Die Liebe: Das Meer

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Die Liebe: Das Meer
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Impressum

© Text: Judith Cramer

Cover: epubli & Judith Cramer

1. Auflage September 2019

Judith Cramer

c/o AutorenServices.de

Birkenallee 24

36037 Fulda

Mail: JudithCramer@AutorenServices.de

Druck und E-Book-Veröffentlichung:

Neopubli GmbH

Köpenicker Straße 154a

10997 Berlin

Über mich

… meeres- und schiffsverrückt aus dem Jahrgang 1982. Studierte Politikwissenschaftlerin, doch es kam anders. Aufgewachsen in Paderborn, gefühlt auch in Cuxhaven. „Schiffe gucken“ – stundenlang, die Elbmündung rauf und runter, mit der Hermann Helms groß geworden. Seenotkreuzer und Reisen sind meine Leidenschaften.

„Die Liebe: Das Meer“ ist mein Erstlingswerk. Während des Schreibens/ der Überarbeitung habe ich sehr viel über mich erfahren, die eine oder andere Erkenntnis war dabei durchaus eine Überraschung ;-)

Ich schreibe was mein Herz mir diktiert, immer mit dem Bewusstsein:

Ohne das Meer geht es nicht, weder in meinen Werken noch im echten Leben.

Zack ahoi.

Judith Cramer

Foto: privat

Foto: privat

Danksagung

Liebe Leserin, lieber Leser!

Die Liebe: Das Meer

Bereits 2014/2015 ist dieses Buch aus meinem Herzen entstanden, bevor es viele Jahre in den digitalen Untiefen versank. Seine erneute Erweckung folgte Ende 2018/Anfang 2019 mit meinem Entschluss, mich nicht länger gegen meinen Traum zu stellen.

„Die Liebe: Das Meer“ ist daher ein großer Schritt für mich. Ein besonderes Dankeschön gilt meinen Eltern, die mich immer unterstützt haben, egal welche Irrungen & Wirrungen gerade auftauchten. Mein Freundeskreis hat schon eine Menge mit mir mitgemacht, verrückter ging irgendwie immer. Daher gilt mein herzlicher Dank: (ab jetzt in alphabetischer Reihenfolge) Anastassija, Annerose, Christina, Kathrin, Maria, Mark, Nadine, die immer an meinen Traum geglaubt haben. Jeder von euch hat mich auf ganz eigene Art und Weise unterstützt und mir dabei geholfen, meinen Weg zu finden und ihn endlich auch zu gehen. Die Methoden waren dabei allerdings so unterschiedlich wie die Küsten der Weltmeere. Ohne euch hätte ich nie den Mut aufgebracht, diesen Weg zu beschreiten. Danke.

„Die Liebe: das Meer“, eine Familiengeschichte, eingebettet in die Kreuzfahrtbranche. Kommen Sie, liebe Leserin, lieber Leser, nun mit auf Sarah Borns Reise über die Weltmeere und durch ihr Herz.

Wie immer gilt:

Für alle Fehler bin ich selbst verantwortlich, Übereinstimmungen mit lebenden Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt. Dieses Buch hat nicht den Anspruch, die Realität der Kreuzfahrtbranche eins zu eins wiederzugeben.

Viel Spaß beim Lesen

Judith Cramer

PS

Während der Überarbeitung 2019 wurde mir bewusst, dass mein „heimlicher Lieblingscharakter“ deutlich mehr Aufmerksamkeit verdient. Simon Thornton, Du wirst sie bekommen.

Zack ahoi.

Judith Cramer

Die Liebe: Das Meer

1. Kapitel

Sarah Born staunte nicht schlecht, am Kreuzfahrtterminal in Hamburg-Altona lag die MS Poseidon live und in Farbe vor ihr. Ein Kreuzfahrtschiff, welches eine humane Anzahl an Passagieren aufnehmen konnte, aber sicher nicht zu den größten Schiffen in der Branche zählte. Dafür war es viel zu klein, gemütlich und familiär, genau das war der Grund, weshalb sich Sarah so freute, nun als Deckkadettin auf der Poseidon anfangen zu dürfen. „Endlich kommt nun richtige Praxiserfahrung zum erfolgreich abgeschlossenen Studium hinzu.“ Vor lauter Freude hüpfte sie ein paar Mal in die Luft, klatschte ihre Hände zusammen und grinste breit. Endlich konnte sie loslegen, hier und jetzt in Hamburg. „Hallo Welt, ich komme“, rief eine innere Stimme in ihr. Natürlich wusste sie, dass nicht nur Highlights in Warteposition lagen, sondern vor allem mächtig viel Arbeit, eine anstrengende Zeit, Zwei-Personen-Kabine, Brückenwache im 8-Stunden-Rhythmus für vier Stunden, Anlege-, Ablegemanöver, zumindest in der ersten Zeit sicherlich auch Frauchen für alles, da sie nun mal eben neu und frisch von der Uni war. Aber sie war immer auf und am Meer, das entschädigte für alles, vielleicht schaffte sie es ja noch, so quasi nebenbei etwas von der Welt zu sehen, jedenfalls hatte sie sich das ganz fest vorgenommen. Schon zu Beginn ihres Studiums war ihr klar, entweder in die Kreuzfahrtbranche oder aktiv in die Seenotrettung, wobei sie für beide Branchen ihre Schwächen hatte.

Oben auf der Nock konnte sich Captain Tobias Born ein Lachen nicht verkneifen, er hatte seine neue Deckkadettin bereits auf der Aussichtsplattform über dem Cruise Center Altona entdeckt und schmunzelte als er ihre Luftsprünge sah. Das Gleiche galt für seinen 2. nautischen Offizier Lars. „Sieht nach einer ordentlichen Portion Action aus, es wird, denke ich, eine Kunst werden, sie ruhiger zu bekommen, mal sehen, wie lange wir dafür brauchen“, meinte Captain Tobias zu seinem 2. Offizier. Dieser nickte und lachte. „Frisch von der Uni … Wer ist da kein Wirbelwind, neugierig und irgendwie total verrückt?“ Recht hatte er, Tobias Born kannte von dieser Sorte allerdings nur einen einzigen Mann, er selbst hatte ganz sicher nicht mit dazugehört. Nein, auch er war nach der Uni ganz sicher noch nicht so ruhig und erfahren, wie er es heute war, aber das war nur natürlich. Bei seinem 2. Offizier war inzwischen immerhin schon mehr Ruhe eingekehrt, manchmal aber brauste die Ungestümtheit allerdings doch noch voll mit durch. Da hatte er noch einiges zu lernen auf seinem langfristigen Weg zum Captain in der Jupiter-Reederei. „Ich gehe jetzt runter und nehme Kadettin Sarah in Empfang. Das Schiff kennt sie ja noch von ihrem Praktikum.“ Verblüfft blickte Lars seinen Chef an: „Sarah ist schon mal bei uns gefahren?“ Nun lag es an Tobias, verblüfft zu sein. Überrascht hielt er inne, blickte seinen 2. Offizier ernst an. „Woher kennt ihr euch?“ Lars musste nicht lange überlegen. „Nach meinem Studium und kurz vor Beginn ihres Studiums waren wir beide für 14 Tage auf dem Seenotkreuzer auf Helgoland. Danach sind wir uns nicht mehr begegnet.“ „Aha“, nickte Tobias. „Weiß sie, dass du hier inzwischen 2. Offizier bist?“ Mit einer Antwort zögerte Lars nicht lange, während er seinen Chef zur Brückentür begleitete. „Die Frage kann ich nicht beantworten, von mir weiß sie es jedenfalls nicht, ob sie aus anderen Quellen die Info bekommen hat, vermag ich nicht zu sagen, ich denke, die Frage kann Sarah am ehesten beantworten.“ Alles klar auch, Tobias hatte nicht vor, Sarah danach zu fragen, nein, im Gegenteil, er wollte vielmehr ihr Gesicht sehen, wenn sie Lars erblickte, davon versprach er sich deutlich mehr.

Tief durchatmend ahnte Lars, da kommt nicht nur ein Wirbelwind auf die Poseidon zu, nein, auch er hatte mit diesem Wirbelwind doch deutlich mehr zu tun gehabt, als er gerade gegenüber seinem Vorgesetzten erwähnt hatte. Sicher war sicher, fest stand nur, die nächste Zeit versprach äußerst spannend zu werden, es war unklar, wie Sarah damit umgehen würde, dass auch er mit auf der Poseidon fuhr.

Stolz wie Oskar betrat Sarah die Gangway und begab sich direkt zum Crew-Eingang. Crew-Mitglied war sie ja nun endlich. Sofort konnte sie das Schiff betreten, die Formulare stimmten. Keine fünf Minuten später kam ihr auch schon Captain Tobias Born entgegen. „Hallo, Kadettin Sarah, herzlich willkommen zurück und Glückwunsch zum Uniabschluss!“ Sarah freute sich, den Captain zu sehen. Ihn hatte sie schon während eines Praktikums als Captain kennengelernt und hatte somit zumindest das Gefühl, etwa zu wissen, was auf sie zukäme, wie sein Arbeitsstil war. „Danke, Captain, ich freue mich sehr, wieder an Bord zu sein und nun endlich hier anfangen zu können. Das war die Schinderei der letzten Wochen echt wert.“ Tobias schmunzelte, er hatte schon gehört, Sarah hatte am Ende der Prüfungsvorbereitungszeit das Wort Mathematik nicht mehr ausstehen können. Und dennoch hatte sie es geschafft. „Check erst einmal deine Formalia hier beim Crew Purser und dann sehe ich dich in einer Stunde auf der Brücke. Richtig los mit den Schichten geht es für dich erst morgen, aber heute kannst du schon mal mit hoch, auch in Uniform, und natürlich das erste Ablegen von der Nock aus verfolgen. Gewöhn dich dran, denn ab morgen wird es stressiger für dich, das kann ich dir jetzt schon versprechen.“ „Danke, Captain“, und sah ihm nach. Plötzlich blieb er stehen, drehte sich im Gang noch mal zu Sarah um: „Eines noch: Wenn du auf der Nock stehst, versuch den Freudenschrei und den Luftsprung so zu gestalten, dass dabei keiner verletzt wird, ja?“ Sarah grinste, der Captain hatte also gesehen, wie sie eben unten vor lauter Freude losgejubelt hatte und in die Luft gesprungen war. Das konnte ja heiter werden. Nachdem alles geklärt war, brachte sie schnell ihre Sachen auf die Kabine, zog sich um. Bisher hatte sie Glück, der Plan war, dass sie zunächst sechs Wochen die Kabine für sich hatte, zum Eingewöhnen nicht schlecht, andererseits graute ihr aber auch davor, erst sechs Wochen eine Kabine für sich zu haben und danach dann mit einer anderen. „Egal, werde auch das überleben.“

In korrekter Uniform machte sie sich auf zur Brücke. Seit ihrem Praktikum hatte sich etwas geändert. Etwas ganz Gewaltiges sogar, zum Glück. Die Jupiter-Reederei hatte sich inzwischen entschlossen, eine Regel aufzustellen, die besagte, dass Frauen, die auf der Brücke arbeiteten, nur dann in Röcken und Blusen aufkreuzen mussten, wenn Galauniform verpflichtend war, im Alltag durften sie inzwischen auch Hose und Hemd oder Shirt tragen. Pulli und Jacke waren eh nie das Problem gewesen. Als Sarah von dieser Regeländerung Wind bekam, war sie außer sich vor Freude, denn nichts hasste sie mehr als Röcke und Blusen, darauf konnte sie getrost verzichten. In schwarzer Hose, schwarzen Schuhen und einem weißen Shirt machte sie sich nun auf zur Brücke. Happy ohne Ende, aber komplett nervös. Sie staunte nicht schlecht, als ausgerechnet Lars die Tür öffnete, ihn hatte sie vor zig Jahren bei den Seenotrettern getroffen. „Lars! Du bist also auch hier gelandet, klasse!“ Lars nickte und führte Sarah zum Captain. Tobias Born sah auf den ersten Blick, Sarah hatte nicht gewusst, dass Lars ebenfalls bei der Jupiter-Reederei gelandet war. Das kam ihm sehr gelegen. „Kadettin Sarah, noch mal herzlich willkommen auf der Brücke der Poseidon. Willkommen im Team, alles Gute und uns immer eine Handbreit Wasser unterm Kiel“, sprach er und gab ihr die Hand. Sarah schüttelte sie und bemerkte erst später, dass der Captain und Lars lachen mussten. „Oh, Verzeihung, Captain!“ Lachend führte er seine neue Kadettin über die Brücke, die sie zwar schon kannte, aber dennoch, einige Änderungen gab es immer. Nach der Mini-Führung und den ersten Statements ging Sarah gleich auf die Nock. Herrlich, herrlich, daran würde sie sich schnell gewöhnen müssen, nicht jedes Mal positiv erschlagen zu sein, wenn sie hier oben draußen stand. Heute, hier in Hamburg, klappte das allerdings gar nicht. Ganz im Gegenteil. Sarah fiel fast das Kinn herunter, als sie auf der einen Seite die Elbe sah und gut in den großen Hamburger Hafen Richtung Landungsbrücken und Elbphilharmonie blicken konnte und vom Heck aus auf der anderen Seite einen guten Blick in Richtung Finkenwerder auf das Airbuswerk hatte. Es war atemberaubend, ein Gefühl, welches auch dem Captain und Lars nicht entging. Sarah konnte sich kaum sattsehen, hörte aber ihre innere Stimme „Dienst“ sagen und von einer Sekunde auf die andere war ihr Blick ein anderer, sie checkte nun professionell die Nock, die Lage des Schiffes. Ja, genau, die Lage des Schiffes, die Poseidon lag nämlich noch nicht in Fahrtrichtung, sondern musste erst noch auf der Elbe gedreht werden. Ein weiteres Highlight stand ihr da bevor, ja, irgendwann würde es Routine sein, ein Schiff zu drehen, auch mitten im Hafen oder auf der Elbe, aber heute war noch alles neu, alles irre, alles aufregend. Im Stillen fragte sich Sarah, wie viele Schlepper sie für das Drehen benötigten, denn inzwischen war zwar noch kein Sturm, aber schon ein guter Wind aufgekommen. Bis zum Ablegen waren es allerdings noch vier Stunden, da konnte sich noch einiges ändern. Ohne dass sie es bemerkte, war Lars inzwischen neben sie auf die Nock getreten. „Die Schlepperanzahl steht noch nicht ganz fest, zwei sicher, der Rest wird wetterabhängig sein, wird 30 Minuten vorher endgültig entschieden, je nachdem, wie das mit dem Wetter weitergeht.“ Sarah starrte ihn an. „Bisher hatte ich gedacht, Gedankenlesen sei eine hohe Kunst, aber das ist wohl ein Irrtum.“ Lars lachte, Unrecht hatte Sarah damit nicht, aber abgesehen von ihren positiven Gedanken eben, es war offensichtlich, was und woran sie dachte. „Aktueller Stand der Dinge, der Sturm wird zunehmen. Jetzt haben wir erst ein ,laues Lüftchen‘, mehr nicht. Elbabwärts wird also kein Zuckerschlecken werden.“ „Für wen?“, wollte Sarah sofort neugierig wissen, denn sie wusste, zwischen dem, was Passagiere unter Sturm verstanden und was Nautiker als Sturm bezeichneten, lagen Welten. „Auf dem Weg in Richtung Amsterdam werden wir es in Höhe der Ostfriesischen Inseln wohl mit Windstärke sieben bis acht zu tun haben, dazu Schauer, und mit Pech rollt auch noch eine Gewitterfront auf uns zu.“ Sarah riss ihre Augen sperrangelweit auf, allerdings sah Lars ein großes Glitzern in ihnen. „Verrate es den Passagieren lieber nicht, weder, was die Windstärke angeht, noch, dass du es gar nicht abwarten kannst, bis es so weit ist!“ Leicht zerknirscht schüttelte Sarah den Kopf, während die ersten Tropfen bereits auf die Nock und die Decks fielen. „So deutlich?“ Lars entschloss sich, dazu nichts zu sagen, und wollte sich auf den Weg hinein machen. In dem Moment riss eine Wolke auf und ein absoluter Wolkenbruch brach über sie herein, ohne Vorwarnung, aber mit einer Intensität, dass es nur so krachte. „Eimer“, schrie Sarah ihn an. Binnen Sekunden standen sie bis fast zu den Knien auf der Nock im Wasser und waren bereits dabei, das Wasser mithilfe von Eimern in die Elbe zu schütten! Auf der anderen Seite der Nock waren zwei andere Offiziere ebenfalls damit beschäftigt, die gleichen Arbeiten vorzunehmen. Sie alle mussten verhindern, dass die Wassermassen zur Brücke liefen. So schnell konnte nämlich das Wasser von der Nock gar nicht an der Seite herunterlaufen. Es war kein Spaß, selbst Captain Tobias hatte solche Regenfälle nur selten gesehen, er war froh, dass Sarah mit eingriff und nun Wasser von der Nock runterschippte, und zwar so, dass es auf keinem anderen Deck landete, sondern direkt in der Elbe. Nach 30 Minuten hörte der Wolkenbruch endlich fürs Erste auf, Sarah und Lars schippten immer noch das Wasser in den Eimern von der Nock, hatten aber eine Überflutung der Brücke verhindern können. Die Technik der Nock hatten sie sofort wasserfest gemacht, über den Steuerinstrumenten befand sich ohnehin ein Aluminiumkasten, der jederzeit geöffnet und geschlossen werden konnte. In diesem Falle hatten sie sogar noch eine zusätzliche Plane drübergelegt, sicher war sicher. Uff, das war knapp gewesen, jetzt war es nur noch normaler Regen ohne Überschwemmungsgefahr.

 

Klitscheklatsche nass betraten sie die Brücke, wollten sich aufwärmen und weitermachen. Doch da machte der Captain allen vier Nockhelfern einen Strich durch die Rechnung. „Duschen alle, sofort, dann zurück auf die Brücke, sofort raus aus den nassen Kleidern!“ Und warf ihnen Handtücher zu. Alle wussten, was zu tun war, und alle wussten, es kann um Sekunden gehen, also suchte sich jeder ein halbwegs geschütztes Plätzchen auf der Brücke, schälte sich aus der Uniform, umwickelte sich mit einem Handtuch und wrang die Uniform zunächst über einem weiteren Eimer aus. Nur in einem Logo-Handtuch der Reederei eingewickelt und mit der anderen Hand die nasse Uniform festhaltend, ging es so zu den Crew-Bereichen, zu den Kabinen, leider mussten sie von der Brücke zum Crew-Treppenhaus zumindest für einen kurzen Abschnitt durch den Passagierbereich. Einige Passagiere der Poseidon staunten nicht schlecht, als auf einmal vier Crewmitglieder von der Brücke im Handtuch daherkamen und es klar war, dass diese eine Überschwemmung der Brücke verhindert hatten. Kurioserweise brandete schnell und kurz ein Applaus auf. Sarah nickte nur, war heilfroh, als sie in der Kabine war, warf ihre nassen Sachen ins Waschbecken und sprang unter die Dusche.

Super, erst ein paar Stunden an Bord und schon die erste Uniform vollkommen nass, gut, dass sie genügend dabeihatte und im Notfall auch auf dem Schiff noch Ersatz besorgen konnte. Dennoch, happy war sie nicht damit, erster Tag und gleich so ein Einstieg, na bravo. Frisch geduscht, wieder aufgewärmt, in neuer, trockener Uniform, schleppte sie diesmal gleich ihre Regenkombi mit zur Brücke, sicher war sicher, man konnte nie wissen, was noch so kam. Diese Idee hatte offenbar auch Lars und sie mussten beide darüber schmunzeln. Auf der Brücke war inzwischen die kontrollierte Hölle los, erneut ging es mit den Sintfluten wieder von vorn los, ein Blick genügte, Sarah sprang sofort wieder in die Regenklamotten, zum Glück alles wasserdicht, und machte da weiter, wo sie vorhin aufgehört hatte: Wasser von der Nock zu schippen. Inzwischen hatte der Sturm noch zugenommen, drei Schlepper waren nun angefordert, Gefahr bestand aktuell aber keine, zum Glück. Von der Panorama-Ausfahrt und dem Drehen im Hamburger Hafenbecken bekam Sarah nichts mit. Sie war die ganze Zeit damit beschäftigt, Wasser von der Nock zu schippen, damit zumindest fürs Erste der Captain, sein Staff samt Lotsen von da aus halbwegs trocken und ohne nasse Füße agieren konnte. Zumindest beim Ablegen und Drehen noch von der Nock aus, danach wären zumindest die schon mal im Trockenen auf der Brücke. Lars war im Trockenen geblieben, Sarah war allerdings sofort klar, nun hier draußen, das war ihre Aufgabe, sie war die Neuste und Jüngste und diejenige mit der niedrigsten Position in der Rangordnung, von daher hatte sie gleich losgelegt, gar keinen Zweifel gelassen, dass ihr das bewusst war. Bedingt durch den Sturm konnten sie ohnehin nicht schnell fahren und jetzt schon war klar, pünktlich in Amsterdam anzukommen, da bestand keine Chance mehr. Ab Stade spürten sie immer mehr, dass die offene Nordsee quasi vor der Tür lag. Noch immer schippte Sarah Wasser von der Nock, merkte aber, die Wassermassen ließen nach und jetzt stand quasi „nur noch“ das Thema Wind auf der Tagesordnung. Oder auf der Nachtordnung, denn es war inzwischen nach 3 Uhr morgens. Zum Anfang hatte sie erst mal die Schicht von 8 bis 12 Uhr erhalten, da sie aber erst um 4:30 Uhr die Nock so weit hatte, dass sie technisch überlebt hatte und die Brücke nichts abbekam, war sie fix und alle, meldete sich ab und war um 7:45 Uhr wieder zur Übergabe auf der Brücke. Es war erneut chaotisch, diesmal wegen des Sturms, da ihnen ein halber Seetag bevorstand. Der Sturm war schon in guter Fahrt, das Schiff schaukelte nicht schlecht, für Sarah war es zwar human, sie wusste aber, die Hälfte der Passagiere sah dies inzwischen anders. Sie liebte jede Form und Farbe der Wellen, vielen Passagieren erging es dabei durchaus anders, am besten spiegelglatte See mit minimalen Bewegungen, bloß keine Bewegungen, die zu irgendwelchen Einschränkungen an Bord führen könnten. Deshalb war sie auch nicht verblüfft, dass der Captain angespannter als sonst war. Sturm machte ihm zwar nichts aus, aber er musste halt die Kommentare der Passagiere abfangen und aushalten. „Sarah, Amsterdam wird nicht planmäßig erreicht, wie es aussieht, gibt es für die Passagiere jetzt nur vier Stunden da vor Ort statt acht. Schuld ist der Sturm. Die Reiseleiter basteln zurzeit an einem neuen, abgespeckten Programm für Amsterdam. Ich brauche sofort daher jetzt auf der Stelle wen, der heute um 9 Uhr und 11 Uhr einen Vortrag zum Thema ,Sturm, was läuft im Hintergrund ab‘ hält. Lars brauche ich zwingend auf der Brücke, er hat die Folien und den Vortrag. Tut mir leid, da musst du jetzt ran. Sturmerfahrung hast du ja schon einige gesammelt, nicht nur gestern.“ Sarah nickte, erstarrte aber innerlich. Zwei Tage an Bord, halt der erste richtige Tag und gleich zu den Passagieren sprechen, na bravo. Andererseits, damit konnte sie ihrem Team mehr helfen als aktuell auf der Brücke, sie wusste es genau. „In Ordnung, Captain.“ Eine Ahnung, wie sie das anstellen sollte, hatte sie noch keine, sie benötigte nur sofort die Folien von Lars. Damit zog sie sich in den Raum zurück, checkte die Folien, bereitete sich auf ihren Ad-hoc-Vortrag vor.

Völlig überrascht war sie, als sie bemerkte, dass die Passagiere ihr den Raum einrannten, zumindest diejenigen, denen nicht schlecht war. Erwartungen und Neugier spiegelten sich in den Gesichtern der Passagiere, es schien, als ob zumindest diese hier durchaus ernsthaft interessiert waren an einem Blick hinter die Kulissen in einer etwas anderen Situation. „Hallo, herzlich willkommen, mein Name ist Sarah Born, ich bin Deckkadettin auf der Poseidon und ja, wie einige von Ihnen bereits herausgefunden haben, es ist mein erster Job nach der Uni. Ich bin seit gestern an Bord.“ Sarah hatte sich entschlossen, das gleich von Anfang an klarzustellen und ihnen allen Wind aus den Segeln zu nehmen. „Was Sie gestern und auch heute bereits erlebt haben, nennt sich Sturm. Ich bin mir sicher, dass sich Ihre Definition von Sturm gewaltig von der nautischen Sturmdefinition unterscheidet. Darf ich Sie zunächst einmal fragen, wie definieren Sie als Passagiere Sturm?“ Da sie null Erfahrung mit Vorträgen auf einem Kreuzfahrtschiff hatte, beschloss sie, die Passagiere mit einzubinden, entweder es klappte oder es klappte eben nicht, das war ohnehin völlig offen. Andererseits, es musste klappen, kein Zweifel. Einige Passagierhände erschienen und Sarah erhielt einen bunten Strauß an Antworten. „Hoher Wellengang, starker Wind, Regenmassen, schaukelndes Schiff, Seekrankheit.“ „Ich danke Ihnen, ja, all das sind Elemente vom Sturm und Faktoren, die dazugehören. Sie sehen, Sturm ist nicht einfach nur ganz viel Wind, hinter Sturm steckt viel mehr. So auch für die Arbeiten während des Sturms auf einem Kreuzfahrtschiff.“ Nach und nach berichtete Sarah nun, was Sturm für die einzelnen Abteilungen auf dem Schiff hieß, was die Konsequenzen und Folgen waren. Über das Anbinden und Verstauen diverser Gegenstände in der Küche, die Festigkeitsprüfungen an Deck etc., etc. Sie hoffte, dass sie damit den Passagieren erneut den Wind aus den Segeln nahm. Entweder würde es Lobeshymnen beim Captain danach geben oder eine massive Standpauke, was dazwischen gab es nicht. Nach 60 Minuten war ihr Vortrag vorbei, sie erhielt einen ordentlichen Applaus und hatte sich im Geiste bereits Notizen für den zweiten Vortrag gemacht, es gab ein paar Punkte, an denen sie noch schrauben wollte. Als sie von ihren Unterlagen aufblickte, sah sie Captain Tobias Born auf sich zukommen. Ups, den hatte sie eben ja gar nicht bemerkt, sie hoffte nur, dass er nicht dabei gewesen war bei dem Vortrag, sie hatte genügend Punkte gefunden, an denen sie noch für die zweite Runde schrauben musste, die Manöverkritik konnte ruhig bis danach warten. „Glückwunsch, bisher nur Lob von den Passagieren bekommen, aber bitte in der nächsten Runde etwas diplomatischer sein und nicht ganz so sehr alles um die Ohren hauen, ja?“ Sarah nickte. Okay, das war also eher weniger gut gelaufen, sie war also zu aggressiv und zu dominant aufgetreten. Gut zu wissen, na ja, eine Chance hatte sie heute ja noch, und die wollte sie auf keinen Fall vermasseln, jetzt erst Recht nicht. Sie war verblüfft, als sie gegen Ende des zweiten Vortrages Lars unter den Passagieren entdeckte, zufrieden war sie überhaupt nicht mit sich. Sie wusste, dass sie quasi von einem Extrem ins nächste Extrem gedriftet war, von zu wenig Diplomatie und Distanz genau zum Gegenteil. Na bravo.

 

Als alles vorbei war, atmete sie einmal durch: „Gib mir bitte fünf Minuten, um wieder runterzukommen“, bat sie Lars. „Leider nein, in 60 Minuten legen wir in Ijmuiden an, der Captain will dich dabei auf der Brücke haben, auch wenn du gerade keine Schicht hast, An- und Ablegen gehört für dich im Moment automatisch mit dazu, egal ob es in deiner Schicht ist oder nicht.“ Sarah nickte. „Alles klar, wollte mir das sowieso nicht entgehen lassen, wenn ich gerade keinen Dienst habe, bin unterwegs.“ Respekt, sie hatten Sarah gestern und heute einiges zugemutet, es war aber auch nicht anders gegangen in Anbetracht des Sturms. Verblüfft war Lars schon, wie sich Sarah sofort einfügte und nun offenbar mit sich rang wegen der Vorträge. „Sarah, einen Moment. Der erste Vortrag war super, richtig gut sogar, du solltest nur ein kleines bisschen Dampf rausnehmen, das hätte gereicht. Beim zweiten hast du auf extreme Diplomatie umgeschaltet, was du nur tust, wenn du stocksauer bist. Also vergiss den zweiten Vortrag und nimm den ersten mit zur Optimierung, okay?“ Ja, okay. Ja, was denn nun? Irgendwie verstand Sarah gerade gar nichts mehr, sie würde sich später hinsetzen und noch mal den ersten Vortrag in Ruhe durchgehen, zum Glück konnte sie sich noch ganz gut dran erinnern. Das Anlegen in Ijmuiden war eine hohe Kunst, zum Glück waren sie heute das einzige Kreuzfahrtschiff hier. Vier Stunden blieben den Passagieren bis zum Ablegen, anders war es leider nicht machbar. Sarah beschloss, für 60 Minuten rauszugehen, an den Strand, der mehr oder weniger um die Ecke vom aktuellen Liegeplatz lag. Einmal ums Terminal herum und nach rechts abbiegen, schon war sie an einem weitläufigen Strand, an den die Wellen peitschten. Stürmisch war es hier immer noch, aber zumindest trocken. Schnell zog sie sich um und marschierte dick eingemummelt zum Strand, zum Meer, sie war zwar die ganze Zeit auf dem Meer gewesen und hatte sich sicher gefühlt, kurz zur Ruhe kam sie aber erst hier und jetzt. Sie staunte nicht schlecht, als sie den Captain auf sich zukommen sah. „Hallo, Sarah, sorry, dass ich noch keine Gelegenheit hatte, mit dir zu sprechen. Erst einmal danke für den großen Einsatz gestern, das war nicht selbstverständlich. Was die Vorträge heute angeht, ich fürchte, ich habe mich nach dem ersten etwas unglücklich ausgedrückt, denn der erste war in der Tat richtig gut. An manchen Stellen allerdings etwas zu dominant, nach dem Motto, verdammt, es ist Sturm, also haltet bloß eure Klappe. Inhaltlich zwar völlig richtig von der Intention her, nur muss man das eben etwas diplomatischer rüberbringen.“ Sarah nickte und sah auf das wilde, tobende Meer. „Verstehe, aber nicht so diplomatisch, dass es nur diplomatisch ist, weil es stocksauer verbergen soll.“ „Ja, in der Tat, aber gut, im Laufe der Zeit wird es noch einige Vorträge geben, es war allerdings von mir nicht geplant, dass du gleich am zweiten Tag ranmusst, das ging leider nicht anders und musste improvisiert werden.“ „Schon okay, Captain, ich arbeite an mir.“ Tobias Born biss sich fast auf die Zunge, er war sich sicher, dass Sarah an sich arbeiten würde, aber er musste höllisch aufpassen, dass sie es damit jetzt nicht übertrieb. „Natürlich hätte auch jemand von den Reiseleitern den Vortrag machen können, ja. Aber in Anbetracht der Umstände war ich der Meinung, dass es deutlich besser rüberkommt, wenn gerade bei dem Thema jemand von der Brücke dazu spricht. Dort werden nämlich die Entscheidungen getroffen, die sich dann für den Rest des Schiffes auswirken.“ Aus diplomatischen Gründen und weil er Recht hatte, beschloss Sarah, nichts dazu zu sagen. „Bis zum Mittelmeer wird es abenteuerlich bleiben, danach kehrt wieder mehr Ruhe ein. Mir ist bewusst, dass es jetzt drunter und drüber geht, und ich weiß auch, dass du mehr auf der Brücke kannst als Wassereimer schleppen und Vorträge halten.“ Sarah sagte nichts dazu, sie hatte sich doch gar nicht beschwert, es war vollkommen natürlich, dass sie dies gemacht hatte, für sie gehörte es einfach mit dazu, unabhängig von der Position. „Alles gut, Captain, die ersten Tage waren extrem spannend und ich denke, es wird weiterhin spannend bleiben. Außerdem kann ich von all diesen Erfahrungen, die ich jetzt mache, sicher irgendwann profitieren, von daher, passt schon.“ Tobias lachte in sich hinein, er wusste genau, wen er da vor sich hatte und dass Sarah es auch völlig ernst meinte. „Sollen wir noch ein paar Schritte gehen, dann müssen wir langsam zurück, ablegen.“ Gemeinsam gingen sie schweigend eine Weile am Strand entlang und genossen die kurze Freiheit. „Morgen wird es spannend“, warf Sarah plötzlich aus heiterem Himmel in den Sand. Verblüfft blickte Tobias sie an. „Worauf willst du hinaus? Da gibt es jetzt so einige Möglichkeiten.“ „Stimmt, morgen soll es stürmisch bleiben, am Abend ist das große Galadinner, alle wollen dem Captain die Hand schütteln, haben Sektgläser in der Hand und werden sich nach Kräften bemühen, nichts zu verschütten, erst Recht nicht diejenigen, die am Captainstisch sitzen, sich aufgedonnert haben, Sie zu beeindrucken versuchen …“ Tobias räusperte sich, ups, da war sie wohl zu weit gegangen. „Sorry, Captain, kommt nicht wieder vor.“ Streng blickte er sie an. „Solche Aussagen bitte weder an Bord und erst recht nicht gegenüber unseren Passagieren, ist das klar?“ Sarah zermalmte ihre Lippe und zog sie kraus, natürlich hatte er damit Recht. „Alles klar, Captain.“ „Unabhängig davon aber hast du Recht, das wird zumindest für mich morgen Abend sehr lustig!“ Nun konnte sich Sarah ein Grinsen nicht verkneifen. Sie war gespannt, was der Captain und Lars berichten würden, denn Lars hatte erfahren, dass er mit ranmusste an den Captainstisch. Selten, aber es kam vor. Sarah war mehr als heilfroh, dass ihr das erspart blieb, denn sie hasste Röcke und Blusen nach wie vor, daran würde sich wohl ihr Leben lang nichts mehr ändern.

Zwei Tage später traf sie in San Sebastian Lars, der sie fragte, ob sie mit rauskommen wolle zwischen 13 und 17 Uhr. Klar wollte sie, San Sebastian kannte sie bereits, sie war schon zwei oder drei Mal da gewesen. Allerdings mit fünf und fünfzehn Jahren, also bereits vor einer gefühlten ganzen Ewigkeit, und das Ganze im Sommer. „Hat etwas, im Winter hier zu sein, es ist nicht viel los, die Altstadt irgendwie surreal, aber es passt, wenigstens kein Getrampel, das geht ja früh genug wieder los. Bilbao dürfte ein Kandidat dafür sein, da komme ich aber nicht raus, das ist jetzt schon sicher. Dafür darf ich mir Lissabon ansehen.“ Lars schmunzelte. „Du verstehst es schon jetzt, Kompromisse zu machen, und weißt, dass man nicht immer rauskommt. Respekt.“ „In Bilbao wollten der Captain und ich noch mal an das Thema Sturmvortrag Runde eins gehen, wenn du Zeit und vor allem Lust hast, bin ich auf deinen Senf auch gespannt. Ich kann nur profitieren von den Ratschlägen, die ihr mir gebt, weiß aber auch, dass ich mir eben langfristig meinen eigenen Weg basteln muss. Das wird bei dir nicht anders gewesen sein.“ Lars nickte und dachte nach, wo hatte Sarah in der Zwischenzeit nur diese Portion Charme, Weisheit und überschwängliche Freude aufgetrieben, zwischen denen sie binnen Sekunden scheinbar mühelos wechseln konnte? In seiner Erinnerung auf dem Seenotkreuzer hatte er sie etwas anders kennengelernt. Damals war es ihr noch schwerer gefallen, binnen Sekunden von einer Situation auf die nächste umzuswitchen. Offenbar ahnte Sarah, in welche Richtung seine Gedanken gingen. „Drei Seenotretter, die ausfielen, nur noch der Vormann und der Maschinist waren einsetzbar und an Bord eine junge Frau, die ein Baby bekam, und ein junger Vater, der zusätzlich fast verrückt wurde. Und wir. Nein, diese Nacht habe ich nicht vergessen und werde sie auch nie vergessen, in dieser Nacht lag alles beieinander, es konnte in alle Richtungen gehen, ich war einfach nur froh, als das Baby da war und wir Cuxhaven erreichten.“ „Ging mir ähnlich, es ging drunter und drüber, aber als ich den ersten Schrei der jungen Dame hörte, da wusste ich, das alles war es wert, es war ein Moment für die Ewigkeit, nicht jeder hat das Glück, so einen extremen Moment zu erleben.“ Stimmt, extrem war es wirklich gewesen, nicht nur, dass sie bei einer Geburt geholfen hatten, sie steckten auf einem Seenotkreuzer, die Hälfte der Mannschaft lag flach und es war Sturm. „Hast du noch Kontakt zu der Family?“, wollte Sarah wissen, während sie über die weltberühmte Promenade schlenderten. „Nein, zunächst hatte ich das, aber der Vater hat mir nach knapp zwei Jahren nahegelegt, dass er nicht wünsche, dass wir weiteren Kontakt haben, da er sich angegriffen fühlte, da er damals kaum mitgemacht hatte und seine Frau oder Freundin, was auch immer, ihm das wohl noch regelmäßig unter die Nase reibt. Also habe ich den Kontakt abgebrochen, auch wenn mir das nicht leicht gefallen ist und mir besonders für die Kleine leidtut. Vergessen werde ich die Kleine aber nie“, stellte Lars fest. „Geht mir genauso. Ich habe allerdings noch Kontakt zu Lisa und ihrer Mutter. Den Vater hat sie inzwischen zum Glück zum Teufel gejagt, das ging gar nicht, was der ihr alles vorgehalten hatte. Dass er dir dann gesagt hat, du sollst den Kontakt einstellen, das hat das Fass zum Überlaufen gebracht, daraufhin hat sie ihn rausgeschmissen und sich von ihm getrennt.“ Völlig verdutzt sah Lars Sarah an. „Du hast davon gewusst?“ „Ja, klar, sie ging sehr offen damit um und freute sich total, dass wir beide noch mit ihr und der kleinen Lisa in Kontakt standen. Jetzt geht es ihr soweit gut, ist aber nicht ohne als alleinerziehende Mutter, das Sorgerecht hat sie ihm auch nicht gelassen, so sauer war sie.“ Lars konnte sich das ziemlich gut vorstellen, denn er hatte sie während der Geburt erlebt und schon damals geahnt, das gibt nichts zwischen den beiden außer Krach und wer die Hosen anhatte, war ihm auf hoher See sofort klar geworden. Fast fünf Jahre war das nun her, eine ganze Weile also schon. „Wieso bist du ausgerechnet bei der Jupiter-Reederei gelandet, Sarah?“ Die Frage lag ihm schon seit Sarahs Ankunft in Hamburg auf der Zunge. „Gute kleine Reederei, gute Größe der Schiffe. Schiffe à la Sealove-Reederei und anderen in der Liga sind nicht so ganz mein Ding, zu groß, zu unpersönlich sowohl zum Arbeiten als auch für Passagiere.“ Lars konnte das ganz gut nachvollziehen, ihm war es ähnlich ergangen, auch er hatte zunächst ein Praktikum während der Unizeit in der Jupiter-Reederei gemacht und konnte dann nach dem Studium glücklicherweise gleich dort anfangen. Von daher wusste er ziemlich genau, was Sarah nun alles für Gedanken in den Kopf schossen und was in den ersten Wochen und Monaten nun so alles auf dem Plan stand. Neben Häfen, Brückenwache, Rettungsübungen usw.