Der Konvent

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Planung

Ratte nimmt sich einen Tag frei, und wir besprechen den Wunsch von Direktor Dr. Dr. Meyer, während das Doppelschwein wie gewohnt auf einer Baustelle arbeitet. Ich muss genau beschreiben, was ich in dieser verfallenen Anlage gesehen habe.

„Und sie glauben, Chef, dass er es wirklich so meint und dass Geld wirklich keine Rolle spielt?” – „Ja, ich bin sicher. Aber es wird sich ja bald herausstellen.”

Ratte braucht gar nicht lange nachzudenken. „Dann muss man zu allererst einmal eine für uns fünf brauchbare Wohnung und ein Gästeappartement einrichten. So schnell wie möglich. Wir müssen da mitten drin leben, uns aber auch von Anfang an wohlfühlen. Auch Gäste müssen sich wohlfühlen. Gibt es ein Nebengebäude, wo nichts von dieser russischen Betonscheiße herumsteht? Natürlich ziehen wir da wieder aus, sobald was Besseres fertig ist, aber man muss ja sofort ankommen und da sein, nicht?

Und dann... ist da ein historischer Zaun oder eine Mauer ums Ganze?” – „Ich glaube ja. Jedenfalls wo ich war. Ich konnte nicht die ganze Anlage abgehen. Aber der Zaun ist verrostet, die Mauer teilweise umgefallen, und es gibt auch Stacheldraht vom Warschauer Pakt.” – „Egal. Also teils alter Zaun, teils Mauer. Hatte bestimmt einen Sinn. Das muss als allererstes restauriert werden, historisch korrekt, in einer schönen Farbe, und mit neuester Sicherheitstechnik, Scheinwerfern, Kameras und so. Die soll man aber nicht sehen.” – „Warum das? Es ist doch nicht Fort Knox.” – „Das Tor lassen wir sowieso meistens offen. Wir wollen ja auch Besuch, oder nicht? Chef, wenn wir das richtig machen, wird die Bauphase sehr lange dauern. Jahre.“ – „Wie all diese Großprojekte in Berlin-Brandenburg? Das können wir doch wohl besser! Ihr macht einen perfekten Plan, der wird ausgeführt, Geld spielt ja keine Rolle, und wenn alles fertig ist, ziehen wir hin und suchen Mitbewohner.“

„Gähn! Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heut. Dann würden wir doch eine einmalige Chance wegwerfen, Chef! Der Weg ist das Ziel. Was ist denn schöner, als miteinander etwas aufzubauen. Wenn Sie unbedingt was Fertiges wollen, ziehen Sie doch in ein kommerzielles Feriendorf auf Mallorca. Ohne mich. Da sind genug reiche Spießer.“

Ich muss schlucken. Er erklärt weiter:

„Und weil wir von Anfang an da sind, sollte die ganze Anlage jedenfalls sicher sein. Denken Sie an die Neonazis in Brandenburg und all das Kroppzeug. Übrigens, wenn ich so nachdenke... warum nehmen wir nicht ne Gruppe Sharpskins auf. Suum cuique, oder nicht? Vielleicht auch einen Rockerclub.”

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Gesprächsprotokoll

Mit ein paar Unterschriften wurden wir Knechte auf Zeit. Wir wussten, was uns erwartete. Irgendwie so ähnlich wie beim Bund. Arbeit, Disziplin, Männer. Aber nachts alle zusammen in einem Raum, jede Nacht einen anderen im Bett. Weil man zusammengehört. Weil die Gruppe immer besser verschmelzen soll. Nie alleine sein, nicht einmal beim Scheißen. Sex Tag und Nacht erlaubt. Freundschaften dürfen sich bilden, aber der Schlafplan geht vor. Den Keller hatten wir schon gesehen, bevor wir uns entschieden, zu unterschreiben.

Und nun die erste Nacht. Die meisten dort hatten ihre Nummer auf Brust und Arsch tätowiert. Das war auch ihr Name. So redeten die sich an. Wenn man neu ist, ist es ja praktisch, wenn der Name draufsteht. Sieben, das ist der Tätowierer, nörgelte, dass man uns drei nicht unterscheiden kann. So ähnlich sind wir uns doch gar nicht. Aber Sechs stellte sich furchtbar an. „Ich bin verantwortlich, dass der Schlafplan genau eingehalten wird.“ Faselte von Disziplin und dass gerade wir Skinheads das doch verstehen müssten.

Vier, also Sie, S004jur, bei Ihnen haben wir ja unsere Verträge unterschrieben, haben auch noch einmal drauf gehämmert, wie wichtig der Schlafplan ist.

Wir haben unsere Nummer gesagt, und dann haben die uns herumgestoßen und durcheinandergeschubst und behauptet, jetzt wüssten sie nicht mehr, wer wer ist.

Da war einer, der sagte, dass es doch sowieso Zufall war, wer von uns nun Acht, Neun oder Zehn ist. Klar, sagte ein anderer, in der ersten Nacht ist es egal, aber morgen gibt es Durcheinander. Also muss schon heute alles genau nach Plan laufen.

Dann haben wir nochmal unsere Nummern gesagt, und Sechs hat uns unser Bett angewiesen. Endlich konnten wir schlafen.

Obwohl, es war ja eng, und man hat einen Kerl im Bett, den man noch nicht kennt. Und entweder man ist selbst geil oder der andere Kerl.

Die hatten sich da schon dran gewöhnt und waren ganz locker. Und endlich schliefen wir ein, einer nach dem anderen.

Bis dann dieser halb schwachsinnige Fünf, der erst so lieb war, auf einmal Zweifel bekam. Er machte alle wach, weil er nichts falsch machen wollte. Er war nicht mehr sicher, ob er den Richtigen im Bett hatte. Wo es doch so genau hält. Und Sechs hat verlangt, dass zwei von uns tauschen.

Und als dann ein paar von unseren Kumpels zum Pissen runter kamen – die haben ja kein eigenes Klo da oben und kommen immer runter –, da wurden die gefragt, wer von uns welche Nummer hat. Die behaupteten, uns könnten sie nur am Saugmaul unterscheiden, weil wir ja alle gleich aussähen. Es war ein Riesen-Durcheinander. Dann wollte jeder unser Saugmaul ausprobieren, und es wurde immer schlimmer.

Und immer mehr von unseren Kumpels kamen immer besoffener dazu und versuchten, uns zu unterscheiden. Geschlafen hat die ganze Nacht niemand mehr.

Nein, wir haben nicht geheult. Das sah vielleicht so aus, aber bestimmt nicht. Es war hart, und wir waren todmüde, aber ein Skin heult nicht. Und heute Morgen war klar, dass die uns alle akzeptiert hatten. Wir gehören dazu.

Aber jetzt wollen wir auch unsere Nummern drauf haben. Damit wir auch richtig dazugehören. Egal, ob wir nur Hilfsknechte sind. Egal, wie lange wir bleiben. Wir wollen unsere Nummer und sind stolz drauf. Unsere Kumpels, die oben schlafen, haben sowas nicht.

Für die Richtigkeit: S004jur

„Ratte, ich beginne zu verstehen: du willst nicht alles in einem Schlag planen und auf einmal aufbauen sondern es nach und nach wachsen lassen.” – „Klar, Chef. Wir lassen es zusammen wachsen. Mit uns und um uns. Wenn da auch Herren mit Sklaven einziehen, und sowieso, es gibt ja massenhaft Sklavennaturen, die keinen Herrn gefunden haben und sicher auch bei uns leben wollen, die müssen doch auch was zu tun haben. Wir lassen sie ihre Verliese und die Suiten der Herren selbst bauen. Ohne lärmende Maschinen. Wir können alles in Ruhe planen und aus unseren Erfahrungen lernen. Aber wir müssen so anfangen, dass wir die Ruhe auch haben und der Start richtig gut ist. Darum der Zaun. Darum brauchen wir für uns eine gute Wohnung: Sicherheit, Ruhe und Kreativität. Hat der Meyer gesagt, wann und wie er selbst einziehen will? Was hat der für Vorstellungen?” – „Er hat nur vom Zusammenleben gesprochen, wie er es von uns kennt. Keine persönlichen Wünsche. Das kommt wohl noch. Er kann ja auch nicht weg von seiner Reederei. Wird wohl eine Art Wochenendwohnung werden.“ – „Darum ja auch das Gästeappartement. Dann kann er von Anfang an immer schauen, wie es weitergeht.

Chef, die Sklavennaturen, darum müssen wir uns kümmern. Sucker gehört mir, mit Leib und Leben. Er kann selbst nichts entscheiden, und er kann nie weg. Ich habe ja sein ganzes Geld und alle Vollmachten. Er will auch nie weg, das ist ja inzwischen wohl sicher. Von solchen Männern gibt es mehr. Die nicht nur mal am Wochenende Spielchen spielen wollen, mit Festbinden und so, sondern die wirklich ihre Freiheit aufgeben wollen. Sie wissen doch ganz genau, dass Ihr Schwein...“ – „Darum geht es jetzt nicht.“ – „Na, meinetwegen. Chef, ich will wirklich wissen, ob wir Leute kriegen können, die sich mit Haut und Haar hingeben. Die ihre Freiheit aufgeben um nur noch mit anderen solchen Männern zusammen zu leben, zu arbeiten, und für die alles geregelt wird.“ – „Es klingt wie Kloster.“ – „Haha, Chef, nur dass die im Kloster angeblich nicht geil aufeinander sind. Dort wird das aber der Motor sein. Wie bei uns hier.“ – „Und der Zaun, damit sie nicht weglaufen?“ – „Quatsch. Das würde ja nie funktionieren. Dann steht irgendwann ein SEK vor dem Tor. Nee, das muss ganz anders funktionieren, so ähnlich wie bei Sucker und mir.“ – „Disziplin, harte, aber gerechte Strafen, und nach der Bestrafung ist das Verhältnis wieder rein. Sicher gibt es Männer, die das wollen. Aber man muss weiterdenken: Wenn sie nicht mehr arbeiten können, aber bleiben wollen, werden sie artgerecht versorgt. Ich muss wirklich meinen Studienfreund Sebastian mal fragen, wie die Benediktiner das eigentlich genau geregelt haben. Ist übrigens ein Patenkind von Notker Wolf.“ – „Chef, wir haben jetzt keine Zeit für name dropping. Diese Chance ist viel zu wichtig. Wir müssen so schnell wie möglich die Bedingungen schaffen, dass wir da leben können. Und dann bauen wir das zusammen.“

So in Fahrt habe ich ihn noch nie erlebt.

„Chef, ich denke, wir kündigen hier sofort. Jedenfalls in dem Moment, in dem der Meyer wirklich grünes Licht gibt.“ – „Wollen wir nicht warten, bis die Stiftung steht?“ – „Chef, dann wird es nix Ganzes und nix Halbes. Ich will sofort anfangen. Und unser Doppelschwein bestimmt auch. Obwohl, die haben ja nix zu sagen.“ – Er zählt mit den Fingern ab: „Also schnellstens eine Ortsbesichtigung. Notfalls können wir in dem Gasthof übernachten. Auswahl eines ersten Wohngebäudes. Bauplan und Auftrag an den örtlichen Bauunternehmer. Meyer soll sich dafür einsetzen, dass das alles ganz schnell geht. Und dann ziehen wir um. Punk, der ja bekanntlich frei ist, darf mit, aber wenn er an seinem Juwelier hängt, darf er auch erst mal hier auf die Wohnung aufpassen. Obwohl es konsequenter wäre, wenn wir die auch sofort aufgeben. Man darf nicht an der Vergangenheit kleben! – Einmal dort, lassen wir Zaun und Mauern restaurieren und die schlimmsten Russenscheußlichkeiten abbrechen. Und vor allem beginnen wir, die ersten Wohnungen zu bauen und einen Stall für Sklaven. Ich habe alles im Kopf! Aber, keine Sorge, Chef, wir werden nichts überstürzen, bis sich abzeichnet, wer kommen will und wie er leben will. Und wir brauchen einen wirklich guten Juristen. Vielleicht den, der damals die Versklavung von Maik, der jetzt Sucker heißt, so gut geregelt hatte.“

 

Sklavenquartier

Sucker und das Schwein kommen von der Arbeit und erfahren, dass sehr bald alles sehr anders werden wird. Sie beginnen uns sofort erregt zu lecken. Dabei überstürzen sich die Ideen. Sklaven, Knechte, Rekruten, auf jeden Fall müssen alle in einem Raum zusammen untergebracht werden. Eine Art Stall. Oder Verlies.

„Herr, aber Sucker und ich sind doch nachts immer bei Ihnen. Wir müssen doch immer für Sie bereit sein. Und Sie wärmen.“ – „Wenn es uns behagt. Aber ihr seid Sklaven wie die anderen. Dann darf es keinen Abstand mehr geben. Keine Grenzen. Ihr kennt das ja schon, und nun kommen noch mehr Männer dazu.“ – „Zusammen duschen ist ja auch sehr gut. Da kann man sich gegenseitig einseifen. Und rasieren. Und nachher einölen. Das haben wir ja damals immer nach dem Training gemacht.“ – „Ja, aber nun wird man auch beim Scheißen nie mehr alleine sein. Man kann sich auch danach gegenseitig reinigen. Ich weiß, dass das nicht immer angenehm ist. Und nicht jeder ist immer gut drauf. Und nicht jeder riecht immer gut. Gerade darum. Und jede Nacht zusammen mit einem anderen in einem schmalen Bett. Nicht mit seinem besten Freund, jede Nacht mit einem anderen.“

Sucker ist steif geworden. „Schwein, keine Scham mehr, nichts Privates, keine Intimsphäre, dieses blöde Wort. Aber immer intim miteinander. Ich freue mich drauf. Gerade, wenn da ab und zu ein Neuer zukommt.“

„Und wenn zwei sich hassen und immer Streit anfangen?“

Ratte sagt: „Das Problem lösen wir, wenn es entsteht. Man kann nicht alles planen.“ – Er grinst: „Nicht einmal wir.“

Die Bauingenieure sind in ihrem Element. Also ein Raum, nicht größer als nötig. In der Mitte im Boden ein Scheißloch mit Wasserspülung. Daneben eine Wasserstelle zum Trinken und ein Fresstrog, der sich gut ausspülen lässt. An der anderen Seite daneben die Duschanlage: vielleicht einen halben Meter versenkt, klein genug, dass es eng wird. Warmes Wasser? Ja, auch warmes Wasser, aber das muss man von außen abstellen können, wie übrigens das kalte auch. Ein Käfig, 1 mal 1 mal 1 Meter. Wozu? Das wird sich schon zeigen. Kann man immer gebrauchen! Und darum herum nicht mehr Schlafplätze als nötig. Man soll sich nahe sein, den anderen immer fühlen. Jede Matratze 90 cm breit, für 2 Personen. Das funktioniert aber nur bei geraden Anzahlen. Haha, na also! Bei ungerader Anzahl soll einer im Käfig übernachten und lernen wie einsam das ist.

Alle Stiefel an einer Wand. Arbeitskleidung bzw. Kampfanzüge an Haken darüber.

Brauchen wir sonst noch was? Klopapier? Nein, da hängen ja die Schläuche. Teller oder Näpfe? Vielleicht, das wird sich zeigen. Trinkbecher ja, man muss ja morgens mit Kaffee oder Tee in Gang kommen. Ein schläfriger Knecht nützt niemandem. Also eine Ecke, in der man Kaffee und Tee kochen kann und ein Kühlschrank für Milch und Bier. Bier? Ja, Bier, als Belohnung. Was den Gedanken an eine kleine Hausbrauerei aufkommen lässt, wenn erst mal genug Leute da sind.

Und ein paar Ringe an einer Wand, wie wir sie ja hier zu Hause auch haben.

Jetzt aber genug! „Doppelschwein, weiterlecken!”

Schmiede

Da kommt Punk endlich nach Hause und zieht sich aus.

„Punk, mit unserem Leben hier ist es vorbei. Wir ziehen um, und du darfst mit. Oder erst mal alleine hierbleiben.” – „Äh?”

Ratte erklärt den Plan in großen Zügen, während Sucker Punk absaugen muss und das Schwein ihm die Nippel leckt. Ich muss noch einmal beschreiben, was ich dort alles gesehen habe, und füge hinzu: „Du würdest dort eine eigene Goldschmiedewerkstatt bekommen und auch Kunden empfangen.” – „Muss ich da bei der Arbeit Kleider tragen?” – „Warum? Kleidung nur zum Ausgang. Natürlich darfst du dich jederzeit frei bewegen, und dazu kriegst du eben Klamotten.” – „Und ich entwerfe und mache dort wie bei Werner versauten Schmuck?” – „Ja sicher. Und lieferst an alle Adressen, aber Kunden dürfen auch jederzeit in die Werkstatt kommen und die ganze Anlage kennenlernen – jedenfalls solange das nicht Überhand nimmt, Ratte, dazu müssen wir uns noch was überlegen. Jaja, erst, wenn es soweit ist. Und auch dort werden wir wie bisher hier Abendessen für reiche Kunden veranstalten, mit Nacktsklaven, die an und unter dem Tisch bedienen.”

„Herr, ich ...” – Hier schaltet sich das Schwein ein: „Ich denke, Punk, du bist frei?! Darauf legst du doch so großen Wert.” – „Eh, ja klar. Also, eh, Chef, ich habe doch neulich diesem Belgier goldene Ketten auf den Leib schmieden müssen. Dabei hat mich der Gedanke geil gemacht, vielleicht auch mal gröberes Schmiedewerk zu probieren. Auf den Leib geschmiedete Ketten soll man doch auch spüren. Sagten Sie nicht, dass da eine alte Schmiede ist?” – „Punk, überleg dir die nächsten Wochen in Ruhe, ob du nicht lieber bei deinem Schwichtenberg bleiben willst! Juwelier in gesicherten Verhältnissen mit Werkstatt für fleißigen Goldschmied.” – „Ich komme mit. Der Werner soll sich überlegen ob er auch mitkommt, wieso immer ich? Dem täte eine etwas herbere Umgebung gerade mal gut.” Punk hat schnell verstanden wie er Hase läuft.

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Also, ich fuhr da ja gerne immer mal ein paar Tage hin und schaute mir an, was Jens und die Seinen aufbauen, aber für mich war das nichts. Sicher nicht auf Dauer. Eine Mischung aus Disneyland, Kolchose, Altersheim und Edelpuff. Nett, um sich mal ein Wochenende lang zu entspannen, man gönnt sich ja sonst nichts. Aber sich da eine Wohnung kaufen? In dieser gottverlassenen Gegend? Und jeden Tag das Essen aus dieser Küche? Es ist ja gut, ohne Zweifel, aber jeden Tag? Dann doch lieber hier in den Ratskeller, wo man die richtigen Leute trifft. Kunden, Stadtverwaltung, Museumsleute und so weiter. Das echte, normale Leben, nicht eine Phantasiewelt wie ein Hirngespinst der Pornoindustrie.

Obwohl dieses große Fest ja gar nicht schlecht war. Da kamen auch die richtigen Leute zusammen. Bauunternehmer, Bürgermeister, Oberregierungsrat – was man so braucht. Und all diese Ledermänner aus Dahlem und Zehlendorf, sogar aus Hamburg, mit ihren Harleys, potentielle Kunden. Das Buffet war ausgezeichnet, vor allem gab es genug Austern. Aber ob es nun nötig war, als Dekoration Komparsen anzustellen, die Skinheads, Punker und Rocker spielen, damit man sich wie in einem Film fühlt? Sogar an Neonazis zum Gruseln hatte die Regie gedacht. Grauenhaft! Kitsch eben. Für jedes Vorurteil und jeden Fetisch ein paar Komparsen. Sowas brauche ich nicht. Die wirkliche Welt ist mir abgedreht genug.

Na ja, immerhin habe ich da einen netten Motorradfahrer kennengelernt. Sehr gutaussehend, sehr männlich, dabei aber total lieb! Der wollte mich gern mal mitnehmen, weil diese Edeltucke, die ihm dort alles bezahlt, bestimmt nicht eifersüchtig ist. Jens meinte, dass der Ritter, wie er ihn nannte, sehr sicher fährt und gut aufpasst, dass ihm nichts zustößt. Er hat mich schon beraten, welche Kombi ich am besten kaufe, und wir haben ein paar Probefahrten gemacht. Ich wollte ja erst kein Leder, sondern etwas Praktisches. Er hat mich aber überzeugt, dass Leder das Praktischste ist. Es riecht ja schon gut, das muss ich sagen.

Er hat mir auch schon geholfen, meine Wohnung neu einzurichten. Die war wirklich zu voll. Tuckig, meine er. Minimalismus passt aber besser zu mir.

Für Gold interessiert der Ritter sich auch. Wenn man es ihm auch nicht ansieht. Wir haben lange über Intimschmuck gesprochen. Schwer muss der sein, darum Gold. Er trägt fast ein Kilo davon in der Hose.

Begehung

Wir fahren zu fünft im Auto nach Brandenburg. Das Schwein, Sucker und Ratte in ihren Arbeitshosen, aber wegen der Kälte mit Lederjacken statt Westen, Punk in alten Jeans und Lederjacke.

Die Anlage liegt abseits der Landstraße, umgeben von Ackerland und einem kleinen Wald. Anscheinend hat Meyer unter gewissen Auflagen des Denkmalsschutzes die Gebäude sehr günstig bekommen, war aber schlau genug, selbst über die Nutzung und den Zugang bestimmen zu können. Er hat dann gleich den Bauern das Umland und den Wald abgekauft, billiges Landschaftsschutzgebiet, sie dürfen es weiter bestellen. Ratte grinst: „Der halbe Wald sollte diskret eingezäunt und zur Anlage geschlagen werden, einen Wald kann man immer gebrauchen.” Punk sagt: „Ja, ja, und hinter dem öffentlichen Teil ein Parkplatz, den kann man auch immer gebrauchen, und mitten im Wald ein Tor mit Wächtern und Pechnase.” – „Warum eigentlich nicht? Das behalten wir mal im Hinterkopf.” Das Kaff mit der S-Bahn ist eine Viertelstunde Fußweg entfernt, und das Land dazwischen gehört Meyer.

Von der Straße eine zweihundert Meter lange Einfahrt bis zum schmiedeeisernen Zaun mit Tor. „Hier muss ein Schild hin: Privatweg. Und Parkverbot auf der ganzen Einfahrt. Oder noch besser vorne ein Schlagbaum mit Fernbedienung. Hinter dem Tor ein kleiner Parkplatz.” Der Zaun ist so breit, dass man von der Straße das Hauptgebäude liegen sehen kann. Links und rechts davon geht er in eine Klostermauer über, die den ganzen Komplex umschließt. Ein Parkplatz kann dergestalt hinter der Mauer angelegt werden, dass die Autos den Blick von außen durch den Zaun nicht verstellen und von innen hinter Büschen verborgen sind.

Das schlossähnliche Hauptgebäude – „Herr, das war ein Schloss, und das wird wieder ein Schloss” – ist viel zu groß und zu verbaut um ohne gründliche Planung zu restauriert zu werden. Und wenn, dann muss man es als Ganzes machen. Also erst mal nicht. Immerhin ist kein Asbest drin, also kann man die ganzen russischen Wände ohne Spezialfirma herausbrechen. Wenn erst mal genug Knechte da sind.

Daneben und dahinter gibt es Stallungen und Scheunen, ein altes Klostergebäude mit Turm, eine völlig verfallene Kirche mit Kreuzgang, alles unter Efeu – „Wie bei Caspar David Friedrich. Das kann man erst mal so lassen statt sich zu überlegen was man um Gottes Willen mit einer Kirche anfängt.” – und ganz hinten, etwas erhöht, zwei kleine Häuser. In einem liegt anscheinend sogar Wasser und Strom, und es hat einen Keller. – „Das wird also unser Bauhaus.”

Die drei Ingenieure beginnen sofort zu messen und zu zeichnen.

Das Dach des Hauses ist nicht mehr historisch. Die dem Wald zugewandte Seite kann man von der Straße nicht sehen. – „Dann wird das ganze Dachgeschoss ein Raum, mit Panoramafenster zum Wald. Ist da Osten? Ja, also Blick auf Klosterwald in Abendsonne, geht doch.”

Wir entscheiden, dass aller Russenbeton – Garagen, Hallen, eine Art Badehaus oder Sauna – doch weg muss, weil die historischen Gebäude in ihrer Lage zueinander dann wieder ihren Sinn bekommen. Nur ein Bunker wird wohl bleiben, weil er einfach zu massiv ist. Da kriecht schon das erste Efeu hoch. Aus dem Keller einer Halle kann man ein Schwimmbad machen.

„Was meint ihr, wie viele Wohneinheiten auf Stand kriegt man in die Stallungen?” – „Zehn bis zwanzig, je nach Größe. Und hier bei dem langen Kutschhaus kann man ohne weiteres von einem Ende an anfangen und sich nach und nach durcharbeiten. Ach, und schau mal wie nett: hier ist die Schmiede. Dann fangen wir doch an diesem Ende an.” Punk sagt: „Ich brauch aber keine Wohnung neben der Schmiede, ich bleibe bei euch. Obwohl... Nee, der Werner will bestimmt seine Stadt nicht verlassen.”

Die Drei messen und zeichnen noch lange, denn sie wollen morgen die ersten Aufträge erteilen. Wir beschließen, im Gasthof weiterzumachen und den Bauunternehmer zu einem späten Abendessen einzuladen.