Steine brennen nicht

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Steine brennen nicht
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Inhaltsverzeichnis

Copyright

Danksagung

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Epilog

Personenverzeichnis

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Copyright

Alle Namen in diesem Buch, auch die von Unternehmen, sind rein fiktiv.

Romantrilogie von Klaus D. Biedermann:

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Das Erbe von Tench’alin - Band III

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eBook

(1. Auflage Printversion März 2005)

Deutsche Ausgabe: © EchnAton Verlag Diana Schulz e.K.

Gesamtherstellung: Diana Schulz

Covergestaltung: Raphaela Näger

Coverbild: ©Jack Hollingsworth/Getty Images

Lektorat: Angelika Funk

ISBN: 978-3-937883-52-6

www.echnaton-verlag.de

Klaus D. Biedermann

Meinen Eltern und Geschwistern

Ich glaube nicht an Wunder,

dafür habe ich zu viele gesehen.

Oscar Wilde

Mein Dank geht an meine Frau Ingrid, die sich jeden Abend geduldig angehört hat, was tagsüber entstanden ist und die auch so mutig war, kritisch nachzufragen.

Ich danke meiner Mitarbeiterin Nicole Spitzenberg, die mir in der heißen Phase des Schreibens fast alles andere aus dem Weg geräumt hat und ich danke Diana Schulz dafür, dass sie dieses Buch verlegt.

Prolog

Im Jahre 2166 passierte die letzte große Katastrophe. Die Unterschiede zwischen Reich und Arm, den einzigen zwei verbliebenen Gesellschaftsschichten, waren unüberbrückbar geworden. In den letzten Jahrzehnten des 21. Jahrhunderts waren Bewohner armer Länder wiederholt an die Grenzen der Reichen vorgedrungen. Sie wollten sich das holen, was ihnen ihrer Meinung nach zustand.

Man hatte diese Länder Entwicklungsländer genannt oder auch als Dritte Welt bezeichnet, obwohl ja jedem klar gewesen sein musste, dass es nur eine Welt gab.

Von riesigen Militäraufgeboten wurden solche Invasionen zurückgedrängt. Wenn sie nicht durch Waffengewalt starben, wurden viele der Verzweifelten auf dem Rückweg Opfer des Hungers. Begonnen hatte es damit, dass Slumbewohner großer Städte Südamerikas und Asiens in die Bezirke der Wohlhabenden eingefallen und als marodierende Horden durch die Straßen gezogen waren.

Einwohner Afrikas waren in Schiffen, die diesen Namen kaum verdienten, an den Küsten Europas gelandet, um hier Asyl zu erlangen. Viele von ihnen waren tatsächlich politisch verfolgt, andere schämten sich zuzugeben, dass der Hunger sie hergetrieben hatte. Aus alldem wurde ein Flächenbrand, der sich über die ganze Erde ausdehnte.

Der Teil der Menschheit, dessen Götter Maschinen waren, hatte sich seit der Mitte des 19. Jahrhunderts von der Natur getrennt, sie gnadenlos ausgebeutet und damit begonnen, sie zu zerstören.

Es war zwar der kleinere Teil der Weltbevölkerung, aber der mächtigere. Diejenigen, die die Macht hatten, waren Meister der Verführung, denn sie überzeugten viele Menschen davon, dass es erstrebenswert sei, nach ihren Maximen zu leben.

Man war zum Mond und sogar weiter geflogen, aber Millionen Menschen hatten immer noch keinen Zugang zu sauberem Wasser. Die natürlichen Ressourcen der Erde waren fast erschöpft. Kriege waren um sie geführt worden. Die Verschmutzung der Umwelt trug zu massiven klimatischen Veränderungen bei.

Das Eis der Pole und der Gletscher war dramatisch geschmolzen und den Meeren zugeflossen. Die Grundwasserspiegel sanken und Trinkwasser wurde zum wertvollsten Gut. Seuchen und Hungerkatastrophen rafften große Teile der Bevölkerung ganzer Kontinente dahin. Überschwemmungen und gigantische Stürme hatten ganze Landstriche verändert. Ehemals fruchtbare Gebiete waren in Wüsten verwandelt, andere Regionen durch den Anstieg der Meeresspiegel permanent überschwemmt. Europäische und amerikanische Konzerne hatten sich vorausblickend frühzeitig die weltweiten Wasserrechte gesichert. Für die meisten Bewohner vieler Länder war das kostbarste Gut damit unbezahlbar geworden.

Die Macht hatten die Industrienationen. Deren Wissenschaft und Technik hatten sich in den letzten Jahrzehnten rasant entwickelt. Die Medizin hatte es teilweise geschafft, der Natur die Arbeit abzunehmen. Es waren aber auch neue Krankheiten entstanden. Alleine die Seuche Aids tötete bis zum Jahre 2003 mehr als 300 Millionen Menschen. Und wieder traf es überwiegend die Armen, die sich die teuren Medikamente nicht leisten konnten.

Vor alldem war man schon gegen Ende des 20. Jahrhunderts gewarnt worden, nur wollte es damals kaum jemand wahrhaben.

In ehemals gemäßigten Klimazonen nahmen Überschwemmungen zu und die Menschen dort mussten sich sogar an Orkane und Hurrikans gewöhnen. Die Medien sprachen von »Naturkatastrophen«. In Wirklichkeit aber waren es »Menschenkatastrophen«. Schon ein Jahrhundert später starben täglich mehrere Tier- und Pflanzenarten aus. Nach weiteren hundert Jahren waren 27 Prozent der Säugetiere und 19 Prozent der Vogelarten für immer von diesem Planeten verschwunden.

Wer vor den Folgen der Ausplünderung des Planeten warnte, wurde als grüner Spinner oder pessimistischer Schwarzmaler abgetan. Als Alibi wurden Tier- und Naturschutzbünde gegründet.

 

Das beruhigte manches Gewissen. Hinter diese Ironie blickte kaum jemand: Dass nämlich ein Teil der Natur einen anderen vor sich selbst schützte.

Es war noch eine Ironie der harmloseren Art. Eines der damals kriegerischsten Völker vergab als höchste Auszeichnung »die Freiheitsmedaille« - einmal sogar dem Papst, kurz nachdem dieser dem Präsidenten dieses Landes wegen seiner aggressiven Außenpolitik die Leviten gelesen hatte. Aber das war schon Zynismus.

Es gab Menschen, die sich gegen die katastrophalen Zustände des Ungleichgewichts auch mit extremen Mitteln wehrten. Diese wurden zu Terroristen erklärt und erbarmungslos verfolgt. Darin waren sich die Regierungen der reichen Länder einig. So spielten die Terroristen bewusst oder unbewusst diesen Machthabern in die Hände.

Die meisten Regierungen hatten im weiteren Laufe der Zeit versagt und waren durch Marionettenpolitiker ersetzt worden.

Die Menschen hatten keine wirkliche Wahl mehr, denn Wahlen wurden immer öfter manipuliert oder boykottiert. Die Drahtzieher waren die Führer bestimmter gut organisierter Gruppen.

Sie hatten ihre straff aufgebauten Organisationen über Jahrhunderte hinweg bewahren können, weil sie nicht zuletzt auch Meister in der Geheimhaltung und Verdunkelung waren. Tauchte einmal ein für das Volk verheißungsvoller Politiker auf, der nicht in die Machtinteressen eingebunden werden konnte, fand oder konstruierte man schnell etwas Anstößiges aus seiner Vergangenheit. Dies publizierte man dann in einer gewissen Weise und entledigte sich so seiner Person. War das nicht möglich, gab es ein Attentat als Endlösung.

Die Situation wurde so verzweifelt, dass immer mehr Menschen versuchten, mit irrsinnigen Attentaten auf ihre Lage aufmerksam zu machen. Dadurch lieferten sie den Mächtigen erst recht Argumente, die Angst unter den Völkern zu schüren. Da bei den Anschlägen auch Frauen und Kinder getötet wurden, gesellte sich Wut zur Angst. Eine gefährliche Kombination.

Diejenigen, denen die Anschläge eigentlich galten, lebten perfekt abgeschirmt und blieben unbehelligt. Eine Handvoll Wissenschaftler, die sich im Geheimen treffen konnte, entwickelte eine Bombe, mit der es möglich sein sollte, ohne große Verluste an Leben technische Einrichtungen großflächig zu zerstören. Sie wollten die Gleichberechtigung der Völker wiederherstellen.

Die Wissenschaft selbst aber hatte die Probleme verursacht, die sie nun zu korrigieren versuchte. Ihr Größenwahn bestand darin, dass sie den Menschen versprach, alle Rätsel zu lösen und sie hatte für das meiste auch Erklärungen parat. Es existierte schon lange ein harter Konflikt mit den etablierten Religionen, der viele Menschenleben gekostet hatte - auf beiden Seiten. Die einen negierten Gott, die anderen behaupteten, sein verlängerter Arm und Sprachrohr zu sein. Beide irrten sich.

Anfang des 21. Jahrhunderts versicherte die Wissenschaft, das Geheimnis des Lebens, die DNA, entschlüsselt zu haben und belegte dies auch mit einem eindrucksvollen Ergebnis. In der DNA, einem doppelsträngigen, helikalen Makromolekül, war die gesamte Erbinformation eines Organismus codiert. Man hatte entdeckt, dass die Gene als Teil der Erbinformation für die Ausprägung einzelner Merkmale verantwortlich sind und es sich hierbei um einen Abschnitt auf der DNA handelt, der die genetische Information zur Synthese eines Proteins oder einer funktionellen RNA enthält.

Mit einer Kombination aus den vier Buchstaben A, C, G und U konnte man ihn darstellen. Der leistungsfähigste Computer der damaligen Zeit benötigte drei Jahre, um den Code restlos zu entschlüsseln. DNA und Gene waren nun kein Rätsel mehr und der Mensch begann, Gott zu spielen. Alles schien möglich zu sein. Biotech-Unternehmen schossen wie Pilze aus dem Boden, denn hier war jetzt Geld zu machen. Zunächst sah es aus, als sei es ein Segen für die Menschheit, denn viele Krankheiten, auch Erbkrankheiten, konnten eliminiert werden. Eine weitere Folge der Genforschung war, dass Männer mit Männern, Frauen mit Frauen Kinder »zeugen« konnten. Man konnte sich für viel Geld sein »Wunschkind« bestellen. Noch einmal 50 Jahre später war Klonen gesellschaftsfähig geworden: Aus zwei sozialen wurden nun zwei genetische Schichten.

Das Wissen hatte die Weisheit schon seit langem verdrängt. Durch die Ausrottung vieler Krankheiten explodierte aber die Weltbevölkerung und was zunächst wie ein Segen ausgesehen hatte, wurde zu einer immensen Belastung. Im Jahre 2000 mussten schon drei Milliarden Menschen mehr versorgt werden als im Jahre 1970. Im Jahre 2010 noch einmal 500 Millionen mehr. Um diese Menschen ernähren zu können, mussten unter anderem riesige Regenwälder, die mächtigen Sauerstoffproduzenten, großen Agrarflächen weichen.

Die Erde wehrte sich wie ein erwachender Riese durch verheerende Beben apokalyptischen Ausmaßes gegen die Ausbeutung. Durch die Entnahme der riesigen Ölvorkommen und anderer Bodenschätze waren gigantische Hohlräume im Erdinneren entstanden, was zu Verschiebungen der Erdplatten führte. Jahrelange Atombombenversuche unter dem Meeresspiegel und im Erdinneren hatten zusätzlich dazu beigetragen.

Das alles hatte die Verschiebung der Erdachse um mehr als 20 Grad zur Folge. Dies wiederum zog weltweite Folgekatastrophen wie Orkane, Feuersbrünste, Überschwemmungen und Erdrutsche nach sich.

Die Mächtigen hatten diesen Planeten wie eine tote Masse behandelt, mit der man ungestraft machen konnte, was man wollte, und nicht wie einen lebendigen Organismus, so wie es die Naturvölker beispielsweise taten. Man hätte von ihnen lernen können. Jetzt erhielt man seine Lektion.

Mit Hilfe von Selbstmordkommandos war es schließlich gelungen, viele der neu entwickelten Bomben fast zeitgleich im damaligen China, Russland, in Europa, Asien und den USA in deren Nervenzentren zu zünden. Die Aktion wurde nicht zu dem Erfolg, den man sich gewünscht hatte, denn sie kostete wesentlich mehr Menschenleben, als beabsichtigt war. Die wichtigen Zentren waren zerstört.

Mit Bomben aber wurde noch nie Gerechtigkeit geschaffen, was man hätte wissen können, aber wohl übersehen hatte. Die Erde hatte nun Zeit, sich zu erholen, und die Überlebenden teilten und ordneten mit einem Ewigen Vertrag eine neue Welt, in der es jedem möglich sein sollte, nach seinen Vorstellungen in Frieden zu leben.

Kapitel 1

700 Jahre später, an einem Julimorgen des Jahres 2866, schickte die Sonne ihre ersten Strahlen fast waagerecht in den Wald von Elaine. Tau glitzerte, wie Diamanten an fein gewobenen Spinnennetzen aufgezogen, geheimnisvoll durch zarte Nebelschleier. Noch verschlafen zwitscherten die ersten Singvögel des großen Waldes, dessen älteste Bäume seit mehr als tausend Jahren hier wurzelten. Manche von ihnen waren hoch und stark wie Wehrtürme und so dicht belaubt, dass die Sonne nur in den Mittagsstunden bis zur Erde reichte. Riesige Farne, dichtes Unterholz und knorrige Baumhöhlen boten manchem Leben Schutz. Hin und wieder machten die Bäume einer Lichtung Platz, auf der ein kleiner See träumte - manchmal hinter hohem Schilf versteckt, auch ein idealer Platz für die Kinderstube der Wasservögel. Jetzt zogen sich die Wesen der Nacht zurück, manche satt von reichem Beutezug. Auch einige Baumelfen und Erdkobolde, verspätete Heimkehrer eines sommerlichen Waldfestes, huschten im Licht des anbrechenden Tages in ihre Behausungen.

Effel brauchte seine ganze Aufmerksamkeit, um nicht über eine der zahlreichen Wurzeln oder über Äste zu stolpern. Deswegen hatte er auch keinen Blick für die zierlichen Elfen in ihren Spinnwebkleidern oder die Kobolde mit ihren lustigen Kopfbedeckungen. Er hatte nämlich die Fähigkeit, sie zu sehen.

Die Nacht hatte er in einer mächtigen, hohlen Eiche verbracht. Das trockene Laub, das der Wind in ihrem Inneren gesammelt hatte, bot ihm ein weiches und warmes Ruhelager. Er war allerdings so müde gewesen, dass er auch auf unbequemerer Bettstatt geschlafen hätte, und er liebte es, in freier Natur zu übernachten. In der ersten Nacht seiner Reise hatte er, kaum dass er sich niedergelegt hatte, wie in tiefer Ohnmacht geschlafen und sehr lebhaft geträumt. So brauchte er jetzt etwas Zeit, in die Wirklichkeit zurückzufinden.

»Kein Wunder«, dachte er. Es war auch viel geschehen in den letzten Wochen seit Verkündung der schlimmen Nachrichten. Er musste Vorbereitungen treffen und dann hatte er seinen Rucksack mit allem Nötigen gepackt. Der Abschied von seiner Familie und seinen Freunden hatte sich lange hingezogen. Soko, dem Schmied, war sogar das Feuer fast ausgegangen, was ihm selten passiert war. Alle Dorfbewohner hatten sich auf dem Platz versammelt, um ihm Lebewohl zu sagen.

Und dann, zum Schluss, Saskia.

Er war noch eine Weile auf dem weichen Lager der Baumhöhle liegen geblieben und hatte der Dämmerung zugeschaut, die dort draußen einen neuen Tag ankündigte. Neben ihm trottete ein großer, struppiger Hund, der seinem Herrchen, wie es ja öfter vorkommt, ein wenig ähnlich sah.

Sam, ein Wolfshund, hatte noch gestern das Vielfache der Wegstrecke zurückgelegt, denn die Wildspuren waren einfach zu verlockend gewesen. Die Freude, mit von der Partie zu sein, hatte dem treuen Begleiter unsichtbare Flügel verliehen. Jetzt aber sagte ihm sein sicherer Instinkt, dass es sinnvoll sein würde, sich die Kräfte einzuteilen.

Sein ganzes Leben lang, jedenfalls soweit er sich erinnern konnte, hatte Effel auf eine solche Gelegenheit gewartet: Unterwegs zu sein und Abenteuer zu erleben. Sein Großvater hatte mehr als einmal zu ihm gesagt: »Ein Mann muss hinaus in die Welt um seinen Horizont zu erweitern. Er sollte wissen, wie andere Menschen leben und woran sie glauben. Vor allem, woran sie glauben. Fast alle Kriege vergangener Zeiten waren nämlich Glaubenskriege oder basierten auf Vorurteilen. Am besten ist, man lebt einige Zeit in der Fremde, dann wird man andere Menschen viel eher respektieren. Denn was man kennt und schätzen gelernt hat, wird man nicht bekämpfen wollen. Vorurteile sind immer auch ein Zeichen für einen Mangel an Vernunft.«

Er erzählte gerne und oft von seinen langen Reisen und konnte beschreiben wie kein anderer. Mit einer ruhigen, sonoren Stimme nahm er seine Zuhörer mit in fremde Welten, sodass sie nachher das Gefühl hatten, selbst dort gewesen zu sein. Er schloss aber stets mit dem Hinweis, dass es nicht ausreiche, seine Geschichten zu hören, sondern dass es wichtig sei, eigene Erfahrungen zu machen.

Vor zwei Monaten hatte Effel seinen 29sten Geburtstag gefeiert. Jetzt war er unterwegs, aber von solch einer Mission hatte er in seinen kühnsten Träumen nicht geträumt. Er spürte die Verantwortung auf seinen breiten Schultern. Andererseits liebte er Herausforderungen und Optimismus war eine seiner Stärken.

Die beiden kamen aus dem Wald heraus. Die Sonne wärmte schon die taufrische Erde, denn Wolken feinen Dampfes standen in den Furchen der Felder, dort wo die Ernte noch niedrig stand. Hier musste es in der letzten Nacht geregnet haben. Zur Linken dehnte sich das Ackerland über mehrere Hügelketten aus. Der Wald erstreckte sich nun zur rechten Seite. Der Weg, auf dem sie liefen, diente wohl auch Fuhrwerken, denn tiefe Spurrillen zeugten von schwer beladenen Wagen. Die Regenwolken hatten sich verzogen und es versprach, ein wunderbarer Tag zu werden.

Auf einem umgestürzten Baum nahe beim Weg gönnte sich Effel eine kleine Pause. Sam ließ sich neben ihn in das noch feuchte Gras plumpsen. Hechelnd blickte er nach oben und schien zu fragen: »Ist es noch weit?« Effel konnte seinem Hund diese stumme Frage nicht beantworten. Seinem Rucksack entnahm er ein Paket, das ihm Saskia eingesteckt hatte. Er musste lächeln, als er merkte, wie liebevoll es verschnürt war.

»Typisch Saskia«, sagte er zu Sam. Dann wickelte er zwei dick mit Wurst belegte Brote aus.

»Schau mein Alter, an dich hat sie auch gedacht, hier nimm.«

Er hielt seinem Hund ein ansehnliches Stück vor die Nase, das dieser vorsichtig nahm und ohne einmal zu kauen verschlang. Während Effel frühstückte, musste er an das denken, was ihm Mindevol, der Dorfälteste von Seringat, beim Abschied gesagt hatte.

»Niemand kann wissen, wie lange deine Reise dauern wird. Wir alle hoffen, dass du das Ziel erreichst und tust, was zu tun ist. So viel hängt davon ab. Wir sind mit unseren Gedanken bei dir und als Symbol dafür, werden wir das Feuer im Dorfhaus nicht ausgehen lassen. Du wirst sicher manche Schwierigkeit bekommen, aber du wirst auch Helfer haben. Andere Menschen, Tiere und Wesen, die du noch nicht kennst. Vertraue deinen Träumen und deiner Intuition. Beachte auch die kleinen Zeichen. Vielleicht können gerade sie dir helfen, die Mission zu einem guten Ende zu bringen. Besinne dich stets auf das, was du gelernt hast, sei aber auch offen für Neues. Hier durftest du Fehler machen und das war sogar wichtig, denn du hast aus ihnen gelernt. Dort draußen werden dir nicht viele Fehler verziehen werden.«

 

In Mindevols anschließender Umarmung hatten Wärme und Kraft gelegen. Der Dorfälteste hätte weder einen weißen Bart noch weiße Haare haben müssen, seine Weisheit leuchtete aus den braunen Augen. Es tat Effel gut, sich daran zu erinnern. Während er fertig aß, schleckte der durstige Sam den restlichen Tau von den Gräsern. Die Sonne stieg allmählich in einen wolkenlosen Himmel.