Date to go - (K)ein Mann zum mitnehmen

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Date to go - (K)ein Mann zum mitnehmen
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Mira Schwarz

Date to go - (K)ein Mann zum mitnehmen

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Mira Schwarz

Prolog - Ein ganz normaler Tag

Kapitel 1 - Auf zu neuen Ufern!

Kapitel 2 - Ein Date to go

Kapitel 3 - Aller Anfang ist schwer

Kapitel 4 - Eine neue Welt

Kapitel 5 - Harmlose Notlügen

Kapitel 6 - Gefährliches Spiel

Kapitel 7 - Gemeinsame Lügen

Kapitel 8 - Schonungslose Offenheit

Kapitel 9 - Tiefschläge

Kapitel 10 - Engel und Teufel

Kapitel 11 - Zeit zum Aufräumen

Kapitel 12 - (K)ein Mann zum mitnehmen

Inhalt

Vielen Dank

Impressum tolino

Mira Schwarz

Date to go

(K)ein Mann zum mitnehmen

Dezember 2015

Copyright © Mira Schwarz

www.facebook.com/Autorin.MiraSchwarz

autorin.miraschwarz@gmail.com

All rights reserved

Ich war erledigt. Definitiv.

Aber es musste halt schnell gehen.

Und das alles nur, weil ich versucht hatte mir einen Mann zu kaufen. Na ja, zu borgen.

Jetzt hatte ich den Salat.

Prolog - Ein ganz normaler Tag

Ich war fertig.

Wie um alles in der Welt, konnte man auch nur auf die Idee kommen sich einen Mann zu kaufen? Das war dämlich. Also, so richtig dämlich. Okay, ich wolle ihn mir nur borgen. Aber selbst das …

Jetzt hatte ich den Salat.

Und das Schlimmste war, das hatte ich mir selbst eingebrockt.

Acht Stunden, beinahe am Stück, hatte ich an der Kasse von „Verenas Biosupermarkt“ gesessen. Wer selbst noch nicht als Verkäuferin gearbeitet hat, dem kann ich eins verraten: ein Zuckerschlecken ist dieser Job nicht. Nie wieder würde ich zu anderen Kassierern unfreundlich sein. Allein das herablassende Verhalten von den Kunden kann einen ganz schön fertig machen.

Wie war ich bloß hier gelandet?

Unterm Strich kamen mir die Ereignisse der letzten Wochen immer noch wie ein böser Traum vor. Eben war ich noch auf dem direkten Weg zur Star-Architektin - jetzt zog ich überteuerte Lebensmittel über eine Scannerkasse, während das immerwährende Piepen sich wieder und wieder in meine Erinnerungen fraß.

Die Arbeit im Biosupermarkt fühlte sich an, als müsste ich Sozialstunden ableisten, um nicht ins Gefängnis zu wandern. Dabei hatte ich doch gar kein Verbrechen begangen! Okay, zugegeben - ich hatte versucht, mir einen Mann zu kaufen. Das war zwar keine Information, die man sich auf die Visitenkarte drucken ließ. Aber es war auch nicht illegal. Vielleicht hatte mein moralischer Kompass nicht direkt nach Norden gezeigt, aber ich war deshalb noch lange nicht das weibliche Gegenstück zu Silvio Berlusconi.

Hoffte ich zumindest.

Dabei war ich auch überhaupt nicht der italienische Typ. Das fing schon bei meiner Haarfarbe an. Ich nannte sie zwar hartnäckig blond, aber eigentlich hatte ich rote Haare. Im Sommer bekam ich auch noch Sommersprossen, allerdings nur auf der Nase. Ich war zwar, Gott sei Dank, nicht so blass wie manch andere Rothaarige. Trotzdem band ich meine Haare immer zu einem kleinen Zopf zusammen, damit man nicht so viel von ihnen sah.

Das Problem war ja nicht, dass ich keine roten Haare mochte. Es waren die überzogenen Erwartungen, die alle Welt an Rothaarige stellte. Frech, leidenschaftlich, witzig – das alles schwebte wie eine permanente Forderung über meinem roten Schopf. Sofort kam ich mir sterbenslangweilig vor, wenn ich keine Wildkatze im Bett war oder keine Lust auf Bunjee-Jumping hatte.

Ein Pferd, einen Affen und eine Vila besaß ich auch. Obwohl ich insgeheim erstes ziemlich cool fand und letztes gerne hätte.

Im Gegensatz zu den gängigen Klischees war ich nämlich alles andere als abenteuerlustig oder unberechenbar. Auch was Sex anging, hatte ich es lieber kuschelig und gemütlich. Das klingt zwar nicht so toll, ist aber leider die Wahrheit.

Nicht jeder lernt schließlich bei einem Interview-Termin auf der Uni einen gut aussehenden Milliardär kennen, der die Dame des Herzens in eine Welt entführt, die man sich nie hätte träumen lassen. Für alle anderen blieb nur die Ochsentour, um Männer kennenzulernen. Also Partys, Bars, Internet und jegliche anderen gesellschaftlichen Gepflogenheiten.

Ich hatte mein Leben gern geordnet und ich steckte mir hohe Ziele, die ich unbedingt erreichen wollte. Obwohl ich zugeben musste, dass ich mich in den letzten Wochen wesentlich rothaariger verhalten hatte, als jemals zuvor in meinem Leben.

„Bekommen Sie denn auch bald wieder die Bio-Feigen herein?“, fragte meine letzte Kundin und riss mich aus meinen Gedanken.

Ich hatte keine Ahnung, nickte aber. „Ja, nächste Woche sollten die wieder da sein“, sagte ich ins Blaue hinein.

Ich verabschiedete die Frau und stellte das „GESCHLOSSEN“-Schild auf mein Laufband. Dann hob ich die schwere Metallkasse aus der Schublade, um sie nach hinten zu bringen. Die andere Kasse war noch besetzt - ich hatte heute die frühe Schicht gehabt.

Meine Schritte wurden beschwingter, als ich durch den Laden ging. Immerhin hatte ich wieder einen Tag mit Dinkelbrot und Sojamilch überstanden. Das war im Moment alles, was zählte. Ich verließ den großen Verkaufsraum durch eine Tür, auf der „NUR FÜR MITARBEITER“ stand. Zügig durchquerte ich den dunklen Flur, der zu den Lagerräumen führte und bog in den kleinen Gemeinschaftsraum ab. Ich hängte meinen blauen Arbeitskittel an einen Haken und griff nach meiner Tasche.

Eine Stimme ließ mich in der Bewegung verharren. „Isabel, könnte ich dich einen Moment sprechen?“

Verdammt, ich war nicht schnell genug gewesen. Durch die halb geöffnete Tür schob sich der Kopf von Katharina, der Geschäftsführerin.

„Sicher“, seufzte ich und hängte meine Tasche zurück an den Haken. Unauffällig warf ich einen Blick auf die Uhr. Ich hatte eigentlich seit zehn Minuten Feierabend.

Katharina winkte mich zu sich heran und zeigte auf ihr kleines Büro. Sie war mindestens fünf Jahre jünger als ich, gerade mal Mitte zwanzig. Seit einem Jahr war sie für die vier Hamburger Verena-Biosupermärkte zuständig. Soweit ich sehen konnte, war das ein recht übersichtlicher Job. Aber Katharina benahm sich gerne so, als müsste sie ein international operierendes Milliarden-Unternehmen managen.

„Worum geht es denn?“, fragte ich und versuchte, jeden aggressiven Unterton aus meiner Stimme zu verbannen.

„Pass auf“, sagte sie, als spräche sie mit einem Kind. „Wir haben hier ein paar einfache Regeln. Erstens: Unter den blauen Kitteln tragen wir weiß. Und zweitens: Wenn wir uns an der Kasse von den Kunden verabschieden, fragen wir: Haben Sie alles bekommen?

Ich sah an mir herunter. Ich trug ein T-Shirt in hellstem Beige. Und ich hatte diese dämliche Frage wirklich so gut wie allen Kunden gestellt und ihre genervten Blicke heldenhaft ertragen. Ich atmete tief durch. „Tut mir leid, ich werde in Zukunft daran denken.“

„Das wird schon noch.“ Mein unterwürfiges Verhalten stimmte sie milde, aber sie konnte sich eine spitze Bemerkung trotzdem nicht verkneifen. „Eigentlich solltest du doch in der Lage sein, dir diesen einfachen Satz merken zu können“, fügte sie hinzu.

Ich dachte an mein mit Auszeichnung bestandenes Architektur-Studium. An mein Auslandssemester in Oxford. Ich hatte nach meinem Abschluss mit achtundzwanzig Jahren einen Job in einem der führenden Architektur-Büros Deutschlands ergattert. Ich war noch vor ein paar Wochen federführend für ein Millionenprojekt zuständig gewesen. Aber Fakt war: jetzt war ich hier und arbeitete als Kassiererin.

 

Manchmal war das Karma ein wirklich mieser Verräter.

Mein Lächeln vereiste, aber ich nickte brav. „Wie gesagt, ich werde mein Bestes tun“, erwiderte ich.

„Na, gut“, schloss sie das Gespräch ab. „Dann sehen wir uns morgen.“

Ich holte schnell meine Tasche und atmete tief durch, als ich den Laden endlich durch die Hintertür verließ. Was war bloß mit mir passiert? Wie konnte es sein, dass ich mit dreißig Jahren vor den Trümmern meines Lebens stand?

Ich holte mir einen Döner am nächsten Kiosk und nahm einen kleinen Umweg in Kauf, um durch den Park nach Hause zu gehen. An einer Brücke blieb ich stehen und beobachtete einen Vater, der mit seiner Tochter ein Papierboot in den Bach setzte. Er sah aus wie Daniel – die gleichen dunklen Haare, die gleiche Statur. Der Anblick traf mich mitten ins Herz.

Ich schloss die Augen und wünschte mir, ich könnte die Zeit zurückdrehen. Ich hätte von Anfang an alles anders machen sollen. Na ja, vielleicht nicht alles. Denn dann hätte ich Daniel ja nie kennengelernt. Aber vielleicht hätten wir eine Chance gehabt, wenn ich nicht so eine Idiotin gewesen wäre.

Kapitel 1 - Auf zu neuen Ufern!

Zwei Monate zuvor

„Ach, komm schon, Isi“, stöhnte meine beste Freundin Lena. „Das kann doch nicht dein Ernst sein. Ich kenne wirklich niemanden, der immer wieder auf die gleiche Art von Aprilscherzen hereinfällt.“

„Ich hatte nicht auf den Kalender gesehen“, verteidigte ich mich. „Mir war doch nicht klar, dass heute der erste April ist.“ Wir saßen auf unseren Spinning-Rädern im Fitness-Studio und traten gemächlich in die Pedalen.

Sehr gemächlich.

„Was haben diese Idioten denn nun genau gesagt?“, fragte Lena und hörte auf zu treten. Sie holte ein Haargummi aus der Tasche ihrer trendigen Sporthose und band sich ihre dunklen Haare zusammen. Obwohl sie mich mitleidig ansah, blitzten auch Spott und Neugier in ihren Augen.

Die Idioten waren Tobias und Maik. Ich teilte mir mit ihnen ein Büro bei Berthold & Fechtner, der größten Architekturfirma in Deutschland. Sie arbeiteten wie ich in der Zweigstelle des Unternehmens in Hamburg und ließen nichts unversucht, um mir das Leben schwer zu machen.

Obwohl wir seit fast zwei Jahren ein Büro teilten, hatten meine Kollegen es bisher geschafft, mich aus all ihren privaten Unternehmungen auszuschließen. Nicht, das ich wild darauf gewesen wäre, mit ihnen zu irgendwelchen Sportveranstaltungen oder in dubiose Nachtclubs zu gehen. Aber es war wirklich unverschämt, wie sehr sie sich immer gegenseitig unterstützten und mich gleichzeitig bekämpften.

Ich seufzte theatralisch. „Sie haben mir gesagt, dass der alte Fechtner uns aufgefordert hätte, unsere Ideen für einen Stripclub im Las Vegas-Stil zusammenzutragen.“ Ich konnte sehen, dass Lena alle Mühe hatte, sich das Lachen zu verbeißen. Ich warf ihr einen warnenden Blick zu, während ich weiter redete. „Also habe ich mich den ganzen Vormittag damit beschäftigt, mir solche Clubs im Internet anzusehen. Ab und zu sind diese Lackaffen an meinen Platz gekommen und haben mir über die Schulter gesehen und mir aufmunternd zugenickt.“ Ich musste schlucken. „Weißt du, was das Erbärmlichste ist? Ich habe es richtig genossen, mich mit ihnen auszutauschen. Ich dachte, sie hätten mich endlich akzeptiert.“ Ich schloss einen Moment die Augen. „Ich bin so bescheuert! Das Gemeine war ja, dass wir wirklich ein Meeting mit dem Chef hatten. Er hatte angekündigt, uns am Nachmittag über ein neues Projekt zu informieren. Es hat alles zusammen gepasst.“

Lena hatte wieder angefangen, in die Pedalen zu treten.

Sie sah mich nachdenklich an. „Das ist wahrscheinlich dein eigentliches Problem. Das du immer noch dazugehören willst.“

Ich seufzte. „Es war wirklich schrecklich. Ich kam da mit diesen ganzen Bildern von nackten Frauen in die Besprechung. Diese Scheißkerle haben sich weggeschmissen. Sie konnten kaum das April, April rausbringen, so haben sie gelacht.“ Jetzt kochte ich wieder vor Wut. „Und weißt du, was die Oberfrechheit war? Tobias hatte die Dreistigkeit zu behaupten, sie hätten mir doch nur einen Gefallen getan. Er meinte, es hätte mir doch sicher Spaß gemacht, die Stripperinnen anzusehen.“

Ich musste schlucken, um die Tränen zurückzudrängen.

„Ach, komm.“ Lena boxte mich leicht. „Die sind halt immer noch beleidigt, weil sie bei dir nicht landen konnten.“

Wir radelten eine Weile schweigend vor uns hin. Jetzt, wo ich Lena alles erzählt hatte, kam mir die Sache schon gar nicht mehr so schlimm vor. Vielleicht konnte ich diese Geschichte wirklich mit etwas mehr Humor sehen und als lustige Anekdote abhaken.

„Dein Chef hat davon aber nichts mitgekriegt, oder?“, erkundigte sich Lena nach einer Weile besorgt.

Ich schüttelte den Kopf. „Nein, er kam wie immer eine Viertelstunde zu spät und hatte es verdammt eilig.“

„Und um was für ein Projekt geht es wirklich?“

„Wir sollen dem Chef bei der Vorbereitung für eine Ausschreibung zuarbeiten.“ Ich merkte, dass mein Herz bei dem Gedanken ein wenig schneller klopfte. „Es geht um eine Ferienanlage im Harz. Eine Mischung aus Wellness-Oase und Urlaubsdorf. Ist für einen Investor aus Japan.“

„Wahnsinn!“ Lena sah mich beeindruckt an. „Das wäre mal was anderes als die ganzen Bürohäuser, mit denen du dich bis jetzt herumschlagen musstest.“

Ich nickte. „Aber die Sache hat einen Haken. Wir müssen alle am nächsten Freitag mit dem Investor Essen gehen.“

„Hast du seit Neuestem etwas gegen Essen in Nobelrestaurants?“ Lena zog eine Augenbraue hoch. Sie wusste genau, dass ich eine Schwäche für teure Restaurants hatte.

„Ums Essen geht es nicht“, erwiderte ich. „Es ist nur dieser blöde Familienterror, den der alte Fechtner immer abzieht. Er nimmt zu jedem Geschäftsessen seine Frau mit. Und wir sollen auch unsere Partner mitbringen“, seufzte ich. „Ich sehe die beiden Idioten schon vor mir. Jeder mit einer Barbiepuppe im Arm. Sie werden einen dummen Spruch nach dem anderen reißen, weil ich mal wieder alleine zu so einem Essen komme.“

„Dann geh halt nicht alleine hin“, sagte Lena leichthin.

„Ich weiß nicht, ob es dir entgangen ist“, sagte ich und verdrehte die Augen. „Aber ich habe keinen Freund.“

„Nimm einfach irgendeinen Kerl mit“, schlug Lena ungerührt vor.

Ich ging kurz die Männer durch, die ich gut kannte. Die Liste war extrem kurz. Mein guter Freund Basti war so offensichtlich schwul, dass ich mich sofort zum Gespött machen würde, wenn ich ihn als meinen Freund ausgab. Liste beendet.

„Ich weiß aber keinen“, seufzte ich. „Ich lebe ja erst seit zwei Jahren in Hamburg“, fügte ich erklärend hinzu, als ich Lenas Blick auffing. „Da kenne ich natürlich noch nicht so viele Leute.“

„Klar“, sagte Lena sarkastisch. „Zwei Jahre sind ja auch echt zu kurz, um sich ein paar Freunde zu suchen.“ Sie trat energischer in die Pedalen. „Vielleicht liegt es aber auch daran, dass du außer deiner Karriere weder Zeit noch Energie für irgendetwas anderes hast? Du bist fixiert darauf, in dieser dummen Firma aufzusteigen, dass du manchmal aus den Augen verlierst, dass Erfolg nicht alles ist.“

Ich sah sie verletzt an. „Siehst du das wirklich so?“

Sie zögerte kurz, dann grinste sie mich an. „Ja, aber weil du meine beste Freundin bist, behalte ich es normalerweise für mich.“

„Das ist echt rücksichtsvoll von dir“, gab ich scherzhaft zurück. „Ich verspreche dir hoch und heilig, meine Prioritäten im Leben zu überdenken. Aber egal, was ich anstelle: am nächsten Freitag werde ich trotzdem ziemlich sicher noch Single sein.“ Ich versuchte es mit einem übertriebenen Hundeblick. „Bitte, Lena. Denk nach. Ich will da nicht alleine hingehen. Ich habe das schon so oft aushalten müssen. Ich will nicht!“

„Ich verstehe dich ja.“ Lena nickte grübelnd. Dann erhellten sich ihre Gesichtszüge. „Ich habe auch schon eine Idee. Ich habe neulich so einen Beitrag über einen Begleitservice gemacht.“ Lena arbeitete bei einem Radiosender als Reporterin. Es gab so gut wie kein Thema, zu dem sie noch keinen Bericht gemacht hatte.

Ich sah sie entnervt an. „Willst du mir jetzt ein Escort-Mädchen aufschwatzen?“

Sie schüttelte den Kopf. „Du bist so konservativ! Die vermitteln natürlich auch Männer. Das war der Aufhänger für meinen Bericht. Immer mehr Frauen lassen sich bei Geschäftsterminen von solchen Typen begleiten. Das hat auch überhaupt nichts Anrüchiges.“

Ich schnaubte. „Ich soll mit einem Callboy zu einem offiziellen Firmenessen gehen?“

„So ein Quatsch.“

Lena verzog das Gesicht und ich merkte, dass ich sie wirklich verärgert hatte.

Ich war auch wirklich unmöglich. Sie zerbrach sich den Kopf und ich machte ihre Idee einfach runter.

Sofort lenkte ich ein. „Tut mir leid. Ich weiß, du versuchst nur, mir zu helfen.“ Ich fiepte bittend wie ein kleiner Hund. „Nicht böse sein. Ich weiß, ich kann manchmal echt nervig sein.“

Sie musste lachen. „Das stimmt.“

Sie sah schon nicht mehr beleidigt aus. Lena war nie nachtragend. Das war nur eine der vielen Eigenschaften, die ich so an ihr mochte. Wir kannten uns schon fast unser ganzes Leben lang und sie schaffte es normalerweise mühelos, mir einen ganzen Freundeskreis zu ersetzen. Nur einen Kerl konnte sie mir leider nicht herzaubern.

Obwohl – hatte sie nicht genau das gerade versucht?

„Ich denk mal über deinen Vorschlag nach.“ Ich war jetzt beim Spinning-Endspurt und mein Atem ging beim Sprechen stockend. „Auch wenn sich das Ganze schräg anhört, deine Ideen sind eigentlich immer gut. Vielleicht kannst du mir ja mal die Adresse von diesem Begleitservice geben“, setzte ich noch hinzu, um sie von meinem ehrlichen Interesse zu überzeugen.

Sie sah gleich noch versöhnter aus. „Klar, mache ich.“

„Ich meine, nur, damit ich mal gucken kann.“ Sie sollte wissen, dass ich die Idee ernst nahm. Aber auf der anderen Seite auch nicht denken, dass ich wild darauf war, mir diese Katalogmänner anzusehen.

„Klar.“ Lena grinste.

Aber ein bisschen neugierig war ich schon. Was für Kerle lebten davon, sich von Frauen für ihre Begleitung bezahlen zu lassen? „Ich will nur mal gucken. Ich will da nicht wirklich jemanden suchen.“

„Sicher.“

Wir schwiegen und begannen, uns wieder auf unseren Sport zu konzentrieren. Aber ich bekam den Gedanken an die Männeragentur irgendwie nicht mehr aus dem Kopf. Wie es wohl wäre, wenn ich mit so einem gutaussehenden Kerl zum Firmenessen kommen würde?

Ich könnte diesen Mistkerlen mit ihren blöden Witzen endlich mal das Maul stopfen. Vielleicht waren ja sogar Models dabei. Oder Männer, die wie Models aussahen …

Nach einer Weile sah mich Lena an und nickte wissend. „Du stellst sie dir gerade vor, stimmt's?“

Ich tat so, als würde ich sie nicht verstehen. „Häh? Keine Ahnung, was du meinst.“

„Die Katalog-Männer. Du stellst sie dir gerade vor.“ Sie legte die Finger an die Schläfen, als würde sie meine Gedanken lesen. „Channing Tatum? Ashton Kutcher?“

Ich musste lachen. „Erwischt. Aber ich dachte eher an Bradley Cooper“, gab ich zu. „Aber das heißt noch lange nicht, dass ich so etwas wirklich machen würde“, beharrte ich.

„Ich habe ja gar nichts gesagt.“

Wir radelten noch ein bisschen weiter und Lena erzählte mir von ihrem Tag beim Radio. Sie war seit einer Weile in einen ihrer Kollegen vernarrt und hielt mich über jedes noch so kleine Gespräch zwischen den beiden auf dem Laufenden. Ihr Schwarm hieß Nikolas und wenn sie nicht komplett übertrieb, war er so etwas wie die Perfektion in Männergestalt. Ihre Augen leuchteten, als sie mir erzählte, dass er ihr heute einen Kaffee an ihren Schreibtisch gebracht hatte.

Ich war fast ein bisschen neidisch. Nicht nur, weil es in Lenas Leben jemanden gab, für den sie sich interessierte. Nein, es war vor allem ihre Begeisterung. Mir fiel es schwer, mich in so etwas so hineinzusteigern. Manchmal fragte ich mich, ob ich überhaupt schon mal richtig verliebt gewesen war.

Nach einer Weile näherte sich Jasmin, unsere Trainerin. „Hey, ihr Süßen“, begrüßte sie uns mit aufgeregter Stimme. „Ich muss euch was sagen.“ Sie beugte sich vertraulich zu uns. „Eigentlich sollte ich nicht darüber reden, aber nachher geben Coldplay hier ein Privatkonzert. Keine Ahnung warum, aber wir dürfen jeder zwei Gäste einladen. Da habe ich gleich an euch gedacht.“

Mir stockte der Atem. Ich liebte Coldplay! Sofort schmiss ich Bradley Cooper aus meinen Phantasien und ersetzte ihn durch Chris Martin, den Sänger der Band. Der hatte sich doch gerade erst von Gwyneth Paltrow getrennt. Was wäre, wenn ich ihn persönlich kennenlernen würde und ihn dann nächste Woche mit zu diesem Essen bringen könnte? Das würde meine bescheuerten Kollegen umhauen!

 

Ich strahlte Jasmin an. „Das ist ja der Wahnsinn! Ich liebe Coldplay!“

Sie sah mich erstaunt an. „Wirklich? Das hätte ich nicht gedacht.“

Lena hatte noch gar nichts gesagt. Jetzt schüttelte sie fassungslos den Kopf und griff nach meinem Arm. „Isabel, hör zu und lerne.“ Sie drehte sich zu Jasmin. Sie sprach laut und akzentuiert. „Das ist ein wirklich guter Aprilscherz, Jasmin. Aber wir fallen nicht darauf rein.“

Ich schlug mir die Hände vors Gesicht. Wie blöd konnte ich eigentlich sein? Als ich durch meine Finger blinzelte, sah ich, dass sich Jasmin vor Lachen ausschüttete.

„Du bist die erste, die heute auf einen Aprilscherz reingefallen ist“, erklärte sie mir fröhlich und ging zurück zum Tresen.

Verdammt.

„Wann ist dieser blöde Tag bloß endlich zu Ende?“, jammerte ich. Aber dann musste ich doch lachen. „Ich frage mich nur, woher Jasmin wusste, dass ich auf Coldplay stehe“, überlegte ich laut.

Lena schloss für einen Moment die Augen und schüttelte fassungslos den Kopf. Dann zeigte sie auf mein schwarzes T-Shirt, auf dem in weißen Buchstaben der Name der Band prangte.

„Komm, ich hab genug Sport gehabt“, sagte sie und sprang von ihrem Rad. „Gehen wir was Trinken.“

„Das ist der beste Vorschlag des Tages“, seufzte ich.

***

Als ich später in meinem Bett lag, ging mir das Gespräch mit Lena nicht aus dem Kopf.

Die Vorstellung, mit einem charmanten, gutaussehenden Mann bei dem Geschäftsessen aufzutauchen, war wirklich verlockend.

Auf der anderen Seite: wie sollte das gehen? Jeder würde doch sofort merken, dass ich nicht meinen Freund, sondern einen bezahlten Mann an meiner Seite hatte.

Ich verwarf den Gedanken und dachte lieber über die Ferienanlage nach. Ich hatte mir schon immer gewünscht, eine ganze Anlage gestalten zu dürfen. Ich sah kleine Häuser in bunten Farben vor mir. Dazwischen Bäche und Seen, mit kleinen Holzbrücken. Ich träumte von bestem Holz, fortschrittlichen Energie-Konzepten, von Brunnen für die Wasserversorgung und einem Naturteich. Darüber schlief ich ein.

Am nächsten Tag klingelte mein Wecker wie immer um halb sieben und ich hätte mir am liebsten die Decke über den Kopf gezogen. Ich musste sofort wieder daran denken, dass ich den gestrigen Tag damit verschwendet hatte, mir Stripclubs im Internet anzuschauen. Die feixenden Gesichter dieser Idioten würde ich so schnell nicht vergessen.

Als ich im Büro ankam, sah ich sofort wieder das anzügliche Grinsen von Tobias, dem ich schon im Fahrstuhl in die Arme lief.

„Hey, Chica“, begrüßte er mich.

Ich verstand nicht, warum es ihm nicht langsam langweilig wurde, mich zu ärgern. Ich setzte ein möglichst unbekümmertes Gesicht auf.

„Guten Morgen, Tobias“, wünschte ich ihm mit undurchdringlicher Miene. Ich würde mich nicht auf sein Niveau herablassen und auf seine dummen Spielchen einsteigen.

„Und? Wen bringst du zu dem großen Essen mit?“, legte er auch sofort wieder den Finger in die Wunde.

Ich sah seine nach hinten gegelten Haare und roch sein aufdringliches Aftershave.

Echt, sein Verhalten war so daneben.

Als wir beide damals in der Firma angefangen hatten, war Tobias ein paar Monate lang der reinste Charmebolzen gewesen. Er hatte mit mir geflirtet, was das Zeug hielt, brachte mir Kaffee mit, hielt mir die Türen auf. Wir hatten sogar ein paar wirklich interessante Gespräche, bei denen wir uns lange in den Pausen unterhielten und auch oft noch nach Feierabend.

Und nur, weil ich nicht auf seine Anmache eingegangen war, tat er jetzt so, als wäre ich eine alte Jungfer. Oder lesbisch. Oder eine lesbische, alte Jungfer.

Mir war klar, dass verletzter Stolz bei Männern schmerzen kann. Aber es so zu zeigen, war ebenfalls keine Art.

Ich zuckte mit den Schultern und wollte ihn wortlos stehen lassen, aber er ließ sich nicht so leicht abschütteln.

„Weißt du“, sagte er mit vertraulich gesenkter Stimme, „der Alte ist ein totaler Familienmensch. Er hat mal gesagt, wer nicht liebt, der hat auch keine Kreativität. Er hasst es, wenn man zu diesen Terminen alleine kommt.“

Ich schluckte.

War das schon wieder eine Lüge? Merkwürdigerweise glaubte ich ihm. Aber ich fiel ja auch auf jeden noch so dummen Aprilscherz herein. „Na, dann wirst du ihm ja sicher bald eine Verlobte präsentieren“, sagte ich sarkastisch.

Er grinste selbstgefällig. „Wo du es gerade erwähnst: ich spiele gerade tatsächlich mit dem Gedanken, Sophia einen Antrag zu machen.“

Verdammt. Da hatte ich wohl ein Eigentor geschossen. Ich hatte Tobias Freundin auf der letzten Weihnachtsfeier kennengelernt. Sie war wirklich hübsch und nicht mal besonders dumm. „Herzlichen Glückwunsch und richte ihr bitte mein Beileid aus.“

Wir hatten fast unser Gemeinschaftsbüro erreicht, aber er ließ einfach nicht locker. „Also, kommst du wieder alleine?“

Ich schüttelte den Kopf. „Nein, ich bringe meinen Freund mit“, hörte ich mich dann sagen, als wäre es das Selbstverständlichste von der Welt.

„Ja, sicher“, nickte Tobias ironisch. „Als ob du einen Freund hättest.“

„Ich habe einen Freund und es tut mir jetzt schon leid für ihn, dass er einen ganzen Abend mit einem Idioten wie dir verbringen muss“, schoss ich zurück. Dann stolzierte ich in unser Büro.

Als ich meinen Rechner hochfuhr, tobte ich innerlich immer noch. Ich wusste nicht, ob ich mich mehr über Tobias oder über mich selbst ärgerte. Auf jeden Fall war mir die Situation gehörig außer Kontrolle geraten. Ich konnte mir schon vorstellen, wie Tobias und Maik feixen würden, wenn ich jetzt doch allein zu dem Essen auftauchen würde.

Ich verbannte alle Gedanken an mein unbefriedigendes Privatleben aus meinem Kopf und konzentrierte mich auf meine Arbeit. Ich fing an, ein paar Skizzen für ein Feriendorf zu machen. Dann suchte ich nach vergleichbaren Objekten, sah mir ein paar Baumaterialien im Netz an und begann, Zeit und Kosten zu kalkulieren.

Als ich wieder von meinem Rechner aufsah, war der Tag fast vergangen und ich fühlte mich nach der Arbeit schon viel besser. Ich hatte mitbekommen, dass Tobias und Maik sich wie immer zusammentaten, um sich gegenseitig bei ihren Entwürfen zu unterstützten.

Sollten sie doch.

Wir würden ja doch nur die Vorarbeiten machen und dann würde einer von den namhaften Architekten aus der Firma die Federführung für das Projekt übernehmen.

***

Auf dem Weg nach Hause fragte ich mich, warum ich mich von Tobias so aus der Ruhe bringen ließ. Die Antwort war so einfach wie fürchterlich: weil er Recht hatte.

Ich wusste, dass mein Chef die fixe Idee hatte, dass man einen Lebenspartner haben musste.

Morgen in einer Woche würden wir uns in einem Nobelrestaurant am Hafen treffen: mein Chef mit seiner Frau, Tobias und Maik mit ihren Freundinnen und der japanische Investor Masuda. Auch er würde sicher in Begleitung erscheinen. Der Gedanke, innerhalb einer Woche einen offiziellen Freund auftreiben zu müssen, machte mich fast wahnsinnig.

Noch viel schlimmer war aber die Vorstellung, alleine bei dem Essen aufzukreuzen.

Es war schon acht, als ich endlich in meiner Wohnung in Eimsbüttel ankam. Ich hatte mir auf dem Rückweg noch etwas vom Japan-Imbiss mitgenommen und war mir der Ironie völlig bewusst, dass ich während einer japanischen Mahlzeit schon wieder alleine essen sollte.

Ich warf meine Schlüssel auf die Kommode und zog Schuhe und Mantel aus. Vor meinem Balkon ging gerade die Sonne unter. Ein winziger orangener Streifen war gerade noch zu sehen. Ich blieb eine Weile vor der Terrassentür stehen und beobachtete, wie es dunkel wurde. Dann zog ich die Vorhänge zu und machte mich auf den Weg in die Küche. Abschließend setzte ich Teewasser auf und schaltete mein Notebook ein.

Während ich die gebratenen Nudeln mit Hühnchen und Gemüse direkt aus der Schachtel aß, sah ich mir noch ein paar Feriendörfer an. Aber ich konnte mich nicht konzentrieren. Immer wieder wanderte mein Blick zu meiner Trainingsjacke, die ich gestern Abend über einen Stuhl in der Küche geworfen hatte. In der Innentasche steckte der Zettel, auf den Lena die Internetadresse der Begleitagentur geschrieben hatte.

Irgendwie hatte ich Hemmungen, mir die Seite im Netz anzusehen. Ich kam mir vor wie ein Perverser, der sich Pornoseiten reinzieht. In Zeiten der NSA-Affären war privates Surfen schließlich nichts, was man als selbstverständlich voraussetzte.

Egal, sagte ich mir. Ich war mit meinem Arbeitscomputer gestern stundenlang auf den Seiten von diversen Stripclubs gewesen. Da war doch eine seriöse Begleitagentur gar nichts dagegen!

Bevor ich meine Meinung ändern konnte, fischte ich schnell den Zettel aus der Tasche und tippte die Internetadresse ab. Ich hielt den Atem an und erwartete instinktiv Bilder von spärlich bekleideten Menschen in aufreizenden Dessous.

Gott sei Dank sah die Seite wirklich seriös aus.

Da hatten die NSA-Agenten keinen Grund für spöttische Bemerkungen, wenn sie mir jetzt virtuell über die Schulter schauten. Man sah nur einen Tisch mit einem weißen Tischtuch. Darauf standen Wein, ein Brotkorb und zwei Pasta-Gerichte.