Buch lesen: «Camerarius Polyhistor», Seite 9

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Beschreibung des Werkes

Der Libellus gnomologicusCamerarius d.Ä., JoachimLibellus gnomologicus ist eine Ausgabe in Klein-Oktav1Camerarius d.Ä., JoachimLibellus gnomologicus und umfaßt außer der Titelseite und deren leerer Rückseite 309 arabisch numerierte Seiten mit zusätzlicher Zählung A2–8, B–V1–8, X1–4.2 Erstaunlich ist, daß es weder eine Angabe des Druckers noch des Jahres gibt – nicht auf der Titelseite und auch nicht als Kolophon. Nun ist das Titelblatt des Münchener Exemplars unter dem Privileghinweis beschnitten und mit etwas hellerem Papier hinterlegt.3 Anfragen bei weiteren Bibliotheken, bei der SLUB Dresden, der Stadtbibliothek Trier und der HAB Wolfenbüttel, die sogar über zwei Exemplare des relativ seltenen Werkes4 verfügt, ergaben jedoch, daß auch intakte Titelblätter dieser Informationen ermangeln. Die Angabe sine anno, die u.a. in der Bibliographie von Baron und Shaw auftaucht,5Fabricius, Johann Albert ist also auf den ersten Blick korrekt. Allerdings sind wir in der glücklichen Lage, daß auf der ersten Seite der Handschrift, die Camerarius’ PalladiusPalladius von Helenopolis-Text zugrundelag, sich ein Vermerk befindet, der den Leipziger Druck indirekt sehr genau datiert: Camerarius imprimi curavit 1569 Mense Maij. Transmisit 16 Junii [„Camerarius hat für den Druck gesorgt im Mai 1569. Er hat es übersandt (d.h. zurückgeschickt) am 16. Juni“].6Sambucus, Johannes Es ist die Notiz des Besitzers Johannes SambucusSambucus, Johannes – zu ihm später mehr. Daß das Erscheinungsjahr im Buch selbst fehlt, ist auch deshalb merkwürdig, da das kaiserliche Privileg ja auf fünf Jahre gewährt wird.7Maximilian II. (HRR)

Auch der Drucker kann nur indirekt erschlossen werden. Zwar gab es in Leipzig im Jahre 1569 mehrere Offizinen,8Bärwald, JakobRambau, HansVögelin, ErnstRichter, Andreas doch das Emblem auf der Titelseite weist eindeutig die Druckwerkstatt des Ernst VögelinVögelin, Ernst aus (vgl. Anhang, Abb. 1): In einem quasi rechteckigen Signet sehen wir in den vier Ecken die Symbole der Evangelisten auf einem großen ovalen Rollwerkrahmen, am oberen Rand des Rahmens die Taube des Heiligen Geistes, darüber in einem Feuerkranz in einer Strahlen-Mandorla das hebräische Jahwe-Tetragramm. Innerhalb des Rahmens ist in der oberen Hälfte des Ovals der Gekreuzigte mit der Inschrift INRI über seinem Haupte zu sehen, umgeben von Wolken. Auffällig ist das horizontal weit ausladende Lendentuch, das wie eine Fahne im Winde weht – wohl ein Bezug zur Siegesfahne des Auferstandenen.9Cranach, LucasCranach, LucasLuther, MartinCranach, LucasCranach, LucasCranach, LucasCranach, LucasMelanchthon, PhilippMelanchthon, PhilippStigel, JohannMelanchthon, PhilippMelanchthon, PhilippStigel, JohannCranach, Lucas Der Fuß des Kreuzes steht auf der von zwei Cheruben bewachten Bundeslade, die wiederum auf der Weltkugel ruht, gleichzeitig aber den Tod (symbolisiert durch das Gerippe) und den Teufel (symbolisiert durch die Schlange) niederdrückt. Das Druckeremblem in dieser Ausführung hat VögelinVögelin, Ernst offenbar von ca. Anfang 1564 an verwendet.10 Seine Erben haben es bis in die 1590er Jahre unverändert weiter im Gebrauch, später dann in einer architektonisch-figürlichen, barocken Komposition erheblich erweitert.

Der Buchdrucker Ernst VögelinVögelin, Ernst

Wie es in Leipzig insgesamt einen besonders intensiven und gegenseitige Früchte bringenden Zusammenhang zwischen Buchdruck und Humanismus respektive Universität gab,1 so verband Camerarius auch im besonderen „allezeit rege wissenschaftliche und freundschaftliche Beziehungen“2Erasmus von Rotterdam, Desiderius mit dem Buchdrucker Ernst VögelinVögelin, Ernst – wie auch schon mit dessen Vorgänger Valentin BapstBapst, Valentin –, weshalb hier kurz darauf eingegangen sei.3

Der Konstanzer Ernst VögelinVögelin, Ernst (10.08.1529–20.09.1589) ließ sich im Frühjahr 1550 in Leipzig immatrikulieren und wurde im Sommersemester Baccalaureus Artium, im folgenden Wintersemester Magister Artium und im Oktober 1555 Baccalaureus Theologiae. Camerarius, bei dem VögelinVögelin, Ernst zeitweilig die Stelle eines Hauslehrers innehatte, führte Vögelin wohl in das Verlagsgeschäft des Leipziger Druckers Valentin BapstBapst, Valentin (Papst, Papa) ein, welchen Vögelin danach anscheinend als Korrektor und gelehrter Beistand unterstützte. Nach Bapst frühem Tode Anfang 1556 übernahm VögelinVögelin, Ernst die Leitung des Geschäftes – Bapsts Söhne waren noch zu jung – und heiratete im Juni 1557 Bapsts Tochter Anna. Unter eigener Firmierung scheint VögelinVögelin, Ernst allerdings erst ab 1560 gedruckt zu haben, und zwar MelanchthonsMelanchthon, Philipp Corpus doctrinae Christianae (VD16 M 2883).4Ernesti, August Wilhelm

Anfang 1559 erhielt Ernst VögelinVögelin, Ernst das Leipziger Bürgerrecht. Später unternahm dieser „gebildete, weltoffene tiefreligöse Mann“, der „allem Anschein nach weltlichen Prunk und Lebensfreude nicht“ verschmähte,5 größere Auslandsreisen, u.a. nach Italien (1567) und Frankreich. Im Juni 1576 wurde Vögelin wegen Kryptocalvinismus angeklagt und floh in die Kurpfalz. Er starb 1589, ohne wieder selbst Bücher gedruckt zu haben. Seine Leipziger Offizin wurde von verschiedenen Druckern weitergeführt, den Verlagsbuchhandel übernahmen zeitweilig einige seiner Söhne.

Vögelin hat – was aufgrund der engen Bande der beiden Männer kaum verwundert – ab 1561 bis zu Camerarius’ Tode nahezu alle seine Schriften gedruckt, so auch Mitte 1569 den Libellus gnomologicusCamerarius d.Ä., JoachimLibellus gnomologicus. Betrachten wir – bevor dessen Inhalt vorgestellt werden soll – aber zunächst die Genesis dieses Werkes, soweit sie sich rekonstruieren läßt.

Die Entstehungsgeschichte des Libellus gnomologicusCamerarius d.Ä., JoachimLibellus gnomologicus

Der durch die Türkenkriege verschuldete Kaiser Maximilian II.Maximilian II. (HRR) gewährte den nieder- und oberösterreichischen Herren- und Ritterständen am 18. August 1568 im Gegenzug für ihre Geldzahlungen (bzw. eine Steuerbewilligung) die freie Religionsausübung nach der Confessio Augustana (= Augsburger Bekenntnis von 1530).1 Gleichzeitig sollte diese vorläufige Konzession durch eine Kirchenordnung institutionalisiert werden, zu deren Ausarbeitung „zwölf fromme und angesehene Lehrer, und zwar sechse von dem Kayser, und sechse von den Ständen, worunter zwey aus den Sächsischen Kirchen, ernannt und berufen werden sollten.“2 Als sächsische Vertreter waren David ChytraeusChytraeus, David aus Rostock3Maximilian II. (HRR)Chytraeus, DavidChytraeus, DavidChytraeus, David und Joachim Camerarius aus Leipzig4 auserwählt worden. Trotz großer Bedenken, hauptsächlich wegen seines fortgeschrittenen Alters und seiner Gesundheit,5Griespek, FlorianKarlowitz, Christoph vonCracow, Georg machte sich Camerarius am 18. August 1568, also dem Tage der Konzessionserteilung durch Maximilian II.Maximilian II. (HRR), von Leipzig aus auf den Weg6Cracow, Georg über Prag7Karlowitz, Christoph vonGriespek, FlorianKarlowitz, Christoph von nach Wien. Dort traf er zusammen mit dem sächsischen Rat Christoph von KarlowitzKarlowitz, Christoph von8Karlowitz, Christoph von am 08. September ein9Cracow, GeorgZwinger d.Ä., TheodorKrafftheim, Johannes Crato von und wohnte wohl die meiste Zeit seines Aufenthaltes beim kaiserlichen Leibarzt Johannes CratoKrafftheim, Johannes Crato von von KrafftheimKrafftheim, Johannes Crato von.10Wolf, HieronymusKrafftheim, Johannes Crato von Allein die Ankunft von ChytraeusChytraeus, David verzögerte sich immer weiter und das Warten und Nichtstun fiel Camerarius zunehmend schwer.11Wolf, HieronymusKarlowitz, Christoph von Schließlich wurde ihm auf seine Bitte hin erlaubt, nach Leipzig zurückzukehren, wo er am 14. Dezember 1568 über Dresden und Meißen wieder eintraf.12Karlowitz, Christoph vonSambucus, Johannes

Immerhin war es Camerarius infolge der politischen Untätigkeit in Wien möglich, private Kontakte zu pflegen. Daher ist es kaum verwunderlich, daß er unter anderem dem gebürtigen Ungarn Johannes SambucusSambucus, Johannes (János Zsámboky, 25.07.1531–13.06.1584),13Sambucus, Johannes der für seine Handschriften- und Büchersammlung in ganz Europa berühmt war,14Edeling, JoachimSambucus, JohannesEdeling, JoachimSambucus, JohannesEdeling, JoachimPosselius, JohannesChytraeus, DavidEdeling, JoachimHodoeporiconSambucus, Johannes Besuche abstattete. Mit ihm stand Camerarius – wie mit unendlich vielen anderen Humanisten und wie es in der Respublica litteraria allgemein üblich war – in Briefkontakt.15Sambucus, JohannesSambucus, JohannesSambucus, JohannesSambucus, JohannesSambucus, JohannesSambucus, Johannes SambucusSambucus, Johannes, zu jener Zeit wohl schon kaiserlicher Hofrat (Consiliarius Caesaris), vermerkt bereits kurz nach Camerarius’ Ankunft in Wien erfreut in seinem Tagebuche (Codex Vindobon. lat. 9039, fol. 5a) unter dem 21. September 1568: […] dominica precedente Camerarius cum filio et CratoKrafftheim, Johannes Crato von apud me, bono animo [„letzten Sonntag Camerarius mit seinem Sohn und CratoKrafftheim, Johannes Crato von bei mir, guter Stimmung“].16 Während einem dieser Treffen muß Camerarius auch auf SambucusSambucus, Johannes’ Manuskript der PalladiusPalladius von Helenopolis-Schrift aufmerksam geworden sein und sie sich für eine künftige Edition ausbedungen haben. Dieses Vorgehen war für SambucusSambucus, Johannes nicht ungewöhnlich. Viele seiner Handschriften stellte er anderen Humanisten für deren Editionen zur Verfügung, wurde doch durch einen entsprechenden Hinweis in der gedruckten Ausgabe schließlich auch sein eigener Ruhm gemehrt.17Camerarius d.Ä., JoachimLibellus gnomologicusSambucus, JohannesSambucus, Johannes

Wie wir aus einem griechisch abgefaßten Briefe des Camerarius an SambucusSambucus, Johannes, der leider undatiert, aber wahrscheinlich (kurz) nach Camerarius’ Rückkehr nach Leipzig verfaßt worden ist,18Sambucus, Johannes erfahren, hat Camerarius wohl mehrere Schriften aus SambucusSambucus, Johannes’ Wiener Sammlung ausgeliehen:

νυνὶ μὲν οῦν ἅς διαψιλῶς θ’ ἅμα καὶ φιλοφρόνως ἱσταθεὶς παρά σοι βίβλους ἐκομισάμην ἀπιών, ἐκείνας μεταχειριζόμενος διερχομαί τε καὶ ἐνδιατρίβων αυτοῖς ἡδέως ψυχαγωγοῦμαι. […] ἔπεμψα δέ σοι νῦν τῶν ἡμετέρων ἐκπονήσεὼ τι, περὶ ὧν πρώην εἴπομεν, οὐ μὲν ἀσπουδεί γε, δέδια δὲ ὡς οὐχ ὁμοίος ἐμμούσως τε καὶ ἐμμελῶς συντεθέν. =19 Iam vero quos abs te lauto et benigno acceptus convivio mecum abstuli libros, illos versans manibus percurro, et in illis commorans suaviter oblector. […] Misi vero tibi iam nostrarum elaborationum quidpiam, de quibus nuper loquebamur: non quidem sine diligentia studii cuiusdam; metuo autem ut pari eruditione et elegantia id compositum sit.20Sambucus, JohannesSambucus, JohannesPalladius von Helenopolis

Schon aber überfliege ich, in meinen Händen wendend, die Bücher, die ich – von Dir mit einem köstlichen und reichhaltigen Gastmahle empfangen – mit mir genommen habe, und mich in sie vertiefend werde ich angenehm erfreut. […] Ich habe Dir bereits etwas von unseren Ausarbeitungen geschickt, worüber wir neulich sprachen. Zwar entbehrt es nicht der Sorgfalt eines gewissen Bemühens, ich fürchte jedoch, daß es nicht mit ebensolcher Gelehrtheit und Eleganz verfaßt ist.

Eindeutig Bezug nimmt Camerarius auf seinen Wiener Aufenthalt und SambucusSambucus, Johannes’ Bücher dann in einem Brief vom 4. Januar 1569: Reversi sumus huc, Christo gratia, salvi et incolumes […]. Nunc ea, quorum nobis usus abs te benigne concessus est, tractabamus, si quid edi forte posset [„Wir sind hierher, Christus sei Dank, wohlbehalten und heil zurückgekehrt. Jetzt wollten wir jene ‹Schriften›, deren Benutzung Du uns gütig erlaubt hast, durcharbeiten, ob ‹davon› etwas ediert werden könnte“].21

Camerarius hat schließlich im Frühjahr 1569 seine in den Libellus gnomologicusCamerarius d.Ä., JoachimLibellus gnomologicus eingearbeitete Edition des Palladiustextes samt Übersetzung, Vorwort und Anmerkungen der Vögelinschen Offizin zum Druck übergeben22Camerarius d.Ä., JoachimLibellus gnomologicusCamerarius d.Ä., JoachimLibellus gnomologicusCamerarius d.J., Joachim und die Handschrift (es handelt sich heute um die ersten elf Seiten des Codex Vindobonensis, Historici Graeci 12123) Mitte Juni 1569 nach Wien zurückgeschickt – wie aus dem bereits erwähnten eigenhändigen Vermerk des SambucusSambucus, Johannes ersichtlich ist.24

Der Libellus gnomologicusCamerarius d.Ä., JoachimLibellus gnomologicus muß spätestens in den ersten Junitagen gedruckt vorgelegen haben, denn bereits am 06.06.1569 bedankt sich Andreas DudithDudith, Andreas in einem Brief aus Krakau an Camerarius für die Übersendung des Libellus25Camerarius d.Ä., JoachimLibellus gnomologicusPraetorius, JohannesDudith, AndreasDudith, AndreasPraetorius, JohannesPraetorius, JohannesDudith, Andreas und nimmt Camerarius’ Lob des SambucusSambucus, Johannes in der Praefatio zum Anlaß für einige (enttäuschte) Bemerkungen über SambucusSambucus, Johannes und dessen Büchersammlung.26Dudith, AndreasSambucus, JohannesSambucus, JohannesDudith, AndreasCamerarius d.J., Joachim Mithilfe eines weiteren Briefes des Andreas DudithDudith, Andreas an Joachim Camerarius kann auch der terminus ad quem für den Druck des Libellus vielleicht präziser bestimmt werden als durch SambucusSambucus, Johannes’ Notiz auf der Wiener Handschrift, die ja nur den Monat Mai nennt. Am 15. Mai 1569 nämlich schreibt DudithDudith, Andreas an Camerarius, daß er Johannes PraetoriusPraetorius, Johannes im Laufe der Woche in Krakau erwartet hätte, nun aber annehmen müsse, daß dieser erst später komme: Suavissimis litteris excellentiae tuae ante respondere constitueram, quam PraetoriusPraetorius, Johannes adesset [„Ich hatte beschlossen, auf den überaus netten Brief Deiner Exzellenz eher zu antworten, als PraetoriusPraetorius, Johannes hier wäre“].27Dudith, Andreas Wir wissen leider nicht, was PraetoriusPraetorius, Johannes aufgehalten hat. Vielleicht aber sollte er DudithDudith, Andreas unbedingt des Camerarius jüngstes Werk mitbringen können, das demzufolge etwa Mitte Mai frisch aus der Presse gekommen sein könnte. Doch das muß leider eine Vermutung bleiben, und deshalb wenden wir uns nun stichhaltigeren Dingen zu, nämlich dem

Inhalt des Libellus gnomologicusCamerarius d.Ä., JoachimLibellus gnomologicus

Der Inhalt des Libellus gliedert sich wie folgt: Auf ein lateinisches Proœmium (S. 1–24) mit der Zueignung1 an Georg Mehl von StrelitzMehl von Strehlitz, Georg, den Prokanzler des Königreiches Böhmen, folgt eine moralische Blütenlese (griech. S. 33–108, lat. Übers. S. 165–228), d.h. kurze Exzerpte in Form von Sentenzen bzw. Gnomen (daher häufig nur ein Satz) aus PlatonPlaton, IsokratesIsokrates, AeschinesAeschines, DemosthenesDemosthenes, HerodotHerodot, ThukydidesThukydides, XenophonXenophon, AristotelesAristoteles, PolybiusPolybius, PlutarchPlutarch und anderen. Diesem Florilegium stellt Camerarius als Einleitung eine Συνόπσις = Summula considerationis (griech. S. 25–33, lat. S. 157–165) voran. Eine kleine Ganzschrift schließt diesen ersten Teil des Libellus gnomologicusCamerarius d.Ä., JoachimLibellus gnomologicus ab, nämlich die Ἔκθεσις κεφαλαίων παραινετικῶν (lateinisch üblicherweise Expositio capitum admonitoriorum nach der Übersetzung in der Erstausgabe von 1509, in Camerarius’ Übersetzung hingegen Exposita capita praeceptionum) des Agapetus DiaconusAgapetus DiaconusExpositio capitum admonitoriorum an Kaiser JustinianJustinian (Kaiser) (griech. S. 87–108, lat. Übers. S. 229–251).2Sambucus, JohannesCamerarius d.Ä., JoachimLibellus gnomologicus Camerarius läßt sowohl im griechischen Text als auch in seiner lateinischen Übersetzung die Numerierung der 72 Paragraphen fort, deren Zahl von Agapetus wohl bewußt in Anlehnung an die 72 Septuaginta-Übersetzer und die 71 sog. „Goldenen Verse des PythagorasPythagoras“ gewählt worden war.3 Es ist anzunehmen, daß Camerarius hierin seiner Vorlage folgt, über die wir leider nichts Genaueres wissen, als daß sie wahrscheinlich eine gedruckte Ausgabe aus SambucusSambucus, Johannes’ Bibliothek war.4Sambucus, JohannesPalladius von HelenopolisPalladius von HelenopolisCamerarius d.Ä., JoachimLibellus gnomologicus

An die Ἔκθεσις schließen sich kurze einleitende Bemerkungen zu PalladiusPalladius von Helenopolis und seinem Werk an (griech. S. 109–110, lat. Übers. S. 252–253), worauf dieses selbst mit dem Titel Ἐπιστολή Παλλαδίου folgt (griech. S. 110–149, lat. Übers. S. 253–294). Die im Anschluß gegebenen Auszüge aus PlutarchPlutarch (griech. S. 150–152, lat. Übers. S. 295–297) und aus ArriansArrian siebtem Buche (griech. S. 153–155, lat. Übers. S. 297–300) sollen durch den anerkannten Status ihrer Autoren das Thema „Brahmanen“ weiter erhellen und gleichzeitig offenbar auch sanktionieren.

Auf den Seiten 301–309 fügt Camerarius lateinische Anmerkungen exegetischen und textkritischen Charakters bei, die sich außer einer kurzen Ergänzung einer Übersetzung zu HerodotHerodot, die auf Seite 1925 versehentlich ausgelassen worden war, auf den Text von AgapetusAgapetus Diaconus (S. 301–302) und zum allergrößten Teil auf den von PalladiusPalladius von Helenopolis konzentrieren (S. 302–309). Den Notizen zu PalladiusPalladius von Helenopolis wiederum flicht Camerarius zusätzlich noch seine Übersetzung eines dem indischen Brahmanen Calanus6 zugeschriebenen Briefes ein (S. 308), der uns bei Philon von AlexandriaPhilon von Alexandria überliefert ist (Quod omnis probus liber sit 96,7Philon von Alexandria vgl. eine lateinische Fassung bei Ambrosius, EpistulaAmbrosius (Bischof von Mailand)Epistulae 37, 34–35).

Diese im Libellus gnomologicusCamerarius d.Ä., JoachimLibellus gnomologicus versammelte bunte Mischung einer Gnomensammlung, der Ἔκθεσις des Agapetus und der Schrift des PalladiusPalladius von Helenopolis werde – davon zeigt sich Joachim Camerarius im Prooemium überzeugt (S. 23) – nonnihil voluptatis tibi allaturam, neque non aliquid praeclarae cogitationis subiecturam esse [„Dir etliches Vergnügen bereiten und zudem einiges an vortrefflichem Denken nahebringen“]. Mit dem Personalpronomen tibi ist jedoch nicht der besonders aus Vorworten des 18. und 19. Jahrhunderts bekannte „geneigte Leser“ gemeint, sondern ein ranghoher Politiker des 16. Jahrhunderts, der nun vorgestellt werden soll.

Der Widmungsempfänger Georg Mehl von StrehlitzMehl von Strehlitz, Georg und die Respublica litteraria

Georg(ius) Mehl von StrehlitzMehl von Strehlitz, Georg bzw. Strölitz (Jiří Mehl ze Střelic, ca. 1515/20–24.01.1589) wurde in Breslau als Sohn des dortigen Ratsherrn Balthasar Mehl (?–03.03.1545, „prius Reip. Wratisl. Senator, deinde Consiliarius Cæsareus“1) geboren. Sein Geburtsdatum ist unbekannt, da er aber als Präbendar am Breslauer Dom ein Mindestalter von 14 Jahren haben mußte und er die Präbende zwischen 1531 und 1535 erhalten hat,2 kann er folglich spätestens zwischen 1517 und 1521, eher noch etwas davor, das Licht der Welt erblickt haben. Die Breslauer Domherren mußten, mit Ausnahme von Fürsten und Grafen, gemäß dem sog. Triennalstatut von 1436 ein mindestens dreijähriges Universitätsstudium absolvieren,3 und so sehen wir Georg Mehl von StrehlitzMehl von Strehlitz, Georg an den Universitäten Ingolstadt (dort im April 1537 immatrikuliert, am 01.01.1538 Magister Artium) und Bologna (dort am 24.11.1545 Doctor Juris utriusque).4 Wohl gleich nach dem Studium tritt er in königlichen und kaiserlichen Dienst („prius Camerae Silesiae Fiscalis, deinde III. Impp. Roman. Consiliarius“5) und resigniert die Dompfründe vor dem 31.10.1549 seinem Bruder Nikolaus.6 Am 19.03.1558 wird er in den böhmischen Ritterstand erhoben,7 und von 1562 bis zu seinem Tode am 24. Januar 15898 ist er Vizekanzler von Böhmen (vgl. Anhang, Abb. 2).9

Unter anderem auf Georg Mehl von StrehlitzMehl von Strehlitz, Georg’ Empfehlung hin wurde der berühmte Breslauer Stadtarzt Johannes Crato von KrafftheimKrafftheim, Johannes Crato von im Herbst 1560 zum kaiserlichen Leibarzt Ferdinands I. ernannt.10 Als Caspar PeucerPeucer, Caspar im März 1570 Briefe seines Oheims und Schwiegervaters MelanchthonMelanchthon, Philipp herausgab, widmete er diesen Alter libellus epistolarum Philippi Melanthonis (Witebergae: Schleich & Schöne) dem Georg Mehl von StrehlitzMehl von Strehlitz, Georg mit überschwenglichen Worten (A5v–A6v):

[…] cum patronum quaererem […], qui […] excelleret sapientia, doctrina, virtutum laude, dignitate et autoritate, venerunt mihi in mentem[,] Magnifice Domine Procancellarie, patrone dignissime, ornamenta eximiae sapientiae et virtutum, quibus magnificentia tua eminet eo in loco, in quo est imperium orbis Christiani […]. Tuo itaque patrocinio et editionem hanc et me commendo, reverenter orans, ut […] conferas haec divina adminicula […] ad fovendos ac tuendos viros bonos, quibus in hac tristi et fatali collabentium literarum ruina, quantum de his adhuc consistit, fulcire atque conservare curae est […].

Als ich einen Patron suchte, der sich auszeichnet durch Weisheit, Gelehrsamkeit, Lob der Tugenden, Würde und Ansehen, da fielen mir, hochherziger Herr Prokanzler, würdigster Patron, die Zierden außergewöhnlicher Weisheit und Tugenden ein, durch die Deine Durchlaucht sich an dem Ort, wo das Christentum herrscht, auszeichnet. Deinem Patronat vertraue ich also diese Edition wie auch mich an mit der ehrfürchtigen Bitte, daß Du diese göttlichen Stützen zur Förderung und zum Schutze rechtschaffener Männer einsetzt, die sich in diesem traurigen und verderblichen Zusammenbruch der verfallenden Wissenschaften darum kümmern, was auch immer davon noch übrig ist, aufrechtzuerhalten und zu bewahren.

Kaum weniger pathetisch-enthusiastisch ist ein Jahr früher Joachim Camerarius’ Widmung an Georg Mehl von StrehlitzMehl von Strehlitz, Georg im Libellus gnomologicusCamerarius d.Ä., JoachimLibellus gnomologicus ausgefallen, doch dafür gelingt es ihm, sich in geschickter Weise in einem Netzwerk von ranghohen Personen der Respublica litteraria zu präsentieren und damit gleichzeitig sich und sein Werk zu legitimieren und zu empfehlen.

Den als böhmischer Vizekanzler gesellschaftlich über ihm stehenden Georg Mehl von StrehlitzMehl von Strehlitz, Georg als seinen Widmungsempfänger bindet Camerarius hauptsächlich über die gemeinsamen Bildungsinteressen ein, wenn er in dem die eigentliche Dedikation enthaltenden Teil seines Prooemiums (S. 20–24) einleitend sagt: Nam te et studia humanitatis atque eruditae doctrinae colere, et his deditos singulari eximii favoris benevolentia complecti, est mihi exploratum [„Denn ich weiß, daß Du sowohl das Bemühen um die Humanitas und die gelehrte Wissenschaft pflegst als auch die ihnen Ergebenen mit einzigartigem Wohlwollen von herausragender Gunst umschirmst“] (S. 21).11 Es folgt eine laudatio auf Georg Mehl in Form einer praeteritio, denn Camerarius will sich weiterer Lobpreisungen der virtutes illustres des Dedikationsempfängers, quae omnium consentiente praedicatione celebrantur [„die mit dem Lobspruch aller übereinstimmend gefeiert werden“], enthalten. Ihm genüge es – und damit kommt er auf das gemeinsame Interesse für die studia humanitatis, denen er sich a prima pueritia ad hoc usque senectus tempus [„von frühester Kindheit bis zu diesem Greisenalter“] gewidmet habe –, ihm genüge es völlig, quod te principem quoque habemus bonarum litterarum et artium [„daß wir Dich als Fürsten der guten Wissenschaften und Künste haben“] (ebd.).

Dann folgt Camerarius’ deliberatio, warum er dieses Werk gerade Mehl von StrehlitzMehl von Strehlitz, Georg, „Magnificentiae tuae“, widmen wolle. Darin hätten ihn nicht nur litterae tuae, me absente, allatas ab illo, qui equi abs te munus adduxit, et meis hic tradidit [„Dein Brief, in meiner Abwesenheit von demjenigen überbracht, der ‹auch› ein Pferd12Camerarius d.Ä., JoachimDe tractandis equisCamerarius d.Ä., JoachimDe tractandis equisBapst, ValentinKarlowitz, Christoph von als Geschenk von Dir herführte und den Meinen hier ‹in Leipzig› übergab“] bestärkt, sondern vor allem auch das Zureden des dignitate, virtute et doctrina praestantiss. V.D. Iohannes CratoKrafftheim, Johannes Crato von [„durch Würde, Tugend und Gelehrsamkeit herausragenden gelehrten Herrn Johannes CratoKrafftheim, Johannes Crato von“]. Bevor Camerarius dann am Schluß seiner Dedikation Wert und Nutzen seines Libellus gnomologicusCamerarius d.Ä., JoachimLibellus gnomologicus darlegt,13 betont er noch, wie sehr CratoKrafftheim, Johannes Crato von von „Magnificentia tua“ geschätzt werde und welch festes Freundschaftsband zwischen beiden bestehe. Das habe er jüngst in Wien selbst erfahren, als er Cratos Gast sein durfte. Damit reiht sich Camerarius in diesen Freundschaftsbund quasi ein, und indem kurz später erneut SambucusSambucus, Johannes und dessen wertvolle Bibliothek erwähnt werden, wird nachdrücklich die Bedeutung des humanistischen Freundschaftskultes herausgestellt.14Camerarius d.Ä., JoachimLibellus gnomologicusWolf, Hieronymus

Der Libellus gnomologicusCamerarius d.Ä., JoachimLibellus gnomologicus also bzw. die Lektüre seines Inhaltes werde – wie bereits oben angeführt – Georg von Mehl, aber auch Camerarius’ Freunden und allen interessierten übrigen Lesern nonnihil voluptatis […] allaturam, neque non aliquid praeclarae cogitationis subiecturam esse (S. 23). Doch bevor diese voluptas und cogitatio genauer betrachtet werden, zunächst noch die wichtigsten Punkte über PalladiusPalladius von Helenopolis’ Brahmanen-Opus.

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