BGB-Erbrecht

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[72]

Vgl. auch BeckOGK/Braun § 2271 Rn. 3; Brox/Walker, ErbR, 28. Aufl. 2018, § 15 Rn. 19.

[73]

Vgl. BeckOGK/Braun § 2271 Rn. 71.

[74]

Vgl. Pfeiffer FamRZ 1993, 1266, 1280 m.w.N.

[75]

Vgl. BeckOGK/Braun § 2271 Rn. 78; MüKoBGB/Musielak, 7. Aufl. 2017, § 2271 Rn. 23; s. ferner auch Brox/Walker, ErbR, 28. Aufl. 2018, § 15 Rn. 19.

[76]

Näher zum Ganzen MüKoBGB/Musielak, 7. Aufl. 2017, § 2271 Rn. 31 ff. m.w.N.

[77]

Vgl. nur Brox/Walker, ErbR, 28. Aufl. 2018, § 15 Rn. 20; Staudinger/Kanzleiter, 2014, § 2271 Rn. 33 m.w.N.

[78]

Beispiel → Rn. 478.

[79]

Vgl. MüKoBGB/Musielak, 7. Aufl. 2017, § 2271 Rn. 16 m.w.N.

[80]

Vgl. RG v. 11.11.1935 – IV 160/35, RGZ 149, 200, 201 f.; BGH v. 3.11.1969 – III ZR 52/67, FamRZ 1970, 79, 80; BGH v. 25.5.2016 – IV ZR 205/15, NJW 2016, 2566 Rn. 17; BeckOGK/Braun § 2271 Rn. 125; Staudinger/Kanzleiter, 2014, § 2271 Rn. 69; MüKoBGB/Musielak, 7. Aufl. 2017, § 2271 Rn. 36 m.w.N.

[81]

Vgl. nur Brox/Walker, ErbR, 28. Aufl. 2018, § 15 Rn. 20; Staudinger/Kanzleiter, 2014, § 2271 Rn. 86.

[82]

Vgl. BGH v. 26.11.1975 – IV ZR 138/74, NJW 1976, 749, 751; BGH v. 26.10.2011 – IV ZR 72/11, ZEV 2012, 37 Rn. 7; BGH v. 20.11.2013 – IV ZR 54/13, NJW 2014, 782 Rn. 11; BGH v. 28.9.2016 – IV ZR 513/15, NJW 2017, 329 Rn. 7; BeckOGK/Braun § 2271 Rn. 121; Staudinger/Kanzleiter, 2014, § 2271 Rn. 86; MüKoBGB/Musielak, 7. Aufl. 2017, § 2271 Rn. 47.

[83]

Sehr instruktiv: RG v. 11.11.1935 – IV 160/35, RGZ 149, 200.

[84]

Nach OLG Düsseldorf v. 10.3.2017 – I-3 Wx 186/16, FamRZ 2017, 1790.

Teil III Die gewillkürte Erbfolge › § 10 Der Erbvertrag

§ 10 Der Erbvertrag

Inhaltsverzeichnis

I. Allgemeines

II. Arten von Erbverträgen

III. Abschluss des Erbvertrags

IV. Inhalt: Vertragsmäßige und einseitige Verfügungen

V. Die Bindungswirkung vertragsmäßiger Verfügungen

VI. Aufhebung einseitiger Verfügungen

261

Fall 17:

M und F sind verheiratet. Sie setzen sich in einem Erbvertrag gegenseitig als Alleinerben ein und den Sohn S als Schlusserben sowie dessen Kinder A und B als Ersatzerben. Die Tochter T wird in dem Erbvertrag mit einem Vermächtnis bedacht. Nach dem Tod des M bekommt F Bedenken und setzt ein Testament auf, in dem S und T zu gleichen Teilen als ihre Erben eingesetzt sind. Das Testament wird vor dem Notar errichtet und S stimmt dem Testament in notariell beglaubigter Form zu. Wie ist die Rechtslage nach dem Tod der F? Lösung: → Rn. 318

Fall 18:

C und D lebten in nichtehelicher Lebensgemeinschaft und hatten zu Beginn einen Erbvertrag abgeschlossen, in welchem sie sich gegenseitig zu Erben einsetzten. Nach 10 Jahren war das Zusammenleben zerrüttet. Der kinderlose C heiratete seine alte Jugendliebe, die vermögende E. An diese übereignete er 1 Monat nach der Hochzeit schenkweise die Ehewohnung, da er der D die Erbschaft nicht mehr gönnte. 2 Wochen später stirbt C plötzlich bei einem Autounfall. Die Wohnung hat einen Wert von 600.000 €. E hat beim Tod des C einen Pflichtteilsanspruch in Höhe von 400.000 €. Wie ist die Rechtslage? Lösung: → Rn. 319

Fall 19:

M und F leben in nichtehelicher Lebensgemeinschaft. M hat einen volljährigen Sohn S und F eine volljährige Tochter T, jeweils aus einer früheren (inzwischen geschiedenen) Ehe, die mit ihnen zusammenleben. In einem Erbvertrag zwischen M, F, T und S setzen sich M und F jeweils als Vorerben und die Kinder gemeinsam als Nacherben sowie Schlusserben des Letztversterbenden ein. Der Sohn des M verstirbt bei einem Verkehrsunfall, sein Vater wenig später aufgrund des Schocks. Die Familie des M ist der Meinung, dass gesetzliche Erbfolge eingetreten ist. F beantragt hingegen einen Erbschein, der sie als Vorerbin und T als Nacherbin ausweist. Wie ist die Rechtslage? Lösung: → Rn. 320

Fall 20:

X und Y setzen sich in einem Ehe- und Erbvertrag gegenseitig als Erben ein; außerdem setzen sie den Sohn V einer Cousine der Y als Schlusserben und dessen Ehefrau W als Ersatzschlusserbin ein. X kannte V und W nur flüchtig. Nach dem Tod des X setzte Y zugunsten von Freundinnen und Verwandten zahlreiche Vermächtnisse aus. Als F starb, war V vorverstorben. Wie ist die Rechtslage? Lösung: → Rn. 321

Fall 21:

Der Witwer W schloss 1990 mit seinem Neffen N einen Erbvertrag, indem er N zum Alleinerben einsetzte. Zugleich verpflichtete er sich, sein Hausgrundstück ohne Zustimmung des N weder zu veräußern noch zu belasten. N verpflichtete sich seinerseits, den W „in kranken und alten Tagen zu hegen und zu pflegen, ohne dass dafür Geldmittel von mir oder meinen Rechtsnachfolgern aufzuwenden sind“. N zog daraufhin in eine Wohnung im Haus des W ein, aus der er jedoch 2003 wieder auszog. Als W 2009 pflegebedürftig wurde, forderte er N schriftlich unter Hinweis auf den Erbvertrag auf, ihn zu pflegen. Dies geschah jedoch nicht. 2017 zog W in ein Alten- und Pflegeheim. Im Januar 2018 erklärte er den Rücktritt vom Erbvertrag, weil er seit 2009 pflegebedürftig sei und N ihn nicht gepflegt habe. Anschließend klagt er auf Feststellung der Unwirksamkeit des Erbvertrags. Ist die Klage begründet? Lösung: → Rn. 322

Literatur:

Buchholz, Zur bindenden Wirkung des Erbvertrags, FamRZ 1987, 440; Grziwotz, Der Erbvertrag nicht ehelicher Partner, ZEV 1994, 299; Hohmann, Die Sicherung des Vertragserben vor lebzeitigen Verfügungen des Erblassers, ZEV 1999, 133; Horn, Prüfung der Wirksamkeit von Testamenten und Erbverträgen, NJW 2017, 2392; Hülsmeier, Der Vorbehalt abweichender Verfügungen von Todes wegen beim Erbvertrag, NJW 1986, 3115; Kanzleiter, Die Beeinträchtigung des durch Erbvertrag bindend eingesetzten Erben durch die einvernehmliche Aufhebung eines Pflichtteilsverzichts, DNotZ 2009, 86; Keim, Änderungsvorbehalte in Ehegattenerbverträgen, NJW 2009, 818; ders., Der Wegfall des vertragsmäßig eingesetzten Erben und seine Auswirkung auf beeinträchtigende Verfügungen von Todes wegen des Erblassers, ZEV 1999, 413; ders., Die Aufhebung von Erbverträgen durch Rücknahme aus amtlicher oder notarieller Verwahrung, ZEV 2003, 55; ders., Die Überwindung der erbvertraglichen Bindung beim mehrseitigen Erbvertrag, RNotZ 2012, 496; Keller, Aufhebung, Änderung und Ergänzung eines Erbvertrags durch die Vertragspartner, ZEV 2004, 93; Kirchner, Pflicht zur Begründung des Rücktritts vom Erbvertrag, MittBayNot 1996, 19; Kohler, Erblasserfreiheit oder Vertragserbenschutz und § 826, FamRZ 1990, 464; Mayer, Der Änderungsvorbehalt beim Erbvertrag, DNotZ 1990, 755; ders., Der entgeltliche Erbvertrag – Wer erben will, soll auch gelten –, DNotZ 2012, 89; Musielak, Zur Bindung an den Erbvertrag und zu den rechtlichen Möglichkeiten einseitiger Änderungen, ZEV 2007, 245; Nolting, Der Erbvertrag, JA 1993, 129; Paal, Übungsklausur – Bürgerliches Recht: Drei Hochzeiten und ein Erbfall, JuS 2006, 236; Röthel, Der Erbvertrag. Einige Grundlagen, JURA 2014, 781; Schindler, Beeinträchtigende Schenkungen gem. § 2287 BGB aus forensischer Sicht, ErbR 2015, 526; Schmitz, Die Verteilung der Beweislast in den Fällen des § 2287 BGB, ErbR 2010, 45; Schmucker, Die Bindung beim gemeinschaftlichen Testament und Erbvertrag, ZNotP 2006, 414; Tanck, Die Absicherung der Unternehmensnachfolge als lebzeitiges Eigeninteresse i.S.v. § 2287 BGB, ZErb 2015, 220; Weiler, Änderungsvorbehalt und Vertragsmäßigkeit der erbvertraglichen Verfügung, DNotZ 1994, 427; Weirich, Das Rücknahmeverbot beim Erbvertrag, DNotZ 1997, 7.

 

Teil III Die gewillkürte Erbfolge › § 10 Der Erbvertrag › I. Allgemeines

I. Allgemeines

262

Die zweite Art der Verfügung von Todes wegen – neben dem Testament – ist der Erbvertrag. Er ist jedoch zugleich ein echter Vertrag, hat also Doppelnatur.[1] Eben diese vertragliche Bindungswirkung stellt einen grundlegenden Unterschied zwischen Erbvertrag und Testament dar und macht das Charakteristische des Erbvertrags als erbrechtliches Gestaltungsinstrument aus: Einseitige Testamente sind generell frei widerruflich (→ Rn. 186 ff.), beim gemeinschaftlichen Testament besteht erst nach dem Tod eines Ehegatten und auch nur in Bezug auf wechselbezügliche Verfügungen eine Bindungswirkung (→ Rn. 250 ff.).

263

In der Praxis werden Erbverträge meist von Ehegatten abgeschlossen[2], denen die durch ein gemeinschaftliches Testament vermittelte Bindungswirkung nicht genügt. Häufig werden auch Ehe- und Erbvertrag miteinander kombiniert[3], um die emotionale Verbundenheit durch die Ehe auch rechtlich umfassend zu fundamentieren. Erbverträge sind aber gerade nicht nur Ehegatten vorbehalten und werden daher häufig auch zwischen anderen nahestehenden Personen abgeschlossen (z.B. Geschwister, „Erbtante“, nichteheliche Lebensgemeinschaften).[4] Ein weiterer Anwendungsfall sind sog. entlohnende Erbverträge, bei denen der Erblasser das Entgelt für die Gegenleistung (z.B. lebzeitige Pflege oder Sicherung der Unternehmensnachfolge) erst nach seinem Tode durch eine Erbeinsetzung (→ Rn. 728 ff.) oder ein Vermächtnis (→ Rn. 900 ff.) erbringt.[5]

Teil III Die gewillkürte Erbfolge › § 10 Der Erbvertrag › II. Arten von Erbverträgen

II. Arten von Erbverträgen

1. Einseitige, zweiseitige und mehrseitige Erbverträge

264

Je nachdem, wie viele der Beteiligten als Erblasser fungieren, kann man zwischen einseitigen, zweiseitigen und mehrseitigen Erbverträgen differenzieren. Einseitige Erbverträge sind solche, in denen nur ein Vertragspartner (mindestens) eine vertragsmäßige Verfügung (→ Rn. 272) trifft. Der andere Teil nimmt lediglich die Erklärung an und führt damit die Bindungswirkung herbei – und zwar auch dann, wenn nicht er, sondern ein Dritter Begünstigter ist (→ Rn. 265). In einem zweiseitigen (oder auch: gemeinschaftlichen) Erbvertrag treffen beide Vertragsparteien vertragsmäßige Verfügungen von Todes wegen. Dabei können sie sich entweder gegenseitig bedenken (dann spricht man von einem gegenseitigen bzw. reziproken Erbvertrag) oder sie können einem Dritten etwas zuwenden (→ Rn. 265). Möglich ist aber auch ein sog. mehrseitiger Erbvertrag, bei dem drei oder mehr Personen vertragsmäßige Verfügungen von Todes wegen treffen.[6]

2. Erbverträge zugunsten der Beteiligten und zugunsten Dritter

265

Wie bereits angesprochen, können die Beteiligten eines Erbvertrags sowohl einander als auch einem Dritten etwas zuwenden (vgl. auch § 1941 Abs. 2). Im letzteren Fall spricht man von einem „Erbvertrag zugunsten Dritter“. Dabei handelt es sich jedoch nicht um einen Vertrag i.S.d. §§ 328 ff., weil die Beteiligten durch den Erbvertrag keine schuld-, sondern nur erbrechtliche Verpflichtungen begründen und für den Dritten kein eigenes Forderungsrecht begründet wird.[7]

3. Entgeltliche und unentgeltliche Erbverträge

266

Der Erbvertrag an sich ist ein abstraktes und unentgeltliches Rechtsgeschäft von Todes wegen.[8] Er kann jedoch mit einem anderen (schuldrechtlichen) Vertrag verbunden werden, in dem der Vertragspartner sich mit dem Rücksicht auf die im Erbvertrag getroffenen Verfügungen zu einer Leistung an den Erblasser verpflichtet (vgl. auch § 2295); dann spricht man von einem sog. „entgeltlichen Erbvertrag“.[9] Dieser Begriff sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich – trotz Verbindung in einer Urkunde – um zwei separate Verträge handelt, die lediglich in einem besonderen inneren Zusammenhang stehen.[10] Bei dieser Kombination eines Erbvertrags mit einem Leistungsvertrag ergeben sich Probleme, wenn die „Gegenleistung“ nicht oder schlecht erfüllt wird, aufgehoben wird bzw. anderweitig wegfällt oder nicht wirksam entstanden ist.

Teil III Die gewillkürte Erbfolge › § 10 Der Erbvertrag › III. Abschluss des Erbvertrags

III. Abschluss des Erbvertrags

267

Ebenso wie ein Testament (→ Rn. 146) muss auch ein Erbvertrag vom Erblasser höchstpersönlich errichtet werden; eine Stellvertretung ist ausgeschlossen (§ 2274). Sofern eine Vertragspartei des Erbvertrags keine letztwilligen Verfügungen trifft, kann sie sich hingegen vertreten lassen.[11]

268

Da es sich um einen echten Vertrag handelt (→ Rn. 262), muss der Erblasser gem. § 2275 nicht nur testierfähig, sondern unbeschränkt geschäftsfähig sein. Früher konnten auch beschränkt geschäftsfähige Ehegatten und Verlobte mit Zustimmung des gesetzlichen Vertreters und ggf. des Familiengerichts miteinander einen Erbvertrag schließen (§ 2275 Abs. 2 und 3 a.F.); diese Ausnahme wurde jedoch durch das KiEheBekG[12] m.W.v. 22.7.2017 ersatzlos gestrichen. Sofern eine Vertragspartei des Erbvertrags keine letztwilligen Verfügungen trifft, gelten für sie hingegen die allgemeinen Regeln der §§ 104 ff.; somit bedarf ein beschränkt Geschäftsfähiger, der lediglich die vertragsmäßigen Erklärungen des Erblassers annimmt, nicht der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters, da es sich für ihn insoweit um ein lediglich rechtlich vorteilhaftes Geschäft i.S.d. § 107 handelt.[13]

269

Ein Erbvertrag kann gem. § 2276 Abs. 1 S. 1 nur zur Niederschrift eines Notars bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Teile abgeschlossen werden. Die Errichtung erfolgt gem. § 2276 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 in den Formen eines öffentlichen Testaments, d.h. durch mündliche Erklärung oder Übergabe einer offenen oder verschlossenen Schrift; gem. Hs. 2 ist insoweit jeder Vertragsschließende als Erblasser zu behandeln. Dies bedeutet z.B., dass ein Analphabet keine Schrift übergeben, sondern eine Erklärung gegenüber dem Notar abgeben muss (vgl. § 2233 Abs. 2, → Rn. 174), selbst wenn er selbst keine Verfügung von Todes wegen trifft, sondern nur die vertragsmäßigen Erklärungen des Erblassers entgegennimmt. Für einen Erbvertrag zwischen Ehegatten, der mit einem Ehevertrag in derselben Urkunde verbunden wird, „genügt“ gem. § 2276 Abs. 2 die für den Ehevertrag vorgeschriebene Form; diese Vorschrift hat heute jedoch keine große praktische Bedeutung mehr, weil die „Formerleichterung“ letztlich nur noch in der Befreiung von der Anwendung §§ 28-34 BeurkG besteht.[14] Die notarielle Beurkundung kann gem. § 127a durch einen gerichtlichen Vergleich ersetzt werden.

270

Gem. § 34 Abs. 1 und 2 BeurkG hat der Notar grundsätzlich zu veranlassen, dass der Erbvertrag in amtliche Verwahrung gebracht wird (vgl. dazu §§ 346, 347 FamFG). Die Vertragsschließenden können die besondere amtliche Verwahrung jedoch ausschließen (§ 34 Abs. 2 Hs. 2 BeurkG); dann bleibt die Urkunde in der Verwahrung des Notars (§ 34 Abs. 3 BeurkG).

Teil III Die gewillkürte Erbfolge › § 10 Der Erbvertrag › IV. Inhalt: Vertragsmäßige und einseitige Verfügungen

IV. Inhalt: Vertragsmäßige und einseitige Verfügungen

271

Im Hinblick auf den Inhalt des Erbvertrags ist zwischen vertragsmäßigen Verfügungen (→ Rn. 272) und einseitigen Verfügungen (→ Rn. 273) zu differenzieren. Damit überhaupt ein Erbvertrag vorliegt, muss mindestens eine Person als Erblasser eine vertragsmäßige Verfügung treffen.[15] Bedeutung hat die Differenzierung aber vor allem auch deshalb, weil nur vertragsmäßige Verfügungen der speziellen Bindungswirkung des Erbvertrags (→ Rn. 275 ff.) unterliegen. Bei einseitigen Verfügungen liegt hingegen nur eine „formale Vereinigung von Erbeinsetzungsvertrag und letztwilliger Verfügung“[16] vor.

272

Gem. § 1941 Abs. 1 kann ein Erblasser in einem Erbvertrag folgende vertragsmäßige Verfügungen treffen: Erbeinsetzungen (→ Rn. 728 ff.), Vermächtnisse (→ Rn. 900 ff.), Auflagen (→ Rn. 937 ff.) und Rechtswahlerklärungen (→ Rn. 1481 ff., 1493, 1496). § 2278 Abs. 1 stellt klar, dass dabei jeder Vertragsschließende als Erblasser solche vertragsmäßigen Verfügungen treffen kann. Wie bereits dargelegt, ist es jedoch nicht zwingend erforderlich, dass jeder Vertragsschließende eine vertragsmäßige Verfügung trifft, sondern es gibt auch den einseitigen Erbvertrag (→ Rn. 264).

273

Neben vertragsmäßigen Verfügungen kann jeder Vertragsschließende in einem Erbvertrag gem. § 2299 Abs. 1 aber als einseitige Verfügung auch jede andere Verfügung treffen, die durch Testament getroffen werden kann. Als einseitige Verfügung kommen somit neben Erbeinsetzungen, Vermächtnissen, Auflagen und Rechtswahlerklärungen z.B. auch in Betracht: Ausschluss von der gesetzlichen Erbfolge (§ 1938, → Rn. 488), Entziehung des Pflichtteils (§ 2336, → Rn. 715 ff.), Widerruf einer letztwilligen Verfügung (→ Rn. 186 ff.), Ernennung eines Testamentsvollstreckers (§§ 2197 ff., → Rn. 823 ff.), Benennung eines Vormunds oder Pflegers (§ 1777 Abs. 3, §§ 1915 ff.).[17]

 

274

Unproblematisch ist die Abgrenzung von einseitigen und vertragsmäßigen Verfügungen bei all denjenigen letztwilligen Verfügungen, die überhaupt nur einseitig getroffen werden können. Erbeinsetzungen, Vermächtnisse, Auflagen und Rechtswahlerklärungen können hingegen prinzipiell sowohl als vertragsmäßige als auch als einseitige Verfügungen getroffen werden. Soweit der Erbvertrag diesbezüglich keine ausdrückliche Aussage trifft, ist daher im Wege der Auslegung (§§ 133, 157) für jede Verfügung gesondert zu ermitteln, ob sie als vertragsmäßig gewollt ist[18] (zu den Besonderheiten der Auslegung von Erbverträgen → Rn. 374 ff.). Dies wird z.B. regelmäßig dann der Fall sein, wenn es sich um eine Zuwendung an einen Vertragsbeteiligten handelt[19] oder wenn Ehegatten ihre gemeinsamen Kinder als Erben einsetzen[20]. Hingegen werden Verfügungen zugunsten eigener Verwandter nur eines Vertragsbeteiligten oftmals nur einseitig sein.[21]

Teil III Die gewillkürte Erbfolge › § 10 Der Erbvertrag › V. Die Bindungswirkung vertragsmäßiger Verfügungen

V. Die Bindungswirkung vertragsmäßiger Verfügungen
1. Bedeutung und Umfang der Bindungswirkung vertragsmäßiger Verfügungen

a) Besonderheiten bei zwei- und mehrseitigen Erbverträgen

275

Bei zwei- und mehrseitigen Erbverträgen, bei denen mehrere Parteien vertragsmäßige Verfügungen treffen (→ Rn. 264), wollen die Beteiligten den Bestand des Erbvertrags regelmäßig nur dann, wenn sämtliche von ihnen getroffenen vertragsmäßigen Verfügungen wirksam sind.[22] Dem tragen die Auslegungsregeln[23] in § 2298 (die entsprechend auch für mehrseitige Erbverträge gelten[24]) Rechnung. Gem. § 2298 Abs. 1 hat die Nichtigkeit einer vertragsmäßigen Verfügung die Unwirksamkeit des gesamten Vertrags zur Folge, sofern kein anderer Wille der Vertragsparteien anzunehmen ist (vgl. § 2298 Abs. 3). Der ursprünglichen Nichtigkeit steht die wirksame Anfechtung des Erbvertrags sowie die Unwirksamkeit nach den §§ 2279 Abs. 2, 2077 (→ Rn. 373) gleich.[25]

§ 2298 Abs. 1 erfasst jedoch nicht (auch nicht analog) den Fall, dass eine vertragsmäßige Verfügung nachträglich gegenstandslos wird (z.B. durch Vorversterben des Bedachten, Erbunwürdigkeit oder Erbverzicht); hier beurteilt sich die Frage, ob auch die anderen vertragsmäßigen Verfügungen gegenstandslos werden, vielmehr nach § 2085 (→ Rn. 477).[26]

276

Gem. § 2298 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 hat ferner auch die Ausübung eines vertraglich vorbehaltenen Rücktrittsrechts (→ Rn. 306 ff.) im Zweifel zur Folge, dass der ganze Vertrag aufgehoben wird.

b) Konsequenzen für letztwillige Verfügungen, § 2289 Abs. 1

277

Die erbvertragliche Bindungswirkung vertragsmäßiger Verfügungen entfaltet gem. § 2289 Abs. 1 Wirkungen sowohl für frühere als auch für spätere letztwillige Verfügungen: Frühere letztwillige Verfügungen werden aufgehoben (S. 1), spätere letztwillige Verfügungen sind unwirksam (S. 2) – allerdings jeweils nur, soweit sie das Recht des vertragsmäßig Bedachten beeinträchtigen würden (→ Rn. 278).

278

Eine Beeinträchtigung i.S.v. § 2289 liegt vor, wenn die frühere oder spätere letztwillige Verfügung den Bedachten in seiner im Erbvertrag nach Inhalt und Umfang von den Parteien formulierten Rechtsstellung beeinträchtigten würde, weil sie die vertragsmäßige Zuwendung mindern, beschränken, belasten oder gegenstandslos machen würde.[27] Auf bloß wirtschaftliche Aspekte darf dabei nicht abgestellt werden, denn dies wäre mit dem Wesen des Erbvertrags unvereinbar.[28] Maßgeblicher Zeitpunkt ist dabei derjenige des Erbfalls; vorher hat der Bedachte noch kein Recht, das beeinträchtigt werden könnte.[29]

Beispiele:

Eine Beeinträchtigung i.S.d. § 2289 Abs. 1 S. 2 liegt z.B. vor bei Bestimmung eines anderen Erben[30], Herabstufung zum Vorerben[31], Anordnung einer Auflage oder eines Vermächtnisses[32], Einsetzung eines Testamentsvollstreckers[33]; nicht jedoch die bloße Auswechslung der Person des Testamentsvollstreckers[34].

279

Vertragsmäßige Verfügungen entfalten zudem nur dann die Wirkungen des § 2289 Abs. 1, wenn der Erbvertrag im Zeitpunkt des Erbfalls (noch) wirksam ist; sie treten daher nicht ein, wenn der Erbvertrag durch Anfechtung, Aufhebung oder Rücktritt weggefallen oder aus anderen Gründen nichtig ist.[35] Dies gilt grundsätzlich auch bei Wegfall des Bedachten (z.B. durch Erbverzicht, Erbunwürdigkeit, Ausschlagung oder Tod), es sei denn, dass dem Erbvertrag auch für diese Fälle ein Aufhebungswille zu entnehmen ist.[36]