Gärten des Jahres 2021

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PLANUNGSBÜRO

Petra Pelz Designnatuerlich und GartenLandschaft Berg & Co. GmbH

AUSFÜHRUNG

Petra Pelz Designnatuerlich und GartenLandschaft Berg & Co. GmbH

FOTOGRAFIE

Ferdinand Graf Luckner


„Die Zusammenarbeit und gemeinsame Planung führte zu einer außergewöhnlichen Symbiose von Architektur und Garten. In der Branche sollte mehr zusammengearbeitet werden, damit sich Synergie-Effekte nutzen lassen.“

PETRA PELZ UND PETER BERG


PLAN

1Wohnhaus

2Terrasse

3Baumhaus

4Felsentreppe

5alte Eichen

Soeren von Hoerschelmann Garten- und Landschaftsarchitektur
ANERKENNUNGEN
Der feine Duft der Marianne


Frankreich ist zu erahnen – und trotzdem passt der Garten zur Villa und nach Norddeutschland.

„Der Duft Frankreichs wird von einer nordischen Brise durch den Garten geweht. Frankreich soll zu erahnen sein, der Garten aber nach Norddeutschland und zum Wohnhaus passen“, beschreibt Landschaftsarchitekt Soeren von Hoerschelmann den Auftrag. Es ist ein Stadtgarten, passend zur hübschen kleinen Altbauvilla, die mit viel Liebe hergerichtet wurde. Klare architektonische Linien geben ihm seine Struktur, die Pflanzen bieten dazu einen lebendigen Kontrast, brechen die Formalität auf.

Laudatio

Eine Kleinstadt östlich von Hamburg und rund 1400 Kilometer weit entfernt von der französischen Provence. Und doch – mitten in Reinbek ein Hauch Frankreich!

In einem außergewöhnlichen Garten, der nicht durch seine Größe, sondern durch seine schlichte Eleganz, seine Wohnlichkeit, aber besonders durch seine Authentizität überzeugt. Und das gleich in dreifacher Hinsicht: Er steht im Einklang mit der Gebäudearchitektur, er passt sich perfekt in das schleswig-holsteinische Umfeld ein und spiegelt gleichzeitig die Frankreichliebe der Besitzer wider. Dem Gartenarchitekten ist die perfekte Symbiose dieser drei Parameter gelungen, und er hat mit ganz viel Feingefühl einen Ort geschaffen, der in sich ruht und zugleich so lebendig ist. Für den französischen Gartenimport ist keine plumpe Ansammlung von mediterranen Pflanzen notwendig. Es ist das Zusammenspiel der konsequenten Linienführung, der gemütlichen Innenhofatmosphäre, des hellen Sandsteins, des Wasserbeckens und der Beete mit ihren natürlichen Übergängen in die Kiesflächen. Als Belag für Wege und Terrassen stehen sie in einem gesunden Verhältnis zu den üppigen Pflanzflächen, wo Geranium 'Rozanne', Allium und natürlich auch Lavendel für Vielfalt und im letzten Fall für den Duft Frankreichs sorgen. Raumaufteilung lässt den Garten größer erscheinen und erzeugt grafische Ruhe. Die künstlerisch interpretierten Stahlhalme sind eine grandiose Rankhilfe für den üppigen Blauregen und der natürliche Schattenspender für die beiden Liegestühle – mit Blick auf das Wasserbecken, das in sich ruhend den Himmel in den Garten projiziert. Es ist sicher der stille Star dieses Gartens! Im gesamten Garten ist die Liebe zum Detail spürbar, die Liebe der Handwerker zu ihren Fertigkeiten, die Liebe eines konsequent planenden Gartenarchitekten und die Liebe der Besitzer zu ihrem Frankreich und noch mehr zu ihrem grünen Zuhause. Ein Garten zum Verlieben eben … Très bien!

Bernd Franzen

Mit Glyzinen bewachsene Stahlhalme halten ihre bogig überhängenden Metallfinger wie eine schützende Hand um den intimen Sitzplatz.

Wenige Stufen führen ins Extra-Pflanzenzimmer hinauf, das die Formalität aufbricht.


Ein Highlight sind die Stahlhalme für die Raumteiler und die Muschel!


Die konsequente Verwendung des Sandsteins verleiht dem Garten seine unverwechselbare Atmosphäre – dies kreiert eine Idee von Frankreich.


Edel: die Kombination aus weißen Blüten, sehr viel Grün und Strukturpflanzen wie Zierlauch

Vom Sitzplatz blickt man auf das formale Wasserbecken und das Pflanzenzimmer zurück zur Villa.

Rasen gibt es nicht, er ist in dieser abwechslungsreichen Gestaltung absolut entbehrlich. Die geschickte räumliche Gliederung sorgt dafür, dass der Garten viel größer wirkt, als er in Wahrheit ist. Wasser ist ein wichtiges Element in dieser Gestaltung, ebenso wie die Beschränkung auf wenige edle Materialien, die Patina ansetzen dürfen, ja, sogar sollen. Gehölze, Stauden und Gräser werden auf die Bühne gehoben – sie haben einen hohen Stellenwert.

Die leichte Topografie des Grundstücks nutzt der Landschaftsarchitekt für seine Gestaltung. Sie deutet sich durch Treppen und Höhenabstufungen mit Trockenmauern an, die parallel zum Haus verlaufen: „Das mache ich gerne, die Topografie aufnehmen, sichtbar machen und damit Räume schaffen.“ So ergeben sich unterschiedliche Gartenzimmer auf verschiedenen Ebenen: ein sehr privater Südhof mit Terrasse und Wassertrog in Hausnähe als Wohnzimmer im Freien. Etwas erhöht, über wenige breite Treppenstufen erreichbar, ein zentrales Pflanzenzimmer. Auf gleicher Ebene befindet sich das Gartenzimmer mit geschütztem Sitzplatz am formalen Becken, in dem das Wasser für ständig neue Spiegelbilder sorgt – je nach Wind und Wetter.

Räume sind durch Heckenriegel und besondere Paravents aus Stahlhalmen angedeutet, die weiß blühende Glyzinen (Wisteria sinensis 'Alba') tragen. Die Konstruktion stammt vom Landschaftsarchitekten selbst, die Bepflanzungsidee von der Bauherrin – die verholzende Kletterpflanze erinnert sie an Frankreich. Wie alle baulichen Elemente orientieren sich die Pflanzen-Paravents am Haus, ohne auf eine Achse ausgerichtet zu sein. Diese luftig leichte Konstruktion schließt den Garten auch zur hinteren Grundstücksgrenze ab. Dort halten die Stahlhalme ihre bogig überhängenden Metallfinger wie eine schützende Hand über den gleichermaßen intimen wie sonnigen Sitzplatz und verwehren zusammen mit dem Blätterdach der Glyzine Einblicke vom Nachbarhaus. Der eigene Blick jedoch bleibt frei und streicht über das formale Wasserbecken durch das Pflanzenzimmer zurück zur Villa. Nutz- und Beetflächen sind miteinander verwoben, die Bepflanzung in der Höhe gestaffelt und an den Standort angepasst. Sie durchläuft viele abwechslungsreiche Phasen: Strukturstark im Winter, edel grün-weiß im Frühjahr, üppig im Sommer und laubfärbend im Herbst. Wertvolle Gehölze wie z. B. ein Trompetenbaum (Catalpa bignonioides) wurden wiederverwendet. An die angrenzenden Grundstücke wurde mit dem Pflanzen von Pflaumenblättrigem Weißdorn (Crataegus prunifolia) angeknüpft und so eine Verbindung zwischen den benachbarten Gärten geschaffen.

Das Material ist zurückhaltend gewählt. Der Kies ist multifunktional und wirkt wie eine Grundierung, die sich durch die Gestaltung zieht. Alles Gebaute, auch das Wasserbecken und der Brunnen, besteht aus Sandstein – ein Naturstein, der eine schöne Patina ansetzt. „Die größte Herausforderung war, kein Abziehbild zu bauen, sondern eine Idee von Frankreich zu kreieren, seinen Duft wachzurufen“, resümiert Soeren von Hoerschelmann. Kein Zweifel – dies ist ihm gelungen. Der Garten lässt Frankreich mit seiner gelungenen Kombination aus natürlichen Materialien, Pflanzen und reduzierten baulichen Elementen subtil anklingen. Und dennoch passt dieser Stadtgarten uneingeschränkt zum Wohnhaus und nach Norddeutschland.

LAGE DES GARTENS

Reinbek, Schleswig-Holstein

GRÖSSE DES GARTENS

640 m2

PLANUNGSBÜRO

Soeren von Hoerschelmann Garten- und Landschaftsarchitektur

AUSFÜHRUNG

Gaerten von Hoerschelmann GmbH

FOTOGRAFIE

Ferdinand Graf Luckner


„Die größte Herausforderung war, das Bild Frankreichs wachzurufen, ohne manieristisch zu werden. Der Garten soll nach Norddeutschland und zum Wohnhaus passen, aber Frankreich subtil anklingen lassen.“

 

SOEREN VON HOERSCHELMANN


PLAN

1Wohnhaus

2Wasserbecken

3Pflanzenzimmer

4Wasserbecken Burgpreppacher Sandstein

5Stahlmuschel mit weißer Glyzine

Büro Volker Püschel
Mehr als ein Garten


Im Wohngarten: Der Bodenbelag ist aus holländischem Straßenklinker – eine Reminiszenz an den Architekten des Hauses.

Es ist ein ungewöhnliches Haus mit einem Grundriss, den man erst versteht, wenn man dessen Geschichte kennt. Ebenso ungewöhnlich ist der dazugehörige Garten, der, genau genommen, aus fünf kleinen Höfen besteht, die aber mehr Lebendigkeit und Vielfalt beherbergen als so manch großer Garten. Hier leben und arbeiten die beiden Landschaftsarchitekten Volker und Helgard Püschel seit bald 50 Jahren. Gerade während der Corona-Zeit bedeutet ihnen ihr eigener Garten pure Lebensqualität.

Laudatio

Das Motto „Viele kleine Höfe ergeben auch einen ganzen Garten“ impliziert die Frage: Was macht einen „ganzen“ Garten aus? Die Schöpfer dieses Ensembles Haus und Garten haben überzeugende Antworten gefunden.

Auf einem 1000 m2 großen Grundstück finden Wohnen und Arbeiten zueinander und sind doch so voneinander separiert, dass sich die unterschiedlichen Nutzungen neben- und miteinander ergänzen. Dies gelingt durch die Struktur von Haus- und Gartengrundriss, die zusammen entwickelt zu einem schlüssigen Gesamtkonzept führt. Die „vielen kleinen Höfe“ vom Wohn-, einem Kräuter-, einem Büro- und einem Mietergarten bis zu einem Saunahof sind alle üppig bepflanzt und schaffen so beschützte eigene Räume, die sich in ihrer Nutzungsvielfalt zu einem schlüssigen „Ganzen“ fügen.

Die Fenster aus dem Obergeschoss luken zwischen Blauregen und Schlingpflanzen unter einem Rasendach hervor und verstärken so den Eindruck eines Hauses, das mit der Natur eine enge Verbindung eingegangen ist. Auch über die Giebelseiten des Hauses und das im Erdgeschoss vorspringende Dach ranken sich Pflanzen und schaffen eine enge Verbindung zu den darunterliegenden Loggien.

Der Weg zum Hauseingang ist mit Granit-Mosaiksteinen und einem Rahmen aus Betonplatten in Form einzelner „Teppich“-Abschnitte gepflastert, welche die Raumabfolge akzentuieren. Auch an dieser Seite des Hauses schaffen Pflanzen mit einem schmalen Beet an der Fassade und einer üppigen Rabatte an der Grundstücksgrenze einen als Garten gestalteten Hauszugang.

Die in den Gartenhöfen ausgelegten Klinkerbeläge fügen sich durch die kleinen Formate gut in die Dimensionen des Hauses und der Höfe mit ihrer differenzierten Gestaltung ein. Die langen Blütenstiele mit ihren gelben Tellern akzentuieren die einzelnen Gartenhöfe und weisen nach außen auf ein vielfältiges Gartenensemble hin.

Irene Burkhardt


Das ungewöhnliche Haus – eingehüllt in seinen schützenden Pflanzenmantel.

Dem Büro ist dieser Innenhof angegliedert. Links davon schließt sich der Innenhof mit dem Hochbeet an.


Im Küchen- und Saunahof lassen sich die Spatzen an der Vogelfutter-Menagerie beobachten.


Kräutergarten mit Hochbeet – die Hainbuchenhecke blieb erhalten und erinnert an die alte Gartenstruktur.


Ein einheitlich gestalteter Weg führt zu den vier Haustüren.

Neue Pflanzen kommen in Ermangelung noch freier Pflanzflächen in Tröge und Töpfe und bereichern die Hofflächen – wie hier z. B. den Werkstatthof.

Die räumliche Gliederung in fünf Höfe ist eine Besonderheit, die der außergewöhnlichen Architektur geschuldet ist. Denn das Grundstück mit seinen 1000 m2 ist mit einem Einfamilienhaus und drei Mini-Reihenhäusern bebaut. Als Familie Püschel das Grundstück erwarb, gab es dort vier Wohneinheiten mit entsprechend vielen Eingängen und dazugehörigen Gartenanteilen. „Die drei 'Reihenhäuser' konnten bald bautechnisch in Angriff genommen werden. Größte Maßnahme und somit Mehrgewinn an Wohnfläche war die einseitige Aufstockung des Giebeldaches. Daraus resultierte ein Flachdach und eine große Fensterfront an der Südseite“, berichtet Volker Püschel. Das Dach wurde zunächst mit Sedum bepflanzt, die Fassade dank vertikalem Grün mit dem Garten verbunden. „Für mich haben Pflanzen am und im Haus nur Vorteile. Schon damals Mitte der 70er-Jahre handelten wir nach dem Motto, dass das horizontale und vertikale Grün in Architektur und Stadtlandschaft ein wesentlicher Beitrag zur Umweltverbesserung ist“, betont Volker Püschel. Im Laufe der Zeit wurde aus dem Sedum auf dem Flachdach durch Sukzession eine 70 m2 große Rasenfläche. Sie funktioniert seit 35 Jahren, ist mittlerweile zu einem 20 cm dicken Pflanzenpolster angewachsen – Biomasse als perfekte Dachdämmung. Auch der Pflegeaufwand hält sich in Grenzen: 1 x im Jahr werden die Gräser geschnitten – fertig. Dem Dach schadet der Bewuchs, wie oft vermutet wird, ebenso wenig wie die vertikale Begrünung, die dafür sorgt, dass sich das Haus, insbesondere die Südseite mit der großen Fensterfront, nicht allzu sehr aufheizt. In Zeiten des Klimawandels mit heißen Sommertagen ein weiteres Plus! 25 m2 vertikale Vegetation wächst in 12 Meter langen Pflanzkästen an der Hausfassade empor und kann ohne viel Aufwand bewässert werden. Zum großen Teil stammt die Bepflanzung aus Fingerstrauch (Potentilla), Mittelmeer-Schneeball (Viburnum tinus), Essigbaum (Rhus), Heiligenkraut (Santolina) und Steinkraut (Alyssum) noch aus der Erstbepflanzung. Eine Glyzine (Wisteria) umrankt auf etwa 20 m die ganze Länge des Hauses. Ost- und Westgiebel des Langhauses sind komplett mit Efeu (Hedera helix) berankt, in den sich Wilder Wein eingeflochten hat. Der dicke Efeu-Pelz hält Sonne, Wind und Wetter ab, dämmt das Haus gegen Hitze und Kälte. Die Blüte im Spätherbst liefert eine hervorragende Honigweide, und das Astwerk mit den dichten Blättern bietet Vögeln Nistmöglichkeiten.

Ein einheitlich gestalteter Weg, über 20 m lang, führt zu den vier Haustüren. Vor jeder dieser Türen befindet sich ein Quadrat aus Betonplatten, das mit Granit-Mosaik kreisförmig ausgepflastert ist. Folgt man dem ansteigenden Weg, so gelangt man zu den fünf Höfen: Zunächst in den Küchen- und Saunahof mit Natursteintrog als Tauchbecken, den zwei besonders schöne Laubbäume, ein Eisenholzbaum (Parrotia persica) und eine Blumenesche (Fraxinus ornus) zieren. Weiter geht es zum Werkstatthof mit riesigem Sandsteinfindling und einer Sichtschutzpflanzung aus Bambus (Phyllostachys aureosulcata 'Spectabilis'). Eine Eibe (Taxus baccata) und eine Schwedische Mehlbeere (Sorbus intermedia) begleiten den Weg nun abwärts zum Wohngarten auf Eingangsniveau. Es schließen sich ein Kräutergarten mit Hochbeet und der Bürogarten an. Aus Zeiten der Reihenhausbewohner existieren noch zwei Hainbuchenhecken (Carpinus betulus), welche Wohn-, Kräuter- und Bürogarten voneinander trennen. Sie wurden bewusst nicht entfernt, um die alte Struktur des Gartens zu erhalten. „So konnten wir den Höfen unterschiedliche Themen geben“, sagt Volker Püschel. Nun spiegelt jeder Gartenraum die jeweilige Funktion des angegliederten Wohnraumes wider, die sich im Laufe der Jahre wandelte, je nach den Lebensumständen. „Es sind eigene funktionierende Höfe, klein, aber fein. Viele kleine Höfe ergeben auch einen ganzen Garten“, resümiert Volker Püschel. Im Falle dieses abwechslungsreichen Gartens trifft das ohne Einschränkung zu!

LAGE DES GARTENS

Mettmann, Nordrhein-Westfalen

GRÖSSE DES GARTENS

625 m2

PLANUNGSBÜRO

Büro Volker Püschel

AUSFÜHRUNG

Pflanzarbeiten: Volker und Helgard Püschel Pflaster -u. Wegebauarbeiten: Landschaftsbau Dieter Horstmann

FOTOGRAFIE

Sibylle Pietrek


„Schon damals handelten wir nach dem Motto, dass das horizontale und vertikale Grün in Architektur und Stadtlandschaft ein wesentlicher Beitrag zur Umweltverbesserung ist.“

HELGARD UND VOLKER PÜSCHEL


PLAN

1Wohngebäude

2Sauna

3Werkstatt

4Wohngarten

5Kräuter und Hochbeet

6Bürogarten

Lustenberger Schelling Landschaftsarchitektur
Über den Dächern der Stadt


Blick ins Grüne: Die Bepflanzung schafft eine Verbindung zum Stadtgrün.

Ein Dachgarten mitten in der Stadt ist wahrer Luxus und bedeutet pure Lebensqualität – hier oben ist man Teil des pulsierenden urbanen Lebens und gleichzeitig sehr privat im eigenen grünen Freiluftzimmer. Diese längliche Dachterrasse, eingenistet zwischen zwei Häusern, gehört zu einer Wohnung innerhalb eines historischen Gebäudes und bietet viele Vorzüge. Der Blick fällt rechts und links auf die Kronen der umliegenden Stadtbäume, über die Dächer der Stadt bis zu den bewaldeten Hügelketten am Horizont.

Laudatio

Im Verlauf der Jurysitzung stellte sich schnell heraus, dass mit diesem wunderbaren urbanen Dachgarten ein Sonderfall vorlag, dessen Erstellung fast gänzlich andere Herausforderungen mit sich brachte als die anderen Gärten. Die Gestaltung von Dachgärten als großstädtische Bauaufgabe gehört leider noch immer zu den recht vernachlässigten Bereichen. Das liegt an vielen Faktoren: an der Größe oder an ungünstig langen und schmalen Formen, die sich aus den Hausgrundflächen ergeben und denen die Dachterrassen-Besitzer meist etwas ratlos gegenüberstehen. Dazu kommen besondere statische Voraussetzungen, die einem in der Planung manchmal kleine Wunder abverlangen. So auch hier.

Durch die sinnvolle Gliederung der Dachfläche in drei Bereiche sind Räume entstanden, die durch ihre Gestaltung neugierig machen und trotz begrenzter Gegebenheiten unterschiedlichste Bedürfnisse abdecken. Das Umfeld ist hervorragend eingebunden, indem die Aussicht in die Umgebung – ein Kapital des Dachgartens – entsprechend berücksichtigt wurde. Auch die Lichtverhältnisse, die bestimmte Stimmungen erzeugen, sind überzeugend mit aufgenommen.

 

Die äußerst sorgfältige Komposition aus verschiedenen Materialien und der Bepflanzung ist kontrastreich und gleichzeitig harmonisch. Alle Aspekte sind in jeder Hinsicht optimal ausgeschöpft.

Dieser Garten ist eine grüne Oase: frisch, großzügig, individuell, zeitgemäß, lebendig und sehr stimmig in seiner Gesamtheit. Er lädt zu Aufenthalten in einer warmen entspannten Atmosphäre ein.

Claudia Feldhaus

Platz für Bäume: Japanischer Zierahorn im leichten Fieberglastopf mit Stahlbeschichtung


Dachterrasse mit abwechslungsreichem Pflanzenleben und gemütlichem Ambiente


Größte Herausforderung: Großzügigkeit schaffen und trotzdem verschiedene Aufenthaltsbereiche ermöglichen

Die Holzbänke sind mit den Gefäßen verbunden und kommen ohne Stützen aus.

Dazu kommt ein optimales Gestaltungspotenzial, denn die Terrasse bekommt genug Licht, hat nachmittags aber Schatten, sodass es nicht zu heiß wird. Abends taucht die Sonne den Dachgarten nochmals in ein warmes Rot. Hervorragende Bedingungen also, um daraus einen Lieblingsort, einen erweiterten Wohnraum unter freiem Himmel zu machen.

Was fehlte war Räumlichkeit – als Raumteiler fungierten lediglich große Pflanztöpfe, was den Dachgarten mit seinen 78 m2 unruhig wirken ließ. Die beiden Landschaftsarchitekten Jan Schelling und Robin Lustenberger standen vor der anspruchsvollen Aufgabe, Räumlichkeit zu schaffen, ohne dabei die Großzügigkeit zu vernachlässigen. Ihr Konzept sah vor, die kleine Fläche in verschiedene Nutzungsbereiche zu gliedern, Sitzgelegenheiten und Pflanzbereiche einzurichten, Blickachsen herauszuarbeiten und so für eine ruhige Atmosphäre zu sorgen. Und das unter Berücksichtigung der technischen Gegebenheiten, denn der Dachgarten ruht auf der Wohnung eine Etage tiefer. „Alles hatte so leicht wie möglich zu sein. Die gesamte Gestaltung musste den statischen Ansprüchen angepasst werden, was zu Kompromissen führte, etwa bei der Größe und Tiefe der Pflanzgefäße“, berichtet Jan Schelling.

Um bei dem knappen Raum möglichst viele Sitzgelegenheiten zu schaffen, ließen sich die beiden Landschaftsarchitekten etwas Besonderes einfallen: Hölzerne Sitzbänke, die gleich in die Pflanzgefäße integriert sind. „Sie kommen ohne Stützen aus, was ihnen eine gewisse Leichtigkeit verleiht“, sagt Jan Schelling. Die Bänke werden von den hölzernen Pflanzgefäßen eingerahmt, was sehr wohnlich wirkt. Zu dieser wohnlichen Atmosphäre trägt auch das hochwertige Holzdeck bei, das auf kleinstem Bodenaufbau entstand – übrigens eine ebenso große technische Herausforderung wie die 'schwebenden' Sitzbank-Elemente. Den Essbereich umsteht eine Pergola mit einer Horizontal-Faltstore, die vor zu viel Sonne oder Regen schützt. Sie bringt die dritte Dimension in den kleinen Raum und sorgt für räumliches Empfinden. Eine englische Kletterrose (Rosa 'Phyllis Bide') umrankt die Stützen und verbreitet ihr feines Parfum um den Sitzplatz.

Da die weiße Fassade des Nachbargebäudes sehr stark in die Wohnräume reflektierte, setzten die Gartengestalter eine immergrüne Eibenhecke mit einer abwechslungsreichen Vorpflanzung aus Gräsern und Stauden vor diese Wand. Statt auf die weiße Wand, blickt man nun von den Wohnräumen hinaus ins Grüne. „Diese Sichtbeziehungen von innen nach außen waren sehr wichtig, man spürt nun die Erweiterung des Wohnraumes“, erklärt Jan Schelling. Gleichzeitig verbindet der grüne Korridor nun die beiden Ausblicke der längsorientierten Dachterrasse. Links und rechts hat man den Weitblick; die Hecke als grüner Hintergrund definiert den Rahmen des Raumes und stellt die Verbindung zur Stadt her, die ebenfalls sehr grün ist. Abgerundet wird die Atmosphäre dieses Wohlfühlraumes auf dem Dach mit einer exquisiten Auswahl an Töpfen, bepflanzt mit Funkien (u. a. Hosta sieboldiana 'Elegans' und 'Red October') und Hortensien (u. a. Hydrangea paniculata 'Bobo'). Selbst kleinkronige Solitäre wie ein Japanischer Zierahorn (Acer japonicum 'Atropurpureum') finden im überdimensionalen, sehr leichten Fieberglastopf mit Stahlbeschichtung Platz. Die edlen Töpfe waren ebenso wie die Möblierung vorhanden und wurden perfekt in die Gestaltung integriert. Und obwohl es jetzt viele Angebote gibt, wirkt der Dachgarten keineswegs vollgestopft. „Die Gestaltung veränderte die Wahrnehmung des Raumes erheblich. Es entstanden Nischen und räumliche Unterteilungen, Pflanzflächen und Dynamik“, fasst Jan Schelling die Wirkung zusammen.