex werden zu lassen. Es ist auch im Sinne der Baumpflege, einen neuen Schadorganismenbefall so schnell wie möglich festzustellen, damit frühzeitig Maßnahmen zur Bekämpfung durch den – zu informierenden – Pflanzenschutzdienst eingeleitet werden können. Sind die in den Steckbriefen gegebenen und von den jeweiligen Mitgliedstaaten noch zu ergänzenden notwendigen Informationen vorhanden, kann auf Mitgliedstaatenebene das Erhebungsdesign geplant werden. Dies umfasst auch die Anwendung statistischer Verfahren, mit denen einerseits „Schadorganismenfreiheit“ statistisch abgesichert werden soll, andererseits aber auch eine möglichst hohe Wahrscheinlichkeit erreicht werden soll, den Schadorganismus tatsächlich zu finden, sofern er vorkommt, um rechtzeitig Maßnahmen einleiten zu können.

4 Statistisch-basierte Erhebungen

Die Europäische Kommission fordert aus den oben genannten Gründen in ihrem Mandat an die EFSA die Entwicklung statistisch-basierter Erhebungen. Dies wird mithilfe einer von der EFSA entwickelten Software für die Berechnung statistisch signifikanter Probenahmen umgesetzt. Die beiden Tools RIBESS+ und SAMPELATOR (aufrufbar unter https://shiny-efsa.openanalytics.eu/)sind frei verfügbar und können nach einer einfachen Registrierung von jedem verwendet werden. RiBESS+ wird in Ländern oder Gebieten angewendet, in denen der Schadorganismus bislang nicht aufgetreten ist, und SAMPELATOR dient der Ermittlung der Prävalenz eines bereits im relevanten Land/Gebiet vorkommenden Schadorganismus. Die in den EU-Mitgliedstaaten für die Planung der Erhebungen zuständigen Personen sollen in von der EFSA durchgeführten Workshops mit diesen beiden statistischen Verfahren vertraut gemacht werden, um sie anwenden zu können.

Damit der Schadorganismen-Status zwischen den verschiedenen Gebieten und EU-Mitgliedstaaten verglichen werden kann, ist eine Harmonisierung der Ergebnisse essenziell. Es wird empfohlen, den Erhebungsumfang/ die Stichprobengröße mit RIBESS+ (oder SAMPELATOR, wenn der Schadorganismus schon vorkommt) zu berechnen, das Konfidenzniveau auf 95 % zu setzen und die „Design Prevalence“ auf 1 %. Dies sagt aus, dass, wenn alle Untersuchungen oder Tests negativ sind, mit 95 %-iger Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass, sofern der Schadorganismus vorkommt, seine Prävalenz bei unter 1 % in der Zielpopulation (untersuchte Summe der Wirtspflanzen) liegt.

5 Allgemeine Leitlinien

Die allgemeinen Leitlinien beschreiben Schritt für Schritt den generellen Prozess für das Erhebungsdesign und sind relevant für alle Schadorganismen, zu denen Schadorganismensteckbriefe erstellt werden oder wurden (und im Grunde generell für alle Schadorganismen, die erhoben werden sollen). Die allgemeinen Leitlinien enthalten:

  die Wahl der Erhebungsart, abhängig von der Zielsetzung der Erhebung (Nachweis, Eingrenzung des Befallsgebietes, Monitoring)

  ein Handbuch, um die Nutzer durch die statistischen Bestandteile (RIBESS+ oder SAMPELATOR) für die Berechnung der Probengröße zu leiten

  grundsätzliche Hinweise zu:

– Auswahl der Beprobungsorte und Probenahme

– Datenaufzeichnung

– Berichten von Daten und Erhebungsergebnissen

  Liste benötigter Materialien

  Hinweise zur Kombination verschiedener Erhebungen miteinander (Orte, Wirtspflanzen…)

Aufgrund der Unterschiede in den Mitgliedstaaten (Klima, Wirtspflanzen, Administration usw.) können in den allgemeinen Leitlinien nur Anregungen und Beispiele gegeben werden, die aber die Mitgliedstaaten dabei unterstützen, ihr eigenes Erhebungsdesign zu erstellen.

6 Spezifische Leitlinien

Für drei Pilot-Schadorganismen – den Käfer Agrilus planipennis (Japanischer oder Asiatischer Eschenprachtkäfer), den Pilz Phyllosticta citricarpa (Schwarzfleckigkeit an Citrus) und das Bakterium Xylella fastidiosa (Revision bestehender Leitlinien) – sollen prägnante, aber ausreichend detaillierte spezifische Leitlinien erstellt werden, die schrittweise den Erhebungsprozess beschreiben und die statistischen Methoden konkret für den jeweiligen Pilot-Organismus erläutern. Sie werden in Übereinstimmung mit dem Internationalen Standard für Pflanzengesundheitliche Maßnahmen Nr. 6 (FAO, 2016) des Internationalen Pflanzenschutzübereinkommens verfasst. Es handelt sich um praktische Dokumente, die den Bedürfnissen der Erhebungsdesigner und Pflanzengesundheitsinspektoren entsprechen und Schritt für Schritt erläutern, wie die Erhebungen zu planen und durchzuführen sind. Sie gehen damit weit über z. B. die EPPO-Diagnoseprotokolle hinaus. Ausgehend von den allgemein gehaltenen, für alle Mitgliedstaaten relevanten Schritten und detaillierten Informationen sind auch hier die Mitgliedstaaten wieder gefragt, mit regionalspezifischen Details ihr eigenes Erhebungsdesign für die drei Pilot-Schadorganismen – sofern eine Ansiedlung möglich ist – zu entwickeln.

7 Schlussfolgerungen

Mit den vorgestellten Schadorganismensteckbriefen, den spezifischen und den allgemeinen Leitlinien („EFSA-Toolkit“) wird ein umfangreicher Beitrag zu einem EU-weit harmonisierten Ansatz zur SchadorganismenÜberwachung zur Verfügung gestellt. Durch die Verbesserung der Erhebungsverfahren können Ausbrüche und Vorkommen schneller identifiziert und lokalisiert werden, so dass Ausrottungsmaßnahmen schneller und Erfolg versprechender ergriffen werden können. Zudem können befallsfreie Gebiete mit einer zuverlässigeren Feststellung der Befallsfreiheit nach dem Internationalen Standard für Pflanzengesundheitliche Maßnahmen Nr. 4 (FAO, 2017) statistisch fundierter ausgewiesen werden. Das EFSA-Toolkit liefert außerdem gutes Basismaterial für die Erstellung von Notfallplänen. Dies trägt nicht zuletzt zu einem verbesserten Schutz der Bäume vor Schäden durch Quarantäneschadorganismen und andere neue Schadorganismen in der EU bei.

Danksagung

Die Arbeiten zu diesem Projekt werden im Rahmen des EFSA Tasking grant ‘Entrusting support tasks in the area of plant health – Lot 2: Plant pest surveillance’ [GP/EFSA/ALPHA/2017/02] finanziert.

Literatur

EFSA (European Food Safety Authority), CIUBOTARU, R. M.; CORTIÑAS ABRAHANTES, J.; OYEDELE, J.; PARNELL, S.; SCHRADER, G.; ZANCANARO, G.; VOS, S., 2018: Technical report of the methodology and work-plan for developing plant pest survey guidelines. EFSA supporting publication 2018, EN-1399, 36 pp. doi:10.2903/sp.efsa.2018. EN-1399.

EFSA (European Food Safety Authority), VOS, S.; CAMILLERI, M.; DIAKAKI, M.; LÁZARO, E.; PARNELL, S.; SCHENK, M.; SCHRADER, G.; VICENT, A., 2019: Pest survey card on Xylella fastidiosa. EFSA Supporting Publications, 16(6), 1667E.

EU, 2016: Verordnung (EU) 2016/2031 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2016 über Maßnahmen zum Schutz vor Pflanzenschädlingen, zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 228/2013, (EU) Nr. 652/2014 und (EU) Nr. 1143/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinien 69/464/EWG, 74/647/EWG, 93/85/EWG, 98/57/EG, 2000/29/EG, 2006/91/EG und 2007/33/EG des Rates. ABl. L 317 vom 23.11.2016, 4–104.

FAO (Food and Agriculture Organization of the United Nations), 2016: ISPM (International Standards for Phytosanitary Measures) 6 – Guidelines for surveillance. FAO, Rome, Italy. Online verfügbar unter: https://www.ippc.int.

FAO (Food and Agriculture Organization of the United Nations), 2017: ISPM (International Standards for Phytosanitary Measures) 4 – Requirements for the establishment of pest free areas. FAO, Rome, Italy, Online verfügbar unter: https://www.ippc.int

HOPPE, B.; SCHRÖDER, T.; SCHRADER, G., 2020: Der Asiatische Eschenprachtkäfer Agrilus planipennis (Coleoptera: Buprestidae) weiter auf dem Vormarsch. In: DUJESIEFKEN, D. (Hrsg.): Jahrbuch der Baumpflege 2020. Haymarket Media, Braunschweig,313–322.

SCHRADER, G.; SCHRÖDER, T.; HOPPE, B., 2020: Der Bronzefarbene Birkenprachtkäfer Agrilus anxius (Coleoptera: Buprestidae) und sein Risiko für europäische Birken In: DUJESIEFKEN, D. (Hrsg.): Jahrbuch der Baumpflege 2020. Haymarket Media, Braunschweig,361–368.

SCHRÖDER, T.; HOPPE, B.; SCHRADER, G., 2020: Der Kiefernholznematode Bursaphelenchus xylophilus – Eine Gefahr auch für deutsche Kiefern? In: DUJESIEFKEN, D. (Hrsg.): Jahrbuch der Baumpflege 2020. Haymarket Media, Braunschweig, 369–377.

WILSTERMANN, A.; SCHRADER, G., 2020: Erhebungen zur Ausbreitung der Sibirischen Seidenmotte (Dendrolimus sibiricus) in der EU. In: DUJESIEFKEN, D. (Hrsg.): Jahrbuch der Baumpflege 2020. Haymarket Media, Braunschweig,

Autoren


Dr. Gritta Schrader ist Biologin und im Institut für nat. und int. Angelegenheiten der Pflanzengesundheit u. a. zuständig für die Koordination und Erstellung von pflanzengesundheitlichen Risikoanalysen für gebietsfremde Schadorganismen an Pflanzen und den dazugehörigen Verfahren. Sie ist zudem Mitarbeiterin im EFSA-Projekt zur Erstellung wissenschaftlicher Leitlinien zu Erhebungen von Quarantäneschadorganismen.


Dr. Björn Hoppe ist Forstwissenschaftler und leitet das Forstquarantänelabor in dem Institut.


Dr. Anne Wilstermann ist Biologin und erstellt an dem Institut u. a. pflanzengesundheitliche Risikoanalysen für gebietsfremde Schadorganismen an Pflanzen.

Julius Kühn-Instituts (JKI)

Institut für nationale und internationale Angelegenheiten der Pflanzengesundheit Messeweg 11/12

38104 Braunschweig

Tel. (05 31) 299 3375 (Dr. Gritta Schrader)

Tel. (05 31) 299 4320 (Björn Hoppe)

Tel. (0531) 299 4316 (Dr. Anne Wilstermann)

Eine neue Methode zum nicht-invasiven Nachweis des Asiatischen Laubholzbockkäfers (ALB): ANOPLO-diag
A new method for the non-invasive detection of the Asian long-horned beetle (ALB): ANOPLO-diag

von Matthias Becker, Beatrice Berger, Andrea Taddei, Björn Hoppe und Stephan König

Zusammenfassung

Ein Auftreten des Asiatischen Laubholzbockkäfers (Anoplophora glabripennis, kurz ALB) erfordert in der Europäischen Union in der Regel phytosanitäre Maßnahmen durch die Pflanzenschutzdienste. Als befallene Pflanzen gelten diejenigen, die ALB-Symptome aufweisen. Bislang galt, dass eine sichere Diagnose des ALB nur bei Vorliegen von ALB-Stadien erfolgen kann. Das neue Diagnoseverfahren ermöglicht es, den ALB auch aus minimalen DNA-Spuren in Fraß und Nagespänen zu identifizieren. Die neue Methode basiert auf quantitativer PCR (qPCR) und hat gegenüber herkömmlichen molekularen Ansätzen zur Diagnose von ALB deutliche Vorteile hinsichtlich Sensitivität und Spezifität. Darüber hinaus führt sie wesentlich schneller zu einem Ergebnis als Verfahren, die zur sicheren Diagnostik aufwendigere Sequenzierungen durchführen müssen.

Summary

Detection of the Asian long-horned beetle (ALB, Anoplophora glabripennis) generally requires phytosanitary measures by plant protection services in the European Union. Infestation status applies to all plants that show symptoms of ALB. Until now, reliable diagnosis of ALB has been considered to require ALB egg, larval or imago material. However, our new diagnostic procedure allows identification of ALB from tiny amounts of DNA within frass or wood chips. Our new method is based on quantitative PCR (qPCR) and has significant advantages over previous molecular approaches in terms of sensitivity and specificity. Additionally, our method is much faster than procedures that require DNA sequencing for reliable diagnosis.

1 Einleitung

Der aus Asien in mehrere Mitgliedstaaten der Europäischen Union verschleppte Asiatische Laubholzbockkäfer (Anoplophora glabripennis, kurz ALB) wird von der EU als prioritärer Quarantäneschadorganismus gelistet und stellt aufgrund seines invasiven Schadpotenzials eine große Bedrohung für heimische Laubgehölze dar. Anders als viele hier natürlich vorkommende Bockkäferarten (Cerambycidae) ist diese Art in der Lage, vitale Gehölze zu besiedeln. Das trifft zumeist auf Gehölze im städtischen (urbanen) Bereich zu, was wiederum den potenziellen transkontinentalen Verschleppungswegen geschuldet ist. Die im Holz lebenden Larven des ALB wurden (und werden) wiederholt in Holzverpackungsmaterialen nachgewiesen. Klassischerweise werden Containerwarensendungen in Holz verstaut, in denen sich die Larven verpuppen und zu adulten Käfern weiterentwickeln können. Entfliehen dann beim Entladen dieser Sendungen geschlechtsreife Käfer, besteht die Gefahr einer lokalen Ansiedlung. Um dies zu verhindern, ist schnelles und diagnostisch validiertes Handeln erforderlich. Die Kombination von ALB-typischen Symptomen (wie bspw. kreisrunden Ausbohrlöchern und Nagespänen) ist in Verbindung mit einer positiven Reaktion erfahrener Spürhunde als Indiz eines ALB-Befalls anzusehen; eine sichere Diagnose kann aber nur bei Vorliegen von ALB-Stadien und (zumindest bei Ei- und Larvenstadien) mittels einer intensiven Laboranalyse erfolgen (JKI 2016).

Die Suche nach ALB-Stadien kann gegebenenfalls die Fällung, mindestens aber eine zerstörende Probenahme symptombehafteter Bäume erfordern. Um einen jahreszeitenunabhängigen Nachweis (positiv oder besser negativ) zu erbringen, ist ein sensitives Diagnoseverfahren notwendig, das es erlaubt, ALB nur anhand von Fraß und Nagerückständen zu identifizieren. Bislang gibt es keinen derartigen Ansatz.

Weitere Informationen zur Biologie und Verbreitung von ALB und durch ihn verursachte Schäden sind dem Artikel von HOPPE et al. (2020) in diesem Tagungsband und dem ALB-Steckbrief (pest survey card) der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA 2019) zu entnehmen.

2 Stand des Wissens

2.1 Bisherige Nachweisverfahren für ALB

Der Diagnosestandard PM 7/129 der Europäischen und Mediterranen Pflanzenschutzorganisation (EPPO) beinhaltet validierte Protokolle zur molekularbiologischen Diagnose von Arthropoden, darunter auch Anoplophora glabripennis (ALB) (EPPO 2016). Dabei ist vorgesehen, aus gesammelten und ins Labor überführten Entwicklungsstadien (beispielsweise aus Larven) DNA zu extrahieren, daraus anschließend mittels PCR (siehe 2.2) DNA von Markergenen zu vervielfältigen und diese zur Identifikation zu sequenzieren. Eines dieser sogenannten Barcoding-Gene zur Unterscheidung verschiedener Arten codiert die Untereinheit 1 der Cytochrom C Oxidase (COI). Die sequenzierte Region dieses Gens erlaubt eine eindeutige Zuordnung der untersuchten Probe zum ALB und darüber hinaus sogar die Differenzierung einzelner geographischer Populationen. Am Julius Kühn-Institut werden zur Unterstützung der deutschen Pflanzenschutzdienste diagnostische Analysen kritischer Verdachtsfälle durchgeführt. Neben einer morphologischen Bestimmung eingesandter ALB-Larven hat sich der routinemäßige Einsatz des EPPO PM 7/129-Protokolls für die molekulare, PCR-basierte Diagnose bewährt. Das Schema in Abbildung 1 zeigt, unter welchen Bedingungen der EPPO Standard PM 7/129 (mitsamt der zugehörigen Primer) verwendet werden kann, um ALB zu diagnostizieren, und wann es ratsam ist, mit spezifischeren Primern zu arbeiten. Das beschriebene Vorgehen setzt aber i. d. R. das Vorhandensein von ALB-Stadien voraus.

Abbildung 1: Übersicht über die folgenden Abbildungen und vereinfachte Darstellung des Arbeitsablaufs der molekularbiologischen Diagnose von ALB aus verschiedenen Ausgangsmaterialien; * Inhibitoren = störende Stoffe, die eine Untersuchung mittels PCR hemmen, u. a. phenolische Gerbstoffe vieler Wirtsbaumarten

2.2 Diagnose von Schadinsekten aus Larvenmaterial mittels PCR

Die PCR ist eine Kettenreaktion zur Vervielfältigung (Amplifikation) eines Ziel-DNA-Abschnittes (Template) mittels des Enzyms Polymerase (daher englisch Polymerase Chain Reaction). Sind durch die PCR ausreichend viele Kopien der Ziel-DNA generiert worden, kann die Basenreihenfolge der DNA im nächsten Untersuchungsschritt bestimmt (sequenziert) und der Schadorganismus dann zumeist eindeutig identifiziert werden. Damit die Polymerase ausschließlich die Ziel-DNA und keine ungewollten DNA-Regionen amplifiziert, werden sogenannte Primer, dem Laborpraktiker bekannte, kurze, künstlich hergestellte DNA-Stücke, sogenannte Nukleotide, benötigt, die am Beginn und Ende der Ziel-DNA binden und der Polymerase den Umfang der Zielregion vorgeben. Primer können Artspezifisch sein, so dass sie nur an die DNA der gewünschten Spezies binden, oder ausreichend unspezifisch sein, um an die DNA vieler verschiedener Organismen binden zu können.

Die quantitative PCR (kurz qPCR) unterscheidet sich von der herkömmlichen PCR durch Fluoreszenz-Messungen während der DNA-Amplifikation. Ermöglicht wird dies durch eine fluoreszierende sogenannte TaqMan-Sonde, die in einer herkömmlichen PCR nicht zum Einsatz kommt. Da die Fluoreszenz proportional zur Menge der PCR-Produkte ist, kann die Vervielfältigung der DNA in Echtzeit beobachtet werden und so eine Aussage über eine statistisch signifikante Amplifikation getroffen werden. Das bedeutet, dass auch sehr geringe DNA-Mengen (wie sie in Fraß und Nagerückständen vorhanden sind) noch nachgewiesen werden können.

Die Cytochrom C Oxidase ist ein überlebenswichtiger, an der Zellatmung beteiligter Enzymkomplex, der bei allen Eukaryonten (inkl. Tieren, Pflanzen und Pilzen) aus 13 Untereinheiten besteht. Das die Untereinheit 1 (COI) codierende Gen COI ist über weite Abschnitte hochkonserviert und wird häufig zur stammesgeschichtlichen (phylogenetischen) Einordnung von Organismen verwendet. Die Primer des EPPO Standard PM 7/129 Protokolls, mit den Namen „LCO1490“ und „HCO2198“, wurden so designt, dass sie an die DNA des COI-Gens möglichst vieler Eukaryonten binden. Solange ausreichend Ei- bzw. Larvenmaterial oder adulte Insekten (ohne assoziierte Mikroorganismen) zur Verfügung stehen, ist der EPPO Standard PM 7/129 für die Diagnose von ALB ebenso geeignet wie für andere Bockkäfer und auch Schmetterlinge wie bspw. Blausieb (Zeuzera pyrina) und Weidenbohrer (Cossus cossus), die im befallenen Holz ganz ähnliche Symptome wie der ALB hinterlassen. Jedoch unterscheiden sich diese Arten morphologisch ohnehin so deutlich, dass bei ausreichend Larvenmaterial kaum eine Verwechslungsgefahr besteht (Abbildung 2).

Abbildung 2: A) Blausieb (Zeuzera pyrina) B) Weidenbohrer (Cossus cossus) C) ALB: Ei und Larve (kleines Fenster)

Bei Fraß und Nagespänen (Abbildung 3) sieht es anders aus, hier ist eine morphologische Bestimmung kritisch und eine molekularbiologische Diagnose wünschenswert bzw. dringend erforderlich.

Für den Fall, dass ein ALB-Verdacht ausschließlich auf morphologischen Symptomen an verletzten Bäumen beruht und keine ALB-Stadien verfügbar sind, haben wir eine neue Methode entwickelt, die den Nachweis von ALB aus Fraß oder Nagespänen ermöglicht, auch wenn sie nur winzige DNA-Mengen enthalten.

Abbildung 3: ALB in Ahornholz; Fraß und Nagespäne finden sich zuhauf, verpresst innerhalb der Larvengänge (A, B, D) oder unverpresst außerhalb des ursprünglichen Eingangsbereichs (C).

2.3 Probleme bei der ALB-Diagnose aus Holz

Die Extraktion von Insekten-DNA aus Holzmaterial impliziert die Anwesenheit von PCR-inhibierenden Substanzen wie Lignin und erfordert daher eine Anpassung des Protokolls zur Probenaufbereitung (SCHRADER et al. 2012). Um den PCR-inhibierenden Effekt zu minimieren, gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder werden inhibierende Substanzen durch zusätzliche Reinigungsschritte während der DNA-Extraktion eliminiert oder es wird ein Polymerase Master Mix verwendet, der so robust ist, dass die Polymerase auch in Anwesenheit der Inhibitoren ihre Arbeit verrichten kann. Grundsätzlich ist es ratsam, schon während der DNA-Extraktion möglichst viele Inhibitoren zu beseitigen.

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