Grundlagen Recht für Wirtschaftswissenschaftler

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2. Grundrechtsfunktionen

127Die zentrale Funktion der Grundrechte liegt in der Abwehr ungerechtfertigter staatlicher Eingriffe. Grundrechte sind danach primär Staatsabwehrrechte. Soweit die Freiheitsrechte nicht durch spezielle Grundrechte abgeschirmt werden, greift als „subsidiäres Auffanggrundrecht“ das Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG), sodass das Grundgesetz einen lückenlosen Grundrechtsschutz vor staatlichen Eingriffen bietet.

Beispiel Über das Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit unterliegen auch Beschränkungen des Reitens im Wald, des Taubenfütterns oder des Cannabiskonsums den grundrechtlichen Rechtfertigungsanforderungen.

Schließlich werden den Grundrechten zahlreiche darüber hinausgehende Wirkfunktionen beigemessen, die unter der etwas missverständlichen Überschrift der „objektiv-rechtlichen Grundrechtsgehalte“ stehen.

128So wirken die in den Grundrechten enthaltenen Wertentscheidungen mittelbar auch auf die Auslegung zivilrechtlicher Normen ein. Zwar werden Private in ihren Rechtsbeziehungen untereinander durch die Grundrechte nicht unmittelbar verpflichtet. Die Auslegung einzelner ausfüllungsbedürftiger Rechtsbegriffe des Zivilrechts hat aber stets „im Lichte der Grundrechte“ zu erfolgen, was durch das Bundesverfassungsgericht nachgeprüft werden kann.

Beispiel Die Normen des Deliktsrechts, z. B. § 826 BGB mit der dort sanktionierten „sittenwidrigen Schädigung“, dürfen nicht so ausgelegt werden, dass die Meinungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 GG übermäßig beschränkt wird. In diesem Sinne hat das BVerfG schon früh den Boykottaufruf gegen das Comeback eines Filmregisseurs der NS-Zeit für gerechtfertigt erachtet und eine durch die Zivilgerichte verfügte Unterlassungsanordnung für grundrechtswidrig erklärt.

129Nach heute gefestigter Dogmatik nehmen die Grundrechte den Staat zugleich in die Pflicht, sich schützend und fördernd vor die grundrechtlichen Schutzgüter zu stellen, insbesondere also rechtswidrige Angriffe Privater abzuwehren. Eine grundrechtlich relevante Verletzung der Schutzpflicht liegt allerdings erst vor, wenn der Staat staatliche Schutzmaßnahmen gar nicht ergreift oder diese evident unzureichend sind.

Beispiel A verlangt von der Behörde aus dem Aspekt der Schutzpflicht eine Verschärfung des Waffenrechts. Ein solcher Anspruch besteht nicht, da der Gesetzgeber bereits ein strenges Waffenrecht etabliert hat und die dortigen Regelungen jedenfalls nicht evident unzureichend sind.

130Manche Grundrechte verleihen dem Berechtigen ein Recht auf gleiche Teilhabe an staatlichen Angeboten. Insbesondere dort, wo der Staat Einrichtungen schafft, die dazu dienen, die Ausübung der grundrechtlich geschützten Freiheit zu ermöglichen, hat der Einzelne ein Recht darauf, diese in Anspruch nehmen zu können (sog. derivatives Teilhaberecht). Relevant wird dieser Aspekt vor allem bei der gerechten Verteilung von knappen Ressourcen: Hier hat der Bürger einen Anspruch auf ein chancengleiches, faires Verteilungsverfahren.

Beispiel Vergabe von Studienplätzen bei überschießender Bewerberzahl (gefolgert aus Art. 12 Abs. 1 GG, Besetzung öffentlicher Ämter (Art. 33 Abs. 2 GG)).

Nach h. M. folgt aus den Teilhabeansprüchen allerdings kein Recht auf die erstmalige Schaffung oder Erweiterung bestehender Kapazitäten (sog. „originärer Teilhabeanspruch“).

131Ausnahmsweise können Grundrechte den Staat auch unmittelbar zu einer Leistung verpflichten. Paradebeispiel für solche Leistungsrechte ist der aus Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) hergeleitete Anspruch auf die Sicherung des Existenzminimums.

132Einige wenige Grundrechte enthalten schließlich sog. Einrichtungsgarantien. Hierdurch wird der Staat, insbesondere der Gesetzgeber, verpflichtet, bestimmte Rechtsinstitute zu schaffen (bzw. nicht abzuschaffen) und auszugestalten.

Beispiele Art. 14 GG garantiert „Eigentum“, sagt aber nicht konkret, was Eigentum ist. Diese Aufgabe wird in Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dem Gesetzgeber übertragen. Es handelt sich um eine Einrichtungsgarantie. Gleiches gilt für den Schutz der Ehe, deren konkreter Inhalt erst durch Gesetz, hier das BGB, festgelegt werden muss.

133Schließlich können Grundrechte auch die Ausgestaltung der Verwaltungsorganisation und von Verfahren beeinflussen. Dies gilt etwa für das Grundrecht der Berufsfreiheit, das bei Berufszugangsprüfungen etwa bestimmte Anforderungen an das Prüfungsverfahren stellt (z. B. Informationspflichten zur Bewertung etc.). Fehler in diesem Bereich können bis vor das BVerfG gebracht werden.

3. Die Grundrechtsprüfung bei Freiheitsrechten

134Die Prüfung der Vereinbarkeit von hoheitlichem Handeln mit den Grundrechten erfolgt nach einem einheitlichen Prüfungsschema, das sowohl in der gerichtlichen Praxis als auch in der juristischen Klausurbearbeitung Anwendung findet. Im Einzelnen ergibt sich folgender Aufbau:

a) Eingriff in den Schutzbereich

135Zunächst ist der Schutzbereich oder Schutzgegenstand des jeweiligen Grundrechts zu bestimmen. Zu prüfen ist, ob die betroffene Person sich auf das Grundrecht berufen kann (persönlicher Schutzbereich). Außerdem muss das in Rede stehende Verhalten durch das Grundrecht geschützt sein (sachlicher Schutzbereich).

Beispiel Der deutsche Staatsbürger X nimmt an einer Demonstration gegen Auslandseinsätze der Bundeswehr teil. Der persönliche Schutzbereich von Art. 8 Abs. 1 GG (Versammlungsfreiheit) ist eröffnet, weil X Deutscher ist. Auch der sachliche Schutzbereich ist eröffnet, weil die Teilnahme an einer politischen Demonstration von Art. 8 Abs. 1 GG erfasst wird.

136Weiter ist zu klären, ob die fragliche Maßnahme einen Eingriff in den Schutzbereich darstellt. Dies ist der Fall, wenn sie die grundrechtlich geschützte Freiheit beschränkt oder verkürzt (nicht: verletzt!). Nach klassischem Verständnis war erforderlich, dass die Maßnahme auf die Verkürzung zielte, in der Form eines Rechtsakts erging (z. B. als Gesetz, Urteil oder Verwaltungsakt) und die Freiheit des Grundrechtsträgers unmittelbar, also ohne weitere Zwischenschritte, einschränkte (sog. klassischer Eingriffsbegriff).

Beispiel Die Polizei löst eine Versammlung auf und erteilt den Teilnehmern Platzverweise.

Im Interesse eines umfassenden Grundrechtsschutzes können nach heutigem Verständnis aber auch mittelbare oder nicht-rechtsförmige Maßnahmen Eingriffe darstellen (sog. „moderner“ Eingriffsbegriff), sofern sie einen gewissen tatsächlichen Schweregrad erreichen und sich nicht als bloße Belästigung darstellen.

Beispiel Das Verbraucherschutzministerium setzt Gaststätten, die Hygienestandards nicht einhalten, auf eine online abrufbare „Ekelliste“. In solchen Fällen kann ein nicht-rechtsförmiger Eingriff in die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) des Gaststättenbetreibers vorliegen.

b) Eingriffsrechtfertigung

137Ist ein Grundrechtseingriff festgestellt, stellt sich die Frage einer möglichen Eingriffsrechtfertigung. Hierzu ist zunächst zu ermitteln, ob und unter welchen Voraussetzungen das Grundrecht überhaupt eingeschränkt werden kann (man spricht von „Schranken-“ oder Begrenzungsvorbehalten).

138Zwischen folgenden Varianten ist zu differenzieren:


Einige Grundrechte können schlicht „durch oder aufgrund eines Gesetzes“ eingeschränkt werden (sog. einfacher Gesetzesvorbehalt).

Beispiele Art. 2 Abs. 3, Art. 8 Abs. 2 GG.


Andere Grundrechte können zwar ebenfalls durch ein Gesetz eingeschränkt werden, stellen an dieses aber besondere Anforderungen (sog. qualifizierter Gesetzesvorbehalt).

Beispiel Art. 5 Abs. 2 GG verlangt, dass das einschränkende Gesetz „allgemein“ (d. h. nicht gegen eine bestimmte Meinung gerichtet) ist oder dem Schutz der Jugend oder persönlichen Ehre dient.


Manche Grundrechte wie z. B. die Religionsfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 und 2 GG weisen überhaupt keinen ausdrücklichen Begrenzungsvorbehalt auf. Im Wege systematischer Auslegung geht man aber davon aus, dass diese Grundrechte zumindest durch – normhierarchisch auf derselben Stufe stehendes – Verfassungsrecht eingeschränkt werden können (sog. verfassungsimmanenter Begrenzungsvorbehalt). Die Einschränkung kann also nur durch formelles Gesetz geschehen, das dem Schutz der anderen Verfassungsbestimmung dient.

Beispiel Die fiktive Religionsgemeinschaft X verlangt von ihren Anhängern Menschenopfer. Art. 4 Abs. 1 und 2 GG (Religionsfreiheit) ist seinem Wortlaut nach nicht einschränkbar. Jedoch darf (und muss) der Staat zum – ebenfalls verfassungsrechtlich geschützten – Schutz des Lebens der Anhänger die Religionsfreiheit der X einschränken und Menschenopfer verbieten.


Eine Besonderheit ergibt sich für die Menschenwürde, die in Art. 1 Abs. 1 GG für „unantastbar“ erklärt wird. Diese Formulierung ist dahin zu interpretieren, dass ein Eingriff in die Menschenwürde nie gerechtfertigt werden kann.

Beispiel Durch Gesetz soll die Folter erlaubt werden, um in Entführungsfällen den Aufenthaltsort der Entführungsopfer ausfindig zu machen. Die Folter ist ein Eingriff in die Menschenwürde. Die genannte Regelung ist damit von vornherein verfassungswidrig.

 

139Wurde ein Begrenzungsvorbehalt ermittelt, ist abschließend zu prüfen, ob das eingreifende Gesetz die formellen und materiellen Anforderungen erfüllt, die das Grundgesetz an Eingriffe stellt.

140In formeller Hinsicht zählt hierzu vor allem die Beachtung der Gesetzgebungskompetenzen nach Art. 70 ff. GG. Ferner muss das Gesetzgebungsverfahren fehlerfrei erfolgt sein.

141In materieller Hinsicht muss das Gesetz schließlich vor allem den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren. Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit erfolgt vierschrittig: Zunächst ist zu prüfen, ob der Grundrechtseingriff grundsätzlich einen legitimen Zweck verfolgt. Zweitens ist zu prüfen, ob das gewählte Eingriffsmittel zur Erreichung dieses Zwecks geeignet ist, ihn also zumindest fördern kann. Drittens muss das Eingriffsmittel auch erforderlich sein, d. h. es darf kein weniger einschneidendes Mittel gleicher Wirksamkeit zur Verfügung stehen. Zuletzt ist die sog. Zumutbarkeit der Maßnahme zu prüfen. Sie fehlt, wenn die Nachteile, die dem Einzelnen bereitet werden, außer Verhältnis zu den mit dem Gesetz verfolgten Zielen stehen. Hinsichtlich der Eignung sowie der Erforderlichkeit einer Maßnahme gewährt das Verfassungsgericht dem Gesetzgeber einen erheblichen Einschätzungsspielraum. Wertungen werden erst beanstandet, wenn sie offensichtlich widerlegt sind oder allgemeinen Erfahrungsgrundsätzen widersprechen.

ABB. 5: Prüfung legislativer Grundrechtseingriffe


142c) Grundrechtsprüfung bei Gleichheitsrechten

Einem abweichenden Aufbau folgt die Prüfung von Gleichheitsrechten. Nach der tradierten Willkürformel stellt sich die Frage, ob im Wesentlichen gleiche Sachverhalte vorliegen, die ohne sachlichen Grund ungleich behandelt werden. Dieser Ansatz erweist sich prüfungstechnisch deshalb als „tückisch“, weil es eigentlich „gleiche“ Sachverhalte nicht gibt. Im Rahmen der Prüfung wird daher schnell eine vermeintliche Gleichheit behauptet, die dann bei der Frage des sachlichen Grundes für die Ungleichbehandlung letztlich widerlegt wird. Die sog. „neue Formel“ akzeptiert daher, dass zwei unterschiedliche Sachverhalte stets Unterschiede aufweisen werden, und fragt folgerichtig danach, ob diese Unterschiede nach Art und Gewicht hinreichend tragfähig sind, um die Ungleichbehandlung zu rechtfertigen.

Beispiel Das BGB differenzierte in § 622 früher hinsichtlich der Kündigungsfristen für Arbeiter und Angestellte. Die Berufsgruppen unterscheiden sich dadurch, dass Arbeiter vorwiegend „Handarbeit“, Angestellte dagegen eher „Kopfarbeit“ leisten. Dieser Unterschied ist indes nicht tragfähig, um die unterschiedlichen Kündigungsfristen zu rechtfertigen.

III. Die Wirtschaftsgrundrechte

143In wirtschaftlicher Hinsicht kommt speziell den Grundrechten der Berufsfreiheit (Art. 12 GG), der Eigentumsfreiheit (Art. 14 GG) sowie der Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit (Art. 9 Abs. 1 und 3 GG) besondere Bedeutung zu, die damit zugleich auch die Grundsäule der deutschen „Wirtschaftsverfassung“ formulieren:


Die Berufsfreiheit begründet im Kern eine wettbewerbliche Wirtschaftsordnung. Indem jeder den Beruf frei wählen kann, impliziert das Grundrecht ein freiheitliches Konzept der Wirtschaft, in der jeder nach eigener Vorstellung tätig sein darf oder ein Tätigwerden ablehnen kann. Kurz gesagt: Indem mehrere denselben Beruf wählen dürfen, ist der Wettbewerb in der Berufsfreiheit mitgedacht: „Der Plural der Berufsfreiheit ist Wettbewerb“ (F. Hufen).


Auch die Eigentumsfreiheit begründet im Kern eine freiheitliche Wirtschaftsordnung. Indem die Eigentumsfreiheit auch die Produktionsmittel erfasst, überantwortet das Grundgesetz das Wirtschaftsleben der Initiative und Eigenverantwortung des Individuums. Ohnehin wäre die in der Eigentumsgarantie mitenthaltene Garantie der Veräußerbarkeit des Eigentums nicht denkbar ohne einen Markt. Austariert wird diese Entscheidung durch die Sozialbindung des Eigentums nach Art. 14 Abs. 2 GG.


Die gleiche Zielrichtung weist schließlich die Vereinigungsfreiheit auf, die auch Vereinigungen mit dem Ziel der Zusammenführung von Kapital zum Zwecke der Gewinnerwirtschaftung umfasst und in Gestalt der Koalitionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 3 GG zugleich auch den Primat der freien Lohnbildung „am Markt“ formuliert.

1. Berufsfreiheit

144Die Berufsfreiheit schützt die Persönlichkeitsentfaltung in wirtschaftlicher Hinsicht. Der umfassend zu verstehende Schutzbereich umfasst sowohl das „Ob“ der Tätigkeit, also die freie Berufswahl, als auch das „Wie“, also die freie Berufsausübung. Beruf ist dabei jede Tätigkeit von gewisser Dauer, die auf die Schaffung einer Lebensgrundlage gerichtet ist. Die Berufsfreiheit ist dabei nicht auf etablierte Berufsbilder beschränkt, sondern impliziert das Recht zur „autonomen Berufsprägung“ (Berufserfindungsrecht). Ebenfalls geschützt ist die Ausbildung bzw. das auf den Erwerb einer Berufsqualifikation gerichtete Studium. Unerheblich ist, ob es sich um selbstständige oder abhängige Beschäftigung handelt. Nicht geschützt sind nach der Rechtsprechung schlechthin gemeinschaftsschädigende Handlungen (z. B. „Berufskiller“), wohingegen es auf die einfachgesetzliche Erlaubtheit nicht ankommen kann.

145Grundsätzlich gilt bei Eingriffen in die Berufsfreiheit die oben dargestellte allgemeine Dogmatik. Da bei mittelbaren Eingriffen jedoch das Problem besteht, dass fast jede staatliche Maßnahme Einfluss auf die Berufsfreiheit haben kann, verlangt man hier eine objektiv berufsregelnde Tendenz: Die Maßnahme muss daher entweder auf die Berufsregelung abzielen oder in ihren Auswirkungen auf den Beruf von einigem Gewicht sein.

Beispiel Straßenverkehrsregeln beschränken die Möglichkeit des Arbeitnehmers, zu seiner Arbeitsstätte zu gelangen, und könnten daher mittelbare Eingriffe in die Berufsfreiheit sein. Ihnen fehlt es aber an der „berufsregelnden Tendenz“, da sie weder auf die Regelung von Berufen zielen noch die berufliche Betätigung in gewichtigem Maße beeinträchtigen.

146Auch die Rechtfertigung von Eingriffen in die Berufsfreiheit unterfällt grundsätzlich allgemeinen Regeln. In der Rechtsprechung hat sich jedoch eine „Spezialform“ der Verhältnismäßigkeitsprüfung herausgebildet, die je nach Art des Eingriffs höhere oder niedrigere Anforderungen an die verfassungsrechtliche Rechtfertigung eines Eingriffs aufstellt (sog. Drei-Stufen-Lehre): Beschränkt der Eingriff nur die Berufsausübung, so genügen zu seiner Rechtfertigung sachliche Gründe. Wird der Zugang zum Beruf beschränkt, ist zu unterscheiden: Bei Zugangsbeschränkungen, die an personelle Merkmale anknüpfen und die der Betroffene womöglich durch Qualifikation überwinden kann (sog. subjektive Berufszugangsregelungen) bedarf es gewichtiger Gründe des Allgemeinwohls. Bei sog. objektiven Berufszugangsregelungen, die unabhängig von personellen Aspekten den Zugang zu einem Beruf sperren, bedarf es überragend wichtiger Gründe.

Beispiele Ausübungsbeschränkungen sind z. B. Ladenschlussgesetze. Zu den subjektiven Zugangsbeschränkungen gehören z. B. Qualifikationen wie die Befähigung zum Richteramt. Eine objektive Zugangsbeschränkung ist z. B. die Regelung des § 13 Abs. 4 PBefG, die für die Zulassung von Taxiunternehmen einen bestehenden Bedarf an Taxidienstleistungen verlangt.

Als objektive Berufszugangsbeschränkungen sind auch staatliche Monopole anzusehen, die folglich nur in engen Grenzen zulässig sind.

2. Eigentumsschutz

147Neben der Berufsfreiheit schützt auch die Eigentumsfreiheit (Art. 14 Abs. 1 GG) die wirtschaftliche Entfaltung des Einzelnen. Anders als Art. 12 Abs. 1 GG schützt Art. 14 Abs. 1 GG aber nicht den „Erwerb“, sondern das bereits „Erworbene“. Allerdings gilt der Schutz immer nur für konkrete Eigentumsgegenstände, sodass das „Vermögen“ als solches nach h. M. nicht grundrechtlich geschützt ist. Vom Eigentumsschutz nicht umfasst ist der „Wert“ eines Eigentumsobjekts, der letztlich auf dem Markt von Angebot und Nachfrage stets neu austariert werden muss. Eigentum i. S. d. Art. 14 Abs. 1 GG ist mehr als das Eigentum i. S. d. BGB. Es erfasst u. a. auch andere dingliche Rechte, Immaterialgüterrechte wie etwa Patente und sogar schuldrechtliche Forderungen. Zudem wird Eigentum auch durch das Öffentliche Recht mitdefiniert, indem hier etwa die Bebaubarkeit eines Grundstücks u. ä. festgelegt wird. Ob auch ein eingerichteter und ausgeübter Gewerbebetrieb in seiner Gesamtheit (inkl. „Goodwill“ und „Knowhow“) vom Eigentumsschutz erfasst wird, ist streitig, im Ergebnis aber zu bejahen. Geschützt werden der Bestand, die Nutzung und ggf. die gerichtliche Durchsetzung des Eigentums.

148Art. 14 Abs. 1 GG ist ein sog. normgeprägtes Grundrecht: Was Eigentum ist und welche Rechtsstellung Eigentümer haben, wird maßgeblich durch Gesetze definiert. Der Begriff des Eigentums ist damit zeitabhängig und wandelbar, was freilich nicht mit einem freien Bestimmungsrecht des Gesetzgebers verwechselt werden darf. Vielmehr ist der Gesetzgeber gehalten, die Privatnützigkeit des Eigentums und die freie Verfügbarkeit hierüber so weit wie möglich zu gewährleisten.

149In das Eigentumsrecht kann auf verschiedene Art eingegriffen werden. Inhalts- und Schrankenbestimmungen gestalten das Eigentum zwar für die Zukunft aus, können aber beschränkend auf bereits erworbenes Eigentum wirken und insoweit einen Eingriff darstellen.

Beispiel Es wird ein neues Gesetz eingeführt, wonach Wohnhäuser aus Umweltschutzgründen ab einem gewissen Stichtag bestimmte Normen für Wärmeisolation erfüllen müssen. Eigentümer vorhandener Gebäude werden durch diese Regelung beschränkt, soweit sie wegen der Gesetzesnovelle Renovierungsarbeiten durchführen lassen müssen. Dagegen werden Eigentümer von Häusern, die erst nach dem Stichtag gebaut werden, nicht in ihrem Eigentum beschränkt.

In das Eigentum kann auch durch Enteignung i. S. d. Art. 14 Abs. 3 GG eingegriffen werden. Im Gegensatz zu der abstrakt-generellen Inhalts- und Schrankenbestimmung zielt die Enteignung auf ein konkretes Eigentumsobjekt einer individuellen Person (konkret-individueller Eingriff). Diesem Einzelnen wird also ein Eigentumsobjekt unter Durchbrechung der für die übrigen Personen geltenden Eigentumsordnung entzogen. Im Regelfall geht es um Güterbeschaffungen durch die öffentliche Hand (Grundstücksenteignung etc.).

Beispiel Für Zwecke des Deichbaus werden Grundstücke an der geplanten Deichlinie enteignet.

150Die verfassungsrechtliche Rechtfertigung richtet sich nach der Art des Eingriffs: Inhalts- und Schrankenbestimmungen müssen verhältnismäßig sein, wobei hinsichtlich der Zumutbarkeit von Beschränkungen insbesondere die in Art. 14 Abs. 2 GG verankerte Sozialbindung des Eigentums zu berücksichtigen ist. Die Verhältnismäßigkeit kann ggf. auch durch die Aufnahme von Härteklauseln oder Entschädigungsregelungen hergestellt werden. Enteignungen sind nur als „ultima ratio“ zulässig und zudem gem. Art. 14 Abs. 3 GG entschädigungspflichtig, wobei Art und Umfang der Entschädigung in dem jeweiligen Eingriffsgesetz geregelt sein müssen (sog. Junktimklausel).