Manimals

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Jens van Nimwegen

Manimals

Roman

Nimwegen 2012

MANIMAL-Trilogie:

Manimals (2012)

Ein Entwicklungsroman

Wie sich Jens, Rotz, Drexau, Porco, Ratte, das Ferkel und Phallc kennenlernten und ihren Weg im Leben fanden.

Ratte, Rotz und Radu (2012)

Ein Kriminalroman

Drei Freunde und zwei oder drei Morde

Die artgerechte Haltung des Homo manimalis (2012)

Ein Zukunftsroman

Zwei Freunde im dreigeteilten Deutschland 2034

© Jens van Nimwegen, Nijmegen 2016

manimal.eu/manimals

Vierte Auflageh

Inhalt

Schweine müssen nackt sein

Ich bin ein Schwein. In meinem Nacken steht MANIMAL tätowiert. Ein Hemdkragen mit Krawatte würde es verbergen; aber ich besitze keine Hemden mit Kragen. Jeder kann es lesen. MANIMAL. MAN-ANIMAL. Es steht auch groß, in Stachelnieten, quer über den Rücken meiner Lederjacke geschrieben. Das ist die einzige Jacke, die ich besitze, und solange es nicht eiskalt ist, trage ich sie offen auf der bloßen Haut. Ich muss den Wind fühlen, und die Blicke der Spießer, und die geilen Blicke von anderen Manimals.

Schweine müssen nackt sein, und ich bin es am liebsten. Das geht hier in Berlin nur, wenn es warm genug ist, und fast nur im Tiergarten. Also ist Kleidung nötig. Manimals brauchen aber nur sehr wenig Kleidungsstücke, und alle müssen dazu ausgesucht sein, die Geilheit zu erhöhen. Ich muss immer meinen Schweinekörper fühlen. Was ich zwischen den Beinen habe, mein Knüppel und mein Sack, darf nie und nirgendwo aus meinem Bewusstsein verdrängt werden. Jeder muss immer ran können. Adrenalin muss fließen, weil ich mich nie verstecken kann. Weil jeder sieht, dass ich ein Schwein bin. Mehr Männer als man glaubt sind auch Manimals, nur trauen die meisten sich nicht, immer zu sich selbst zu stehen. Sie schauen wissend, oft neidisch. Ihre Blicke machen mich geil. Vielleicht bringt unsere Begegnung sie ja auf die richtigen Gedanken. Vielleicht trauen sie sich mal, etwas an ihrem Leben zu ändern.

Man darf bekanntlich nicht überall mit nacktem Oberkörper herumlaufen. Darum habe ich eine Lederweste, ganz roh aus drei Stücken dickem Leder zusammengenietet. Vorne lässt sie sich nicht schließen. Ein Schwein ist so gut genug angezogen für die S-Bahn oder um Läden zu besuchen. Brust und Bauchnabel sind immer sichtbar, und beim Bewegen lassen sich die Tittenringe nicht immer verbergen. Andere Manimals haben einen Blick dafür und werden raschelig. Diese Ringe sind groß, dick und schwer. Sie schlackern bei jeder Bewegung. Wo ich auch gehe, werden meine Titten erregt, und deren Nerven sind mit meinem Knüppel verbunden. Mein Körper spielt mit meinen Titten, und dabei habe ich die Hände frei. Einen dritten solchen Ring trage ich im linken Ohr, einen vierten in der Nase. Wenn der richtige Mann Macht über mich bekommt, kann er mich an der Nase führen. Aber die meisten haben Respekt.

Mein Schädel ist geschoren bis auf einen schmalen Schweinestreifen oben von der Stirn bis in den Nacken. Mit dieser Bürste kann man den Sack von anderen Manimals verwöhnen. Auch die Augenbrauen sind abrasiert. Und alle Körperhaare. Schweine müssen nackt sein.

In der S-Bahn halte ich mich gern so an der Stange fest, dass ein anderer Mann meine verschwitzte Achselhöhle vor seiner Fresse hat. Da zeigt sich, wer auch ein Manimal ist. Spontan losgeleckt hat leider bisher nur einmal jemand, ein Punker.

Die einzigen Hemden, die ich besitze, sind zwei ehemals weiße T-Shirts. Eines trage ich unter der Lederjacke, wenn es kühl ist. Es ist am Hals tief ausgeschnitten und an den Seiten von den Schultern bis fast zur Hüfte offen. Eigentlich nur zwei Bahnen Stoff, vorne und hinten, die oben durch die Träger und unten durch den Bund zusammengehalten werden. Vorne gerade so breit, dass sich die beiden Tittenringe nicht zugleich verdecken lassen. Wer gut hinschaut, kann unter der Jacke immer etwas entdecken. Manche Männer verwirrt das. „Is Ihnen det nich zu kalt?” – „Nein, sonst würde ich die Jacke ja zu machen.” – „Det stimmt ooch wieda.” Das zweite Hemd reicht nur bis zum Nabel. Das habe ich hinten links im Hosenbund, wenn ich mit freiem Oberkörper unterwegs bin. Wenn einer meckert, kann ich es ihm zuliebe anziehen, aber dann sehe ich eigentlich nackter aus als ohne. Zwei Hemden, eine Weste, eine Jacke, das ist genug für den Oberkörper. Ein Schwein braucht keinen Kleiderschrank.

Ich besitze drei Paar Jeans, eine Lederhose, und sonst keine weiteren Hosen. Unterhosen schon mal gar nicht. Ein Paar Jeans ist knall-eng und zeigt immer eine deutliche Beule, denn ich bekomme die Knöpfe nur zu, wenn ich alles ins rechte Hosenbein stecke. In so einer engen Hose sind die Weichteile immer erregt und zeichnen sich sichtbar ab. Das hält mich geil. Die Hosenbeine sind so verschlissen, dass man auf den Oberschenkeln nur noch die weißen Querfäden sieht. Hinten ist eine Tasche oben ausgerissen, sodass der Kenner sieht, dass ich unter diesen Jeans nichts trage. Schweine müssen so nackt sein, wie es die Polizei zulässt, und das muss jedem deutlich sein.

Das zweite Paar ist weit, dreiviertellang und reicht nicht ganz bis zu den Stiefeln. Auch dieses ist verschlissen und hat große Löcher. Ein Knie liegt ganz frei, eines halb. Hinten zeigen zwei Risse den linken Arschbacken. Jedenfalls denen, die so versaut sind, dass sie hingucken. Spießer schauen weg. Es ist herrlich, den Wind zu fühlen. Diese Hosen haben keine Innentaschen. Meine Hände haben immer Zugang. Ich kann mit mir spielen wo ich gehe und stehe, auch in Läden. In der S-Bahn kann ich so prima abspritzen. Ich wasche diese Hose nie, halte sie höchstens mal beim Schwimmen an. Sie ist schön speckig, wodurch die Wixflecken nicht besonders auffallen.

Das dritte Paar ist weit, sehr kurz und stark ausgefranst. Die langen, unregelmäßigen Fransen machen viele Männer raschelig, und auch ich selbst bin in so einer Hose dauergeil. Ich weiß, dass ich mich mit einer so kurzen, weiten Hose nicht hinsetzen kann, ohne dass alles heraushängt. Der Zwang, in der S-Bahn zu stehen, erregt mich. Wenn ich zu geil werde, muss ich den obersten Knopf aufmachen und die Jeans sacken lassen. Manimals dürfen keine Scham kennen. Aber in der Öffentlichkeit müssen sie dauernd aufpassen, dass sie nichts Illegales tun. Das lässt das Adrenalin kreisen.

Ich besitze ein paar Gummistiefel ohne Innenfutter und ein Paar Soldatenstiefel, sonst kein Schuhwerk. Im Sommer gehe ich gern in diesen Gummistiefeln durch die Stadt, in der kurzen Hose, das kleinste Hemd hinten im Bund.

Stall

In der Nacht werde ich ein paar Mal wach, weil mein Knüppel steif ist. Das kommt vom Bett. Mein Bettzeug ist aus Leder. Seit zehn Jahren schlafe ich textilfrei. Eine schwarze Kuhhaut liegt auf der Matratze, eine zweite ist zusammengenäht zu einem Oberbett. Im Sommer ist es leer, im Winter enthält es zwei Militär-Wolldecken. „Aber ist Leder denn nicht viel zu kalt?” höre ich die Spießer fragen. Ja, wenn man in so ein Bett steigt, ist das Leder erst einmal kalt. Aber das dauert nur Sekunden. Da muss man durch, dann wird man reich belohnt. Leder auf der Haut fühlt sich immer geil an, und das Deckbett ist schwer und glatt und schiebt sich einem von selbst zwischen die Beine. Eigentlich bin ich in so einem Bett dauergeil, und jedesmal, wenn ich kurz wach werde, fühle ich meinen Knüppel und meine Tittenringe und weiß, dass ich eine Ledersau bin. Und dann dämmre ich wieder ein.

Morgens werde ich wach in rotem Licht. Die Fensterscheiben sind rot gestrichen. Auch die einzige Glühbirne ist rot, aber die wird heute nicht gebraucht. Rotlicht macht geil. Als ob das noch nötig wäre.

Erst geile ich mich im Halbschlaf langsam weiter auf am Gefühl des Lederbettes. Dabei denke ich darüber nach, wie nackt ich heute leben kann. Schweine müssen nackt sein, aber es wird wohl nicht sehr warm. Das Außenthermometer zeigt jetzt sechzehn Grad. Ich bringe mich langsam zum Abspritzen. Die Tropfen lasse ich auf der Brust eintrocknen.

Ich mag meinen Stall. Ein Raum in einem Hinterhof. Wenn man die Türe aufmacht, steht man sofort drin. Im Steinfußboden ist ein Scheißloch aus Edelstahl, mit Wasserspülung und einem Schlauch. Mit dem kann man sich den Arsch abspritzen und braucht kein Klopapier. Auch kann man mit diesem Schlauch den ganzen Fußboden reinigen. Oder sich selbst. Das Bett steht auf Stahlfüßen. Lederweste und Lederhose hängen an der Wand. Da stehen auch die Gummistiefel. Die Lederstiefel brauche ich als Kopfkissen. Die zwei Hemden und drei Paar Jeans liegen auf dem Boden. Auf einem grobschlächtigen Heizkörper trocknet mein einziges Handtuch. Er ist stabil genug, dass man bei Bedarf ein Manimal daran anketten kann. Es gibt auch noch ein Matratzenlager, zwei mal zwei Meter, unter starkem Industriegummi, am Boden gut abgedichtet. Das kann man einfach mit abspritzen. Hinter einer Tür ist ein kleiner Verschlag, dort kann man sich was kochen, und dort steht auch ein Kühlschrank. Mehr braucht ein Schwein nicht.

Ich scheiße, reinige meinen Arsch, lege mich auf das Gummi und spritze mir eine weitere Ladung auf den Bauch. Dann ziehe ich Lederhose, Lederweste und Schnürstiefel mit Socken an. Die Hose ist geschnitten wie eine Militär- oder Cargohose und hat vier aufgesetzte Taschen oben und unten an der Seite für alles Nötige. Vorn hat sie einen breiten, unverdeckten Reißverschluss bis hinunter in den Schritt. Ein großer Ring lädt zum Öffnen ein. Die gleichen breiten Reißverschlüsse mit Ringen gibt es an den Taschen. An den Seiten hat die Hose bequeme Eingriffe. So kann ich immer meine wichtigsten Organe in den Händen halten.

 

Draußen ist es immer noch nicht richtig warm. Das ist gut so: die Hose hält mich warm genug, und meine nackten Arme und mein nackter Bauch unter der Weste fallen auf, weil fast alle anderen etwas langärmeliges, geschlossenes tragen. So fühle ich mich wohl. Wer verdorben genug ist, genau hinzuschauen, erkennt die eingetrockneten Tropfen auf meinem Bauch.

Bis zum Abend werde ich ich so in der Stadt herumtreiben.

Streunen

Mich herumtreiben, das tat ich schon vor Jahren hin und wieder. So schrieb ich nach einem Tag im Hochsommer dies auf:

Es ist heiß. Seit dem Aufwachen bin ich geil, und das muss ich den ganzen Tag bleiben. Verpisst, verschwitzt, halbnackt muss ich meiner Geilheit bis zum Abend ausgesetzt sein. Nicht im stillen Kämmerlein: unter Menschen, mich treiben lassen in der Großstadt, weit weg von sicheren Zufluchtsorten, gezwungen, zu meiner Versautheit zu stehen. Jeder, der einen Blick dafür hat, soll sehen dass ich eine perverse Gummisau bin. Ich will nichts verbergen, Blicke und Bemerkungen ertragen. Mit klopfendem Herzen. Oder stumpf. Oder stolz. Nur Gummi auf der Haut, und nur Gummi das widernatürlich aussieht.

Nein: ein einziges Stück Textil erlaube ich mir: ein Schweinehemd aus schmutziger Baumwolle, das die Titten nicht bedeckt, das mich nackter und obszöner erscheinen lässt als ein nackter Oberkörper. An Orten, wo ein nackter Oberkörper nicht akzeptiert wird, will ich zu diesem Hemd gezwungen sein.

Ich rasiere meinen Schädel, lasse aber einen Schweinestreifen stehen. Jeder soll sehen, dass ich nicht kahl bin, sondern freiwillig geschoren. Außerdem finde ich, dass es geil aussieht zu dem großen, schweren Ohrring.

Ich kleide mich an.

Cockring, Metall, dick, 600 Gramm.

Radlerhose aus schwarzem Gummi, mit gelben Streifen an den Seiten, dünn, eng, ohne Reißverschluss. Alles zeichnet sich deutlich im rechten Hosenbein ab: Eichel, Cockring, Eier. Der Gedanke, dass ich nicht einfach den Knüppel rausholen kann zum Pissen, macht mich noch geiler. Ich trinke zwei Liter Wasser.

Locker schräg über den Hüften ein schwerer Gürtel aus Industriegummi, ohne Zweck.

Waders aus schwarzem Gummi, ungefüttert, innen und außen noch dreckig vom letzten Schlammbad. Wenn ich sie nicht umschlage, gehen sie bis zur Hose und sehen für die Stadt viel zu extrem aus. Umgeschlagen sind sie so hoch wie normale Gummistiefel, aber viel auffälliger. Und zeigen dass sie auch innen verschlammt sind.

Als einziges Gepäck genehmige ich mir einen schwarzen Baueimer. Jeder soll meine wenigen Habseligkeiten sehen können: eine Handvoll Münzen, lose im Eimer, das Hemd, eher ein kleiner Fetzen, und zwei halb-lange schwarze Gummihandschuhe. Anderthalb Meter durchsichtiger Aquariumschlauch. Später wird der Autoschlüssel und ne Fahrkarte dazukommen.

Ich fahre mit dem Auto ins Ruhrgebiet, barfuß, Eimer und Stiefel neben mir. Schon am Morgen ist die Hitze drückend. Meine Blase wird langsam voll.

In Duisburg parke ich in irgendeiner Vorstadtstraße und kaufe eine Tageskarte für die Straßenbahn. Erster Kontakt mit Menschen, nur bekleidet mit Cockring und Hose; Eimer und Stiefel bleiben noch im Auto. „Mann, hiea laufen se schon baahfuß, so wahm isset.“

Am Kiosk die ersten glotzenden Blicke; ich gewöhne mich schon daran.

Zurück zum Auto und dann mit Eimer und Stiefeln zur Straßenbahnhaltestelle. Das Hemd ziehe ich an: in Düsseldorf bin ich schon mal vom Sicherheitsdienst angemacht worden, weil man in Straßenbahnen nicht mit nacktem Oberkörper fahren darf. Im Eimer sind Handschuhe, Münzen und die Fahrkarte gut sichtbar. Jetzt erst mal weit weg vom Auto, dem letzten Zufluchtsort!

In Marxloh steige ich um. Hier sind viele Leute. Als ich an der Haltestelle warte, beginnt der Fahrer eines Lieferwagens an zu schreien und schimpfen. „Schwule Sau“ und schlimmeres. Er kommt ins kreischen und kann gar nicht mehr aufhören. Niemand an der Haltestelle lässt sich was anmerken, aber ich fühle mich unwohl. Nun ja, da muss ich durch, und hoffentlich war das dann auch schon das Schlimmste für heute.

Die Duisburger Straßenbahnlinien sind lang. Ich dämmere in der Hitze dahin, und das Rütteln der Bahn erregt mich.

Ich muss pissen. In einer öden Hafengegend steige ich aus. Die nächste Bahn kommt in 20 Minuten. Die verlassene Haltestelle ist auf dem Mittelstreifen vor einer Kreuzung. Dauernd halten Autos vor der roten Ampel neben einem. Die Stiefel habe ich ausgezogen. Barfuß stehe ich auf dem heißen Asphalt. Ich lasse die Pisse laufen, stehe in einer Pfütze die langsam Richtung Rinnstein sickert. Ich habe doch ein wenig Herzklopfen. Aber kein Autofahrer schaut her.

Dann erscheint ein Skater und kommt auf die Haltestelle zu. Ich stelle mich ans andere Ende, weg von der Pfütze. Er soll sich ruhig wundern wo die in dieser staubigen Hitze herkommt, aber ich wage es doch nicht, darin stehen zu bleiben. Muss ich noch lernen.

Die Straßenbahn kommt, und ich steige barfuß ein, den Eimer in der einen, die Stiefel in der anderen Hand. Ich setze mich irgendwo hin, breitbeinig, Eimer und Stiefel zwischen den Beinen, und nehme mir vor, bis zur Endhaltestelle einfach zu dösen und nicht auf die Leute zu achten.

In der Innenstadt wird die Bahn sehr voll. Ein Türke von ungefähr achtzehn Jahren schaut immer wieder auf meine Hose. Dann fasst er sich ein Herz: „Wollen Sie schwimmen?“ Ich schaue durch ihn hindurch und reagiere nicht. „Schwimmen? Schwimmen?“ Er macht Schwimmbewegungen um sich zu verdeutlichen. Soll er!

Die Bahn wird wieder leer, und an der Endhaltestelle steige ich um in die nach Düsseldorf. U-Bahn nennen die das hier, weil diese stinknormale Straßenbahn unterm Bahnhof ein paar hundert Meter eingegraben ist. Sie taucht bald wieder auf und zuckelt durch trostlose Vororte, bis sie auf einmal durch menschenleere Weiden am Rheinufer fährt. Adieu Ruhrgebiet, wir nähern uns der Landeshauptstadt.

Aber erst Kaiserswerth. Ich ziehe die Stiefel an, das Hemd aus, steige aus und gehe durch das verschlafene Örtchen mit seiner nach Drittem Reich muffender Kaiserpfalz und überall reichen Rentnern vor den Schaufenstern und in Cafés.

Ich habe Hunger und Durst. In Kaiser’s Supermarkt kaufe ich zwei Liter Saft und einen Liter Yoghurt mit Haferflocken. Die Kassiererin schaut auf meinen Eimer und die Gummihandschuhe und fragt: „Wollen Se wirklich die Fische hier aus dem Fluss essen?“ Sieh da, ich bin ein Angler, niemand ahnt was Böses.

Draußen schütte ich mir den Yoghurt in den linken Stiefel, den ganzen Saft in den rechten und werfe die Verpackung in den Papierkorb. Ich gehe zum Fluss. Ich muss den richtigen Rhythmus finden damit rechts nichts heraus schwappt und damit es nicht all zu laut gluckst. Das kühle Zeugs an den Füßen tut gut. Die glitschigen Haferflocken zwischen den Zehen geben ein beinahe psychedelisches Gefühl, und der Gedanke, dass ich das bald irgendwie essen muss, ohne jegliche Hoffnung auf Würde, macht mich ganz kirre. Mitten unter den Leuten werde ich es nicht wagen, also muss ich einen geeigneten Platz suchen, während ich bei jedem Schritt mein Essen zwischen den Zehen fühle.

Erst mal setze ich mich auf dem Rheindeich auf eine Bank. Überall schlurfen Rentner herum. Egal! Ich stecke den Schlauch, der immer noch im Eimer liegt, in den rechten Stiefel und gebrauche ihn als Trinkhalm. Der Saft tut gut, und wenn ich ihn ganz auftrinke, kann ich wieder gehen ohne bei jedem Schritt zu glucksen.

Dann suche ich mir einen Platz in der Nähe der Pfalz, etwas außerhalb des Blickfeldes der Rentner, und ziehe den linken Stiefel aus. Zuerst nehme ich mit der Hand was an meinem Fuß klebt, auch zwischen den Zehen, und schiebe es mir in den Mund. Dann esse ich direkt aus dem Stiefel. Ich habe Herzklopfen, schaue mich immer wieder um, ekelhaft finde ich es nicht. Ich beginne mich ganz natürlich zu fühlen in meiner Versautheit. Ich nehme mir vor, bei nächster Gelegenheit in einer perversen Kneipe auch mein Bier aus dem Stiefel zu saugen. So brauche ich nicht immer ne Flasche herumzutragen, und keiner kann mir was wegnehmen.

Dann lege ich mich auf den Waldboden und schlafe etwas. Meine Pisse lasse ich einfach laufen.

Ich kaufe ein paar Brötchen, werfe sie unverpackt in meinen Eimer und gehe wieder zur Straßenbahn.

Auf in die Landeshauptstadt! Ich habe da meine Erfahrungen.

Voriges Jahr hatte ich im Industriegebiet am linken Rheinufer zu tun. Gummishorts, Schwerer Gummigürtel mit kleinem Täschchen für Geld und Schlüssel, BW-Stiefel, kein Hemd, kein Gepäck. Es war warm, nicht heiss. Und auf einmal hatte ich Lust auf Innenstadt. Ich fuhr mit der Straßenbahn in die Altstadt. Saugutes Gefühl: fast nackt unter all diesen Touristen. Ich beschloss, einen Headset für mein Handy zu kaufen. Musste zum dritten Stock. Schwer war es, als mir mit der anderen Rolltreppe eine gackernde Mädchenklasse entgegenkam. Durch sowas muss man durch. Die Entschädigung: so ne Düsseldorfer Edeltucke mit gefärbten Haaren und gebügelter Lederhose. Dem fielen vor Schreck die Augen aus dem Kopf. Na ja, dann hat er in der Oper heute Abend was zu erzählen.

Ja, und als ich unterirdisch wieder auf die Straßenbahn wartete, kamen die Wachmänner. Ein blockwartmäßiger Typ und ein verhuschter. Ob ich mit der Straßenbahn wahren wolle? Ja, hier mein Fahrschein. Dann ziehen Sie bitte ein Hemd an. Es ist unhygienisch, mit freiem Oberkörper zu fahren.

Es war schon lächerlich. Jeder konnte sehen, dass ich bestimmt ganz und gar kein Hemd irgendwo versteckt haben konnte. Ich fühlte, wie mein Knüppel anwuchs. Der verhuschte schaute hin.

Der Blockwart wurde immer lauter. Ich zischte ihn an. Ob er nun als professioneller Wachmann hier unbedingt alle auf uns aufmerksam machen wolle. Und wo das stünde, dass ein nackter Oberkörper unhygienisch sei. Der verhuschte zog ihn am Arm. Dann kam der Kompromissvorschlag. Wo ich denn hin wolle. Fünf Haltestellen. Ja, dann fahren Sie. Ausnahmsweise. Aber setzen sie sich nicht hin und lehnen Sie sich nirgendwo an.

Düsseldorf halt. Das sollte in Berlin mal einer probieren… Nun gut, statt unauffällig zu sitzen stand ich nun bei der Rückfahrt in voller Größe in der Bahn.

Heute habe ich keine Lust auf sowas. Darum das tittenfreie Hemd.

Es ist zu heiss um in der Landeshauptinnenstadt rumzulaufen. Ich steige in die S-Bahn nach Essen. Die ist fast leer, ich kann die Landschaft genießen, dösen und durch die Hose meinen Knüppel steif halten. Der Ring hilft dabei. Als der Schaffner kommt, hab ich ne knallharte Erektion.

Villa Hügel. Da war ich im Frühjahr mit dem Köter 26-43. Am Parkeingang störte sich der Pförtner gar nicht an dessen Aufzug. Wir wollten nur in den Park, aber er sagte, für den Euro Eintritt können Sie sich auch in der Villa umschauen. Ich schickte den Köter rein, liess ihn aber doch seine Lederjacke anziehen. Er hatte es an dem Tag schon schwer genug gehabt in seinem neuen Schweinehemd und den zerrissenen Siffjeans.

Heute setze ich mich nur in den Garten der Kneipe am Bahnhof, trinke Kaffe, genieße die Aussicht über den Baldeneysee und lasse meine Pisse in die Stiefel laufen.

Weiter Richtung Essen. Mehr Natur, dösen, entspannen.

Essen ist ätzend wie immer. Leider scheint es diese marode Kneipe nicht mehr zu geben, wo einem fiese Pötter direkt an die Hose greifen. Löschzug oder so, unter dem Bahndamm. Heute wäre ich da mal gerne reingegangen und hätte mich begrapschen lassen. Es ist heiß. Zu heiß für Gummistiefel. Ich nehme sie in die Hand. In den Eimer passen sie ja nicht. Das Hemd liegt da inzwischen aber wieder drin.

In der sogenannten U-Bahn nach Mülheim esse ich meine Brötchen. Dazu ziehe ich die Gummihandschuhe an, denn meine Hände sind klebrig vom Schweiß.

Zu sehen gibt es neben den Bahngleisen wenig. Nach den blasierten Düsseldorfern beginne ich die abgestumpften Pötter mit ihren Bierwampen fast zu mögen. Ein paar junge Türken schauen mir ausgesprochen neidisch auf die Beule, trauen sich aber nicht, über mich zu reden.

Die Bahn von Mülheim nach Duisburg führt über eine uralte Landstraße zwischen den beiden Stadtzentren. Es ist wie eine Reise durch verschiedene Jahrhunderte. Ne Tanzschule im Stil der Fünfziger Jahre. Das älteste Wirtshaus des Ruhrgebietes. Fachwerkhäuser, misslungene Villen. Zoo mit Delphinen. Fickwald.

Dann eine Baustelle. Zwei junge Männer fallen mir auf: perfekter Körperbau, Millimeterhaarschnitt, großer Ohrring, nackter Oberkörper, schwarze Zimmermannshose mit breiten Lederriemen, schwere Arbeitsstiefel. Ich steige aus und gehe zurück. Setze mich hin und schaue zu.

Ein Kanalisationsrohr wird gelegt. Ungefähr zwanzig Arbeiter murksen herum, unauffällig, in langweiligen Arbeitsklamotten, träge in der Hitze des Spätnachmittags. Und dazwischen diese zwei Götter. Sie sehen viel zu gut aus für Kanalarbeiter, aber sie scheinen die ganze Baustelle zu regeln. Machen andauernd was anderes: Bagger fahren, Lastwagen rangieren, Kabel ziehen. Es sind deutlich die Körper von Bodybuildern. Aber sie verstehen auch die schwere Arbeit und das Fach. Sie sind die einzigen mit freiem Oberkörper. Ihre Hosen sitzen perfekt.

 

Ich fahre erst weiter als sie beginnen zusammenzupacken. Werde nie wissen wie dieses Wunder zustande kam und was für Männer das waren. Später werde ich SQ6351 davon erzählen, und er wird eine Geschichte aus diesem Stoff schreiben. Aber die Wirklichkeit war schön genug.

Jetzt kann eigentlich nicht mehr viel geschehen. Ich fahre zum Landschaftspark, verstecke die Stiefel im Gebüsch und klettere nur mit der Hose bekleidet auf den Hochofen, um die Abendsonne und die Aussicht zu genießen. Langsam wird es kühler, und da oben ist Wind. Auf der Treppe, beim Steigen, lasse ich meine Pisse laufen.

Leider kommen hier heute keine interessanten Männer rauf. Inzwischen bin ich so geil dass mein Knüppel von selbst steif bleibt. Ich hocke mich in eine Ecke mit Aussicht und döse weg. Bei der geringsten Berührung könnte ich abspritzen, aber das will ich nicht, solange ich unterwegs bin.

Ich wache auf. Es dämmert und ist kühler. Ich fahre nach Hause, geil und glücklich.

Das war vor einigen Jahren. Inzwischen ist viel geschehen.