Buch lesen: «Marsch der Könige»
MARSCH DER KÖNIGE
(Band 2 im Ring der Zauberei)
Morgan Rice
Über Morgan Rice
Morgan schrieb auch die Nr. 1 Bestseller Fantasy-Serie DER RING DER ZAUBEREI, die bisher aus zehn Bänden besteht und teilweise auch auf Deutsch erschienen ist. Die Serie beginnt mit QUESTE DER HELDEN (Band 1), erhältlich als kostenloser Download!
Morgan Rice schrieb die Nr. 1 Bestseller-Serie THE VAMPIRE JOURNALS, eine zehnteiligen Serie für Jugendliche, die bisher in sechs Sprachen übersetzt wurde und teilweise bereits auf Deutsch erhältlich ist.
Morgan Rice schrieb auch die Nr. 1 Bestseller ARENA ONE und ARENA TWO, den ersten beiden Titeln der post-apokalyptischen SURVIVAL Action-Thriller-Trilogie, die in der Zukunft angesiedelt ist.
Sämtliche Bücher von Morgan Rice werden demnächst in deutscher Sprache erhältlich sein.
Bitte besuchen Sie auch www.morganricebooks.com. Morgan freut sich auf Ihren Besuch.
Ausgewählte Kommentare zu Morgan Rice
„Rice leistet gute Arbeit, den Leser von Beginn an in die Geschichte hineinzuziehen, mit wunderbaren Beschreibungen, die über das reine Zeichnen des Hintergrundes hinausgehen....schön geschrieben und extrem schnell zu lesen.“
--Black Lagoon Reviews (über Turned - Verwandelt)
„Eine ideale Geschichte für junge Leser. Morgan Rice leistet gute Arbeit, eine interessante Wendung herauszuarbeiten...erfrischend und ungewöhnlich, mit allen klassischen Elementen, die in vielen Serien paranormaler Geschichten für Jugendliche zu finden sind. Die Serie dreht sich um ein Mädchen...ein außergewöhnliches Mädchen!...Einfach zu lesen, doch extrem rasant...empfehlenswert für alle, die gerne paranormale Soft-Romanzen lesen. Bedingt jugendfrei.“
--The Romance Reviews (über Turned - Verwandelt)
„Packte meine Aufmerksamkeit von Anfang an und ließ nicht locker... diese Geschichte ist ein fantastisches Abenteuer, von Beginn an rasant und actionreich. Es ist kein langweiliger Moment zu finden.“
--Paranormal Romance Guild {über Turned- Verwandelt}
„Vollgepackt mit Action, Romantik, Abenteuer und Spannung. Lasst es euch nicht entgehen, und verliebt euch ganz von Neuem.“
--vampirebooksite.com (über Turned - Verwandelt)
„Eine tolle Geschichte, und vor allem die Art von Buch, die man nachts nicht weglegen kann. Das Ende war ein Cliffhanger, der so spektakulär war, dass man sofort das nächste Buch kaufen möchte, nur um herauszufinden, wie es weitergeht.“
--The Dallas Examiner {über Loved - Geliebt}
„Ein Buch, das TWILIGHT und VAMPIRE DIARIES Konkurrenz macht, und dazu führen wird, dass man bis zur letzten Seite nicht genug davon bekommt! Wer Abenteuer, Liebe und Vampire mag, liegt mit diesem Buch genau richtig!“
--Vampirebooksite.com (über Turned - Verwandelt)
„Morgan Rice erweist sich erneut als äußerst talentiert im Geschichtenerzählen...Dies wird eine große Bandbreite an Lesern ansprechen, darunter die jüngeren Fans des Vampir/Fantasy-Genres. Das Ende ist ein unerwarteter Cliffhanger, der Sie schockieren wird.“
--The Romance Reviews (über Loved - Geliebt)
Bücher von Morgan Rice
auf Deutsch erschienen
DER RING DER ZAUBEREI
QUESTE DER HELDEN (Band 1)
MARSCH DER KÖNIGE (Band 2)
schon bald auf Deutsch erhältlich
A FEAST OF DRAGONS - FESTMAHL DER DRACHEN (Band 3)
A CLASH OF HONOR - KAMPF DER EHRE (Band 4)
A VOW OF GLORY - SCHWUR DES RUHMS (Band 5)
A CHARGE OF VALOR - ANGRIFF DER TAPFERKEIT (Band 4)
A RITE OF SWORDS - RITUS DER SCHWERTER (Band 7)
A GRANT OF ARMS - GEWÄHR DER WAFFEN (Band 8)
A SKY OF SPELLS - HIMMEL DER ZAUBER (Band 9)
A SEA OF SHIELDS - MEER DER SCHILDE (Band 10)
schon bald auf Deutsch erhältlich
THE SURVIVAL TRILOGY
ARENA ONE: SLAVERUNNERS (Band 1)
ARENA TWO (Band 2)
auf Deutsch erschienen
THE VAMPIRE JOURNALS -
VERWANDELT (Band 1)
GELIEBT (Band 2)
schon bald auf Deutsch erhältlich
BETRAYED (Band 3)
DESTINED (Band 4)
DESIRED (Band 5)
BETROTHED (Band 6)
VOWED (Band 7)
FOUND (Band 8)
RESURRECTED (Band 9)
CRAVED (Band 10)
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Hören Sie sich die RING DER ZAUBEREI-Serie im Hörbuch-Format an!
Jetzt erhältlich auf:
Copyright © 2013 Morgan Rice
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Diese Geschichte ist frei erfunden. Namen, Figuren, Unternehmen, Organisationen, Orte, Ereignisse und Vorfälle sind entweder ein Produkt der Phantasie des Autors oder werden im fiktionalen Sinne verwendet. Jegliche Ähnlichkeit mit existierenden Personen, tot oder lebend, ist rein zufällig.
INHALT
KAPITEL EINS
KAPITEL ZWEI
KAPITEL DREI
KAPITEL VIER
KAPITEL FÜNF
KAPITEL SECHS
KAPITEL SIEBEN
KAPITEL ACHT
KAPITEL NEUN
KAPITEL ZEHN
KAPITEL ELF
KAPITEL ZWÖLF
KAPITEL DREIZEHN
KAPITEL VIERZEHN
KAPITEL FÜNFZEHN
KAPITEL SECHZEHN
KAPITEL SIEBZEHN
KAPITEL ACHTZEHN
KAPITEL NEUNZEHN
KAPITEL ZWANZIG
KAPITEL EINUNDZWANZIG
KAPITEL ZWEIUNDZWANZIG
„Ist das ein Dolch, was ich vor mir erblicke,
Der Griff mir zugekehrt? Komm, laß dich packen!
Ich faß dich nicht, und doch seh ich dich immer.“
—William Shakespeare
Macbeth
KAPITEL EINS
König MacGil stolperte in sein Gemach. Er hatte viel zu viel getrunken, der Raum drehte sich, seine Schläfen pochten von den Festivitäten des Abends. Eine Frau, deren Namen er nicht kannte, hing an seiner Seite, einen Arm um seine Mitte drapiert, ihre Bluse halb ausgezogen, und führte ihn kichernd seinem Bett entgegen. Zwei Bedienstete schlossen die Tür hinter ihnen und zogen sich diskret zurück.
MacGil wusste nicht, wo seine Königin war, und in dieser Nacht kümmerte es ihn auch nicht. Sie teilten nur noch selten das Bett—sie zog sich oft in ihre eigenen Gemächer zurück, besonders an Festmahl-Abenden, wenn die Feier zu lange andauerte. Sie wusste von den Indiskretionen ihres Ehemannes und es schien sie nicht zu bekümmern. Immerhin war er König, und die MacGil-Könige hatten schon immer mit vollem Anspruch regiert.
Doch als MacGil auf sein Bett zusteuerte, drehte sich das Zimmer doch etwas zu heftig, und er wollte diese Frau plötzlich wegschicken. Er war nicht länger in der Stimmung dafür.
„Lass mich allein!“, befahl er und schob sie davon.
Die Frau stand verdutzt und gekränkt da, und die Tür öffnete sich, um die Bediensteten hereinzulassen, die jeweils einen Arm der Frau packten und sie hinausführten. Sie protestierte, doch nachdem sie die Tür hinter ihr zugezogen hatten, war ihr Gezeter nur noch gedämpft zu hören.
MacGil setzte sich auf seine Bettkante und stützte den Kopf in die Hände im Versuch, seinen Kopfschmerzen Einhalt zu gebieten. Es war für ihn ungewöhnlich, dass er so früh schon Kopfschmerzen hatte, noch bevor der Alkohol sich ganz aus seinem Körper verflüchtigt hatte, doch diese Nacht war anders. Alles hatte sich so schnell verändert. Das Festmahl war so gut gelaufen; er hatte sich gerade mit einem feinen Stück Fleisch und einem starken Wein niedergelassen, als der Junge, Thor, auftauchen und alles ruinieren musste. Erst war es sein Hereinplatzen mit seinem dummen Traum gewesen; dann hatte er die Dreistigkeit besessen, ihm den Kelch aus der Hand zu schlagen.
Dann musste dieser Hund daherkommen und den Wein auflecken, und vor aller Augen tot umfallen. Seither war MacGil war tief erschüttert. Die Erkenntnis hatte ihn wie ein Hammerschlag getroffen: jemand hatte versucht, ihn zu vergiften. Ihn zu ermorden. Er konnte es kaum verarbeiten. Jemand hatte sich an seinen Wachen vorbeigeschlichen, vorbei an seinen Wein- und Speisenvorkostern. Er war einen Atemzug davon entfernt gewesen, tot zu sein, und das erschütterte ihn nach wie vor.
Er erinnerte sich daran, wie Thor zum Kerker abgeführt wurde und fragte sich erneut, ob es der richtige Befehl gewesen war. Auf der einen Seite war es natürlich absolut unmöglich, dass der Junge vom Gift im Kelch gewusst haben konnte, es sei denn, er selbst hätte es dorthin getan oder wäre auf andere Art an dem Anschlag beteiligt gewesen. Andererseits wusste er, dass Thor über tiefe, geheimnisvolle Kräfte verfügte—etwas zu geheimnisvoll—und vielleicht doch die Wahrheit gesagt hatte: vielleicht hatte er es tatsächlich in einem Traum gesehen. Vielleicht hatte Thor tatsächlich sein Leben gerettet, und MacGil hatte die eine Person in den Kerker gesteckt, die wahrhaft loyal war.
MacGils Schläfen pochten bei dem Gedanken, als er dasaß und sich seine zu stark zerfurchte Stirn rieb, in dem Versuch, das alles zu verstehen. Doch er hatte in dieser Nacht zu viel getrunken, sein Geist war zu benebelt, seine Gedanken wirbelten und er konnte dem Ganzen nicht auf den Grund kommen. Es war zu heiß hier drin, eine schwüle Sommernacht, sein Körper war überhitzt vom stundenlangen Schlemmen von Speis und Trank, und er spürte, wie er schwitzte.
Er streckte sich und warf seinen Mantel ab, dann sein Überhemd, und zog sich bis auf sein Unterhemd aus. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn, dann von seinem Bart. Er lehnte sich zurück und zog sich die riesigen, schweren Stiefel aus, einem nach dem anderen, und bewegte die Zehen an der frischen Luft. Er saß schwer atmend da und versuchte, das Gleichgewicht wiederzuerlangen. Sein Bauch war heute angewachsen, und er fühlte sich beschwerlich. Er warf die Beine hoch und lehnte sich zurück, seinen Kopf auf das Kissen bettend. Er seufzte und blickte hoch, an den Bettpfosten vorbei an die Decke, und versuchte, das Zimmer im Geiste dazu zu überreden, das Drehen einzustellen.
Wer würde mich töten wollen?, fragte er sich ein weiteres Mal. Er hatte Thor wie einen Sohn geliebt, und ein Teil von ihm konnte spüren, dass er es nicht gewesen sein konnte. Er fragte sich, wer es dann sein konnte, welches Motiv sie haben konnten—und, was am wichtigsten war, ob sie einen erneuten Versuch unternehmen würden. War er in Sicherheit? Waren Argons Voraussagungen wahr?
MacGil fühlte seine Augenlider schwer werden, als die Antwort seinem Geist hartnäckig entglitt. Wenn er nur bei klarerem Verstand wäre, könnte er der Sache vielleicht auf den Grund kommen. Doch er würde auf das Licht des neuen Tages warten müssen, um seine Ratgeber zu versammeln und eine Untersuchung der Geschehnisse in die Wege zu leiten. Die Frage war in seinen Augen weniger, wer ihn tot sehen wollte—und vielmehr, wer ihn nicht tot sehen wollte. Sein Hof war voll mit Leuten, die nach seinem Thron gierten. Ehrgeizige Generäle; verschwörerische Hofräte; machthungrige Adelige und Lords; Spione; alte Rivalen; Attentäter der McClouds—und vielleicht sogar aus den Wildlanden. Vielleicht sogar noch nahestehender.
MacGils Lider flatterten, während der Schlaf ihn übermannte; doch etwas erregte seine Aufmerksamkeit und hielt sie offen. Er bemerkte Bewegung und blickte auf, nur um festzustellen, dass seine Bediensteten nicht da waren. Er blinzelte verwirrt. Seine Bediensteten ließen ihn niemals alleine. Tatsächlich konnte er sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal in diesem Zimmer allein gewesen war, nur er selbst. Er konnte sich nicht entsinnen, sie fortgeschickt zu haben. Was noch seltsamer war: seine Tür stand weit offen.
In dem Moment hörte MacGil ein Geräusch aus der anderen Ecke des Zimmers und drehte sich dorthin um. Dort an der Wand, aus den Schatten in das Kerzenlicht tretend, war ein Mann, groß und schlank, in einen schwarzen Umhang gehüllt, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen. MacGil blinzelte mehrmals und fragte sich, ob er schon Trugbilder sah. Zuerst war er sich noch sicher, dass es nur Schatten waren, und das Flackern der Fackeln seinen Augen einen Streich spielte.
Doch einen Augenblick später war die Gestalt einige Schritte nähergetreten und kam flink auf sein Bett zu. MacGil versuchte, bei dem schwachen Licht zu erkennen, wer es war; instinktiv richtete er sich auf und, alter Krieger, der er war, griff nach seinem Gürtel, für ein Schwert oder zumindest einen Dolch. Doch er hatte sich entkleidet und es waren keine Waffen zur Hand. Unbewaffnet saß er auf seinem Bett.
Die Gestalt bewegte sich nun sehr schnell, wie eine Schlange in der Nacht, immer näher kommend. Als MacGil sich aufsetzte, konnte er ihr Gesicht sehen. Das Zimmer drehte sich nach wie vor und seine Trunkenheit verhinderte, dass er klar mitbekam, was passierte, doch einen Moment lang hätte er schwören können, dass es das Gesicht seines Sohnes war.
Gareth?
MacGils Herz wurde von einer plötzlichen Panik gepackt, als er sich wunderte, was er hier bloß suchen konnte, unangekündigt, so spät in der Nacht.
„Mein Sohn?“, rief er aus.
MacGil sah die mörderische Absicht in seinen Augen, und mehr brauchte er nicht zu sehen—er setzte an, aus dem Bett zu springen.
Doch die Gestalt bewegte sich zu schnell. Sie sprang in Aktion, und bevor MacGil noch schützend den Arm heben konnte, blitzte Metall im Licht der Fackeln auf und flink, zu flink, schnitt eine Klinge durch die Luft—und versenkte sich in seinem Herzen.
MacGil schrie auf, ein tiefer, dunkler Schmerzensschrei, und der Klang seines eigenen Schreis überraschte ihn. Es war ein Schrei, den er im Kampf zu oft gehört hatte. Es war der Schrei eines Kriegers, der tödlich verwundet war.
MacGil fühlte, wie das kalte Metall durch seine Rippen brach, sich durch Muskel bohrte, mit seinem Blut vermengte, dann tiefer, immer tiefer vordrang, der Schmerz intensiver, als er je für möglich gehalten hatte, während es scheinbar ohne Ende weiter vordrang. Mit einem scharfen Atemzug spürte er, wie sein Mund sich mit heißem, salzigem Blut füllte. Das Atmen fiel ihm schwer. Er zwang sich dazu, hochzublicken, auf das Gesicht hinter der Kapuze. Er war überrascht: er hatte sich geirrt. Es war nicht das Gesicht seines Sohnes. Es war jemand anderes. Jemand, den er erkannte. Er konnte sich nicht erinnern, wer er war, doch es war jemand, der ihm nahestand. Jemand, der aussah wie sein Sohn.
Verwirrung zermarterte seinen Geist, als er sich abmühte, dem Gesicht einen Namen zuzuordnen.
Während sich die Gestalt mit dem Messer in der Hand über ihn beugte, brachte es MacGil irgendwie zustande, eine Hand zu heben und dem Mann gegen die Schulter zu stoßen, im Versuch, ihn aufzuhalten. Er spürte ein Aufwallen der alten Krieger-Kraft in sich, spürte die Kraft seiner Ahnen, spürte den Teil von ihm tief in seinem Inneren, der ihn zum König machte, der ihn nicht aufgeben ließ. Mit einem gewaltigen Stoß schaffte er es, den Attentäter mit ganzer Kraft zurückzustoßen.
Der Mann war dünner, schmächtiger als MacGil gedacht hatte; er stolperte mit einem Aufschrei rückwärts und taumelte durch das Zimmer. MacGil schaffte es, aufzustehen und mit enormer Anstrengung das Messer zu fassen und aus seiner Brust zu ziehen. Er warf es quer durch den Raum und es pralle klirrend gegen den Steinboden, schlitterte daran entlang und krachte in die gegenüberliegende Wand.
Der Mann, dessen Kapuze ihm auf die Schultern heruntergefallen war, rappelte sich auf und starrte MacGil mit weit aufgerissenen Augen entsetzt entgegen, als dieser auf ihn losstürmte. Er rannte quer durchs Zimmer davon, gerade lange genug pausierend, um auf dem Weg hinaus den Dolch aufzuheben.
MacGil versuchte, ihm nachzujagen, doch der Mann war zu schnell, und plötzlich wallte der Schmerz auf und fuhr ihm durch die Brust. Er spürte, wie er schwächer wurde.
MacGil stand alleine in seinem Zimmer und blickte hinunter auf das Blut, das von seiner Brust in seine offenen Handflächen quoll. Er sank auf die Knie.
Er spürte, wie sein Körper kälter wurde, lehnte sich zurück und versuchte, Hilfe zu rufen.
„Wachen“, rief er schwächlich.
Er holte tief Luft, und unter unsäglichen Qualen brachte er seine tiefe Stimme hervor. Die Stimme eines einstigen Königs.
„WACHEN!“, ertönte sein gellender Schrei.
In einem fernen Korridor hörte er Schritte, die langsam näher kamen. Er hörte, wie eine entfernte Tür geöffnet wurde, spürte, wie Körper sich ihm näherten. Doch das Zimmer drehte sich erneut, und diesmal kam es nicht vom Wein.
Das letzte, was er sah, war der kalte Steinboden, der seinem Gesicht entgegenkam.
KAPITEL ZWEI
Thor packte den eisernen Griff der enormen Holztüre vor ihm und zerrte mit aller Kraft. Sie öffnete sich langsam, knarrend, und vor ihm tat sich die Schlafkammer des Königs auf. Er machte einen Schritt hindurch, und als er über die Schwelle, trat spürte er, wie sich die Haare auf seinen Armen aufrichteten. Er konnte eine tiefe Dunkelheit hier spüren, die wie ein Nebel in der Luft lag.
Thor trat ein paar Schritte in die Kammer hinein, hörte das Knistern der Fackeln an den Wänden, als er sich dem Körper näherte, der als Haufen auf dem Boden lag. Er konnte bereits spüren, dass es sich um den König handelte, und dass er ermordet worden war—dass er, Thor, zu spät gekommen war. Thor musste sich wundern, wo die Wachen waren; warum niemand hier war, um ihn zu retten.
Thors Knie wurden schwach, während er die letzten Schritte zum Körper zurücklegte; er kniete sich auf den Steinboden, packte die schon kalten Schultern und drehte den König herum.
Da lag MacGil, sein einstiger König, mit weit offenen Augen, tot...
Thor blickte hoch und sah plötzlich den Tischdiener des Königs über ihnen stehen. Er hielt einen großen, juwelenbesetzten Kelch aus massivem Gold mit Reihen von Rubinen und Sapphiren, den Thor vom Festmahl her erkannte. Den Blick starr auf Thor gerichtet, goss der Diener ihn langsam auf die Brust des Königs. Der Wein spritzte Thor ins Gesicht.
Thor hörte ein Kreischen und erblickte seinen Falken, Estopheles, auf der Schulter des Königs sitzen; sie leckte den Wein von seinen Wangen.
Thor hörte ein Geräusch und sah Argon, der über ihn gebeugt war und streng auf ihn hinab blickte. In einer Hand hielt er die glänzende Krone. In der anderen seinen Stab.
Argon kam auf Thor zu und setzte ihm die Krone fest aufs Haupt. Thor konnte sie spüren, ihr Gewicht, das sich gegen seinen Kopf drückte; sie passte wie angegossen, und das Metall schmiegte sich an seine Schläfen. Er blickte staunend zu Argon hoch.
„Du bist nun König“, verkündete Argon.
Thor blinzelte, und als er die Augen öffnete, standen vor ihm sämtliche Mitglieder der Legion, der Silbernen; hunderte Männer und Jungen waren in die Kammer gepfercht, ihre Gesichter ihm zugewandt. Wie eine Einheit knieten sie nieder und verbeugten sich vor ihm, ihre Köpfe tief zu Boden geneigt.
„Unser König“, ertönte ein Chor an Stimmen.
Thor schreckte aus dem Schlaf hoch. Er saß aufrecht da, keuchend, und blickte sich in alle Richtungen um. Hier drin war es dunkel und feucht, und er erkannte, dass er auf einem Steinboden saß, mit dem Rücken gegen die Wand. Er kniff die Augen zusammen und blickte in die Dunkelheit, sah eiserne Gitterstäbe in der Ferne, dahinter eine flackernde Fackel. Dann erinnerte er sich: der Kerker. Sie hatten ihn nach dem Festmahl hier heruntergeschleppt.
Er erinnerte sich an den Wachmann, der ihm die Faust ins Gesicht geschlagen hatte, und ihm wurde klar, dass er bewusstlos gewesen sein musste; er wusste nicht, wie lange. Er setzte sich auf, keuchte schwer und versuchte, den entsetzlichen Traum fortzuwischen. Er hatte sich so echt angefühlt. Er betete, dass es nicht wahr war, dass der König nicht wirklich tot war. Der Anblick des toten Königs war in seine Gedanken gebrannt. Hatte Thor wirklich etwas vorhergesehen? Oder war das alles nur seine Phantasie?
Thor spürte jemanden gegen seine Fußsohle treten und sah eine Gestalt über ihm stehen.
„Wird ja langsam Zeit, dass du aufwachst“, ertönte eine Stimme. „Ich warte schon seit Stunden.“
Im schwachen Licht erkannte Thor das Gesicht eines Jungen in etwa seinem Alter. Er war dünn, kurz, mit hohlen Wangen und pockennarbiger Haut—und doch lag Freundlichkeit und Scharfsinn in seinen grünen Augen.
„Ich bin Merek“, sagte er. „Dein Zellengenosse. Wofür sitzt du?“
Thor richtete sich im Sitzen auf und versuchte, zu klarem Verstand zu kommen. Er lehnte sich gegen die Wand, fuhr sich mit den Fingern durchs Haar und versuchte, sich zu erinnern, seine Gedanken zu sammeln.
„Sie sagen, du hast versucht, den König zu ermorden“, setzte Merek fort.
„Das hat er auch, und wir werden ihn dafür in Stücke reißen, falls er jemals wieder hinter diesen Gittern hervorkommt“, knurrte eine Stimme.
Ein tosendes Geklapper brach aus, Zinnbecher schlugen gegen metallene Gitterstäbe, und Thor sah, wie überall entlang des mit Zellen gesäumten Korridors grotesk aussehende Gefangene ihre Köpfe zwischen den Gitterstäben herausstreckten und ihm im flackernden Licht der Fackeln wütende Blicke zuwarfen. Die meisten von ihnen waren unrasiert, hatten Zahnlücken, und manche sahen aus, als wären sie schon jahrelang hier unten. Es war ein grauenerregender Anblick, und Thor zwang sich, seinen Blick abzuwenden. War er wirklich hier unten? Saß er für immer hier unten fest, mit diesen Kerlen?
„Mach dir nichts aus denen“, sagte Merek. „In dieser Zelle gibt es nur dich und mich. Sie können nicht herein. Und mir ist es egal, ob du den König vergiftet hast. Ich würde ihn selbst gern vergiften.“
„Ich habe den König nicht vergiftet“, sagte Thor beleidigt. „Ich habe gar niemanden vergiftet. Ich habe versucht, ihn zu retten. Ich habe nichts getan, außer seinen Kelch umzuwerfen.“
„Und woher hast du gewusst, dass der Kelch vergiftet war?“, kreischte eine Stimme aus dem Korridor, die gelauscht hatte. „Hexerei, nehme ich an?“
Ein Chor zynischen Gelächters erhob sich aus dem Zellenschacht.
„Er ist ein Hellseher!“, rief einer von ihnen spöttisch aus.
Die anderen lachten.
„Aber nein, es war reines Rateglück!“, grölte noch jemand zur Erheiterung aller.
Thor blickte finster drein. Er mochte die Anschuldigungen nicht, er wollte sie alle berichtigen. Doch er wusste, es wäre Zeitverschwendung. Außerdem brauchte er sich vor diesen Verbrechern nicht zu rechtfertigen.
Merek beobachtete ihn mit einem Blick, der nicht so skeptisch war wie die anderen. Er sah aus, als würde er abwägen.
„Ich glaube dir“, sagte er leise.
„Wirklich?“, fragte Thor.
Merek zuckte mit den Schultern.
„Ist doch so: wenn du den König vergiften wolltest, wärst du dann wirklich so dumm und erzählst ihm davon?“
Merek drehte sich um und ging die paar Schritte hinüber zu seiner Seite der Zelle. Er lehnte sich gegen die Wand und setzte sich hin, Thor zugewandt.
Nun war Thor neugierig.
„Wofür sitzt du denn?“, fragte er.
„Ich bin ein Dieb“, antwortete Merek mit einem Hauch von Stolz.
Thor war überrascht; er hatte noch nie mit einem Dieb zu tun gehabt, einem echten Dieb. Ihm selbst war es noch nie in den Sinn gekommen, zu stehlen, und es hatte ihn immer schon erstaunt, dass manche Menschen so etwas taten.
„Warum tust du es?“, fragte Thor.
Merek zuckte mit den Schultern.
„Meine Familie hat nichts zu essen. Sie brauchen Nahrung. Ich habe keine Schulbildung oder sonst etwas, was ich kann. Aber stehlen kann ich. Keine großen Sachen. Meistens nur Essen. Was immer sie brauchen, um durchzukommen. Ich bin jahrelang damit davongekommen. Dann haben sie mich erwischt. Genau gesagt ist dies das dritte Mal, dass sie mich erwischt haben. Beim dritten Mal ist es am schlimmsten.“
„Warum?“, fragte Thor.
Merek wurde still, dann schüttelte er langsam den Kopf. Thor konnte sehen, wie seine Augen sich mit Tränen füllten.
„Die Königlichen Gesetze sind streng. Keine Ausnahmen. Beim dritten Vergehen verlierst du die Hand.“
Thor war entsetzt. Er blickte auf Mereks Hände; sie waren beide noch da.
„Sie haben mich noch nicht geholt“, sagte Merek. „Aber das werden sie.“
Thor fühlte sich furchtbar. Merek blickte weg, als würde er sich schämen, und Thor tat es ihm gleich; er wolle nicht darüber nachdenken.
Thor legte den Kopf in die Hände; quälende Kopfschmerzen plagten ihn, während er versuchte, seine Gedanken zu sammeln. Die letzten paar Tage schienen wie ein Wirbelwind; so viel war geschehen, und alles ging so schnell. Einerseits verspürte er ein Erfolgsgefühl, eine gewisse Bestätigung: er hatte die Zukunft gesehen, hatte MacGils Giftanschlag vorhergesehen und hatte ihn davor gerettet. Vielleicht konnte man das Schicksal also doch ändern—vielleicht konnte man Vorsehung also beugen. Thor verspürte Stolz: Er hatte seinen König gerettet.
Andererseits: hier war er also. Im Kerker, und nicht in der Lage, seinen Namen reinzuwaschen. Seine Hoffnungen und Träume lagen in Scherben; jede Chance, zur Legion zu gehören, war dahin. Nun konnte er von Glück sprechen, wenn er nicht den Rest seiner Tage hier unten verbringen würde. Es schmerzte ihn, dass MacGil, der Thor wie ein Vater aufgenommen hatte, der einzige wahre Vater, den er je gehabt hatte, tatsächlich glauben konnte, dass Thor versuchen würde, ihn zu töten. Es schmerzte ihn, dass sein bester Freund Reece glauben könnte, er hätte versucht, seinen Vater zu ermorden. Oder noch schlimmer, Gwendolyn. Er dachte an ihre letzte Begegnung zurück—als sie geglaubt hatte, dass er sich in Freudenhäusern herumtrieb—und es fühlte sich an, als wäre alles Gute in seinem Leben unter ihm weggezogen worden. Er fragte sich, warum das alles ihm passierte. Immerhin wollte er doch nur Gutes tun.
Thor wusste nicht, was aus ihm werden würde; es war ihm auch egal. Er wollte nur noch seinen Namen reinwaschen; wollte, dass die Leute wussten, dass er dem König nichts getan hatte; dass er echte Kräfte hatte, die Zukunft wirklich gesehen hatte. Er wusste nicht, was aus ihm werden würde, doch eines wusste er: er musste hier raus. Irgendwie.
Bevor Thor den Gedanken zu Ende denken konnte, hörte er die Schritte schwerer Stiefel, die den Korridor entlangstapften; dann folgte ein Rasseln von Schlüsseln, und Augenblicke später erschien ein bulliger Wärter, der Mann, der Thor hierher gezerrt und ihm ins Gesicht geschlagen hatte. Bei seinem Anblick wurde Thor erstmals der Schmerz bewusst, der sich über seine Wange zog, und er empfand körperliche Abneigung.
„Na, wenn das nicht das kleine Würstchen ist, das versucht hat, den König zu ermorden“, grummelte der Wärter finster, während er den eisernen Schlüssel im Schloss umdrehte. Es schnappte ein paar Mal, dann schob er die Zellentür zur Seite. Er hielt Eisenfesseln in einer Hand, und an seinem Gürtel hing eine kleine Axt.
„Du kommst schon noch dran“, zischte er Thor zu, dann wandte er sich an Merek. „Aber jetzt bist du an der Reihe, du kleiner Dieb. Drittes Mal“, sagte er mit einem boshaften Grinsen, „keine Ausnahmen.“
Er schnappte nach Merek, packte ihn grob, riss ihm einen Arm hinter den Rücken, schnallte ihm die Fessel an und schnallte das andere Ende um einen Haken an der Wand. Merek schrie auf, zerrte wie wild an der Fessel, versuchte, sich loszureißen; doch es war nutzlos. Der Wärter packte ihn von hinten, hielt ihn in einem festen Klammergriff, packte seinen freien Arm und platzierte ihn auf einem Steinblock.
„Das wird dich lehren, zu stehlen“, grollte er.
Er zog die Axt von seinem Gürtel und hob sie hoch über seinen Kopf, sein Mund weit geöffnet, seine hässlichen Zähne hervorstehend, und zischte.
„NEIN“, schrie Merek.
Thor saß entsetzt wie angewurzelt da, während der Wärter mit seiner Waffe niederfuhr und auf Mereks Handgelenk zielte. Thor wurde klar, dass in wenigen Sekunden die Hand dieses armen Jungen abgeschlagen sein würde, für immer, aus keinem anderen Grund als kleinen Nahrungsdiebstählen, um seiner Familie zu helfen. Die Ungerechtigkeit brannte tief in ihm und er wusste, er konnte es nicht zulassen. Es war einfach nicht gerecht.
Thor fühlte seinen ganzen Körper heiß werden und spürte ein Brennen, das von seinen Füßen aufstieg und durch seine Handflächen floss. Er fühlte, wie die Zeit sich verlangsamte, wie er sich schneller bewegte als der Mann; spürte jeden Augenblick jeder Sekunde, in der die Axt des Mannes in der Luft hing. Thor konnte einen brennenden Ball aus Energie in seiner Hand fühlen und schleuderte ihn auf den Wärter.
Erstaunt sah er zu, wie die gelbe Kugel aus seiner Hand schoss, durch die Luft flog, die dunkle Zelle mit einem Schweif erhellend—und den Wärter direkt ins Gesicht traf. Er ließ die Axt fallen und wurde quer durch die Zelle geworfen, krachte in eine Wand und brach zusammen. Thor hatte Merek gerettet, einen Sekundenbruchteil bevor die Klinge sein Handgelenk erreicht hätte.