In der Struth Band 3

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Dienstag hat inzwischen den Pferden im Stall bisschen Heu nachgelegt und frischem Wasser nach gefüllt. Dann fragte ich ihn mit allen Mitteln, die mir zur Verfügung standen, wann wir Matula beerdigen wollen und wann verarbeiten wir das im Werkraum hängende Fleisch. Ich meinte, was seine Matula anbelangt, wir sollen sie nach dem Frühstück versuchen zu beerdigen, soweit der Boden noch nicht zugefroren ist, und dann am Nachmittag zunächst die Vorderkeulen grillen. Nach dem Frühstück ging ich bewaffnet mit einem Pickel und einem Spaten zu Dienstag, um einen Platz für Matulas Grab zu finden. Ich begann danach bald mit dem Ausschachten. Zum Glück war der Boden unter dem Schnee noch nicht sehr tief gefroren und so hatte ich, als Dienstag kam, schon das Grab gut einen Meter tief ausgehoben. Ich ging dann, um Didilind und Luzia zur kleinen Beisetzungsfeier zu holen und gingen zusammen zu Dienstag ins Haus. Die zwei Weiblein standen gebeugt über der toten Matula und weinten herzerbrechend, was ich vollauf verstehen konnte, denn man hat nun mal nur eine Mutter, und die zu verlieren ist keine halbe Sache! Ich machte mit meiner rechten flachen Hand ein großes Kreuzzeichen über sie, wickelten sie in den Bettlaken auf dem sie schlief und trugen sie hinaus. Beim Hinaustragen bestand Dienstag darauf, dass er die vordere Hälfte seiner Mutter auf seinen Schultern trägt und ich die hintere Hälfte. Wie er mir später sagte, ist die obere Hälfte die wertvollere Hälfte, nämlich die Hälfte mit dem Kopf und dem Herz. Als wir am offenen Grabe ankamen, haben wir sie noch einmal auf die Erde gelegt, den Kopf freigelegt und ihre beiden Kinder aber auch ihre Schwiegertochter konnten noch einmal sich schmerzvoll von ihr auf nimmer Wiedersehen hier auf Erden verabschieden, was verständlich sehr lange gedauert hat. Der Bettlaken um ihren Kopf herum war von ihren Tränen schon steif gefroren. Ich versuchte einen nach dem andern wieder aufzurichten und deckte, so gut es noch ging, ihren Kopf zu. Didilind packte sie unter die Füße und ich unter ihre Schultern und ganz sachte ließen wir sie in das Grab fallen. Dann bekannten wir für sie unseren Glauben, sprachen für sie das Gebet, das uns der Herr zu beten gelehrt hat. Ich bat dann noch unsern Chef da oben, dass er ihrer armen Seele, die heute Nacht zu ihm zurückgekehrt ist, ein gnädiger Richter sein wolle, denn sie hat ja so gelebt, wie sie es von klein auf vorgelebt bekam und noch nichts von dir und deinem Sohn gehört hat. Lass sie bei dir mit ihren beiden mir bekannten Angehörigen, die auch ich auf eine unliebsame Art habe kennen lernen dürfen, die ewige Freude, den ewigen Frieden bei dir in alle Ewigkeit feiern Amen. Dann machten wir alle gemeinsam über dem offenen Grab das Kreuzzeichen und sprachen dabei die Worte: „Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes Amen.“ Noch ein kurzer Wiedersehensblick ins noch offene Grab und dann begannen wir, so schwer es uns fiel, das Grab wieder zuzuschütten. Schweigend gingen wir zu unseren Hütten. Ich stellte Picke und Spaten wieder in den Werkraum und brachte einen vollen Arm abgelagerte Holzscheite mit in die Küche, denn heute Nachmittag wird wieder viel Holz zum Grillen benötigt. In der Küche habe ich Didilind gefragt, ob sie etwas von den Gerids und den Dennis Leuten während der Beerdigung mit bekommen hat, was sie vernein-te. „Sollten sie diese Vormittagseinlage wirklich verschlafen haben? Oder sind sie wegen der nicht angekündigten Schlittentour so eingeschnappt, dass wir ihrer nicht würdig sind. Machen wir erst mal die Mittagpause. Nach dem Mittagessen sieht die Welt mit einem vollen Magen wieder ganz anders aus. Am andern Ende unseres Holzstadels habe ich einen stabilen Holzschlitten zum Transport von Holz aus dem Wald entdeckt, der von Menschen leer im flachen Land gezogen wurde; beladen mit Holz bergab fuhr er alleine, und von einem Waldarbeiter gesteuert wurde. Nach dem Essen kam Dienstag zu mir und ich zeigte ihm den Schlitten. Gemeinsam haben wir ihn ins Freie gebracht, sauber gemacht und vor den Werkraum gefahren, direkt unter den oben baumelnden Ur. Dann breiteten wir ein Leinentuch unterm Ur auf dem Schlitten aus und trennten die Vorderhälfte von der Hinterhälfte ab, spaltete sie in zwei gleichgroße Teile und luden sie auf den Schlitten.. Eine Hälfte fuhren wir zu uns und legten sie Didilind auf den Küchentisch. Ich fragte Didilind, ob sie eventuell, falls die beiden da drüben mit dem grillgerechten Zerlegen und dem Salzen der Keule nicht klar kommen, helfen würdest, was sie bejahte. Wir fuhren mit der zweiten Keule zu Dienstag, die mir zu verstehen gaben, dass sie zu dritt sicher mit dem Zerlegen der Keule in grillgerechte Portionen, dem Einsalzen der Stücke und das Aufspießen auf dem Grillspieß zurecht kommen werden. „Falls Hilfe gebraucht wird, kommen wir fragen!“ Den Schlitten habe ich vorerst vor dem durchgekühlten Werkraum abgestellt, und ihn dann abgeschlossen. Didilind wartetet auf mich, denn sie war schon mit Luzia beim Aufspießen der nicht zu klein geratenen und gesalzenen Fleischbrocken auf den Grillspieß, was für Luzia langsam zu schwer wurde. Mit vereinten Kräften haben wir den Grillspieß überm Feuer in die Halterung verfrachtet und das Drehen konnte langsam beginnen. Da die Stücke nicht zu klein waren, und der Ur nicht mehr zu den Jüngsten gehörte, habe ich schon mal drei Stunden für die erste Grillportion eingeplant. Die erste Stunde habe ich gedreht. Dann durfte ich für etwa eine halbe Stunde hinaus zu den Pferden, die ich alle hinaus in den Schnee ließ. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Thor hier draußen etwas nicht gefiel, denn er durchfuhr mit erhobenen Nüstern die Luft, als wollte er etwas sichern. Ich eilte schnell in unsere Hütte, nahm Bogen und Köcher und eilte wieder nach draußen. Da sah ich auch schon die Ursache, warum Thor eben noch in der Luft herumschnupperte: Wölfe kamen aus dem Wald, direkt neben Matulas Grab auf uns zu. Ich rief Didilind, dass auch sie mit ihrem Bogen und dem Köcher kommen möge. Ich schickte sie vor die Pferdestalltür, um notfalls im Stall verschwinden zu können und sagte ihr noch: „Immer auf den Brustkorb zielen!“ Weiter kam ich nicht, denn der erste war schon in meinem Schussbereich, der getroffen sich regelrecht in der Luft überschlug. Aber auch Didilind hat dem ihr am nächsten das Lebenslicht ausgeblasen. Didilind hat noch dreien das Lebenslicht ausgepustet und ich noch zweien. Nachdem sieben da blutend im Schnee lagen, haben die vier anderen die weitere Jagd nach den Pferden aufgegeben und räumten kampflos das Feld. Unsern Pferden, den großen wie den kleinen ist, nach diesem Wolfsabenteuer die Lust zum weiteren Herumtollen draußen im Schnee vergangen. Im Gänsemarsch marschierten sie in den Stall und ich machte die Tür zum Stall wieder zu. Dann zog ich die Wölfe einen nach dem andern in Richtung Wagenremise, denn die Wölfe müssen noch heute nackig ausgezogen werden. Die sieben Winterfelle, die bisher nur ein Einschussloch aufweisen, sind an und für sich sehr wertvoll. Und die nackten Kadaver wiederum stillen den Hunger der eigenen, davongelaufenen Rasse. Aber zunächst erst mal in die Küche, denn da werde ich bestimmt einen müde gewordenen Dreher abwechseln müssen. So war es auch. Beim Drehen konnte ich durch das kleine Küchenfenster sehen was sich da draußen auf der Lichtung abspielt. Da ritten doch zwei Männer hoch zu Ross in voller Kriegsmontur in Richtung Wald. Auweh, das sind ja Dennis und Gerid! Da wünsch ich euch schon mal Weid-manns Heil im Wald. Es war schon fast dunkel, als die beiden wieder zurückkamen und in ihrem Schlepptau einen recht kapitalen Hirsch hatten. Recht großspurig klopften sie an unsere Tür und fragten mich, ob ich nicht für das Geweih ihnen den Hirsch abziehen möchte. Ich bedankte mich auch sehr großzügig für das Angebot und sagte ihnen, dass ich noch sieben ausgewachsene Wölfe Abziehen muss. „Ich bin bis morgen Abend voll ausgelastet und außerdem haben wir noch eine Hinterhälfte des Ur zum Grillen.“ „Deshalb riecht es schon heute so gut bei euch“, sagte Gerid. Und ich sagte ihm: „Was ihr hier glaubt, was da so gut riecht, ist das Vorderviertel, das gerade jetzt gegrillt wird“, sagte ich ihm. „Ansonsten bin ich immer gern bereit, den Armen und Hilfsbedürftigen zu helfen. Aber das werdet ihr ja verstehen, dass die eigene Arbeit Vorfahrt hat, zumal der Ur ja heute schon den zweiten Tag auf unserm Flaschenzug hängt. Ansonsten einen schönen Abend beiderseits und viele ganz liebe Grüße an die Gemahllinnen, die sich doch bitteschön nicht die Finger schmutzig machen werden,“ sagte ich, mit der rechten Hand ihnen noch zuwinkend und verschloss die Haustür. Hier half ich Didilind beim herausnehmen der Grillstange, denn das Fleisch darauf war fertig. Die nächste Grillstange war sehr schnell wieder bestückt und lag wieder in den Halterungen über dem Feuer. Ich spielte den ersten langen Dreher. Dann hat Luzia das Amt des Drehers übernommen und Didilind spielte den dritten Dreher. Während die beiden Mädchen die bespickte Grillstange drehten, habe ich drei Wölfe mit Hilfe unseres Handkrans am Wagen nackig ausgezogen. Die nassen Felle zum Trocknen über die Wagendeichsel gehängt und die drei nackten Tiere den Wölfen zum Fraß auf das andere Ende der Lichtung gefahren. Ich löste Didilind beim Spießdrehen ab und sie zerlegte das restliche Fleisch und meinte, dass wir das restliche Fleisch heute nicht mehr grillen müssen, das wird ganz einfach kühl gelagert und dann roh verkocht. „Das heißt Didilind, dass ich bald wieder hinausgehen kann und die Wölfe weiter zur Nachtruhe ausziehen kann“, sagte ich scherzend zu ihr. Und sie meinte: „Wenn du noch zehn Minuten fleißig drehst, kannst du deine Wölfe weiter ihrer kostbaren Bekleidung berauben!“ Ich glaube es hat keine zehn Minuten gedauert und ich war wieder bei meinen schon kalten Wölfen. Den letzten Wolf habe ich blindlings im Dunkeln abgezogen. Alle vier nackten Wölfe habe ich zu den andern drei gefahren, musste aber feststellen, dass nur zwei nackte Wölfe noch da lagen; den dritten haben sie wahrscheinlich schon in den Wald gezerrt, wo es zum Fressen sicher sicherer und viel ruhiger war als hier.

 

Dann ging ich mit einem ordentlichen Fuder Heu zu den Pferden, brachte im Eimer für jedes zwei gute Hände Hafer, den ich in die untere Futterkrippe schüttete, füllte das Wasser in den Eimern auf und verpasste allen großen und kleinen Vierbeinern die allabendlichen Streichel-, Tätschel- und Krauleinheiten. Die Fohlen hatten es besonders gern, wenn ich sie hinter den Ohren kraulte, auch das letztgeborene, das erst ein paar Tage alt ist und schon so drollig ist. Ein leichter Klaps auf die Hinterkeule besiegelte dann den heutigen Tag.

Als der Pferdestall von außen wieder dicht war, habe ich mit dienstags Hilfe den Wagen mit den sieben halbtrocknen Wolfsfellen in die Remise gestoßen, sie abgeschlossen und ich ging in die Küche. Hier spielte ich den Dreher in der letzten Phase, denn in gut zehn Minuten war die zweite Portion fertig gegrillt und Didilind hat einen dreiviertel vollen Dreifußkochtopf voll mit fleischigen Rückenknochen zugesetzt. Ich kann es jetzt schon verraten, dass das, was da bald anfing zu kochen, das hat nicht nur eine gute, sondern auch kräftige Suppe gegeben, die nicht nur wieder nach noch roch, sondern auch nach mehr schmeckte, die es zum Abendessen gab. Ich ging dann nochmals zum Holzstadel und brachte einen Arm voll Holz in die Küche. Beim Abendessen habe ich Didilind gefragt, ob sie hier auch schon einen Keller entdeckt hat, der vielleicht mit anderen köstlichen Raritäten gefüllt ist? Sie verneinte meine Frage und meinte, dass sie schon alle Fußböden reihum abgetastet und abgeklopft har, aber nirgends einen Hohlraum oder einen Kellereinstieg entdeck hat. „Vielleicht gibt es so etwas Kellerähnliches in den Neben- gebäuden! Wenn wir morgen mit dem Grillen der zweiten Hälfte fertig sind, können wir mit vereinten Kräften die andern Nebengebäude absuchen. Heute Abend waren wir sehr früh im Bett, denn die letzte Nacht war nicht nur sehr kurz und unruhig, aber auch der heutige Tag war mehr als nur sehr anstrengend. Heute Abend im Bett hatte ich meinem Chef viel zu berichten, angefangen mit der Beerdigung der Matula, das Abenteuer mit den hungrigen Wölfen und dem Grillen. Ich bat ihn wieder, dass er der Matula helfen wolle, dass sie drüben ihren Mann und ihren Sohn wiederfinden darf und dass sie da bei dir ihren waren Frieden zu dritt finden dürfen, den es nur bei dir gibt, sonst nirgends; wenn auch nicht in deiner unmittelbarer Nachbarschaft, so doch in deinem Paradiese. Ich musste auch bald eingeschlafen sein und wurde von Didilind sachte geweckt, die da meinte, ob ich überhaupt aufstehen wolle, Dennis war schon bei uns hat mich gefragt wo wir den Hirsch versteckt haben, den sie gestern heimgebracht haben. So schnell wie heute war ich noch nie einsatzbereit und draußen auf dem Hof. Und da sah ich wie Denis um unsere Nebengebäude herum schlich und am liebsten durch die Mauern gekrochen wäre, um auch die Innenräume zu inspizieren. Ich rief ihn von hinten an und fragte: „Wenn du unbedingt unsere Behausungen kontrollieren willst, oder wie wir wohnen, müsstest du uns nicht eines plumpen Diebstahls bezichtigen. Wenn ihr einmal am Abend vorbeigekommen wärt, hätten wir uns bestimmt nicht verschlossen, aber auf solch eine, solch böswillige Art, da darfst du höchstens durch die Schlüssellöcher schauen! Ich habe es noch nicht nötig mich mit solch kleinem Viehzeug zu bereichern. Ich gebe mich an und für sich mit größeren Kalibern ab und wie groß sie sind, das werde ich dir schon zeigen und danach mach dich mal auf die Suche, wo du deinen Hirsch in Wahrheit hingehangen hast! „Apropos hingehangen, wohin hast du denn den Hirsch überhaupt hingehangen?“ Und er sagte, dass er ihn im Holzstadel an den Querbalken gehängt hat, dass er bis heute richtig auskühlen kann! „Und da haben ihn dir die andern Vierbeiner geholt. Weit konnten sie mit ihm nicht gekommen sein. Sicher bis an ein ruhiges Plätzchen, wo sie ihn ungestört vernaschen konnten. Soviel Dummheit hätte ich dir nicht zugetraut,“ sagte ich ihm. „Und was hättest du an meiner Stelle gemacht?“ „Ich hätte Didilind gerufen und zusammen hätten wir ihn, den kleinen Mann ausgezogen und ausgenommen und zum Auskühlen hinter eine verschlossene Tür gehängt, wo er auch noch jetzt hängen würde. Und jetzt will ich dir mal zeigen, wie so etwas in der Praxis aussieht!“ Ich nahm den Schlüssel aus meiner Hosentasche, schloss den Werkraum auf und da hing am Flaschenzug unter der Decke, gut ausgekühlt, die hintere Hälfte eines knackigen, ausgewachsenen Ur. Da zeigte ich auf das Fleisch und sagte zu ihm: „Und da sollte ich mich an deinem kleinen Hirsch bereichern, wofür hältst du mich, ich dachte du würdest mich doch bisschen besser kennen! Ein guter Rat, setze dich auf dein Pferd und reite den Spuren im Schnee nach, vielleicht findest du noch das Geweih im Schnee, wenn du dich beeilst! Reite aber nicht ohne deine Waffen!“ Ein kurzer Blick auf die andere Seite der Lichtung sagte mir, dass die sechs Wolfskadaver auch nicht mehr da liegen. Offensichtlich haben die Raubtiere heute Nacht ganze Arbeit geleistet! Doch ich ging zu der Stelle, an der Denis seinen Hirsch gestern aufgehängt hat. „Komisch“, dachte ich, „ist Denis schon blind? Hat er nicht die vielen Spuren im Schnee gesehen? Spuren, die nicht nur von Menschen herrühren, Denis und Gerid, sondern viele Spuren von größeren und kleineren Tieren, die da glaubten, sich die Beute mit den Jägern zu ihren Gunsten teilen zu können. Doch dann musste ein größeres Tier den Hirsch vom Querbalken gerissen und ihn durch den Schnee weggezogen haben. Aber wohin? Dennis, viel Spaß bei der Suche.“ Wie es so aussieht, schützt Alter doch nicht vor Torheit! Ich machte mich wieder auf den Weg zurück zu unserer Hütte, wo Didilind schon mit einem warmen Frühstück auf uns wartete, das wieder prima schmeckte und uns satt machte. Dann holte ich Dienstag und zusammen spalteten wir die Hinterhälfte des Ur am Flaschenzug. Dienstag wählte die rechte und ich die linke Hälfte. Doch bevor wir das Fleisch vom Haken nahmen holte ich den kleinen Holztransportschlitten. Der passte auch heute wieder durch die Tür in den Werkraum und stellten ihn direkt unter das Fleisch, legten wieder ein weißes Leinentuch auf den Schlitten ließen es herab, hängten es aus dem Flaschenzug und zogen den beladenen Schlitten hinaus in den Schnee. Das erste Hinterviertel brachten wir zu uns in die Küche und legten es wieder auf den Küchentisch. Die zweite Hälfte brachten wir zu Dienstag und legten es da auf den Küchentisch. Ich wünschte allen drein viel Spaß und verschwand mit dem Schlitten wieder hinten im Holzstadel, wo ich ihn aufrecht an die Wand stellte, einen Arm voll Holzscheite in die Küche brachte und dann zu den Pferden im Stall verschwand, um sie erstmals wieder ins Freie zu lassen und ihnen ihr Frühstück zu verabreichen, dass morgens aus frischem Heu und frischem Wasser bestand. Überm Pferdestall war nicht nur Stroh aber auch Heu gelagert, das ich durch eine Deckenluke hinabwerfen konnte. Mit dem Stroh wurde frisch eingestreut und das Heu kam in die obere Futterleiter. Heute Morgen wurden auch die Wassereimer ausgewaschen und mit neuem Wasser gefüllt an die Rückwand gestellt. Als ich die Stalltür öffnete waren alle Pferde vor der Tür versammelt und wollten wieder in den warmen Stall, in dem der Tisch wieder reichlich frisch gedeckt war. Vorsichtshalber habe ich den Stall wieder abgeschlossen, denn sicher ist nun mal sicher, denn die Raubtiere haben uns sicher schon, bevor wir sie sehen, uns gesehen und ging in die Küche, um Didilind beim Grillen behilflich zu sein. Den weiteren Grillvorgang brauch ich hier nicht weiter zu beschreiben, er fand wie immer statt. Am Abend war das Hinterviertel weggegrillt und in der Fleischkiste verstaut, die in der kalten Ecke in der Küche stand. Beim Abendessen habe ich Didilind daran erinnert, dass morgen wieder ein Sonnabend ist und im Flecken uns gegenüber ist ein Wochenmarkt. „Wenn du etwas für die Küche oder sonst wie brauchst, macht ihr vier Mädchen einen Ausflug dahin. Wir zwei Mannsbilder halten daheim die Stellung und warten sehnsuchtsvoll auf eure Rückkehr. Didilind meinte, dass sie erst mal ihre Vorräte kontrollieren müsste, was sie noch alles hat, denn am Sonnabend in der nächsten Woche sind wir auch noch hier und Schnee zum Schlittenfahren wird es auch noch sicher geben. Nachdem das ganze Werkzeug, dass wir heute zum Grillen und zum Abendessen benutzt haben wieder sauber in der Geschirrkiste verstaut war, hat Didilind ihre Vorräte nachgeschaut und sagte: „Bis auf die Butter und die Eier ist alles noch genug da. Eier und Butter, da könnte es knapp werden. Und Brot müssten wir auch am Montag wieder backen, für das Frühstück am Montag würde es noch reichen.“ „Also lassen wir den Sonnabend mal Sonnabend sein und freuen wir uns auf den Sonnabend in der kommenden Woche. Am Sonntagabend machen wir erstmals wieder den kleinen Sauerteig und am Montag früh dann den Brotteig und Feuer im Backofen. Wie du siehst, liebe Didilind, sind der Sonntagabend und der Montagvormittag schon verplant! Und ich mach morgen schon alles zurecht, um Feuer im Backofen machen zu können.“ Didilind war mit meinem Vorschlag einverstanden, und da weiter nichts anstand, schlug ich vor, dass wir in die Heiaheia gehen, und hoffen, dass es morgen wieder ein angenehmer Tag für uns alle wird. Gesagt, getan, schneller als wir dachten waren wir wieder auf der warmen Strohunterlage, erzählten unserm Chef alles was sich heute bei uns ereignet hat, dankten ihm für alles, baten ihn um seinen Schutz für uns und für alle, die uns nahe stehen und sind bald eingeschlafen. Wie lange ich geschlafen habe weiß ich nicht? Ein sehr lauter Donner hat uns alle geweckt. Durch das kleine Fenster konnten wir sehen wie die Blitze, grelle und blasse, bläuliche und rötliche, begleitet von lautem Donner uns immer wieder erschreckten und dazu das monotone Prasseln des Hagels, mal lauter und mal leiser, mal heftiger und mal weniger heftig auf unserm Dach aufschlugen. Luzia krabbelte zu Didilind ins Bett und schmiegte sich ganz fest an sie, wie eben ein Kind sich an ihre Mutter schutzsuchend an sie schmiegen kann. So ein Naturschauspiel habe ich heute und zu dieser Jahreszeit überhaupt das erstemal in meinem Leben erlebt, so ein Gewitter mit viel Hagel und Sturm, quasi mitten im weißen Winter, was das wieder zu bedeuten hat, was das uns wohl wieder bringen wird, dieses Unwetter? Ich musste da unwillkürlich an die Rauchgucker in unserm Ort Odens denken, die aus dem Rauch des Sonnenwendfeuers den Verlauf des nächsten Jahres herauslasen. Sicher hätten sie auch dieses Unwetter zu dieser Jahreszeit deuten können, was da wieder auf uns zukommen mag!

Dienstags Frauen, was nun

Irgendwann sind wir wieder fest eingeschlafen und jemand klopfte an unsere Tür. Durch das kleine Fenster konnten wir sehen, dass es schon dämmerte. Ich ging mit meinem Kurzschwert an die Tür und sah, dass Dienstag draußen stand und gar keinen glücklichen Eindruck machte. Ich ließ ihn in die Küche und da stammelte er immer wieder: „Seine Golombka und die Kotschka, seine Lebensgefährtin und seine kleine Schwester. Wir zogen uns warm an und gingen mit ihm in seine Behausung. Und da zeigte er uns immer wieder, wenn ich seine Handbewegungen richtig deute, waren es die vielen Blitze, die sie die Tür aufmachen ließen und beide nach draußen entschwanden und bis jetzt nicht zurückkamen. Ich ging hinaus, um eventuelle Spuren im Schnee zu finden. Da war nicht mehr viel zu finden, denn der Hagel hat eine starke Eisschicht über den Schnee gelegt und darunter so ziemlich alles, was uns eventuell zur Aufklärung hätte helfen können unkenntlich verwischt. Unwillkürlich schaute ich zum grauen Himmelszelt und sagte recht laut zu meinem Chef da droben: „Wenn uns einer jetzt noch helfen kann, dann bist du es allein.“ Und da sagte mir meine innere Stimme, die Stimme des Himmels: „Geh mal in den Pferdestall zu deinen Pferden!“ So schnell ich auf dem eisglatten Boden gehen konnte eilte ich zum Pferdestall. Zu meinem Staunen merkte ich, dass die Stalltür nicht abgeschlossen war, obwohl ich ganz genau weiß, dass ich sie gestern Abend abgeschlossen habe. Man wird doch nicht etwa mit einem einzigen Schlüssel alle Türen hier in der kleinen Siedlung auf- und zuschließen können?

Und wer saß da in der einen Ecke im Stroh und schlief ganz fest? Es waren beide Frauen, die große Golombka und die kleine Kotschka, die bass erstaunt waren, als wir sie weckten, dass sie noch leben. Zwischen den dreien fand ein sehr erregtes Gespräch statt, von dem ich aber auch gar nichts verstand, warum und wieso. Vielleicht hatte ihr Verschwinden beim Eisgewitter doch etwas mit ihrem slawischen Götter- oder Aberglauben zu tun? Aber ich bin mir auch ziemlich sicher, dass ich es einmal von Dienstag erfahren werde! Als nächstes probierte ich mit dem Pferdestallschlüssel Dienstags Haustür auf- und zuzuschließen; er passte. Dann versuchte ich mit dem Pferdestallschlüssel alle unsere abschließbaren Türen an allen Räumen auf- und zuzuschließen und es klappte prima. Auweia, mein Hafer und die Goldfische in der Wagenremise auf dem Wagen, wie sicher seid ihr da noch? Und das nächste Frischfleisch am Flaschenzug in dem Werkraum, das da zum Abhängen hängt? Da müssen schleunigst einige neue Schlösser her, die ich dann, wenn wir weiter fahren wieder auswechseln kann. Vorerst stellte ich die drei sehr weh tuenden Mausefallen in drei offene Säcke auf den Hafer, während die anderen Hafersäcke zugebunden bleiben. Wenn ein Hafer Spitzbub mit seinen Fingern in die zuklappende Mausefalle gerät, geht dieser Fang ganz bestimmt nicht nur unblutig, sondern auch sehr schmerzhaft ab! Dann ging ich in unsere Küche zu Didilind und erzählte ihr alles, was heute Nacht bei Dienstag im Häuschen passiert ist, auch das kleine Ausreißerabenteuer der beiden jungen Dienstagsmädchen und dass wir mit einem Schlüssel alle Türen in unserer kleinen Siedlung auf- und zuschließen können. „Das heißt, während wir glauben, sicher, und abgeschlossen schlafen zu können, kann jeder, der nur einen Schlüssel von hier hat, uns zu ganz armen Leuten machen und mit allem was wir haben, sicher davon fahren. Ich meine, ich müsste jetzt noch mit Thor hinunter in den Flecken reiten und vier verschiedenen Schlösser kaufen, zu denen kein hier verwendeter Schlüssel passt und schnellstens bei der Wagenremise, denk an unsern Wagen mit all den vielen Goldfischen, beim Werkraum mit dem Mahlraum dahinter mit dem Aufgang zum Schüttboden, beim Pferdestall mit all unseren Pferden und an unserer Haustür die Schlösser auswechseln.“ Da sagte Didilind zu uns, leicht schmunzelnd: „Wenn du glaubst unbedingt hinunter zu müssen, dann können wir auch mitfahren und auf dich aufpassen, dass dich niemand entführt. Und vielleicht finden wir doch noch das eine oder das andere, an das wir gerade nicht denken.“ Ich ging noch vor dem Frühstück in den Pferdestall, gab den Pferden frisches Heu und zwei Eimer Wasser, holte vom Wagen in zwei Eimern bisschen Hafer für die beiden Pferde, die uns zum Flecken bringen sollen und fragte dann Dienstag, ob er mit in den Flecken fahren wolle. Er verneinte, aus mir verständlichen Gründen meine Frage. Also konnten wir zu dritt heute hinunterfahren. Nach unserm Frühstück spannte ich Thor und Odin an den Schlitten, gab ihnen die extra Haferportion, zog meine warmgefütterte Pelzgarnitur an und mit den zwei sehr warm in ihren Pelzen angezogenen Mädchen verließ ich unsere Hütte, schloss sie ab und bat sie aufzusteigen. Doch Luzia fragte mich, ob sie auch heute auf dem Schlitten den Kutscher spie-len darf, denn das ist schon mal ein nicht alltägliches Erlebnis auf dem Schlitten auch mal den Kutscher zu spielen. Ich schaute Didilind sehr fragend an, denn ich war fest überzeugt, dass sie auf dem Schlitten heute den Kutscher spielt und ich locker mich hinten platzieren werde. Doch Didilind nickte zustimmend. Die beiden Mädchen nahmen vorne Platz und ich hinten, als der Graf Kox von Habenichts. Da ich mit meinem Universalschlüssel schon alles abgeschlossen habe, konnte unsere Abfahrt in Richtung Markt beginnen. Luzia hat sicher, so eine Schlittenfahrt mit lautem Geläut und noch dazu als Kutscher, in ihrem ganzen kurzen Leben sicher noch nie er-lebt, wie die Pferde samt Schlitten regelrecht über den eisbezogenen Schnee dahinschwebten und dazu das ununterbrochene Geläut der kleinen Glocken am Geschirr der beiden Pferde. Ich konnte sie von hinten bestens beobachten und hatte so den Eindruck, dass sie sich im Himmel sicher nicht besser fühlen kann, denn ihr Gesicht glühte förmlich von innerlicher Ergriffenheit und begeisternder, aufregender Teilnahme. Im leichten Dauertrab kamen wir unten an die Kreuzung. Auch heute konnte man noch nicht nach links abbiegen, denn der umgekippte Baum versperrte die Einfahrt. Als wir uns der Kreuzung näherten rief ich: „Gerade aus, bitte!“ Nach fünfzehn Mi-nuten etwa sahen wir auch schon die Silhouette, das Ziel unserer Reise. Luzia lenkte den Schlitten wunderbar in und durch den Flecken direkt zum Wochenmarkt. Die zwei Pferde samt Schlitten stellten wir auf dem Pferdeparkplatz ab. Da die Pferde leicht ins Schwitzen kamen, deckte der Parkwächter die beiden Vierbeiner mit einer warmen Decke ab und gab ihnen zur Belohnung einen Futterbeutel.

 

Ich nahm noch meinen Rucksack vom Schlitten und ab ging es zunächst zu einem Schlosser wegen der Türschlösser. Und er hatte tatsächlich sechs verschiedene Schlösser. Das heißt, alle sechs Schlösser hatten verschiedene Schlüssel, und der mitgebrachte Schlüssel passte zu keinem der neuen Schlösser. Für die sechs Schlösser, samt zwei Schlüsseln für jedes Schloss, habe ich eine Goldflocke bezahlt und alles in meinem großen Rucksack verstaut. Didilind meinte dann, dreißig Eier, ein Klumpen Butter, einen Salzhut und zehn Pfund Nudeln würden uns glatt über die nächste Woche hinweghelfen. Beim Bezahlen sagte uns der Bauer: „Ich gebe euch noch zehn Eier und ihr gebt mir eine halbe Goldflocke. Didilind nickte zustimmend und ich brach eine Goldflocke in zwei gleichgroße Hälften. Eine davon bekam der Bauer, die er sich selbst aussuchte, die andere Hälfte verschwand in meinem Lederbeutel und dann in einer meiner warmen, pelzgefütterten Hosentaschen. Didilind schaute so fragend auf die Eier, dann in die Luft und machte mich auf die Eier aufmerksam, die bestimmt, bis wir heimkommen, einen kleinen Frostschaden abbekommen und platzen! „Vielleicht schauen wir einmal, ob wir nicht ein warmes Tuch bekommen, mit dem wir die Eier zudecken können, obwohl sie ja schon in einer Stofftasche sind?“ Salz und Butter packte ich noch in meinen Rucksack, Eier in die linke Hand und Nudeln in die rechte Hand und ab ging es zum Stoffhändler. Hier erwarb Didilind für die zweite Hälfte der Goldflocke eine warme, nicht zu klein geratene Wolldecke, mit der ich nicht nur die Hühnereier auf meinen Knien in der Stofftasche zudecken konnte, sondern auch meine Knie auf der Hinterpartie im Schlitten. Am Pferdeparkplatz bezahlte ich meine Schulden fürs Parken, die Futterbeutel und die Tränke. Er wollte eine viertel Goldflocke, doch ich gab ihm meine zweite halbe Goldflocke von vorhin. Der Parkwächter war so ergriffen, dass er beiden Pferden noch eine fast doppelte Portion Hafer pur gab. Ich glaube, dass sie für die Rückfahrt die extra Portion sicher verarbeiten werden. Luzia spielte wieder die Kutscherin, Didilind die Beisitzerin und ich den Loganten mit den Eiern auf den Knien, alles zugedeckt mit der warmen Decke auf der Rückbank, der sich genüsslich durch die verschneite und teilweise immer noch vereiste Landschaft gleiten ließ.

Luzia war, wie auf der Hinfahrt, jetzt bei der Rückfahrt wieder voll und ganz bei der Sache, voll in ihrem Element. Ich glaube, dass kein Mensch mit allen Schätzen dieser Welt, sie dazu bewegen könnte das Kutscher spielen gegen diese Schätze einzutauschen. Als wir daheim vor unserer Hütte zum Stehen kamen, meinte sie scherzhaft, dass wir da im Flecken die zehn Eier vergessen haben. „Wir beide könnten schon mal ins Haus gehen, und ich hole sie ganz alleine!“ Doch ich sagte ihr, dass wir am nächsten Sonnabend sicher wieder dahinfahren werden, und du spielst dann wieder die Kutscherin und heute hilfst du mir, damit wieder alles sicher ist, einige der Türschlösser auszutauschen. „Und dann vergiss nicht die Glöckchen am Geschirr zu putzen, denn je sauberer sie sind, umso heller, umso himmlischer klingen sie, gerade so als ob die Engelein im Himmel zweistimmig lobsingen würden.“ Luzia war mit meinem Vorschlag total einverstanden. Nachdem alle Lebensmittel in der Küche waren, haben wir die Pferde ausgespannt und zu den andern in den Stall gelassen. Während Didilind schon mal paar Butterbrotscheiben mit Fleisch belegte, habe ich im Werkraum schon das erste Schloss ausgetauscht. Mit Luzia haben wir zusammen bei der Wagenremise das Schloss aus-gewechselt und gingen unser Mittagessen essen. Nach dem Mittagessen, als wieder alles sauber verstaut war, haben wir zwei weitere Schlösser an der Haustür und zum Schüttboden erneuert. Luzia gab ich beide Glöckchen, obwohl sie noch sauber waren, zum Putzen, damit der Klang noch heller und dem Himmel näher klingen will. Ich ging zur Wagenremise und versuchte mit dem alten Schlüssel sie zu öffnen was keineswegs gelang; mit dem neuen klappte es prima. Mit Entsetzen musste ich feststellen, dass hier, während unserer Abwesenheit jemand war, denn erstens fehlte die Mausefalle, besser gesagt, das Fangeisen im Sack und zweitens fehlte mindestens ein Eimer Hafer. Die Falle fand ich weder auf dem Wagen noch in der Remise; sie ist mit dem Haferdieb einfach mitgegangen. Ob er auch von den teuren Goldfischen etwas mitgenommen hat kann ich noch nicht sagen. Auf alle Fälle habe ich schon mal die Portion Hafer im Eimer für die heutige Nacht mitgenommen und alles abgeschlossen. Dann ging ich in die Pferdeställe von Gerid, in dem ich nichts fand, und von Dennis. Da stand der volle Eimer Hafer, die Pferde waren nicht da. Von der Mausefalle, dem eigentlichen Fangeisen, war in keinem Stall etwas zu sehen. Ich nahm den vollen Eimer und trug ihn auf unsern Heuboden und versteckte ihn tief im Heu. Dann ließ ich die Pferde hinaus, dass sie sich draußen etwas abreagieren oder austoben können, während ich die Streu am Boden im Stall verbesserte und Heu in die obere Futterleiter gab. Dann füllte ich alle Eimer, die an der Rückwand standen voll mit Wasser, schüttete aus dem Eimer die Haferportion in die Futterkrippe und verteilte sie gleichmäßig. Noch einmal ein kurzer Blick, ob auch alles in Ordnung ist und die Pferde konnten hereinkommen. Als sie am Hafer futtern waren, verpasste ich ihnen allen, den großen und den kleinen Vierbeinern die üblichen und liebgewordenen Liebkoseeinheiten und wünschte allen meinen vierbeinigen Lieblingen auch eine ruhige Nacht. Ich war gerade dabei den Stall abzu-schließen, da kam Dennis und Gerid angeritten und hatten im Schlepptau ein nicht zu kleines Wildschwein. Wir wünschten uns jeweils einen guten Abend. Da fragte Dennis, ob denn der Flaschenzug frei sei, denn er würde dann gerne die Wildsau über Nacht zum Aushängen daran festmachen wollen. Ich hatte nichts dagegen, ging hin zum Werkraum, öffnete die Tür, zeigte ihm, dass der Boden unter dem Flaschenzug sauber ist und sagte: „Nun nichts wie ran an den Speck!“ Die beiden haben sich aber sehr linkisch angestellt, bis sie die Fesseln der Hinterbeine freibekommen haben und die Hinterpfoten am Flaschenzug befestigen konnten. Beim Hochziehen des Flaschenzuges konnte ich sehen, dass Dennis seine rechte Hand verbunden hatte, und er quasi nur mit seiner linken Hand sich am Hochziehen beteiligte. Auf meine Frage ob und wo er sich verletzt hat bekam ich eine aus-weichende und nichtssagende Antwort. Und so fragte ich schon ein bisschen direkter, ob denn die Mäuse, die er heute fangen wollte so scharfe Zähne gehabt hätten und ihm das Aua an der rechten Hand unversehens zugefügt hätten. „Und bei nächster Gelegenheit stellst du die Mausfalle wieder da hin wo sie hingehört! Denn in gewissen Punkten kenne ich keinen Spaß! Und damit auch alles seine Richtigkeit hat, schließe ich den Raum vor euern Augen zu und den Schlüssel nehme ich zur Sicherheit mit und wenn ihr morgen die Wildsau weiter verarbeiten wollt, dann meldet ihr euch bei mir und ich öffne euch wieder die Tür.“ Bei den letzten sechs Wörtern ging ein leichtes, höhnisches Grinsen über Dennis Gesicht, denn er wusste ja noch nicht, dass sein Universalschlüssel nicht mehr zu diesem Schloss passt. Wir verabschiedeten uns dann bis morgen Früh. Auch ich ging ins Haus und erzählte Didilind, dass Dennis und Gerid ein erlegtes Wildschwein heimgebracht haben, das jetzt im Werkraum am Flaschenzug hängt, so wie sie es erlegt haben. Auch erzählte ich ihr vom Besuch in unserer Wagenremise, dass, so wie es aussieht, Dennis sich an der Mausefalle, die im Hafersack aufgestellt war, an seiner rechten Hand verletzt hat, aber trotzdem einen vollen Eimer Hafer hat mitgehen lassen, den ich in seinem Pferdestall gefunden habe. „Ich ziehe jetzt mal meinen Lederwams über mein Unterhemd und darüber die warmen Wintersachen und gehe noch einmal hinaus. Ich möchte zu gern Dennis beim Einbruch in die Wagenremise überraschen. Ob er sich an den Goldfischen oder den gläsernen Kieselsteinen bereichert hat weiß ich noch nicht. Nachdem ich für den Winter gut verpackt war, nahm ich Bogen und Köcher und schlich mich nach draußen. Zuerst ging ich zum Werkraum und stellte fest, dass er fest verschlossen war. Auch unser Pferdestall war immer noch dicht. Doch bei seinem Pferdestall stand die Tür noch weit offen und man hörte wie er da drinnen so komische Selbstgespräche führt. Ich ging erst mal in Deckung und harrte der Dinge die jetzt auf mich kommen werden. Nach einer Weile kam er mit einem Eimer in seiner linken Hand aus dem Pferdestall und verschwand in Richtung unserer Wagenremise. So unauffällig und leise wie ich nur konnte, folgte ich ihm, der tatsächlich versuchte mit seinem Schlüssel die Tür zur Wagenremise zu öffnen, was jetzt nicht mehr gelingen wollte, denn hinterm Schlüsselloch war wohl ein Schloss, aber jetzt ein ganz anderes, das mit dem Schlüssel, den er immer wieder hineinein steckte, der vorher noch passte aber jetzt nichts anfangen konnte. Es gelang mir vom Boden ein leichtfestgefrorenen Hagel zu heben, den ich mit aller Wucht gegen das Tor der verschlossenen Remise warf. Dennis hat sich vor Schreck auf den Boden gelegt und dem Duft nach, der so langsam zu mir herüber kam, musste er auch seine Hosen vollgemacht haben. Als ich so das Gefühl hatte, dass er wieder ansprechbar ist, habe ich zu ihm gesagt, ob er überhaupt weiß was er für ein schmutziger, nein dreckiger Ortsvorsteher er eigentlich ist, der sich mit Diebstahl, mit fremden Eigentum über Wasser hält, obwohl er sich doch selbst alles leisten kann, ohne Stehlen zu müssen. Und noch eines sei dir gesagt: „Wenn ich dich noch einmal vor einer Tür treffe, die dich nichts angeht, dann wisse, dass dein letztes Stündlein geschlagen hat und jetzt nichts wie heim und lass dir von Irmgud deinen vollgemachten Hosenboden waschen, denn du stinkst ja mindestens zehn Meter gegen den Wind, du armes Wichtelmännchen!“ Er entfernte sich nicht an mir vorbei, sondern ging den Weg wieder zurück, den er gekommen ist. Ich rief ihm noch nach, dass er an die Mausefalle nicht vergessen möchte, denn die brauch ich noch für andere Fälle, als deine diebischen Hände zu verletzten. Dennis ging zunächst zum Pferdestall und verschloss die Stalltür, ohne den Pferden den langsam notwendigen Hafer zu geben und verschwand bei Irmgud im Haus. Als ich wieder bei Didilind in der Küche war, hab ich ihr brühwarm alles erzählt, wie ich Dennis eben erlebt habe, dass ich ihn überhaupt nicht wiedererkenne. „Ich weiß nicht wie und warum das geschehen konnte, das aus einem doch so sympathischen und ehrenwerten Menschen, mei-nem ehemaligen väterlichen Freund, ein so herabgekommener, nicht mehr klardenkender diebischer Wegelagerer werden konnte. „Dennis, wo sind deine edlen Züge, die mir einstmals so an dir imponierten, die einen Ortsvorsteher wie einst auszeichnen nur geblieben? Wer hat dich nur so weit gebracht, doch nicht etwa Irmgud, die ansonsten zu allem zwei linke Hände hat, egal ob zum Kochen oder Brotbacken, oder zum Goldfische fangen ins kalte Wasser zu steigen? Aber eifersüchtig sein auf alles und alle, die mit ihrer Arbeit prima zurechtkommen und sich selbst für nichts zu schade sind?“