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Das Haus am Ufer

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Das Haus am Ufer
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Das Haus mit dem Torbild, das den Mond im Schwarme der Himmelsgestirne zeigte, stand am Rande der Moldauinsel nicht weit von den Mauertrümmern einer niedergebrannten Mühle. Es war griesgrämig und verdrießlich. Auf den hölzernen Stiegen im Innern lärmten die Katzen, fröstelnde Dünste krochen aus den Kellern und auf den winkligen Pawelatschen trocknete die Wäsche der Mieter. Die großen Robinien, die unfern wuchsen, hüllten es ganz in ihren Schatten ein, machten es armseliger und dunkler, als es ohnehin war. Nur der Mond über der Einfahrt leuchtete und schmückte das Gesimse mit den berußten Topfblumen darauf mit Glanz.

Das Fenster des Zimmers, in dem die drei Schwestern schliefen, war dem Flusse zugekehrt. In der Nacht, wenn die Geräusche verstummten, wenn der Wind den dünnen Vorhang bauschte und die kleine Lampe über dem Bette der Jüngsten schon erloschen war, fing das Wasser wunderbar an zu orgeln. Es war fast, als ob es eine Stimme bekäme, einen unablässigen Gesang, der oft minutenlang anschwoll, beten und seufzen konnte. Den größten Teil des Jahres, vom Vorfrühling bis in den Spätherbst, war das Fenster immer geöffnet. Aber noch im Winter, wenn die Kälte die Luke schloß, kam das Gemurmel von unten herauf und murrte. Oder das Tauwetter plantschte über den gefrorenen Strom, lockte unheimlich, knisterte, heulte, brach das Eis aus den Fugen, daß es schrie und die Uferbewohner mit Hoiho und Hui aus dem Schlafe scheuchte. Das Frühjahr, wenn die Schneeschmelze anhub, brachte das Hochwasser. Da brandete dann der Fluß bis zu dem Haus mit dem Torbild, schwemmte den Keller voll Unrat, nagte an seinen Gründen. Das Wasser war fürchterlich, gelbschwarz und unruhig. Es kam mit zerbrochenem Hausgeräte, abenteuerlichen Balken des Wegs, tobte gegen die Brücken, brüllte beim Wehr. Sein Gesang, düster bei Tag, grausam während der Dunkelheit, wuchs in Sturmnächten zum Orkan. Er brach aus den Tiefen, mit Gewalt überladen, mit Fanfaren gesegnet. Da kam es wohl vor, daß eine der Schwestern nicht mehr anders vermochte, daß sie mit bloßen Füßen aus dem Bette sprang und an das Fenster eilte. Da stand sie dann eine Weile, lauschte den Stimmen, die unten riefen, und ihr schreckhaftes Herz klopfte über die Maßen.

Die Jugend der drei Geschwister war früh verwaist. Die Ernsthaftigkeit, die sie als Erbteil empfingen, wollte kein Zufall beflügeln. In ihrem Gehege ohne Ausblick und Mutwillen entspann sich ihr Schicksal. Anita, die älteste, ein kraushaariges Geschöpf mit roten Lippen und lässigen Gliedern, hatte die Schneiderei gelernt. Begabt und phantasievoll, eroberte sie mühelos einen Kundenkreis und verwebte die ungeduldigen Kapriolen ihres Bluts in bunten Bändern und Seidenrüschen. Wanda, die stillste, arbeitete als Maschinenschreiberin in einer Geschäftskanzlei. Nur Käthe, das Nesthäkchen, tat noch nichts Nützliches. Sie malte und las, band vor dem Spiegel die Masche um den Zopf, haschte die Katze in den Stiegengängen, oder hätschelte, trotzig in sich gekehrt, die wehleidige Schwermut ihrer fünfzehn Jahre.