Die artgerechte Haltung des Homo manimalis

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Die artgerechte Haltung des Homo manimalis
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Jens van Nimwegen

Die artgerechte Haltung

des Homo manimalis

Eine philosophische Lehrerzählung

für erwachsene Denker

Nimwegen 2014

Diese selbständig lesbare philosophische Lehrerzählung kann auch gelesen werden als dritter Teil einer recht unanständigen Manimal-Trilogie:

Manimals, ein Entwicklungroman

Ratte, Rotz und Radu, ein Kriminalroman

Die Artgerechte Haltung des Homo manimalis,

ein Zukunftsroman

manimal.eu

© Jens van Nimwegen, Nijmegen 2016

Druck: epubli.de

manimal.eu/Homo_manimalis

Erster Drucka

Tagebuch aus Hellabrunn

„Meine Damen und Herren, liebe Schüler! Wir betreten gerade (Ich sehe seinen Rücken in der Toröffnung. Das Publikum betritt noch gar nichts. Er wird erst einmal den Eingang versperren und reden.) den geheimnisumwitterten Teil unseres Freistaatlichen Zoologischen Gartens, den Minderjährige nur in Begleitung ihrer Religionslehrer besuchen dürfen, nachdem im Unterricht gut erklärt wurde, was einen hier erwartet. Ohne Vorbereitung wäre der Anblick zu schrecklich. (Man hört Huch und Hach aus Mädchenmund.) Ach so, bevor ich es vergesse, ich bin (Er sagt jeden Tag an dieser Stelle „Ach so, bevor ich es vergesse, ich bin…” Und gleich lässt er seinen Professorentitel weg und schiebt ihn dann doch noch nach.) Martin Grzimek. Eigentlich Prof. Dr. Martin Grzimek, aber Sie dürfen einfach Herr Grzimek sagen. (Gemurmel.) Mein Großonkel war auch Zoodirektor und Forscher. Schauen Sie mal bei Ihren Großeltern nach, da steht vielleicht Grzimeks Tierleben im Bücherregal. Wenn Ihre Eltern noch so einen altmodischen Berührglascomputer haben und eine Datenverbindung bezahlen können: man kann es sich herunterladen. Nicht kostenlos, mein Großonkel ist noch keine siebzig Jahre tot.

Also, gleich werden Sie hier den Homo homosexualis sehen, eine Abart der Homo Sapiens, des Menschen wie du und ich. Wir Biologen unter uns nennen ihn auch das menschliche Schwein. Journalisten haben diese unwissenschaftliche Bezeichnung leider übernommen. Wir Wissenschaftler sollten vielleicht besser auf unsere Worte achten.

Ich möchte, bevor Sie hereinspazieren, noch einmal sagen, wie dankbar wir sein sollten, dass wir im Freistaat Bayern leben. Hier ist der von den irregeleiteten Sozial„demokraten” durchgesetzte „Ethik”-Unterricht (Er zeichnet wie immer die Gänsefüßchen mit zweimal zwei Fingern und einem angewiderten Gesicht in die Luft.) endlich wieder ersetzt durch verpflichteten Religionsunterricht. Wir haben die Gegensätze zwischen den Konfessionen ja überwunden, und alle Religionsgemeinschaften zusammen sagen uns, was gut und böse ist. Alle Eltern können sich frei entscheiden, ob sie ihre Kinder taufen oder beschneiden lassen, und von der Kinderkrippe an ist der meiste Religionsunterricht für alle gemeinsam. Darum können wir uns darauf konzentrieren, dass Homosexualität von allen Konfessionen verboten ist, weil Gott sie verboten hat. Nur, was es eigentlich genau ist, ist noch umstritten. Darum habe ich diesen Forschungsauftrag und die Mittel für das Gehege, das Sie nun betreten. Aber dass Gott da etwas verboten hat, ist über jeden Zweifel erhaben. Unser Freistaat und unsere Religionslehrer führen Gottes Willen aus. Darum auch die Todesstrafe. Es steht ja deutlich im Koran, im Alten Testament und im Talmud.

Aber unser Freistaat ist ein aufgeklärter Staat. Selbstverständlich führen wir die Todesstrafe nicht aus. Es ist viel wirksamer, sie als letztes Mittel zur Verfügung zu haben, als sie wirklich auszuführen. Die älteren unter Ihnen werden das auch im Wirtschaftsunterricht gelernt haben.

Aber es gibt auch ein modernes biologisches Argument, dem wir Wissenschaftler genauso verpflichtet sind, wie Gottes Wort. Seit der Jahrhundertwende hat die Biologie erkannt, dass Homosexualität erblich ist. Es geht also um eine Ab-Art der Art Homo Sapiens. (Hier meldet sich ein Mädchen. „Ja bitte?” – „Wie kann sowas denn erblich sein, wenn die keine Kinder kriegen.”) Diese junge Dame ist doch in der Oberstufe. Ist ihr Biologielehrer hier anwesend? – Ach, Sie, Danke. Haben Sie das denn nicht im Unterricht erklärt, das Vererbung komplexer ist als manche einfältigen Gemüter sich vorstellen? — Doch. Ich hatte es nicht anders erwartet. Werden Sie die junge Dame bestrafen wegen Verunglimpfung eines Fachpädagogen? (Der Lehrer ruft den Präfekten auf, einen Jungen im selben Alter. Der soll drei schulöffentliche Rutenschläge notieren und tut das.) Sehen Sie? Wer nicht hören will, muss fühlen, wie auch jeder Zoologe, Bauer und Dompteur weiß. (Die haben also hier die Prügelstrafe an Schulen. Ich muss mal herausbekommen, wie das geht. Es klingt anders als das, was wir in unserer Firma haben.)

Wenn diese Veranlagung aber erblich ist, sind die Träger der entsprechenden Gene natürlich nicht verantwortlich für ihre widernatürlichen Triebe. (Irgendwie widerspricht er sich hier doch, oder können Gene widernatürlich sein?) Sie sind eben so. (Eben!) In anderen Staaten tötet man sie, wenn auch nicht in allen. In unserem nördlichen Nachbarland laufen sie sogar frei herum. (Hier lachen einige männliche Schüler. „Sau-Neupreußen.”) Hier sperren wir sie in den Zoo, damit wir sie erforschen können und junge Menschen wie Sie lernen, vorsichtig zu sein. Ich bin unserem Freistaat dankbar, dass ich über diese Abart forschen darf, verhaltenspsychologisch Experimente ausführen und wissenschaftliche Artikel schreiben.

Aber jetzt kommen Sie bitte herein. (Es geht wieder los. In unserem Gehege, unsichtbar für die Besucher, erleuchtet die Schrift: FICKEN! Die Pfleger in ihren Uniformen und Helmen kommen mit ihren elektrischen Stöcken auf uns zu. Der stärkste von uns, der Bär, wie wir ihn nennen, steht von seinem Lager auf, sucht sich einen von uns aus und vergewaltigt ihn. Wir anderen kopulieren freiwillig. Wenn wir es nicht täten, erhielten wir schmerzhafte elektrische Schläge.) Bitte schauen Sie sich die verschiedenen Unterabarten an. Da hinten sehen Sie Lederschweine. Die sind so veranlagt, dass sie immer schwarzes Rindsleder auf der Haut haben müssen. (Stimmt. Ich freue mich, dass ich meine Weste und meine Stiefel immer noch habe.) Mal mehr, mal weniger. Sie haben ihre Werkzeuge und machen sich selbst immer neue Kleidungsstücke oder Geschirre aus Lederabfällen. Was auffällt, ist, dass alles dazu dient, den Körper und die Geschlechtsorgane besonders hervorzuheben. Wenn diese Organe überhaupt bedeckt sind, kann man sie mit einem Handgriff freilegen. Die meisten hier sind aber Nacktschweine. Die brauchen kein Leder. Einige haben lange Haare oder sogar Bärte, einige, wir nennen sie Bären, sind auf dem ganzen Körper behaart. Aber die meisten sind kahl. Sie rasieren sich gegenseitig jeden Tag. Einige kann man, wie Sie sehen, mit alten Arbeitshosen beschäftigen. Sie streiten sich darum. Manche wollen ganz enge haben, manche so weite, dass sie ihnen bald herunterrutschen. Nach und nach franst alles aus und bekommt Löcher. (Ja, das habe ich immer geil gefunden, und viele andere hier finden es auch geil.) Manche waschen ihre Hosen im eigenen Trinkwasser, wie Sie dort sehen, andere kennen keinerlei Reinlichkeit. Das da hinten ist ein sogenannter Piercer. Der setzt sich selbst und seinen Abartgenossen zwanghaft eiserne Ringe in allerlei Körperteile, wenn er sie bekommen kann. Schauen Sie mal, der da hat Brustwarzenringe, die dort Nasenringe wie die Schweine in Neupreußen und Eichelringe. (Mädchen schreien iiih, Jungen bah!) Alle haben jedenfalls alle einen stark ausgeprägten Trieb, ihr sogenanntes Glied in allerlei Körperöffnungen eines anderen zu stecken. Solange man sie nicht festbindet, tun sie das Tag und Nacht. Sie springen auch ihre Pfleger an. Darum haben die elektrische Stöcke.

So, schauen Sie sich alles gut an. Sie dürfen sie füttern und bespucken. Wen sie ans Gitter kommen, dürfen Sie sie anfassen, aber nicht verletzen. Wer mutig ist, lässt sich von ihnen begrapschen, darf sich aber nicht wundern, wenn seine Hose geöffnet wird. Noch zehn Minuten, dann gehen Sie mit Ihren Lehrern ins Zoorestaurant. Danach dürfen die Volljährigen unter Ihnen wiederkommen. Ich hole Sie im Restaurant ab.”

Was sie nicht wissen, ist, dass wir einen Deal mit Prof. Grzimek haben. Wenn wir einen begrapschen und schaffen, ihn steif zu machen, wird er getestet. Und wenn der Test positiv ist, kommt er nicht irgendwo anders hin, sondern zu uns. Das ist uns noch nie gelungen. Aber es macht Spaß. Es ist wie jagen, meint Grzimek, und das passt zu uns.

Ein junger Mann traut sich ans Gitter. Mädchen ermutigen ihn mit Zurufen. Ich gehe hin, schaue ihm in die Augen und versuche, seine Hose zu öffnen. Mehr Arme kommen neben mir durch das Gitter und versuchen zu helfen. Er wird knallrot und springt weg.

Einige werfen ihre Brötchen in unser Gehege. Das ist immer eine willkommene Abwechslung. Sonst bekommen wir nur Futterriegel. Die schmecken langweilig. Na ja, Sperma schmeckt ja ganz gut, und davon haben wir genug.

Bald ist die Führung vorbei. Dann lassen uns die Wärter in Ruhe. Dann können wir auch schlafen. Dann kommen nur einzelne Erwachsene uns anschauen. Aber gleich gibt es noch Frischfleisch. Das kriegen wir nicht alle Tage. Bis dahin denke ich schon mal nach, was ich heute Nacht aufschreiben will.

Eigentlich ist es nicht schlecht hier. Wir brauchen uns nicht zu verstecken, wir erhalten Futter, Leder und alte Jeans, wie man die Arbeitshosen in meiner Jugend nannte. Aber wir müssen auf Kommando ficken. Auch hinten rein. Das liegt mir nicht. Das passt nicht zu mir. Ein Männerknüppel ist doch für Männermäuler geschaffen. Da kommt auch was raus, was man schlucken kann. Ich will nicht in der Scheiße wühlen und weiß nicht, warum man mir hinten was reinstecken muss. Aber wir sind nun einmal so dressiert und werden bestraft, wenn wir es nicht machen. Weil die Leute glauben, dass es genau das ist, was uns von ihnen unterscheidet. Quatsch! Nur manche von uns machen es gerne. Der Bär zum Beispiel. Aber wir müssen hier bei Grzimek machen, was die Leute erwarten.

 

Davon abgesehen lässt es sich gut leben hier. Nur, immer die Angst. Eigentlich müssten wir ja getötet werden. Wir dürfen dankbar sein, dass wir hier im Zoo leben dürfen und gut versorgt werden. Wenn einer krank ist, kommt sogar ein Arzt.

Prof. Grzimek mag mich. Er findet mich interessant, weil ich schreiben kann. Das können lange nicht alle hier. Ich darf dieses Tagebuch führen. Nein, ich muss. Sonst komme ich weg, hat er mir gesagt. Ich will nicht wissen, wohin.

Ich soll alles aufschreiben, was mir in den Sinn kommt. Aber nur nachts. Die Besucher sollen es nicht sehen. Die Zeitungen sollen nicht darüber schreiben. Es ist unser Geheimnis, dass ich für den Professor alles aufschreibe.

Ich darf über ihn selbst alles schreiben, was ich denke. Er ist nett. Er wird mich nicht bestrafen. Er sagt, dass er als Verhaltensforscher sowieso nicht böse wird auf seine Forschungsobjekte. Das ist eben Wissenschaft, und wir sind anscheinend Objekte. Ich glaube, es kotzt ihn an, dass er immer wieder diese Führungen machen muss. Er hat mal gesagt, wir könnten froh sein. Ohne diese Führungen mit Zwangsarschfick (er hat „anale Penetration” gesagt) würde diese Abteilung des Zoos vielleicht geschlossen.

Gestern hat er verlangt, ich solle die nächsten Monate aufschreiben, wie alles gekommen ist. Ich fang mal an.

Aufgewachsen bin ich zwischen Rüdersdorf und Herzfelde, Brandenburg. Das ist heute Neupreußen 30178. Da wohnt niemand mehr. Von unserem Haus aus konnte man den Berliner Ring sehen. Das ist eine Betonkonstruktion mit Brücken und so, auf der in meiner Jugend Autos fuhren. Ist jetzt alles verfallen und steht nur rum. Meine Mutter war immer im Suff, hat immer gejammert und hat erzählt, dass um Berlin rum und irgendwo durch das ganze Land eine Mauer oder ein Zaun stand, wo man erschossen wurde, wenn man rüber wollte. So ähnlich wie jetzt zwischen Bayern-Sachsen und Neupreußen, nur schlimmer. Das war aber vor meiner Geburt. Ich hab da in dem Kaff nix vernünftiges gelernt und eine beschissene Zeit gehabt. Bis ich irgendwann so mit fünfzehn begriff, dass ich ne abartige Sau bin. Homo homosexualis, wie der Grzimek das hier nennt. Damals hatten die da so ein albernes Wort für, was nix bedeutete und doof klang.

Meine Mitschüler hatten immer so Anspielungen gemacht. Weil Mädchen mich nicht interessierten. Und ich hatte im Fernsehen das eine oder andere aufgefangen. Fernsehen, das war so ein Kasten mit bewegten Bildern. Gab es damals. Noch ziemlich lange. Die Bilder wurden in Berlin gemacht. Oder anderswo. Manche ganz reichen Leute haben noch sowas, aber heute ist es viel kleiner. Ich habe oft versucht, nach Berlin zu kommen, mit der Straßenbahn. Da habe ich einiges gesehen.

Es ist nicht leicht zu erklären. Irgendwann wusste ich einfach sicher, dass ich total versaut war und zu den Gay Skaters wollte. Skateboards gibt es ja heute noch. Das konnte ich gut. Aber ich fand auch die anderen geil. Wir trugen damals unsere Hosen sehr locker und tief. Sagging nannten wir das. Hier habe ich derzeit gar keine Hose. Das ist auch gut. Ging damals nicht überall.

Also, ich wollte nach Berlin. Zu den Gay Skaters. Und in Berlin meine Gärtnerlehre weitermachen, um bei denen sein zu können. Wenn es in Rüdersdorf eine Gärtnerei gibt, muss es doch auch in Berlin eine geben. Meine versoffene Mutter fand das schrecklich und versuchte mich davon abzubringen. Sie hat auch Onkel Kalle, das ist ihr Bruder, gebeten, mir das auszureden.

Noch nerviger wurde es, als mein Vater sich meldete. Den kannte ich ja gar nicht. Er hatte nie bezahlt. Das war das Einzige, was ich über ihn wusste. Erst, als ich Rattes Vater kennenlernte, merkte ich, was ein Vater sein kann. So einen hatte in unserem Kaff aber niemand. Und auf einmal schreibt mein Vater und stellt mir eine Erbschaft in Aussicht. Ne Erbschaft, wo ich doch noch nicht mal angefangen hatte, zu leben. Aber nur, wenn ich ein christliches Mädchen heirate, Kinder kriege und die christlich erziehe. So ein christliches Mädchen heiratet natürlich nur christliche Jungen. Ich wusste sofort, worum es ging: Geld oder Leben!

Onkel Kalle kannte ein paar total versaute Leute in Berlin. Er hat mir immer davon erzählt. Wie die leben! Wie die rumsauen! Ekelhaft und unwürdig. Immer halbnackt, immer hinter Männerknüppeln her. Und pennen alle zusammen in einem Raum und besitzen fast keine Kleider. Scheißen sogar zusammen und waschen sich gegenseitig den Arsch, weil sie nicht mal Klopapier haben. Eigentlich war, was er beschrieb, so ähnlich, wie es jetzt hier im Zoo ist. Und die würden bestimmt nie Arbeit finden, und schon gar keine Frau. Abschaum.

Er wollte mich abschrecken. Nur, je mehr er erzählte, desto mehr kribbelte es zwischen meinen Beinen. Dieses Kribbeln hatte ich damals gerade entdeckt. Wenn ich die richtigen Gedanken hatte, konnte ich es steigern. Jetzt wusste ich, was Geilheit ist. Geil! Also, ich wollte zu denen. Klar, inzwischen wusste ich, dass es auch ganz andere Männer gab, die nix mit Frauen hatten und hinter Männern oder Jungen her waren. Wie den Lehrer in Schöneiche, über den alle flüsterten. Und den Gemüsemann. Viel weniger krass. Versteckt, und deshalb verachtet. Nee, für mich war genau das Versaute richtig, das merkte ich an dem Kribbeln. Ich wusste vorher nur nicht, dass es das gab.

Onkel Kalle wusste nicht mehr weiter und hat mit seinem Kumpel Manni geredet, der diese perversen Säue, wie er sie nannte, auch kannte. Und mein Vater schrieb, wann ich endlich fromm würde. Ich sollte fünfzigtausend kriegen, sobald ich auf dem guten Weg wäre. Euro hieß das damals noch, nicht Gulden.

Aber jetzt kommt Grzimek mit seinem Assistenten und den älteren Schülern zurück. Gleich gibt es Frischfleisch.

„Meine jungen Damen und Herren, dies ist mein Assistent Dr. Schicklgruber, der sich seit Jahren mit dem Verhalten dieser Abart beschäftigt hat. Er redet manchmal etwas wissenschaftlich. Wenn Sie einen Ausdruck nicht verstehen, fragen Sie bitte Ihre Lehrer. Bitte, Herr Schicklgruber.”

„Meine Damen und Herren, gleich werden wir dieser Rotte zwei neue Exemplare des Homo homosexualis zuführen.

Das eine Exemplar ist heute gerade volljährig geworden. Es wurde auffällig, weil es sich für Mitschüler interessierte. Unsere verhaltenspsychologischen Tests brachten bald Deutlichkeit. Leider gibt es ja keine zuverlässigen, bezahlbaren Gen-Tests. Seit Computer immer kostspieliger werden, sind bestimmte Untersuchungen so teuer und langwierig geworden, dass der Freistaat sie nur in ganz besonderen Fällen bezahlt. Außerdem erfolgt die Vererbung nach einem komplexen mehrfach rezessiven Schema. Aber meine Kollegen und ich haben zuverlässige Verhaltenstests entwickeln können. Bitte verlangen Sie nicht von mir, dass ich diese jetzt hier beschreibe. Einzelheiten sollten besser nicht an die Öffentlichkeit. Aber, meine Herren, Sie dürfen sich gerne zu solch einem Test anmelden. (Lachen.)

Dieses junge Exemplar war bis heute bei seinen Eltern, die damit eine schwere Verantwortung tragen mussten. Tagsüber war es im Arbeitshaus, nicht in einer Schule, meistens angekettet, damit es niemanden bespringen konnte. Es trägt noch seine gewohnten Kleider. (Der Junge hat ein T-Shirt, das ihm zu weit ist, und schlabberige Jeans. Die Schuhe hat man ihm abgenommen. Er hat Angst.) Das andere Exemplar ist ein sogenannter Stricher. Ungefähr fünfundzwanzig Jahre alt, vielleicht älter. Aus der Vorstadt, also ohne Papiere. Er hat versucht, Familienväter am Bahnhof zu verführen. Ich benötigte noch mindestens einen Stricher in unserer Rotte. Wir wollen erforschen, wie Stricher eingesetzt werden können, wenn die neuen Gesetze durch sind. Aber das führt heute zu weit. Der Stricher trägt die Kleider, in denen er aufgegriffen wurde. (Die beiden werden in Ketten an die Schleuse geführt. Sie sträuben sich nicht. Der Stricher hat kurze Haare, einen Ohrring, ein enges T-Shirt, das bei seinem Bauchnabel abgeschnitten ist, sehr enge, verschlissene Jeans und Schnürstiefel. Er sieht geil aus. Ja, verführerisch.) Bitte achten Sie auf diese Arbeitshose. Die Geschlechtsteile zeichnen sich extrem deutlich ab. Die obersten beiden Knöpfe stehen offen. Ach nein, ich sehe gerade, die gibt es gar nicht mehr.

Bitte schauen Sie sich genau an, was gleich geschieht. Der Ablauf ist meist derselbe. Das Exemplar dort hinten ist das Alpha-Männchen der Rotte. Na ja, die sind ja alle männlich, also sagen wir unter uns meist: das Alpha-Schwein.

Ach, bei dieser Gelegenheit möchte ich einfügen, dass es ja im Freistaat keine Schweine der Art Sus scrofa domestica mehr gibt. Kaum noch jemand isst Fleisch, und das Fleisch von Suiden ist ja unrein. Das haben auch die Christen im interkonfessionellen Dialog wieder gelernt. Beim Trivialnamen Schwein für Homo homosexualis besteht also keine Verwechselungsgefahr.

Also, das Alpha-Schwein, die Mitglieder der Rotte nennen es Bär, was ja etymologisch verwandt ist mit Eber, wird sich voraussichtlich gleich auf den Stricher stürzen und ihn vergewaltigen. Es hat seine Unterschweine soweit dressiert, dass sie in der Zwischenzeit das andere, ganz junge Exemplar vorbereiten für seine Wollust. Sonst ist ihm dessen Sphinkter zu eng, und es dauert zu lange. Aber das Alpha-Schwein wird das erste sein, dass das junge Exemplar penetriert, also besteigt. Erst danach dürfen die anderen ran.”

Hier täuscht sich dieser Schicklgruber. Der Bär rammelt alles, was er bekommen kann, ohne Rücksicht auf Verluste. Am liebsten vergewaltigt er jemanden, der gerade nicht will. Wir anderen haben aber durchgesetzt, dass wir junges Frischfleisch vorbereiten dürfen, damit es nicht verletzt wird. Wenn einer tagelang blutet und vielleicht stirbt, das ist doch furchtbar. Zusammen sind wir stärker, und der Bär hat es eingesehen. Dafür hat er das Recht, die Kleider von Frischfleisch zu verteilen. Wir müssen es ja schließlich hier zusammen aushalten.

Das äußere Tor der Schleuse wird geöffnet. Wärter mit Elektrostöcken entfernen die Ketten der beiden, schieben sie in die Schleuse, schließen das äußere Tor und entriegeln das innere. Wir stürzen uns auf die beiden und ziehen sie ins Gehege. Wir müssen uns jetzt um den Kleinen kümmern, ehe der Bär auf andere Gedanken kommt.

Während wir das tun, sehe ich, wie der Bär und zwei Ledermänner die Handgelenke des Strichers hinter dessen Rücken mit Lederfesseln fesseln. Der wird jetzt wohl ein, zwei Wochen so gefesselt bleiben, darauf angewiesen, dass andere ihn füttern und abwichsen. Viele von uns finden es geil, wenn ein junger Mann mit seinem T-Shirt langsam eindreckt und sich tagelang bei den elementarsten Dingen helfen lassen muss. Damit kommt man ihm schön nahe. Seine Hose bekommt ein Jeans-Schwein, das keine mehr hatte. Es wird dem Bär dafür tagelang Dienste leisten müssen. Ihm passt die Hose gut, das heißt, sie ist sehr eng. Man merkt, dass es das aufgeilt. Die Schnürstiefel dürfen die Ledermänner behalten und sich darum streiten.

Inzwischen haben die dem Kleinen seinen Riemen, haha, also ich meine wirklich den Lederriemen, auch Gürtel genannt, aus der Hose gezogen. Den werden sie zu neuen Fesseln oder Halsbändern umbauen. Die ziemlich weiten Jeans hängen dem Kleinen jetzt schön tief auf den Arschbacken. Man sieht fast die Schamhaare. Komisches Wort übrigens. Viele von uns finden diesen Anblick geil. In meiner Jugend kannte jeder das Wort Sagging. Damals hatte das was mit Gefängnissen zu tun. Hier sind wir nicht im Gefängnis, sondern im Zoo, aber es ist so ähnlich. Der Bär will, dass Jungschweine ihre Hosen so tragen, dass jeder sehen kann, wie schnell sie runtergezogen sind. Jungschweine müssen sichtbar zugänglich sein, allzeit bereit, aber Hosen tragen. Das ist spannender. Ich bin dafür zuständig. Ich stelle fest, dass die Hose auch dann nicht herunterrutscht, wenn der oberste Knopf offen ist, jedenfalls nicht sofort. Also reiße ich den ab. Bei genieteten Knöpfen ist das nicht leicht. Der Stoff geht kaputt. Aber das macht ja nichts. Dem Jungschwein wird seine Hose in Zukunft alle paar Schritte herunterrutschen, wenn es sie nicht regelmäßig hochzieht. Die halbe Arschritze kann man sowieso immer sehen. Das finden wir geil hier. Übrigens wurde es mit mir früher auch so ähnlich gemacht. Jetzt ziehen wir ihm die Hose aus, damit ich hinten zwei Risse anbringen kann. Man muss so einem Jungschwein, wenn es irgendwo steht, immer von hinten an die Eier können. Währenddessen halten es ein paar andere fest und zwei machen sich daran, sein Arschloch zu weiten. Mit Fingern, Spucke und Sperma. Der Kleine schreit, aber es ist wirklich besser für ihn, wenn er geweitet und glitschig ist, wenn der Bär ihn bespringt. Ich weiß, dass die ihm jetzt erklären, dass es schon gut werden wird hier, wenn er einfach alles mit sich machen lässt. Der Bär wird ihn beschützen, solange er ihm willig ist. Wenn nicht, wird er den Ledermännern übergeben, die sich inzwischen gerade über den Stricher hermachen. Der Bär ist mit dem klar, und schnappt sich das T-Shirt des Kleinen. Es ist am Hals zu eng für seinen dicken Schädel. Er reißt es einfach ein und zieht es sich dann an. Es spannt und reißt weiter ein und ist ihm viel zu eng und zu kurz. Aber, zugegeben, es sieht geil aus, wie seine behaarte Brust mit einer Titte frei liegt. Der Bär liebt solche Trophäen und wird den Fetzen ein paar Tage lang tragen. Danach kriegt ihn der ehemalige Finanzbeamte da hinten. Der schämt sich nämlich immer noch, wenn er nackt ist. Versteh ich ja nicht. Aber jeder ist anders.

 

Beim Kleinen, der immer noch schreit und stöhnt, kann man inzwischen vier Finger reinstecken, und sein Arschloch und Umgebung ist schön glitschig. Er muss seine Hose wieder anziehen, und der Bär macht mit ihm einen Spaziergang durchs ganze Gehege. Was sie reden, kann ich nicht verstehen. Der Kleine muss andauernd seine Hose hochziehen. Das fand ich ja, als ich jung war, auch geil, dass man das muss. Außer der weiten, saggenden Hose hat er nichts mehr, was ihn bedeckt oder beschützt, und das wird lange so bleiben. Er hat immer noch Angst, aber nach und nach zeigt sich vorne eine Beule in seiner Hose.

Der Zoo schließt für heute. Alle Besucher müssen raus. Ob die letzten Schüler, die noch hier sind, und ihre paar Lehrer wirklich verstehen, was los ist, weiß ich nicht. Ist mir auch egal. Ich muss schreiben. Schlafen kann ich dann hoffentlich morgen früh, wenn die ersten Besucher kommen. Die lassen einen meist in Ruhe.

Da kommt der Bär und gibt mir den Kleinen. Er will ihn heute nicht mehr. Er findet es geiler, dass der noch eine Nacht Angst und zugleich einen steifen Pimmel hat. Und ich wäre doch, sagt er, von der Sache her auch nur so ein saggendes Ferkel. Ich soll ihn mal noch besser vorbereiten. Morgen oder übermorgen müssen wir dann beide dran glauben. Er rät uns, uns nach dem Scheißen sofort einzufetten und jede Stunde nachzufetten. Er weiß noch nicht, wann er uns braucht, aber dann will er auch keine Sekunde verlieren. Ich lege den Kleinen zwischen meinen Beinen zum Schlafen, Kopf auf meinen Weichteilen, wie man das komischerweise nennt, und versuche, weiter zu schreiben.

Ja, ich war damals auch ein Sagger. Wollte unbedingt zu den Gay Skaters nach Berlin. Ich würde es ihm ja gerne alles erzählen, aber er ist zu kaputt und zu durcheinander. Wenn er lesen kann, lass ich es ihn morgen lesen. Aber hier in Bayern kann heute nicht jeder lesen. Und die aus der Vorstadt haben nicht einmal Papiere. Ich muss mal herausbekommen, wie das gekommen ist. Sogar in meinem Kaff hinter Rüdersdorf haben sie uns ja Lesen beigebracht. Damals gab es nur nix Gescheites zu lesen, nur Reklame. Egal. Solange man mit ihm geilen Sex haben kann, mag ich jedes Schwein, ob es nun lesen kann oder nicht.

Obwohl – ich, ich weiß nicht, was es bedeuten soll, auf einmal bin ich ganz traurig. Es ist so ur-lange her, aber Phallc geht mir nicht aus dem Sinn. Gerade jetzt, wo es kühler und dunkler wird und nur noch ganz oben ein paar Sonnenstrahlen den Betonfelsen unseres Geheges erreichen. So schön ist Phallc. So geil. Als er sich tätowieren ließ und ich seine Haare kurz schneiden musste, fing ich an, ihn zu bewundern. Und jetzt bin ich hier im Zoo eingesperrt und kann ihn nicht vergessen. Hat er das getan?

Ich hatte nämlich Onkel Kalle so lange genervt, bis er mich mitgenommen hatte ins Hauptquartier dieser krassen Säue, die er und Manni mal am Rüdersdorfer Kalksee kennengelernt hatten. Der Kalksee, das war damals die einzige Attraktion in der Nähe unseres Kaffs. Vor allem, weil an jedem Ende alle zwanzig Minuten eine Straßenbahn nach Berlin abfuhr. Also, ich hatte Onkel Kalle so weit, dass er mich da endlich hin brachte. Nicht zum Kalksee, da konnte ich ja alleine hin. Zu Jens, der in einem Stall in Lichtenberg lebte, fast so wie wir jetzt hier. Onkel Kalle hoffte, dass ich mich so ekeln würde, dass ich normal würde und mein Erbe antreten. Geld. Aber ich sah sofort: Leben!

Männer. Geilheit. Schwänze. An den Schwänzen auch noch geile Körper, die man überall lecken konnte. Alles war ganz anders als bei meiner versoffenen Mutter in dem Kaff. Ich musste einen Lehrvertrag unterschreiben, und ich konnte es gar nicht abwarten. Aber Jens, mein Lehrmeister, bestand darauf, dass ich mindestens sechzehn sein musste. Wegen dem Gesetz und so. Ich wollte schon vorher antreten, aber Jens schickte mich weg. Ätzend. Aber dann war es so weit. Ich wurde bei Jens und Rotz aufgenommen. Total kahl musste Rotz mich machen. Ich durfte nur ganz wenige Klamotten behalten. Ich war dann immer fast nackt. Manchmal ganz. Jeder konnte mich begrapschen, und ich fand das geil. Leider durfte niemand mir einfach mal seinen Knüppel in die Kehle rammeln. Danach hatte ich ja immer verlangt. Aber das war gesetzlich verboten. Ich selbst durfte aber. Komische Gesetze.

Das Ferkel wurde ich von allen genannt, und das war gut so. Jens hat damals sogar ein Buch über uns geschrieben. Da steht das alles drin: Was ich lernen musste. Was ich lernen durfte. Wie geil wir Gay Skaters damals aufeinander waren. Und wie wir Berlin unsicher gemacht hatten. Sogar Dahlem. Es war eine tolle Zeit.

Mit Rotz und dessen Kerl haben wir mal einen ganz reichen Mann im Schwarzwald besucht, und da war dann ein versauter Wettkampf, wer die meisten Schwänze aussaugen konnte. Aber dann gab es zwei Tote, und am Ende haben sich alle vertragen. Darüber hat der Kerl von Rotz ein Buch geschrieben. Damals lasen die Leute noch Bücher. Ich komme in zweien vor. Ich musste sie korrekturlesen, damit ich endlich richtig Lesen und Schreiben lernte. Phallc hat mich für jeden Fehler verprügelt. War immer noch besser als diese Schule in Rüdersdorf. Jetzt darf ich heimlich für Prof. Grzimek schreiben, und keine Sau liest es.

Ich hoffe, dass der Professor die beiden Bücher bekommen kann. Ich schreibe das hier nicht noch mal auf.

Ne klasse Zeit war das. Aber Phallc hatte es schwer. Er war älter als ich, wohnte aber noch bei seinen Eltern. Die nörgelten ewig an ihm herum. Alles, was wir so gern machten, wollten sie ihm vermiesen. Falk hieß er damals noch. Als ihm ein Freund ein Sweatshirt, das ist so ein Dings mit einer Kapuze, schenkte mit einem Falken hinten drauf, der sich gerade auf eine unsichtbare Beute stürzt, malte Falk dem Falken einen riesigen steifen Pimmel und zwei Eier an und fing an, sich Phallc zu schreiben. Hat was mit Griechisch zu tun oder so. Sein Biologielehrer lachte ihn aus: ob er mal einen Vogelpenis gesehen hätte. Aber es sah wirklich geil aus. Ein Raubvogel, der sich mit steifem Pimmel auf seine Beute stürzt. Seitdem nörgelten die Eltern nicht nur, das hatte meine versoffene Mutter ja auch immer getan, sie wollten ihn auch noch zu einem Irrenarzt schicken. Der sollte ihn normal machen. Was die Nachbarn denn denken sollten und so. Und dann ließ Phallc sich seinen Falken groß auf den Rücken tätowieren und klein vorn auf eine Brustseite, die Krallen um die Brustwarze. Als es abgeheilt war, ging er nur noch mit nacktem Oberkörper aus dem Haus, damit die Nachbarn was zu denken hatten. Seitdem bewundere ich ihn. Wie man das machen kann, sich selbst und seinen Eltern keine Möglichkeit zum Zurück mehr lassen. Von dem Tag an waren wir beide dauernd steif. Ich brauchte nur an ihn zu denken. Seine Eltern haben ihn dann rausgeschmissen. Für immer und ewig. Sie haben keinen Sohn mehr. Darum musste er erst mal bei Jens und mir unterkommen.

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