Breaking News für die Liebe - Promis sind Idioten!

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Breaking News für die Liebe - Promis sind Idioten!
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Mira Schwarz

Breaking News für die Liebe - Promis sind Idioten!

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Mira Schwarz

Kapitel 1 - Wut im Bauch

Kapitel 2 - Promis sind Idioten

Kapitel 3 – Ein gefährlicher Deal

Kapitel 4 – Schatten der Vergangenheit

Kapitel 5 – Hiobsbotschaften

Kapitel 6 – Reise mit Hindernissen

Kapitel 7 – Familienurlaub

Kapitel 8 – Gin Tonic und Trash-Talk

Kapitel 9 – Frühsport

Kapitel 10 – Das Ultimatum

Kapitel 11 – Der Morgen danach

Kapitel 12 – Der neue Freund

Kapitel 13 – Gedankenspiele

Kapitel 14 – Herbststürme

Kapitel 15 – Das Gegenteil von Logik

Kapitel 16 – Tiefschläge

Kapitel 17 – Gegensätzliche Standpunkte

Kapitel 18 – Partyfieber

Kapitel 19 – Schmerzende Wahrheiten

Kapitel 20 – Vollmond

Kapitel 21 – Breaking News

Kapitel 22 – Welcome home

Inhalt

Impressum tolino

Mira Schwarz

Breaking News für die Liebe

Promis sind Idioten!

November 2015

Copyright © Mira Schwarz

www.facebook.com/Autorin.MiraSchwarz

autorin.miraschwarz@gmail.com

Mira Schwarz

Breaking News für die Liebe

Promis sind Idioten!

Dann hatte er laut gelacht und geantwortet, dass er mich pünktlich auf dem Fest erwarte - im Kleid und mit einem Lächeln im Gesicht.

Beides trug ich nur äußerst ungern auf Befehl.

Kapitel 1 - Wut im Bauch

»Ein Glas Sekt?«

Ich fuhr zusammen. Die Kellnerin war wie aus dem Nichts aufgetaucht. Um meinen Schreck zu überspielen, trat ich einen Schritt zurück. Dabei verknackste ich mir auf diesen verdammten Riemchen-Sandalen fast den Knöchel und ruderte mit den Armen, als wäre ich auf einem Schiff bei Windstärke acht.

Hervorragend.

So betrat man eine Party, die den Wendepunkt im Berufsleben markierte. Hektisch sah ich mich um, ob jemand meinen peinlichen Auftritt bemerkt hatte. Aber niemand schien sich für mich zu interessieren. Bis auf die Kellnerin natürlich.

Ich hatte mir das alles so schön vorgestellt: Aussehen wie Katherine Heigl, lächelnd in alle Richtungen grüßen und so viel Souveränität verströmen, dass jeder vor Neid erblasste. Stattdessen machte ich hier einen auf Windmühle.

»Sekt?«, hakte die Kellnerin noch mal nach und sah mich aufmunternd an. Wow, jetzt tat ich sogar schon der Kellnerin leid. Was für ein Start in den Abend.

Ich befahl mir, mich sofort ins Getümmel zu stürzen, doch irgendetwas hielt mich zurück.

Mit wem sollte ich reden?

Ich kannte hier keine verdammte Menschenseele. Dabei war das hier mein Sender, mein Revier. Vier Jahre lang hatte ich hier mehr Zeit verbracht, als an jedem anderen Ort in der Welt. Jetzt fühlte ich mich wie die Neue in einer Grundschulklasse.

Okay, mir war schon klar gewesen, dass das sogenannte »Sommerfest«' des Fernsehsenders keine Feier für die Mitarbeiter war, sondern für die Werbekunden. Immerhin hatte ich bis vor kurzem nicht mal gewusst, dass dieses Fest überhaupt existierte - und ich war Journalistin. Aber hier war alles so gediegen, edel, stilvoll und fremd, dass ich am liebsten gleich wieder abgehauen wäre. Die Chefs hatten wirklich nichts ausgelassen, um vor den Kunden gut auszusehen.

Gott sei Dank hatte ich auf meine beste Freundin Nina gehört, was mein Outfit für den heutigen Abend anging. Sonst wäre ich am Ende noch in meinem Sommerkleid von H&M hierher marschiert. Nina hatte mich gestern meinem Gejammer zum Trotz in eine Edelboutique am Ku-Damm geschleppt und mir ein langes, silbern schimmerndes Kleid von Versace verpasst. Weil ich dafür sowieso schon meine halbe Monatsmiete ausgegeben hatte, hatte ich mir dazu gleich noch diese Schuhe gekauft, mit denen bestenfalls Supermodels unbeschadet einen Abend überstehen konnten.

Vor der Party hatte Nina dann auch noch vor meiner Tür gestanden, um zu überprüfen, ob ich die neuen Sachen wirklich anzog. Sie hatte meine Bedenken über den tiefen Ausschnitt ignoriert und sich stattdessen ganz auf die Frage nach dem passenden Lippenstift konzentriert. Dann hatte sie, Prosecco trinkend, auf dem Rand meiner Badewanne gesessen, sich selbst zu ihrem guten Geschmack gratuliert und mir zugesehen, wie ich mit dem Fön meine kinnlangen, blonden Haare bearbeitete.

Als ich ihr stolz das Ergebnis präsentierte, war sie allerdings vor Lachen fast hintenüber gekippt. Sie hatte was von »Doris Day auf Crack« geschnaubt und die Hälfte von ihrem Schaumwein verschüttet. Ich hatte noch einmal in den Spiegel gesehen und zugeben müssen, dass die Frisur nicht ganz so stilvoll war wie geplant. Also hatten wir beschlossen, es mit der Rundumerneuerung nicht zu übertreiben und meine Haare wie immer zu einem kurzen Zopf zusammen gebunden.

Und jetzt stand ich hier, angezogen wie ein Filmstar, und wusste nicht, wohin.

Alles sah so anders aus. An der Seite des Foyers war eine schicke Bar aufgebaut. Die Terrassentüren zum Innenhof waren weit geöffnet und von draußen drangen Musik und warme Sommerluft herein. Noch war es hell, trotzdem leuchteten überall bunte Lichterketten und Lampions. Das Befremdlichste waren aber die Gäste - Männer mittleren Alters in maßgeschneiderten Anzügen, ihre Begleiterinnen meist ein bis zwei Jahrzehnte jünger.

Tief durchatmen, Becca!

Ich konzentrierte mich auf das Logo des Senders: das grüne N-aktuell gab mir das beruhigende Gefühl, dass sich hier nicht alles über Nacht in eine Parallelwelt verwandelt hatte.

Das war doch wirklich bescheuert. Ich sollte mich hier wie ein Fisch im Wasser bewegen. Schluss jetzt mit dem Theater. Himmel noch mal, ich war Becca Martens, Fernsehjournalistin und bald schon die Leiterin der Sparte Abendnachrichten. Das war auch der Grund, weshalb ich in diesem Jahr zum ersten Mal zu diesem Fest eingeladen worden war.

Mein Chef Volker war vor zwei Wochen zu mir an den Schreibtisch gekommen und hatte mit lauter Stimme verkündet, dass er mich dieses Jahr gerne auf dem Sommerfest sehen wollte. Ich kapierte sofort, was es damit auf sich hatte. Er wollte mich testen, wissen, ob ich mich nicht nur wie eine Journalistin, sondern auch wie eine Geschäftspartnerin verhalten konnte.

Schließlich ging er ein hohes Risiko ein, wenn er mir die Verantwortung für die Abendnachrichten übertrug. Ich war erst 34 und ich konnte tatsächlich ein klein bisschen schwierig werden, wenn ich mich in ein Thema verbiss.

Ich hatte Volker lässig geantwortet, dass ich in meinem Terminkalender nachsehen würde, ob ich zum Sommerfest kommen könnte. Er sah mich einen Moment perplex an und ruckelte seiner schwarzen Brille. Dann hatte er laut gelacht und geantwortet, dass er mich pünktlich auf dem Fest erwarte - im Kleid und mit einem Lächeln im Gesicht.

Beides trug ich nur äußerst ungern auf Befehl.

Wie gern wäre ich hier in Jeans und T-Shirt aufgetaucht, nur um meinem Chef zu beweisen, dass ich mir nichts vorschreiben ließ. Aber blöderweise wollte ich diese Beförderung - ich wollte sie um jeden Preis. Das war es, worauf ich in den vergangenen Jahren hingearbeitet hatte. Wofür ich mir die Nächte im Sender um die Ohren geschlagen hatte. Wofür ich jeden noch so schwierigen Auftrag als Reporterin angenommen hatte – von den lästigen Gewerkschaftsverhandlungen bis zum x-ten Wetterchaos.

 

Ich würde Volker beweisen, dass ich diesen Party-Test mit Bravour bestehen konnte! Ich musste jetzt nur schnell mit irgendjemandem ins Gespräch kommen, damit jeder sehen konnte, wie souverän ich war und wie einfach mir das alles fiel. Verdammt, warum war gerade das immer am Schwierigsten?

Wie sollte ich das anstellen? Irgendwelche Leute anquatschen? Wenn ich hinter einem Interview her war, konnte ich mit jedem ein Gespräch anfangen – vom Konzernchef bis zur Bundeskanzlerin. Aber Party-Smalltalk gehörte nicht gerade zu meinen Stärken.

Ich umklammerte entschlossen das leere Sektglas, ging mutig ein paar Schritte auf die Raummitte zu und versuchte, wichtig auszusehen. Aber irgendetwas ließ mich schon wieder innehalten. Diesmal war es irgendwie … gruselig.

Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken. Aus dem Augenwinkel hatte ich etwas gesehen. Etwas Schönes, Beruhigendes, Vertrautes und doch etwas, was mich in meinen Grundfesten erschütterte. Mein Gehirn versuchte noch, die Information auszuwerten, während sich mein Kopf bereits drehte und nach der Ursache für mein plötzliches Unwohlgefühl suchte.

Als ich den Grund entdeckte, musste ich fast über mich selbst lachen.

Super, Becca, ganz toll.

Der Mann an der Bar, der für mein Magenkribbeln verantwortlich war, war definitiv ein Bekannter. Allerdings kein Bekannter von mir, sondern ein bekannter Fernsehstar: Marc Feldmann, der beliebteste Moderator des Landes.

Einmal im Monat sorgte seine Quizshow dafür, dass sich am Samstagabend ein Millionenpublikum vor dem Bildschirm einfand. Auch ansonsten tummelte er sich in verschiedenen Formaten der Fernsehlandschaft – von der jährlichen Quizshow für Kids im Januar bis zum obligatorischen Jahresrückblick im Dezember. Im Moment hatte seine Rate-Sendung Sommerpause – aber der Auftakt zur neuen Staffel im Herbst würde sicher wieder die Einschaltquoten einer Helene-Fischer-Weihnachstshow knacken.

Dieser Abend geriet immer weiter außer Kontrolle. Ich benahm mich also nicht nur, als hätte ich mich hier eingeschlichen, ich schmachtete auch noch die anwesenden Promis an. Die vollen zehn Punkte für peinliches Verhalten waren mir sicher.

Ich musterte Mister Supermoderator. Da stand er und sah genauso aus wie im Fernsehen: dunkelhaarig, groß und breitschultrig. Der verbesserte Günther Jauch - ebenfalls ein Traum jeder Schwiegermutter, aber nicht so selbstherrlich. Der Moderator, der sich selbst dumm stellte, damit seine Gäste sich besser fühlten. Er hielt den Kopf leicht abgewandt, so dass ich ihn ganz in Ruhe betrachten konnte. Sein Anzug war schwarz, das Hemd darunter grau, der oberste Knopf leger geöffnet. Seine dunkelbraunen Haare wirkten ein wenig verstrubbelt, aber das machte ihn nur noch hübscher. Er war zu Recht ein absoluter Frauenschwarm. Meine vierzehnjährige Nichte Juli war regelrecht besessen von dem Moderator, auch wenn er mit Mitte dreißig viel zu alt für einen Teenie-Schwarm war. Bei meinem letzten Besuch bei Juli hatte ich gesehen, dass an ihrer Zimmerwand zwischen glitzernden Vampiren und Avril Lavigne jetzt auch ein Marc-Feldmann-Poster klebte.

Oh Gott, ich starrte ihn immer noch an wie ein liebeskranker Teenager. Das musste an diesem bescheuerten Outfit liegen. Seit ich mich so verkleidet hatte, lief alles aus dem Ruder. Ich musste aus diesem Kleid raus. Dieser Gedanke mischte sich mit dem Anblick von Marc Feldmann und führte zu einer Reihe nicht jugendfreier Bilder, die sich unkontrolliert vor meinem inneren Auge ausbreiteten. Ich schnappte nach Luft, konnte aber trotzdem nicht den Blick von ihm abwenden.

So ein Mist, jetzt hatte er mein Starren bemerkt. Kein Wunder, er stand keine fünf Meter von mir entfernt. Er wandte sich mir zu und hob grinsend sein Glas, während er mir zunickte. War das … Mitleid in seinen Augen? Erst die Kellnerin, jetzt er.

Ich musste wirklich einen komplett armseligen Eindruck machen.

Hastig riss ich meinen Blick von ihm los und – es gab doch einen Gott! - endlich, endlich kam ein Kollege auf mich zu. Und nicht nur irgendeiner. Tom, Sportchef und mein väterlicher Mentor hier im Sender, schlenderte vom Innenhof durch die offene Tür herein. Natürlich hatte er sich Volkers Dresscode widersetzt und trug wie immer eines seiner karierten Hemden. Er war eine Legende im Sport, seit über dreißig Jahren im Fernsehgeschäft und konnte sich eine Extrawurst locker leisten.

Vor Freude wäre ich ihm fast um den Hals gefallen, aber es wurde höchste Zeit, dass ich mich langsam wieder in die Becca Martens verwandelte, die hier arbeitete. Also setzte ich ein gleichgültiges Gesicht auf und ging auf ihn zu. »Hi, Tom.«

»Becca, schön dich zu sehen«, rief er mir zu und schlug mir auf die Schulter. »Das ist ja wirklich grauenvoll hier dieses Jahr. Komm, holen wir uns erst mal ein Bier. Mir ist schon ganz schlecht von diesem Zeug.« Er zeigte angewidert auf sein Sektglas und schob mich in Richtung Bar.

Dann sah er feixend auf mein schickes Kleid und hob eine Augenbraue. »So, so, du trägst also Versace«, sagte er dann mit einem süffisanten Lächeln.

Einen Designernamen aus dem Mund dieses bereits ergrauten Zwei-Meter-Kerls zu hören, verschlug mir für einen Moment fast die Sprache. »Lass bloß nicht die anderen Jungs vom Sport hören, dass du dich bei Abendkleidern auskennst«, sagte ich schließlich. »Und das hier kann ich mir eigentlich gar nicht leisten. Jetzt werde ich jeden Morgen wieder Müsli mit Wasser essen müssen.« Kurz erinnerte ich mich an meine Studienzeit zurückerinnert, wo es tatsächlich das ein oder andere Mal vorkam.

Er hob seine Hand und ich befürchtete schon, dass er mir wieder so hart auf die Schulter schlagen würde. Aber stattdessen spürte ich nur einen kurzen Ruck an meinem Träger.

»Wer liest, hat mehr vom Leben«, sagte Tom trocken und hielt mir ein kleines Schildchen mit dem Designer-Logo vors Gesicht, dass ich offensichtlich übersehen hatte.

Jetzt war wohl endgültig der passende Moment gekommen, um im Erdboden zu versinken. Aber wie immer, wenn man eine Erdspalte brauchte, war grade keine zu finden. Ich seufzte und entschloss mich, meinen komplett misslungenen Auftritt mit etwas mehr Humor zu sehen.

»Du hast was gut bei mir, Kollege«, sagte ich und schlug nun meinerseits auf Toms Schulter. »Darf ich dich vielleicht als Dankeschön zu einem weiteren kostenlosen Bier einladen?«

Er wiegte den Kopf. »Normalerweise ein Angebot, das ich nicht ablehnen würde.« Er blickte hinter mich und grinste ein wenig diabolisch. »Aber ich möchte nicht dabei sein, wenn der Chef dir seine Neuigkeiten mitteilt.«

Ich drehte den Kopf und sah, dass jetzt auch Volker aufgetaucht war und auf uns zusteuerte. Immerhin hatte er mich nicht alleine am Eingang stehen sehen. »Was für Neuigkeiten?«, zischte ich Tom zu. »Schnell, sag.«

Er lachte wieder. »Nein, ich beobachte deinen Wutanfall lieber aus sicherer Entfernung. Ich habe ein empfindliches Trommelfell.«

»Sicher, deshalb arbeitest du ja auch zur Hälfte an der Rennstrecke und zur anderen in Fußballstadien«, antwortete ich kopfschüttelnd. »Raus mit der Sprache!«

»Ich sag nur so viel - es gibt Neuigkeiten in Sachen 'Anchorman'.« Volker suchte schon seit einer ganzen Weile einen neuen Moderator für die Abendnachrichten. Ich spürte freudige Aufregung. Ob er sich einen renommierten Nachrichtenmann von der Konkurrenz eingekauft hatte? Zumindest die Gerüchteküche hatte diesmal nicht gebrodelt, sodass es auch für mich ein Geheimnis war, wer die Stelle denn nun endlich bekommen mochte.

Tom beobachtete meine Gesichtszüge und sah immer noch amüsiert aus. »Ich verschwinde lieber.« Dann drehte er sich um und schlenderte wieder Richtung Innenhof.

»Hey«, rief ich ihm hinterher, aber er hob nur die Hand zum Gruß. Schon tippte mir Volker auf die Schulter. Immerhin hing da jetzt nicht mehr das Marken-Schildchen.

»Du siehst ja heute so erwachsen aus«, sagte mein Chef halb ironisch und ließ sich auf den freien Hocker neben mir sinken. »Ich habe dir ja schon hundert Mal gesagt, es ist die reine Verschwendung, dass du nicht vor Kamera willst.«

Ich verdrehte die Augen. »Danke für das Kompliment. Aber ich bleibe lieber hinter den Kulissen.«

Er nickte, winkte den Kellner heran und bestellte sich ein Wasser. Dann strich er sich über seinen kahlrasierten Schädel und rückte wie so oft seine schwarze Brille zurecht. »Ich freue mich, dass du hier bist. Dann kann ich dir gleich sagen.«

Vor Ungeduld fiel ich ihm einfach ins Wort. »Wen hast du genommen? Den Typ von n-tv? Er ist Spitze, keine Ahnung, warum sie ihn so lange in zweiter Reihe geparkt haben.«

Ich wartete schon seit Wochen darauf, dass Volker sich endlich für einen neuen Moderator entscheiden würde. Einen, mit dem wir um acht Uhr gegen die Tagesschau und um zehn gegen das Heute-Journal antreten konnten. Einen, der mit mir Hand in Hand daran arbeiten würde, großartiges Nachrichten-Fernsehen zu machen. »Komm schon, mach es nicht so spannend.«

Der Gesichtsausdruck von Volker ließ mich innehalten. Außerdem sickerten langsam die Worte von Tom in mein Bewusstsein. Warum hatte er angenommen, dass ich einen Wutausbruch bekommen würde? »Ich werde mich nicht über deine Entscheidung freuen, richtig?«, fragte ich ihn und fühlte ein unangenehmes Ziehen im Bauch.

Volker winkte jemanden in meinem Rücken herüber. »Das werden wir gleich sehen. Wie es der Zufall so will, ist unser neuer Mann heute Abend auch hier. Da könnt ihr Euch schon einmal kennenlernen.«

Mein Kopf fuhr herum. Ich konnte nicht glauben, was ich da sah. Wie unter Hypnose verfolgte ich, wie sich Marc Feldmann in Bewegung setzte und mit seinem gewinnenden Lächeln auf uns zu kam. Ich sah wieder Volker an.

»Sag, dass das ein Scherz ist«, presste ich hervor. »Das ist nicht der neue Nachrichtenmoderator unseres Senders. Du willst mich auf den Arm nehmen. Gucken, wie ich mich in absurden Situationen verhalte.«

Volker sah mich scharf an, dann war Marc bei uns angekommen. Mein Chef streckte ihm die Hand entgegen. »Ich freue mich, dass ihr beide euch in diesem ungezwungenen Rahmen kennenlernen könnt«, sagte er und ich hätte fast über seine Worte gelacht. Dieses Fest war nun wirklich das Gegenteil einer ungezwungenen Situation.

Marc setzte sein schönstes Fernseh-Lächeln auf und ließ seine weißen Zähne blitzen. Dann streckte er mir seine Hand entgegen. »Hallo.«

Oh, nein. Schon wieder diese Schmetterlinge im Bauch. Das musste an meinem niedrigen Blutzuckerspiegel liegen. Klar, ich hatte noch nichts gegessen und Sekt und Bier taten ihr übriges. Ich merkte, dass ich Marc schon wieder einen schmachtenden Blick zuwarf und ärgerte mich über mich selbst.

Mit aller Macht zwang ich mich, Marc Feldmanns Hand zu ignorieren, obwohl ein Teil von mir alles dafür gegeben hätte, ihn zu berühren. Aber das hier war keine Soap-Opera - es war mein Leben. Und war es komplett wahnsinnig, einen Showmoderator zum Aushängeschild der Nachrichten zu machen. Wer kam als nächstes? Las die Maus bald das Wetter vor und der Elefant trötete dazu einen Jingle? Ich konnte nicht einmal im Ansatz glauben, dass wir uns auf diese Weise einen seriösen Anstrich behalten konnten.

Außerdem war die Vorstellung ein Albtraum, jeden Tag mit Marc Feldmann zusammenarbeiten zu müssen. Ich würde mich in ein hormongesteuertes, albern lachendes Püppchen verwandeln und heimlich mitzählen, wie oft er mir am Tag zulächelte. Nein. Das durfte nicht passieren. Dafür hatte ich nicht auf so viel verzichtet.

Statt Marc zu begrüßen, drehte ich mich zu Volker und tat so, als wären wir immer noch zu zweit. »Jetzt mal im Ernst. Heute ist nicht der erste April.«

»Becca, ich warne dich«, sagte Volker leise, aber mit ernstem Unterton. Vermutlich war es genau das Verhalten, das er von mir befürchtet hatte. »Du wirst dich jetzt gefälligst wie ein Profi verhalten.«

»Ich soll mich professionell verhalten?«, brach es aus mir heraus. »Wenn du diesen Gameshow-Fritzen die Abendnachrichten vorlesen lässt, dann haben wir jede Glaubwürdigkeit verloren. Herrgott noch mal, du kannst doch nicht irgendein hübsches Gesicht da hin setzen, nur um die Einschaltquoten hochzutreiben.«

»Danke.« Marc hatte seine Hand wieder sinken lassen. Bei einem kurzen Seitenblick sah ich, dass seine Gesichtszüge ziemlich entgleist waren. Als er meinen Blick bemerkte, setzte er sofort wieder sein Lächeln auf. Er räusperte sich. »Ich denke, ich habe einiges an Arbeitserfahrung vorzuweisen«, sagte er mit seiner wohlklingenden Stimme.

 

Ich drehte mich jetzt doch zu ihm um und für einen Moment blieb mein Blick in seinen dunklen Augen hängen. Verdammt, wie konnte man nur solche Augen haben? Das Flattern in meinem Magen verschlug mir fast die Sprache. Aber ich würde den Teufel tun, mir das anmerken zu lassen. Cool bleiben, beschwor ich mich. »Volker, ich hoffe, du hast dich noch nicht endgültig entschieden«, sagte ich so ruhig wie möglich.

Aber damit hatte ich Volker auf dem falschen Fuß erwischt. »Was immer du auch glaubst, liebe Becca«, sagte er mit kalter Stimme. »Noch bist du nicht in der Position, dass ich meine Personalentscheidungen mit dir abstimmen muss. Du solltest nicht vergessen, dass du hier nicht für den Offenen Kanal arbeitest, sondern für ein profitorientiertes Unternehmen.«

Ich atmete tief durch und versuchte, meine Zunge zu beherrschen. Aber wieder platzte es einfach so aus mir heraus. »Oh, dann muss ich mich wohl entschuldigen«, sagte ich zuckersüß. »Aber vielleicht darf ich dann wenigstens etwas Konstruktives zu der Debatte beitragen? Wenn du schon keinen Journalisten engagieren willst, warum nimmst du dann nicht Til Schweiger? Er ist doch auch sehr beliebt und vielleicht kann er ja auch ab und zu mit freiem Oberkörper moderieren? Oder wie wäre es mit Elyas M'Barek? Soll ja in der werberelevanten Zielgruppe hervorragend ankommen.«

Ich sah Volker eindringlich an, als könnte ich ihn mit meinem Blick umstimmen. »Denk doch noch mal drüber nach. Er hat ja noch nicht mal in den Nachrichten gearbeitet.«

Da war die stundenlange Internetrecherche mit meiner Nichte doch zu etwas gut gewesen. Ich war mir ziemlich sicher, dass ich Marc Feldmanns Lebenslauf in- und auswendig kannte.

»Wir haben in der Nachrichtenredaktion bestimmt zehn Leute, die hundertmal geeigneter wären und viel mehr journalistische Erfahrung mitbringen«, sagte ich fast flehend.

Volkers Gesichtsausdruck war eine winzige Nuance weicher geworden. Er wollte gerade antworten, aber diesmal war Marc Feldmann schneller.

»Ach, es geht hier um journalistische Erfahrung?«, sagte er mit einem entwaffnenden Lächeln. »Na, das hätte mir mal jemand sagen sollen. Dann habe ich mich ja völlig falsch auf den Job vorbereitet. Ich dachte, es ginge bei diesem Moderationsjob in erster Linie darum, Porsche zu fahren und Praktikantinnen flachzulegen.«

Ich sah ihn fassungslos an. Hatte er das gerade wirklich laut gesagt oder hatte ich das geträumt? Der nette Moderator, der sich um jeden Gast kümmerte wie um ein Familienmitglied? Das war wohl alles nur Fassade.

»Wie bitte?«, fragte ich schockiert.

Aber Marc Feldmann ignorierte mich jetzt so, wie ich vorher ihn ignoriert hatte. Er beugte sich vertraulich zu Volker vor. »Sag mal, warum darf die Kleine eigentlich so mit dir reden?« Er zwinkerte ihm zu. »Habt ihr irgendwas am Laufen? Was macht sie hier eigentlich im Sender?« Er senkte seine Stimme, achtete aber darauf, dass ich ihn noch hören konnte. »Ist sie deine persönliche … Assistentin?«

»Kinder, beruhigt euch doch!« Volker hatte beschwichtigend die Arme gehoben, aber seine Worte prallten an mir ab.

Mein Herz klopfte wie verrückt und ich knallte die Bierflasche mit Schwung auf den Tresen. »So siehst du die Zukunft unseres Senders, Volker? Ein Ken-Boy mit frauenfeindlichen Sprüchen und dem Intelligenzquotienten einer Stechmücke? Toll. Echt, ganz toll.«

»Er will dich doch nur provozieren«, sagte Volker.

Einen Moment lang sagte niemand etwas und ich nahm die Geräusche um uns herum wieder war. Das Lachen und die Stimmen der anderen Gäste, die Musik, das Klirren der Gläser hinter der Bar. Kurz dachte ich, Marc Feldmann wäre mit seinen Sprüchen zu weit gegangen und hätte sich sein eigenes Grab geschaufelt. Oder ich wäre es.

Volker war ziemlich empfindlich, was frauenfeindliche Sprüche anging. Aber dann sah ich, wie die beiden Männer einander unauffällig in stillem Einverständnis zugrinsten. Ich fühlte mich ausgeschlossen und verraten - als wäre ich ein dummes Kind unter Erwachsenen.

»Ich finde das wirklich zum …«, es gelang mir gerade noch, das Wort Kotzen herunterzuschlucken. Möglichst würdevoll erhob ich mich von meinem Barhocker. Ich wollte hier einfach nur noch raus.

In der Hektik strauchelte ich kurz, als meine hohen Absätze den Boden berührten. Reflexhaft griff Marc nach meinem Arm, damit ich nicht stolperte. Für einen Moment trafen sich wieder unsere Blicke und ich überlegte für eine Sekunde, ob ich mich bei ihm entschuldigen sollte. Dann dachte ich an seine Unverschämtheiten und riss mich wütend los.

»Schönes Kleid«, sagte er und musterte mich von oben bis unten. Er zwinkerte Volker wieder zu. »Hast du ihr das für heute Abend spendiert?«

In welchem Jahrhundert lebte dieser Scheißkerl eigentlich, dass er mich hier öffentlich mit solchen Sprüchen demütigen wollte?

»Ich gehe jetzt nach Hause«, sagte ich zu Volker und versuchte, mir nicht anmerken zu lassen, dass ich am liebsten losgeheult hätte.

Volker seufzte. »Das wäre nicht sonderlich professionell, Becca.«

»Das ist mir scheißegal.« Ich würde einfach kündigen. Basta. So einfach war das. Es gab auch noch andere Fernsehsender. Ich machte mich auf den Weg in Richtung des Ausgangs.

In meinem Rücken hörte ich Marcs genervte Stimme. »Mein Gott, das sollte ein Witz sein. Ich weiß, wer Sie sind. Becca Martens 34 Jahre. Politikwissenschaftlerin, seit vier Jahren beim Sender. Im Gespräch für die Leitung der Abendnachrichten. Bekannt für schnelle Live-Berichterstattung und einen Hang zu Breaking News-Themen. Motto: Immer ein bisschen schneller als die anderen. Und offenbar vollkommen humorlos.«

Mein Körper drehte sich gegen meinen Willen und ich ruinierte meinen schönen Abgang mit einem vor Staunen aufgerissenen Mund. Sobald ich aber die Genugtuung in Marcs Gesicht sah, hatte ich mich wieder unter Kontrolle. Der Scheißkerl hatte also die ganze Zeit gewusst, wer ich war.

Ich wandte mich ein letztes Mal an meinen Chef. »Volker, ich nehme alles zurück. Ken-Boy ist super qualifiziert. Er kann sogar googeln.«

Dann stöckelte ich davon. Nichts und niemand würde mich dazu bewegen können, mich noch mal umzudrehen. Denn zu meinem riesigen Ärger hatte ich jetzt tatsächlich Tränen in den Augen.