Umgelegt vom Killer: Krimi Koffer 9 Romane

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Booger lief rot an. „Verdammt noch mal, spar dir deine dämlichen Ratschläge, Phil. Ich will sie nicht hören! Ich habe keine Angst vor dem Mob. Im Gegenteil. Der Mob hat mich zu fürchten, so sieht‘s aus, aber das willst du Hosenscheißer ja nicht wahrhaben. In dieser Stadt bin ich die Nummer eins, verstehst du? Nicht Mortimer Jones. Nicht Hyram Bell. Nicht die Ehrenwerte Gesellschaft! Sondern ich. Ich, Fatty Booger! In dieser Stadt wird nach meiner Pfeife getanzt, merk dir das, du feiges Schwein! Und nun überleg dir deine Antwort auf die Frage, die ich dir stellen werde, verflucht gut. Wirst du tun, was ich von dir verlangt habe – oder möchtest du‘s lieber bleiben lassen?“

Phil O'Donnell warf einen nervösen Blick auf Boogers Leibwächter, die ihn mit frostigen Mienen anstarrten.

Fatty Booger brauchte nur mit dem Finger zu schnippen, und diese beiden Kerle würden kurzen Prozess mit ihm machen.

Vielleicht würden sie ihn wie einen räudigen Köter über den Haufen schießen. Oder im Pool ertränken. Oder einfach erschlagen ...

„Nun?“, blaffte Fatty Booger ungeduldig.

Der Anwalt hätte gern gesagt, dass sich sein Weg und der von Fatty jetzt besser trennen sollten.

Aber es gab nur eine einzige Möglichkeit, sich von Fatty Booger zu trennen: Man musste sterben.

Und das wollte er nicht, deshalb sagte O'Donnell hastig: „Okay, Fatty. Okay. Ich mach‘s.“

Booger griente. „Na also. Warum hast du nicht gleich mit Ja für meine Idee gestimmt?“

Der Anwalt wischte sich mit dem Taschentuch die Schweißtropfen von der Stirn. „Ich wollte dich lediglich auf die Gefahren aufmerksam machen, die uns daraus erwachsen können, Fatty. Nur das wollte ich. Sonst nichts.“

Es schellte.

Einer der beiden Leibwächter verließ das Penthouse-Bad. Als er wiederkam, hielt er ein regennasses, in braunes Packpapier eingewickeltes Paket in seinen riesigen Tatzen und sagte: „Das hat soeben ein Bote für Sie abgegeben, Boss.“

Mel Kowalski war seit fünfzehn Minuten auf dem Posten. Er trug einen schwarzen Gummimantel mit Kapuze. Der Regen tropfte ihm unaufhörlich auf den Schädel, doch das störte den Killer nicht. Er kniete gelassen auf dem Flachdach. Neben ihm lehnte ein FN-Karabiner am Schornstein, noch in eine wasserdichte Plastikhaut gehüllt.

Der Mann, der für „Black Friday“ killte, warf einen Blick auf seine Rolex.

In wenigen Augenblicken musste der Bote an Boogers Tür schellen.

Kowalski beobachtete den Gangsterboss. Er sah Boogers Anwalt und die beiden Leibwächter.

Sie alle würde er mit einem einzigen Schuss zur Hölle schicken.

Wieder sah Mel Kowalski auf seine Uhr. Es war soweit. Der Mann, dem er das Päckchen gegeben hatte, war zuverlässig. Kowalski entfernte die Plastikhülle von seinem Gewehr. Er setzte die Waffe an und brachte das rechte Auge an das Zielfernrohr.

Das Fadenkreuz tanzte über Boogers massigen Rücken.

Eine Kugel hätte genügt, um den Gangsterboss, der von der Mafia auf die schwarze Liste gesetzt worden war, auszulöschen. Dann hätten aber die beiden Leibwächter für einigen Ärger gesorgt, und dem wollte Kowalski vorsorglich begegnen, indem er die ganze Sippschaft dort drüben auf einmal ausrottete.

Jetzt entfernte sich einer der beiden Leibwächter.

Wenige Augenblicke vergingen. Kowalski war vollkommen ruhig. Er wusste, dass alles genau nach Plan verlaufen würde, und da er so gut wie keine Nerven hatte, fiel es ihm nicht schwer, gelassen auf den Moment zu warten, den er für Fatty Boogers Untergang bestimmt hatte.

Der Gorilla kam zurück.

Er hielt Kowalskis braunes Päckchen in seinen Händen und sagte etwas zu Fatty Booger. Es waren die letzten Worte, die dort drüben gesprochen wurden.

Das Fadenkreuz hatte sich langst von Booger entfernt, hatte den Mann mit dem Päckchen erreicht, glitt an diesem nach unten, stoppte, als es die Hände des Gorillas erreicht hatte ...

Und dann fiel der Schuss.

Trocken peitschte er über das Dach.

Die Kugel raste zum Penthouse hinüber, zertrümmerte das Glas des Schiebefensters und traf das Paket, das sich in den Händen des Mannes urplötzlich in eine alles vernichtende, riesige Glutkugel verwandelte.




12


Roberto Tardelli fuhr am South Water Market vorbei, erreichte wenig später den Adams Park und bog dann in die Paulina Street ein. Unermüdlich fegten die Scheibenwischer die Wassermassen, die vom Himmel stürzten, zur Seite. Obwohl die tickenden Wischer im Schnellgang arbeiteten, schafften sie es nicht, die Windschutzscheibe ganz freizubekommen.

Robertos Blick streifte die Armaturenbrettuhr.

Es war kurz vor neun.

Die Scheinwerfer des Plymouth Fury verwandelten die nasse Straße in einen grellen Spiegel.

Paulina Street 4124. Das war Fatty Boogers derzeitige Adresse.

Roberto befand sich gerade auf der Höhe von 4118, als es passierte. So etwas hatte er noch nicht gesehen. Ein feuerroter Blitz zuckte über den schwarzen Himmel. Donner grollte gleich darauf durch die Straßenschlucht. Und im selben Augenblick zerlegte eine mörderische Explosion das Penthouse des Gangsterbosses.

Glühende Trümmer flogen in weitem Bogen davon.

Glaskaskaden stürzten sich in die Straßenschlucht.

Es war, als hätte eine Bombe von ungeheurer Sprengkraft in Boogers Penthouse eingeschlagen.

Der Swimmingpool brach auseinander wie ein schlecht gebauter Damm – und ein gewaltiger Wasserschwall sauste, sich während des Falls ständig verformend, in die Tiefe, während orangefarbene Flammen aus dem Gebäude zu den schweren Wolken hinauf leckten.

Roberto schluckte trocken.

Das war Mel Kowalskis Werk, darüber gab es nicht den geringsten Zweifel.

Darauf war der verdammte Killer jetzt bestimmt mächtig stolz!




13


Roberto zerbiss einen Fluch. Erneut war ihm der Vertragskiller von „Black Friday“ um eine Nasenlänge voraus gewesen. Roberto rechnete damit, dass sich der eiskalte Mörder im Augenblick noch in der Nähe des Tatorts aufhielt. Ein solches Schauspiel ließ sich ein Mann wie Mel Kowalski ganz bestimmt nicht entgehen. Er brauchte das zur Befriedigung seiner perversen Phantasie. Kowalski war mit Sicherheit noch da und ergötzte sich am Anblick der Katastrophe, für die er verantwortlich zeichnete.

Roberto gab Gas.

Der Plymouth bäumte sich auf und schoss mit heulendem Motor die Straße entlang.

Trotz des strömenden Regens quollen aus allen Häusern Menschen. Sie hatten die verstörten Gesichter nach oben gerichtet und bestaunten fassungslos das Feuer, das dort brannte.

Nummer 4124! Roberto trat auf die Bremse. Er musste das Lenkrad nach links reißen, sonst wäre der Wagen gegen einen schweren Betonklotz gestoßen, der mitten auf der Fahrbahn lag und vor wenigen Minuten noch zur Penthousewand des Gangsterbosses gehört hatte.

Als der Plymouth stand, federte Roberto Tardelli aus dem Wagen.

Er blickte jedoch nicht – wie alle anderen – nach oben, sondern in die entgegengesetzte Richtung. Seine ruhelosen Augen suchten Mel Kowalski. Plötzlich glaubte er, ihn entdeckt zu haben.

Immer mehr Leute kamen gelaufen, um sich die Katastrophe aus der Nähe anzusehen. Ein Wald von Regenschirmen breitete sich auf den Gehsteigen und auf der Fahrbahn aus.

Alle Menschen rannten in dieselbe Richtung.

Nur einer nicht.

Der lief davon.

Das konnte nur Mel Kowalski sein!

Gleich einem dunklen Schatten wischte der Killer durch die Nacht. Roberto Tardelli sprintete augenblicklich los. Dicke Regentropfen klatschten ihm ins Gesicht. Zum dritten Mal an diesem Tag wurde er binnen Kurzem nass bis auf die Haut. Es war ihm egal. Dort lief Mel Kowalski. So nahe war Roberto noch nie an den Killer herangekommen. Der Bursche durfte nicht entkommen. Nur das zählte.

Kowalski, eingehüllt in einen schwarzen Regenmantel mit Kapuze, erreichte den Maschendrahtzaun, der das große Areal einer Lkw Werkstatt einfriedete. Behände kletterte er an den Maschen hoch. Mit einem weiten Sprung landete er auf dem Truck-Abstellplatz. Hier standen die Fahrzeuge, die entweder bereits repariert waren oder erst repariert werden sollten.

 

Die fertigen Lkw-Züge hatten zwischen Scheibenwischer und Windschutzscheibe in Plastik eingeschlagene Auftragszettel klemmen.

An den anderen Fahrzeugen klebten Magnetnummern, die die Reihenfolge bekundeten, in der sie von den Mechanikern repariert werden sollten.

Kowalski eilte auf die mächtigen Trucks zu und verschwand gleich darauf zwischen ihnen. Ein Zwerg unter Riesen.

Gleich nachdem Roberto Tardelli den Maschendrahtzaun überwunden hatte, zog er die Luger. Geduckt huschte er auf die schweren Brummer zu.

Der Jäger war wieder einmal auf der Jagd!

Roberto hüpfte über ölige Lachen und schillernde Fettflecken, die den weichen, glitschigen Boden bedeckten. Erst als er näher an die Trucks herankam, hatte er Beton unter den Füßen.

Er glitt an einem der Riesen vorbei. Das Rauschen und Plätschern des Regens war so laut, dass kaum ein anderes Geräusch zu hören war. Roberto bemühte sich, etwas ruhiger zu atmen. Seine Nerven waren angespannt wie Klaviersaiten. Es kribbelte ihn in den Fingern.

Er war mit Mel Kowalski auf diesem Gelände, und er würde alles daransetzen, dass der Vertragskiller des „Black Friday“ von hier nicht ungeschoren davonkam.

Der Mord an Fatty Booger – und mochte der Himmel wissen, wie viele Menschen bei diesem Anschlag noch das Leben verloren hatten – sollte das letzte Kapitalverbrechen gewesen sein, das Mel Kowalski im Auftrag der Mafia verübt hatte.

Roberto schlich am rechten Vorderrad eines riesigen Trucks vorbei. Der schwarze Pneu reichte ihm bis an die Schultern.

Er ging leicht in die Hocke und versuchte sich auf ein Geräusch zu konzentrieren, das ihm die Position des Mörders verriet. Zwei Möglichkeiten gab es. Entweder Mel Kowalski ahnte nicht, dass jemand hinter ihm her war, dann würde er das Areal vermutlich nur durchqueren, um auf der anderen Seite in seinen wartenden Wagen zu steigen und abzuschwirren – oder Kowalski wusste, dass er jemanden auf seinen Fersen hatte, dann würde er sich hier verbergen, sich zuerst seines Verfolgers entledigen und erst anschließend flüchten.

Was traf zu?

Auf diese Frage wollte sich Roberto Tardelli schnellstens eine Antwort verschaffen.




14


Kowalski war mit sich und seiner perfekten Leistung bis in die Seele hinein zufrieden. Was er hier fast mühelos auf die Beine gestellt hatte, das sollte ihm erst mal ein anderer Killer von „Black Friday“ nachmachen. Sergio Patana würde von der Art, wie er seinen Auftrag erledigt hatte, begeistert sein, und wenn Patana begeistert war, dann machte er zumeist ein paar Dollar mehr locker. Gewissermaßen als Prämie für besonders zufriedenstellende Arbeit.

Nachdem der Mörder genug gesehen hatte – er sog den Anblick der Katastrophe wie ein Schwamm in sich auf –, setzte er sich schleunigst ab.

Als er den Maschendrahtzaun erreichte, den er überklettern musste, bemerkte er einen Mann, der denselben Weg hatte wie er. Das ließ in Kowalskis wachem Unterbewusstsein augenblicklich die Alarmklingel ertönen.

Da ist einer hinter dir her!, schoss es ihm durch den Kopf. Verdammt!

Zorn wallte in ihm auf.

Er jagte auf die Trucks zu und verschwand gleich darauf zwischen ihnen. Hastig wandte er sich um. Der andere überkletterte den Zaun ebenfalls, und er war verflucht schnell. Ein wendiger Kerl. Kraftvoll und elastisch. Dunkelhaarig. Südländischer Typ! Zum Henker. Ihm fiel der Name Roberto Tardelli ein! Unwillkürlich überzog sich Kowalskis Körper mit einer Eisschicht.

Er hatte keine Angst vor der Polizei. Er fürchtete keine FBI-Agenten, und Privatdetektive kümmerten ihn fast gar nicht. Nur wenn er den Namen Roberto Tardelli hörte, krampfte sich ihm jedes Mal der Magen zusammen. Er hatte zwar keine Angst vor Tardelli, das nicht, aber er witterte instinktiv, dass dies der einzige Mann war, der ihm effektiv gefährlich werden konnte. Einer, über den er stolpern könnte, wenn er nicht höllisch aufpasste.

Tardelli war für jeden Mafioso ein rotes Tuch.

Seine Erfolge trieben den Dons den Schaum auf die Lippen.

Mel Kowalski hatte geahnt, dass ihm dieser Bursche eines Tages begegnen würde, und dann würde sich entscheiden, wer von ihnen beiden der bessere Mann war. Dann würde es sich erweisen, ob Roberto Tardelli tatsächlich so gut war wie sein Ruf.

Eines Tages. Insgeheim hatte Mel Kowalski gehofft, dass diese gefährliche Konfrontation noch lange auf sich warten lassen würde.

Doch nun war sie da, und Kowalski war entschlossen, diese Begegnung nicht nur zu überleben, sondern gleichzeitig auch dafür zu sorgen, dass Roberto Tardelli ins Gras biss.

Jetzt, wo sich die Möglichkeit zu einer Entscheidung bot, war Mel Kowalski nicht traurig darüber. Je eher er mit der Legende Roberto Tardelli aufräumte, desto früher wurde er sein unterschwelliges Solo-Trauma los.

Der Killer schob das Gewehr, das er benützt hatte, um vier Menschen ins Jenseits zu befördern, unter den Truck, hinter dem er sich verbarg. Dann zog er einen Colt Python, 357 Magnum. Schwer lag die Waffe in seiner Hand. Er zog sich im Krebsgang weiter in die Dunkelheit zurück.

Sein Vorteil war, dass er Roberto Tardelli kommen lassen konnte.

Und da kam er schon. Mit langen, federnden Sätzen ...




15


Roberto tauchte unter dem mächtigen Laster durch und gewahrte in derselben Sekunde eine vage Bewegung in der Dunkelheit. Das Wissen um Kowalskis enorme Gefährlichkeit ließ es ihm angeraten erscheinen, darauf sofort zu reagieren. Hier hatte er es mit keinem Waldläufer zu tun, der eben erst in das Geschäft hineingerochen hatte, sondern mit einem Gegner, der ihm durchaus ebenbürtig war.

Der COUNTER CRIME-Agent zuckte zur Seite.

Genau im richtigen Augenblick, denn Mel Kowalski hatte seine Waffe Feuer speien lassen. Die Kugel verfehlte Roberto nur knapp, hämmerte in den Truck-Rumpf und richtete da einigen Schaden an.

Der Mafiajäger wechselte blitzschnell seine Position und erwiderte das Feuer. Kowalski zog sich zurück. Er ballerte aus der Defensive, ließ sich von Roberto Tardelli jedoch niemals in die Enge treiben. Den Rücken hielt er sich immer frei.

Abwechselnd feuernd jagten sie über das Areal.

Kowalski versuchte Roberto mehrmals auszutricksen, doch was auch immer er anstellte, der Mafiajäger durchschaute die Absicht rechtzeitig und konterte eiskalt, wodurch Mel Kowalski zweimal in arge Bedrängnis kam.

Das machte den Killer wütend.

Er lockte Roberto näher an sich heran und versuchte dann unvermittelt und tödlich zuzuschlagen, doch der CC-Agent parierte die Attacke und holte gleich darauf zum gefährlichen Gegenschlag aus.

Die beiden kampferprobten Männer lieferten einander ein höllisches Feuergefecht, dessen Ausgang für jeden offen stand. Eine einzige Kugel konnte alles entscheiden, doch keinem gelang es, diesen wichtigen Treffer anzubringen.

Schwarze Umrisse tauchten zwischen dicken Zwillingsrädern auf.

Roberto zog sofort den Stecher seiner Waffe durch. Brüllend entlud sich die Luger und bäumte sich gleichzeitig auf.

Der Mafiajäger glaubte erkennen zu können, wie der Gegner heftig zusammenzuckte.

Getroffen?

Roberto hörte Mel Kowalski kurz stöhnen. Die schwarzen Umrisse verschwanden. Versuchte der Killer sich abzusetzen, weil er verletzt war? Weil ihm Robertos Kugel zu schaffen machte? Weil er wusste, dass er Roberto angeschossen unterlegen war?

Roberto huschte durch den Regen und erreichte die Zwillingsräder, neben denen Kowalski gestanden hatte. Auf einem der beiden Pneus glänzte ein dunkler Fleck. Roberto tastete mit den Fingerspitzen danach. Feucht Klebrig.

Blut!

Mel Kowalskis Blut!

Robertos Herz schien mit einem Mal hoch oben im Hals zu schlagen. Nun war es gewiss, dass er getroffen hatte. Nur wie schwer war der Killer verletzt? Es musste ihn an der Schulter erwischt haben. Nur ein Streifschuss? Oder saß die Kugel tiefer?

Robertos sichernder Blick suchte den Gegner. Ihm war klar, dass er sich jetzt keine Unvorsichtigkeit leisten durfte, denn ein angeschossener Mel Kowalski war doppelt gefährlich.

Lautlos schlüpfte Roberto Tardelli unter den Trucks hindurch. Er blieb immer wieder kurz stehen, um zu lauschen. Nichts. Kein Lebenszeichen mehr von Kowalski. Fast schien es, als hätte sich der Vertragskiller von „Black Friday“ in Luft aufgelöst.

Polizeisirenen in der Ferne.

Feuerwehrwagen kamen mit lauten Signalen angerast.

Plötzlich ein Schuss.

Roberto kreiselte wie von der Tarantel gestochen herum. Der Schuss hatte nicht ihm gegolten. Er war am anderen Ende des Geländes abgegeben worden. Roberto glaubte zu wissen, was das zu bedeuten hatte. Er fing zu laufen an, rannte, so schnell er konnte. Es quälte ihn der Gedanke, dass er zu spät kommen würde. Kowalski hatte sich klammheimlich abgesetzt und das Schloss einer Truck-Tür aufgeschossen. Jetzt brachte er den Motor in Gang. Ein donnerndes Grollen flog über das Areal.

Zehn Laster standen noch zwischen Roberto Tardelli und dem Truck, in dem Mel Kowalski hockte.

Der CC-Agent forcierte sein Tempo. Mit brennenden Lungen jagte er durch den Regen. Verbissen kämpfte er um den Sieg. Kowalski durfte ihm nicht entkommen, sonst ging die wilde Jagd weiter – und niemand konnte sagen, wie viele Menschen diesem eiskalten Killer noch zum Opfer fallen würden.

Der Truck, in dem der Mörder saß, machte einen kraftvollen Sprung vorwärts. Mit dröhnender Maschine rollte das schwere Fahrzeug auf das geschlossene Tor zu. Von Sekunde zu Sekunde wurde der Laster schneller. Roberto versuchte das Fahrzeug mit einer Kugel zu stoppen. Er schaffte es nicht. Mit pochenden Schläfen schob er die leer geschossene 38er in die Schulterhalfter.

Er mobilisierte sämtliche Kraftreserven.

So schnell war er in seinem ganzen Leben noch nicht gerannt. Er wollte nicht wahrhaben, dass sich das Glück auf Mel Kowalskis Seite geschlagen hatte. Er redete sich ein, immer noch eine Chance zu haben.

Mit verkrampften Gesichtszügen hetzte er hinter dem Truck her.

Das Fahrzeug erreichte in diesem Augenblick das große Eisentor. Jetzt kam der Aufprall. Blech kreischte. Eisen knirschte. Das Tor wurde von dem riesigen Laster aus der Verankerung gerissen und scheinbar mühelos niedergewalzt.

Roberto blieb nicht stehen.

Wenn er wenigstens das Heck des Trucks erreichte ... Dann konnte er die Fahrt mitmachen und die Entscheidung zu einem späteren Zeitpunkt erzwingen.

 

Der donnernde Truck verließ das Gelände.

Die Distanz zwischen Roberto Tardelli und dem mächtigen Fahrzeug vergrößerte sich mit jeder Radumdrehung. Roberto rannte so lange, bis es für den größten Optimisten offensichtlich war, dass es hier keine Aussicht mehr auf Erfolg gab. Erst dann blieb er ausgepumpt und zähneknirschend stehen und konnte die Wut. die in seinen Eingeweiden nagte, kaum Unterdrücken.

Nur höchst widerstrebend fand er sich damit ab. dass es Mel Kowalski geschafft hatte.

Der Regen rann ihm in Strömen übers Gesicht. Er merkte es nicht. Er dachte an den Killer und daran, dass er ihm eines Tages wieder begegnen würde. Dann würde er dafür sorgen, dass es Mel Kowalski nicht mehr schaffte!