Gärten des Jahres 2021

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Kompositionen

Entsprechend dieser Fragen beginne ich die Auswahl festzulegen. Aktuell, aber auch schon die letzten vier Jahre, beschäftige ich mich mit eher mageren Standorten, im Besonderen mit Versickerungsmulden. In früheren Zeiten war das ein sicherer wechselfeuchter Standort. Mittlerweile wählen wir Arten aus, die eher mit wechseltrockenen Bedingungen leben können. Wie viel Trockenheit und Hitze vertragen die Pflanzen, wie kommen sie mit plötzlicher Überflutung zurecht?

Was wir also brauchen, sind Überlebenskünstler: Gehölze, baum- oder strauchartig, dazu Stauden und Gräser, die langlebig und/oder kurzlebig sind, sommergrün oder gerne immergrün. Des Weiteren ist über folgende Eigenschaften nachzudenken:

•Welches Wurzelsystem haben die Pflanzen,

•wie vertragen sich die einzelnen Arten untereinander,

•welchem Wurzeldruck halten sie stand,

•welchen Ausbreitungsdrang haben sie,

•wie standfest sind die Pflanzen,

•welche Strukturen ergeben das Wuchsbild,

•welche der abgeblühten Blütenstiele liefern eine Struktur für das Winterbild,

•wie gestaltet sich der Austrieb,

•wie und wann setzt die Blüte ein,

•wie und welche Früchte werden ausgebildet,

•wann kommt der Laubaustrieb,

•wie färben sich die Blätter oder färben sie sich überhaupt?

Ich trage die Pflanzen zusammen, von denen ich überzeugt bin, dass sie zusammenpassen, sich im Idealfall ergänzen. Ein weiteres, spezielles und sehr wichtiges Auswahlkriterium sind die Farben von Blüten und Blättern. In jedem Fall müssen die Pflanzen „sich mögen“. Das ist wie bei uns Menschen, wenn wir im Team zusammenspielen sollen. Wollen wir etwas erreichen, dann müssen wir zusammenspielen. Macht jeder, was er will, dann funktioniert es nicht. Egal, was wir angehen. Diese Erkenntnis ist ohne Einschränkung auf die Pflanzenwelt übertragbar.

Steht dann Sedum telephium bei Euphorbia segueriana, haben Anthemis, Sesleria heufleriana und Liatris den richtigen Abstand? Ergeben Euphorbia und Aster x frikartii ein markantes Bild von allen Seiten, und haben die Wildastern genügend Platz, sich auszubreiten? Sind die verschiedenen Gräser entsprechend ihrer Höhe positioniert und stehen die Gehölze im spannungsreichen Abstand zueinander? Kann sich die Beschattung der vorgesehenen Bäume auswirken? Stehen alle Lichthungrigen in der vollen Sonne, und ist eine Art dabei, welche die gesamte Komposition sprengen könnte? Sind die Kurzlebigen so platziert, dass sie weichen können, ohne Löcher zu hinterlassen? Ist an alles gedacht?

Diese letzte Frage kann ich eindeutig mit NEIN beantworten. Viel Wissen, viele Eindrücke, viel Wollen kann manches Mal dazu führen, dass das Transparent auf meinem Zeichentisch lange da liegt und leer bleibt. Erst das Loslassen, alles perfekt und richtig zu gestalten, lässt meine Farbstifte glühen. Erst, wenn alles aufgeschrieben ist, erscheint die Pflanzung vor meinem geistigen Auge, und dann kann ich versuchen, meine Fragen zu beantworten.

Am Ende gibt es noch eine ganz besondere Prise obendrauf, und das sind die Geophyten. Sie komplettieren das Werk. Tatsächlich wachsen selbst unter den schon genannten schwierigen Bodenbedingungen Crocus ancyrensis, kleinblumige Narzissen, diverse Allium-Sorten wie 'Globemaster', 'Purple Sensation', 'Forelock', 'Mount Everest' und Arten wie macleanii oder senescens subsp. montanum richtig gut. Sie vermehren sich wunderbar und ergänzen die mögliche Vielfalt auf extremen Standorten.

Et voilà: Fertig ist eine bienen- und insektenfreundliche Pflanzenkomposition, in der von Januar bis Dezember geblüht wird, die über das ganze Jahr in ansprechendem Zustand ist. Zumindest aus meiner Sicht. Hätte ich jetzt fertig gekocht, könnte ich guten Appetit wünschen. Habe ich eine Pflanzung fertig gestellt, kann ich sagen: Genießen Sie und haben Sie Geduld, idealerweise mit sich und den Pflanzen. Lassen Sie die Pflanzen den Lauf der Natur finden, schneiden Sie nicht gleich jeden abgeblühten Halm ab. Und vor allem: Lassen Sie das ganze Werk über den Winter gehen, haben Sie so viel Mut, sich gegen den herbstlich organisierten kommunalen Grünabtransport zu stellen. Nach dem Motto, ich bin NICHT dabei.

Pflegearbeiten

Gegossen wird direkt nach der Pflanzung. Sind die Wurzelballen nicht abgedeckt, muss nachgearbeitet werden. Keinesfalls aber darf zu tief gepflanzt werden. Das ist der sichere Tod bei den Gehölzen.

Im Pflanzjahr gibt es regelmäßige Wassergaben, damit die Wurzeln sich entwickeln können. Schon nach zwei Monaten kann man feststellen, dass die Pflanzen Wachstumszuwachs zeigen. Je nach Pflanztermin gebe ich dann nur noch Wasser, wenn es über einen längeren Zeitraum keinen natürlichen Niederschlag gibt.

Ab dem zweiten Entwicklungsjahr gieße ich Staudenpflanzungen nicht mehr, es sei denn, es sind drei Wochen knapp 40° Celsius. Bei den Großgehölzen ist etwas mehr Sorgfalt zu üben. Hier dauert es mindestens eine ganze Vegetationsperiode, bis die neue Wurzelbildung über den Ballen hinausgeht.

Rückschnitt gibt es nur einmal, und der ist im Frühjahr, Februar/März, je nach Blütezeit der eingebrachten Geophyten.

Gestäbt wird bei mir grundsätzlich nicht, Luxuskrankheiten wie Mehltau gibt es kaum zu beklagen. Bei meinen Pflanzungen ist entscheidend, wie widerstandsfähig die Auswahl der Pflanzen ist, wie hitzetolerant die einzelnen Arten sind, wenn sie zwischen befestigten Parkplätzen, Randsteinen und Betonfundamenten zu bestehen haben, wenn sie zwischen Asphalt und Fahrradweg eine Entwässerungsmulde begrünen sollen. Kaum zu glauben, oder?

Gehen wir nochmals zur Rezeptur: Wichtig ist eine vielfältige Kombination aus Gehölzen, baum- oder strauchartig und/oder Stauden und Gräsern. Die Kombination ist es, die es ausmacht und die für relativ schnellen Bodenschluss sorgt. Ich möchte nach dem ersten Jahr keinen Boden mehr sehen. Weder Erde, noch Kies, noch Schotter. Die Pflanzungen sollen nicht nur müssen, sondern können dürfen. Eine Pflanzung soll sich mit der Natur entwickeln, nicht gegen die Natur. Gelingt es, die Pflanzen zu lassen, dann helfen auch Sämlinge, den Bodenschluss schnell zu erreichen. Phlomis russeliana, das Brandkraut, ist ein solcher Vertreter und will hier unbedingt genannt sein. Lassen wir doch auch das eine oder andere Wildkraut zu. Nicht dass Sie denken, ich würde meine Pflanzungen dem Zufall überlassen. Aber ich bin großzügig, wenn es darum geht, die einzelnen Gattungen und Arten sich verweben zu lassen, damit ein Gesamtensemble entsteht. Die ausgesuchten Pflanzen sollen sich entwickeln und tun dies umso mehr, je wohler sie sich an diesem Standort fühlen.

Je besser die Pflanzung letztlich funktioniert, umso schneller und wunderbarer wachsen die verwendeten Pflanzen zu einer Gemeinschaft zusammen. Christian Kress nennt es Blackbox Gardening. Selbst Richard Hansen beschrieb diese Art der Pflanzenentwicklung bereits, wenngleich nur ansatzweise und nur in seinem Vorwort.

Neue Erfahrungen und Chancen

Manchmal passiert auch Unvorhersehbares, vergleichbar mit so manchem Kochvorgang. Hat man eine Zutat, die nicht bestellt war, die gar nicht vorgesehen war und die eigentlich auch gar nicht passt, dann aber doch Verwendung finden soll, ist man herausgefordert.

Dazu habe ich eine besondere Geschichte parat. Eine Rose 'Westerland' in Solitärqualität kam in meine Hände, nicht bestellt und schon gar nicht vorgesehen. 'Westerland' gehört nicht zu meinen Lieblingsrosen, ich könnte auch sagen, ich mag sie gar nicht. Neutral gesehen aber war das Exemplar richtig schön. Mein großes Pflanzenherz ließ es nicht zu, sie dem Komposthaufen anzuvertrauen. So kam der Gedanke auf: Zeig mal, was du kannst! Ich habe sie in meine erste Entwässerungsmulde, also in meine Versuchsmulde gepflanzt und dachte mir, wenn du da überlebst, dann darfst du bleiben und hast den schönsten Platz. Sie ist umgeben von Parkplatzreihen und einer Zufahrtsstraße zu einem Logistikzentrum, die täglich von Lkws und Pkws intensiv befahren wird. Aber dafür wird sie von jedem gesehen!

Die Rosenliebhaber unter Ihnen werden jetzt aufschreien: Gepflanzt wurde sie in eine Bodenmischung von annähernd 70 % Kalksplitt und 30 % Oberboden, auf Rigolen, ohne Lehmanteil und Dünger, nur im Pflanzjahr mit Wassergaben versorgt. Dazu kommt noch, dass sie jedes Frühjahr wie eine Polyantharose behandelt und mit den Stauden auf knapp 10 cm zurückgeschnitten wird. Sie bedankt sich seit vier Jahren mit einer überreichen Blüte, mit einem glänzenden, dunkelgrünen Blatt, ohne Laus und ohne Mehltau. Sie erreicht eine Höhe von nahezu 160 cm und ist ab September reich mit Hagebutten besetzt, die über den Winter auch noch Vogelnahrung bieten. Selbst Rosenzüchter staunen bei dieser meiner Berichterstattung, können es kaum fassen. Denn auch in deren Schaugärten erfahren die einzelnen Rosensorten viel Zuneigung, eigentlich zu viel von allem. Beinahe wie in jedem Hausgarten werden sie gehegt und gepflegt, gedüngt und mit allem Möglichen gegen saugende und beißende Insekten behandelt, gegen Pilzkrankheiten teils schon vorbeugend gespritzt. Unerfahrene Gartenbesitzer winken gerne ab, wenn es um das Thema Rosen geht. Zu viel Arbeit!! Da sind wir wieder beim Thema.

Ich möchte nicht generell dazu raten, Strauchrosen wie Polyantharosen zu behandeln und Rosen einfach ins Kiesbeet zu pflanzen. Ganz sicher werden Strauchrosen ohne diesen Radikalschnitt zu wunderschönen Gestalten. Aber auf Extremstandorten kann mit der richtigen Auswahl der Sorten gelingen, worüber man noch nicht nachgedacht hat. Die Wildformen der Rosen sind grundsätzlich anspruchslos, besiedeln zum Teil Ruderalstandorte. Warum sollen nicht zumindest die einfach blühenden Sorten anspruchslos sein können? Sie sind Dauerblüher in jeder Art von Beet, sogar mit Fruchtschmuck. Welches Gehölz kann das schon von sich behaupten.

 

Von dieser Erfahrung wiederum animiert, habe ich begonnen, Persica-Hybriden mit in diese Art Pflanzungen einzubinden. Leuchtende Farben, ungefüllte Blüten, gesundes Laub, das mich, außer zur Zeit des Austriebs, eigentlich gar nicht wirklich interessiert. Benötige ich doch nur die Blüten zu meinen Stauden, zu den Gräsern, die zum Teil schon blühen, wenn die Rosenblüte einsetzt. Finde ich dann noch Sorten, die das Beet mit leuchtender Herbstfärbung, Blüten und Hagebutten gleichzeitig aufpeppen, dann sehe ich mich von Mutter Natur für meine Ideen belohnt.

An dieser Stelle noch eine amüsante Geschichte. Nicht immer klappt alles! Zum Beispiel meine besondere Erfahrung mit Amorpha canescens, Bleibusch oder auch Bastardindigo genannt. In verschiedenen Pflanzungen habe ich ihn wahrgenommen, üppig gewachsen, spät blühend, mit goldgelber Herbstfärbung. Also mit allen Eigenschaften einer Pflanze, die exzellent in mein schon bewährtes Pflanzengefüge passt. Leider ist die Art im Topf völlig unterrepräsentiert, meist ziemlich klein und unscheinbar beim Kauf. Die kleinen Fiederblätter ähneln sehr dem Blatt der Robinie. Diese Eigenschaft hatte leider zur Folge, dass ich über drei Jahre keine Amorpha im Beet hatte. Zwar wurde sie jedes Jahr neu gepflanzt, aber auch jedes Jahr herausgepflegt. Nun zum vierten Mal gepflanzt – die Hoffnung stirbt zuletzt!

In jedem Fall wünsche ich mir, viele andere Seelen mit meinem Schaffen zu berühren und zur Nachahmung anzuregen. Und ich mache dabei keine Diskussion auf, hinsichtlich heimisch oder nicht heimisch. Der Begriff darf sowieso nicht mehr verwendet werden, weil er politisch ist. Wenn dann einheimisch, also indigen. Naturgärtner verwenden indigene, aber auch archäo- und neophytische Arten. Aber nur, wenn sie nicht invasiv sind. Ein spannendes Thema. Den Insekten jedenfalls ist es egal, woher sie ihren Nahrungsbedarf decken. Hauptsache, das Angebot ist üppig über das ganze Jahr verteilt. Einheimisch oder fremd spielt dabei eine untergeordnete Rolle.

Verehrte Garten- und Pflanzenliebhaber, jetzt sind Sie an der Reihe: Haben Sie Freude bei der Umsetzung von gewöhnlichen und außergewöhnlichen Pflanzenkombinationen, seien Sie mutig! Mutig im Zusammenspiel der Pflanzen, mutig im Ausprobieren. Nehmen Sie in Kauf, dass nicht jede Pflanze will wie Sie. Zudem wird die Veränderung der klimatischen Verhältnisse die Verwendung von Pflanzen nachhaltig beeinflussen und dabei auch die Chance für neue Kompositionen ermöglichen. Die Suche gilt denen, die an dem von uns gewählten Ort und Umständen können und wollen. Dann gelingt Garten von ganz alleine. Das Schönste wäre, wenn meine Pflanzungen die Leser motivieren könnten, sich auf den Weg zu machen.

Hanne Roth

1. Preis Anerkennungen


Petra Pelz und Peter Berg
1. PREIS
Ein Teil der Pflanzenwelt


Geborgen wie in einem Nest fühlt man sich im von Stauden und Gräsern umgebenen Holzhaus.

Man kann den Auftraggebern nur dazu gratulieren, dass sie sich für diese naturnahe Gestaltung entschieden haben, die einen lebendigen Garten entstehen ließ, der diesen Namen auch verdient. Stauden, Gräser, Gehölze und Natursteine harmonieren mit dem ungewöhnlichen eingeschossigen Holzhaus, betten es in den Hanggarten und lassen es eins werden mit dem nahen Wald.

Laudatio

Ein Vorzeigeprojekt für Biodiversität und Nachhaltigkeit in unserer Branche. Pflanz- und Pflanzenexpertin Petra Pelz und die Gartendesign-Firma GartenLandschaft Berg & Co. haben gemeinsam eindrucksvoll den naturnahen Garten als landschaftsarchitektonisches und -gärtnerisches Gesamtkonzept umgesetzt: eine einstimmige Wahl der Jury.

Auf 1.900 begrünten Quadratmetern wirkt alles naturnah, und doch wurde nichts dem Zufall überlassen: Hier haben die Experten einen Rückzugsort für die Bewohner des Holz-Bungalows geschaffen, in dem sie sich erholen und Natur als Teil ihres Zuhauses erleben können. Verschiedene Bäume und Gehölze fassen den Garten schützend ein und spenden an heißen Tagen Schatten. Die Baumaterialien stammen aus der Region.

Der Garten ist eine wahr gewordene Vision: Sie zeigt eindrucksvoll, was die naturnahe Garten- und Landschaftsgestaltung heute schon für den Natur- und Artenschutz leisten kann. Hier wurde konsequent alles bepflanzt, inklusive der Dächer, die sogar begehbar sind und sich so harmonisch als zusätzlicher Lebensraum für Tiere, Pflanzen und Menschen in die Gartenlandschaft einfügen.

Aus dem Panoramafenster des glänzenden Baumhaus-Kubus erblickt man den gesamten Naturgarten. Durch bodentiefe Fenster, Glastüren und einen ebenerdigen Zugang gehen Wohnraum und Garten des Bungalows eine nahtlose Verbindung ein. Ein durchdachter Mix aus verschiedenen Pflanzenarten und -bereichen sorgt übers Jahr dafür, dass Insekten und andere Tiere möglichst lange Nahrung finden. Hier wirken ästhetisches Verständnis, Handwerkskunst, jahrzehntelange Erfahrung und ausgewiesene Pflanzen- und Pflanzexpertise mit Kreativität und einem visionären Blick auf das Thema Landschafts- und Gartengestaltung zusammen – und schaffen ein naturnahes Refugium für Menschen, Flora und Fauna.

Paul Saum


Weite Blicke: Vom Baumhaus kann man bis Hannover sehen. Die ungewöhnliche Stahlkonstruktion steht auf eigenen Füßen und beeinträchtigt die benachbarte Eiche nicht.


Wunderbare Welt der Stauden: Kerzen-Knöterich 'Blackfield' (Polygonum amplexicaule) mit kräftig dunkelroten Blütenähren, dazu filigrane Gräser und das zarte Violett der Großblütigen Schönaster (Kalimeris incisa 'Madiva').

Terrassen im klassischen Stil gibt es nicht – die Flächen sind mit trittfesten Bodendeckern oder Stauden bepflanzt.


Das Haus wird zu einem Teil der Pflanzenwelt.


Eine Felsentreppe führt durch die Stauden- und Gräserpflanzung hinauf zum Baumhaus am Waldrand.

Alles ist bepflanzt, sogar das Dach des eingeschossigen Holzhauses.

Pflanzen dürfen nicht nur bis an die bodentiefen Fenster des Hauses wachsen, sie dürfen das komplette Flachdach besiedeln und das Gebäude zu einem Teil der Pflanzenwelt machen. Terrassen im klassischen Stil gibt es nicht, sondern teppichartige Flächen mit trittfesten Bodendeckern und Stauden wie Fiederpolster (Cotula im Halbschatten) und Thymian (Thymus in der Sonne). So liegt das Haus, als Teil der Natur völlig von Pflanzen umgeben, geschützt in seiner Mulde.

Im Haus blickt man von allen Seiten in die von Stauden und Gräsern belebte Felsenlandschaft. Auf dem Flachdach siedeln Sedum-Arten (Sedum telephium, Sedum spectabile), Gräser und kleine Nelken. Über einen Rundweg aus großen Grauwacke-Blöcken gelangt man vom unteren Teil des Grundstückes durch den Garten auf das Dach. „Da das Dach des Wohnhauses von hinten begehbar ist, nimmt der Besucher im ersten Moment nicht wahr, dass er sich über das Haus bewegt“, erklärt Peter Berg. Der Gartendesigner, bekannt für die Gestaltung von Hanggärten mit Natursteinen, arbeitete bei diesem ungewöhnlichen Projekt mit der Landschaftsarchitektin Petra Pelz zusammen. Die Zusammenarbeit mit der Expertin für Pflanzenkonzepte zahlte sich aus, denn kaum jemand versteht es besser, Stauden und Gräser so harmonisch miteinander zu kombinieren, dass solch naturnahe Pflanzenbilder entstehen.

Da der Garten auf einer Seite ein Niveauunterschied von vier Metern aufweist, musste der steile Hang abgefangen werden. Peter Berg modellierte mit seinem Team das Gelände, entwickelte eine Höhenstaffelung und befestigte den Hang mit Quadern, Brocken und Blöcken aus gelblich-warmer Grauwacke. Diese Gestaltung gefiel den Bauherren so gut, dass die Steinstruktur auf den ganzen Garten ausgedehnt wurde. So entstand ein wunderbares Zusammenspiel zwischen Stein und Pflanze. „Ich pflanze gerne in höheren Gruppen, immer sehr üppig. Die Wirkung der Steine durfte dabei aber nicht verloren gehen, daher ist die Pflanzung in der Mitte flacher und nur an den Rändern höher. Mittels Drohne konnten wir die Lage und Form der Steine so ermitteln, das wir zu einem exakten Pflanzplan kamen“, berichtet Petra Pelz. Dort, wo die Felsentreppe durch die Stauden- und Gräserpflanzung zum Baumhaus am Waldrand hinaufführt, pflanzte sie vor allem Blaugras (Sesleria autumnalis), mischte kleine Staudengrüppchen (u. a. Salvia nemorosa 'Serenade', 'Mainacht') darunter und verwob sie miteinander. Schönaster (Kalimeris incisa) und Blaue Färberhülse (Baptisia australis) sind ein Leitmotiv in der Pflanzung – Arten, die farblich harmonieren, langlebig sind und dauerhaft schön aussehen. Petra Pelz pflanzt sie immer in Gruppen, damit sie zusammenwachsen und den Boden bedecken.

Endpunkt der Felsentreppe bildet ein ungewöhnliches Baumhaus am Waldrand zwischen alten Eichen, von dem man einen weiten Blick in die Landschaft und bis nach Hannover hat. Es ist eine verspiegelte Stahlkonstruktion, die ebenso wie das Holzhaus vom Baumhaus-Experten Andreas Wenning stammt. In der Fassade spiegelt sich die naturnahe Gartenlandschaft aus Felsen, Gräsern und Stauden. Nichts stört dieses Bild vollkommener Harmonie zwischen Haus, Garten und Umgebung. Da ist es nur folgerichtig, dass ausschließlich natürliche Materialien wie Holz, Stein und Pflanzen verwendet wurden – bis auf die Fahrspuren an der Zufahrt wurde komplett auf Beton verzichtet. Dass das Thema Nachhaltigkeit auch für die Gestaltung ein absolutes Plus bedeutet, zeigt dieser Garten in vorbildhafter Weise.

LAGE DES GARTENS

in der Nähe von Hannover, Niedersachsen

GRÖSSE DES GARTENS

1900 m2