Umgelegt vom Killer: Krimi Koffer 9 Romane

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18


Draußen goss es Bindfäden und obwohl sie sich ziemlich beeilten, in den Wagen zu kommen, bekamen sie eine kräftige Dusche mit.

"Scheißwetter!", schimpfte Thomas, als er endlich auf dem Beifahrersitz saß.

Katja ließ den Wagen an und fuhr los.

"Thomas, ich hab mir überlegt, dass es nicht schlecht wäre, wenn wir eine Weile verreisen bis Gras über die Sache gewachsen ist oder... ich weiß auch nicht!"

Thomas drehte indessen am Autoradio herum.

"Die bringen auch nur noch Mist!", murmelte er und schaltete schließlich ab.

Jetzt wurde Katja zornig.

"Sag mal, hörst du mir eigentlich zu?"

"Natürlich höre ich dir zu! Du willst mit mir verreisen. Aber wie stellst du dir das überhaupt vor? Soll ich das Geschäft vielleicht sich selbst überlassen? Die Konkurrenz ist hart, da ist man ganz schnell weg vom Fenster, kaum das man sich versieht!"

"Der Kalli...."

"Ach, der Kalli!"

"Der Kalli ist doch dein Freund! Dem kannst du doch trauen! Und den Laden schmeißt der auch alleine. Wenigstens für eine Weile!"

Er sah zu ihr hinüber.

"So, meinst du?"

"Ja, meine ich!", äffte Katja ihn nach.

Es entstand eine unbehagliche Pause. Katja fuhr nervös.

Eigentlich war sie eine gute Fahrerin in, aber jetzt war sie mit den Gedanken nicht dabei. Ein BMW-Fahrer, dem sie die Vorfahrt abschnitt reagierte mit Hupen und Vogelzeigen.

"Kommt nicht in Frage!", sagte Thomas plötzlich sehr bestimmt.

"Wie bitte?"

"Ich sagte: Das kommt nicht in Frage! Einfach alles stehen und liegen zu lassen , das... Nein! Dafür habe ich nicht all die Jahre gearbeitet, dass nun alles den Bach runtergeht!"

"Wer sagt denn, dass es den Bach runtergeht?"

"Ich sage das!"

"Thomas..."

"Der Kalli ist ein netter Kerl und ein guter Kfz-Mechaniker. Aber nur ein mittelmäßiger Geschäftsmann. Mit seinem eigenen Geld kann er auch nicht umgehen, warum sollte es ihm mit meinem Geld da besser gehen... Nein, das kommt überhaupt nicht in Frage! Ich werde nicht einfach so den Schwanz einkneifen!"

"Ach! Aber dich abknallen lassen, das findest du nicht so schlimm! Was glaubst du, wie lang er das nächste Mal warten wird? Und was er sich dann ausgedacht hat, um dich zur Stecke zu bringen?"

"Totgesagte leben länger, wusstest du das nicht?", sagte Thomas sarkastisch..

"Quatschkopf!"




19


Thomas ging unruhig vor dem Küchenfenster auf und ab. In unregelmäßigen Abständen zog er die Gardine ein Stück zur Seite und schaute hinaus auf die Straße. Katja kam herein und nippte an ihrer Kaffeetasse.

"Du schleichst hier herum, wie... wie ein Raubtier in seinem Käfig."

"Hm."

Er blickte hinaus und schien völlig abwesend. Der Regen pladderte gegen die Scheibe.

Katja fragte: "Meinst du, das bringt was, dauernd aus dem Fenster zu starren?"

"Er wird kommen...", murmelte Thomas.

"Und darauf wartest du jetzt?"

Er zuckte mit den Achseln.

"Was soll ich machen?"

"Vielleicht überlegst du das mit der Reise nochmal!"

"Und was kommt danach?" Thomas schüttelte den Kopf. "Das bringt doch alles nichts!"

Katja stellte die Kaffeetasse ab. Der Löffel, der darinsteckte, machte dabei ein schepperndes Geräusch.

Zweimal holte sie Luft und setzte an. Aber erst beim drittenmal hörte sie sich selbst sagen: "Ich habe übrigens die Sportpistole von Vater gefunden."

Er wirbelte herum.

"Was?"

"Ja, beim Aufräumen. Ganz zufällig. Sie lag noch bei dem anderen Zeug, das wir vor zwei Jahren geerbt haben."

Thomas schluckte und kratzte sich hinter dem Ohr.

"Na, und?", knurrte er.

Katja trat nahe an ihn heran.

"Ich frage mich, warum du mich anlügst! Woher kommt die Waffe, die du jetzt bei dir trägst?"

Thomas hob die Hände und blickte zur Seite.

"Ich habe sie mir halt besorgt." Seine Hände wanderten jetzt in die Hosentaschen und beulten sie aus. "Was ich brauche ist kein Spielzeug, sondern etwas, das mannstoppend wirkt, wie es so schön heißt!", rechtfertigte er sich dann ein bisschen zu schroff.

Katja dachte nicht daran, sich mit irgend etwas abspeisen zu lassen.

"Und warum hast du mir erst was anderes erzählt?", fragte sie kühl.

"Herrgott, ist das jetzt wichtig?"

"Was weiß ich!" Sie sah ihn an. „Warum vertraust du mir nicht?"

Er legte den Arm um sie. Aber sie blieb steif und etwas abweisend. "Ich vertraue dir doch!", behauptete er ohne Überzeugungskraft. "Wie kannst du so was nur sagen! Du bist die einzige, der ich bisher erzählt habe, was ich früher so... gemacht habe."

Er zog die Hand wieder von ihrer Schulter.

"Ich habe das Gefühl, dass da noch etwas ist!", sagte sie bestimmt.

Ein Geräusch, das halb Lachen halb verlegenes Husten war, drang über Thomas' Lippen. "Und was sollte das zum Beispiel sein?", fragte er.

Ihre Augen musterten ihn kühl.

"Du kennst den Mann auf dem zweiten Foto, nicht wahr?"

"Wie kommst du denn darauf?"

"Ich hab's dir angesehen."

"Ach, ja?"

Sie nickte bekräftigend.

"Schon im ersten Moment, als ich es dir gezeigt habe... Ist - ich meine war - er auch einer von diesen Stasi-Leuten?"

Thomas seufzte.

"Wir wissen nicht mit Sicherheit, dass er tot ist. Bei dem ersten schon, das war deutlich zu sehen... Aber bei dem anderen..."

"Also gehörte er auch dazu!"

"Ja."

"Und warum muss man dir das so aus der Nase ziehen?"

"Ist doch meine Nase, oder? Und es ist doch wohl verflixt noch mal auch mein Kopf, um den es hier geht, nicht wahr?"

Es entstand eine unbehagliche Pause. Thomas blickte zum Fenster und verschränkte die Arme vor der Brust. Katja trat an ihn heran und berührte ihn leicht am Unterarm. Er reagierte nicht.

"Du bist wohl ziemlich mit den Nerven am Ende, was?", sagte sie tonlos.

Er drehte leicht den Kopf in ihre Richtung.

"Du etwa nicht?"

"Doch, sicher."

"Das ist ja auch verdammt noch mal kein Wunder!" Seine Stimme wurde versöhnlicher. "Komm her!", sagte er und nahm sie in den Arm. Diesmal schmiegte sie sich an ihn und erklärte: "Wir werden das schon durchstehen. So oder so."

Er strich ihr über das Haar und nickte leicht.

"Sicher werden wir das!"

"Ich habe versucht, ein paar Tage Urlaub zu kriegen, aber das ist unmöglich. Bei uns sind drei Leute krank..."

Thomas lächelte.

"Macht doch nichts! Katja, wir sollten versuchen, unser Leben so weiterzuleben, wie wir es sonst auch getan hätten!"

"Viel verlangt!", meinte Katja dazu.

"Zu viel?"

"Ich weiß nicht..."




20


Am nächsten Tag tauchte Bremshey in der Firma auf. Thomas Hansen war alles andere, als erfreut darüber, als der Kripo-Beamte in das Büro schneite.

 

"Guten Tag, Herr Hansen!" Bremshey klopfte seinen nassen Regenmantel ab. Draußen goss es wie aus Eimern. Der Wetterbericht verhieß Sturm.

Hansen verzog das Gesicht und blickte von den ungeordneten Bergen von Belegen auf, aus denen er so etwas wie eine Buchhaltung zu machen versuchte.

"Guten Tag, Herr Kommissar!", sagte er reserviert. "Machen Sie bitte die Tür richtig zu. Es zieht!"

Bremshey kümmerte sich nicht um die Anweisungen seines Gegenübers, sondern stand einfach da und blickte auf Hansen herab.

Die Tür fiel indessen von allein zu und machte dabei ein unangenehmes, schepperndes Geräusch.

"Ich habe von Ihrem... Unfall gehört", murmelte Bremshey, dann, während er noch einen Schritt näher kam. Er sagte das mit einem ganz bestimmten Unterton, der Thomas Hansen nicht gefiel.

Thomas zog die Augenbrauen hoch.

"Na, und?"

"Warum haben Sie sich nicht mit mir in Verbindung gesetzt?" Bremshey blickte Hansen direkt an, aber dieser wich aus und schaute zur Seite.

"Warum hätte ich das tun sollen?", fragte der, wobei er ganz leicht mit den Schultern zuckte.

Bremshey hob die Arme, bepladderte dabei mit seinem nassen Mantel die Belege und schüttelte dann verständnislos den Kopf.

"Da will Sie offenbar einer umbringen und das gehört in mein Gebiet", erklärte er.

Thomas Hansen lächelte dünn.

"Ich wäre sicher noch auf einen Sprung zu Ihnen gekommen."

"Nein, wären Sie nicht."

Der Ton, den Bremshey jetzt anschlug, war eisig. Thomas Hansen schluckte.

"Na, hören sie mal, was erlauben Sie sich!", rief er, wirkte aber schwach dabei.

Bremshey blieb provozierend ruhig.

"Ich weiß nicht, was für Dreck Sie am Stecken haben, oder wer Sie unter Druck setzt...", begann er dann gedehnt. Weiter kam er nicht.

Thomas ließ gereizt die flache Hand auf den Tisch donnern.

Das ließ ein paar Belege auf den Boden segeln.

"Mich setzt niemand unter Druck! Niemand, haben Sie mich verstanden?"

Bremshey seufzte.

"Zumindest laut genug war's ja", versetzte er.

Thomas hob den Zeigefinger und richtete ihn auf sein Gegenüber, als wäre es der Lauf einer Pistole.

"Hören Sie", schimpfte er, "ich weiß Ihre Bemühungen ja zu schätzen..."

"Nein, Herr Hansen. Das wissen Sie eben nicht!", unterbrach der Kommissar hart. "Sie spielen mit dem Feuer! Verbrennen Sie sich nicht!"

"Keine Sorge!", zischte Thomas.




21


Der Regen hatte aufgehört, aber der graue Himmel verhieß keine Besserung.

Katja setzte ihren Golf auf den Hof, stieg aus und ging eilig zur Haustür. Unter dem Arm trug sie eine Plastiktüte vom Supermarkt. Die Tragelaschen waren gerissen und unten hatte sich bereits die scharfe Kante eines Joghurtbechers durch das weiche Plastik geschnitten.

Katja fingerte mit einiger Mühe einhändig den Haustürschlüssel ins Schloss und bekam am Ende sogar die Tür auf, die man beim Aufschließen anziehen musste.

Sie trat ein, trat mit der Hacke die Tür zu und hatte auf einmal das Gefühl, dass schon jemand in der Wohnung war.

Irgend ein Geräusch hatte sie stutzen lassen - nur einen Sekundenbruchteil lang, aber es reichte aus.

"Thomas?", rief sie und blickte dabei auf den Fußabdruck auf dem Teppich. Ja, das sah ihm ähnlich! "Bist du schon zurück? Ich bin heute etwas früher!"

Sie bekam keine Antwort und ging in die Küche, wo sie die Tüte auf dem Tisch abstellte.

"Thomas?", fragte sie noch einmal.

Sie hörte Schritte und wirbelte herum.

In der Küchentür stand eine Gestalt, deren Gesicht von einem Motorradhelm verdeckt wurde. Es musste der Kerl sein, den Katja durch das Küchenfenster hatte davonfahren sehen, als auf Thomas geschossen worden war.

"Keine Bewegung", zischte eine dumpfe, sonore Stimme und Katja blickte in blanken Lauf einer Pistole. "Kommen Sie!", forderte er.

"Was haben Sie vor?"

"Tun Sie einfach, was ich sage! Kommen Sie mit ins Wohnzimmer! Gehen Sie langsam vor mir her!"

Katja gehorchte. Der Puls schlug ihr bis zum Hals. Sie schluckte und fühlte einen Kloß im Hals.

"Setzten Sie sich ganz ruhig in den Sessel dort!", wies der Mann sie an, als sie das Wohnzimmer betraten Sie setzten sich.

Der Mann legte einen Fuß auf den niedrigen Wohnzimmertisch, während Katja die schweißnassen Hände zwischen die Beine presste.

Sie atmete einmal heftig und hörte sich dann fragen: "Wer sind Sie?"

Sie blickte zu ihrem gesichtslosen Gegenüber auf.

"Was soll ich Ihnen darauf antworten? Auf jeden Fall ein recht guter Schütze - wenn auch vielleicht nicht ganz so gut, wie Ihr Mann! Aber ich kann mit diesem Ding hier umgehen, darauf können Sie sich verlassen!

Katjas Gedanken ordneten sich wieder einigermaßen. Den ersten Schock hatte sie hinter sich.

"Sie... wollen meinen Mann töten?", erkannte sie glasklar.

Sie rutschte auf dem Sessel nach vorn.

"Ich habe gesagt, Sie sollen sich setzen und mir nicht noch dumme Fragen stellen!"

Katja sah, dass er die Pistole angehoben hatte und lehnte sich wieder zurück. Er schien ziemlich nervös zu sein.

"Zufrieden?", fragte sie.

Er nickte.

"Ja, so ist es gut."

"Warum machen Sie das? Warum haben Sie auf meinen Mann geschossen und uns diese Fotos geschickt? Das waren doch Sie, oder?"

"Hat Ihr Mann Ihnen das nicht erklärt?"

"Ich... Ich weiß jetzt nicht so recht, was Sie meinen..."

Ein heiseres Lachen kam dumpf unter dem Helm hervor.

"Dachte ich es mir doch."

"Was dachten Sie sich?"

"Er ist ein feiger Hund."

"Thomas?"

"Ja, Ihr Thomas."

Es entstand eine Pause. Im Hintergrund tickte die Wohnzimmeruhr vor sich hin. Tick, tack... Katja machte das rasend.

Nur ruhig bleiben!, sagte sie sich. Ruhig bleiben und nicht den Kopf verlieren.

Tick, tack...

Zeit gewinnen! Irgendwie musste sie Zeit gewinnen. Er schien sich noch nicht im Klaren darüber zu sein, was er mit ihr anfangen sollte. Er hatte wohl nur mit Thomas gerechnet und eigentlich wäre sie jetzt ja auch noch nicht zu Hause gewesen.

Wenn er Thomas umbringt, dann wird er mich kaum am Leben lassen können!, überlegte sie.

Sie fragte sich, warum er es dann noch nicht getan hatte.

Vielleicht wollte er einfach nicht, dass man jetzt schon ein Schussgeräusch hören konnte.

"Haben Sie die Männer auf den Fotos auch... auch umgebracht?", fragte sie mit zitternder Stimme, die aber mit jedem Wort sicherer wurde.

"Halten Sie einfach den Mund, ja?"

"...und wenn Thomas gleich zurückkommt, dann soll ich in aller Ruhe mit ansehen, wie er eine Kugel von Ihnen bekommt? Das haben Sie doch vor, oder?"

Er zuckte die Achseln.

Schließlich sagte er nach kurzer Pause: "Es tut mir leid, dass ich Sie da hineinziehen musste. Es tut mir leid, aber ich kann nichts dafür. Normalerweise sind Sie um diese Zeit nicht zu Hause!"

"Ich weiß... Wie sind Sie überhaupt hier hereingekommen?"

"Durchs Klofenster. Es war abgeklappt."

"Ja, das war Marc. Ich habe ihm schon dutzendmal gesagt..."

"Ihr Sohn ist noch mindestens zwei Stunden weg. Handballtraining...

Katja atmete tief durch.

"Sie wissen sehr gut Bescheid."

"Ja, ich habe mich informiert! Und Hansen - also ich meine Ihr Mann - hat Ihnen bestimmt nichts gesagt? Über die Fotos zum Beispiel?"

"Er hat mir gesagt, dass er für die Stasi... Aufträge ausgeführt hat. Früher, meine ich. Schon lange her..."

Sie sah, wie der Motorradhelm sich hob und senkte.

"Ja, richtig."

"Hören Sie, mein Mann hat wirklich nicht vor, Ihnen irgendwie zu schaden! Ihnen oder Ihrem Auftraggeber!"

"Was Sie nicht sagen!"

"Für ihn sind die alten Zeiten vorbei - aus und vergessen. Und er will nichts, als sein Geschäft betreiben und ein ganz normales Leben führen..."

"Ein ganz normales Leben", unterbrach er sie mit einem zynischen Unterton. "Schön haben Sie das gesagt! Wirklich schön!"

Katja hob die Arme und beugte sich erneut etwas vor, worauf der Mann mit dem Helm diesmal allerdings nicht weiter reagierte.

"Sie müssen mir glauben!", rief sie.

Wieder ein heiseres Lachen.

"Ich kann mir gut vorstellen, dass er die alten Zeiten gerne vergessen würde. Oder vielleicht sogar schon vergessen hat."

Katja begriff nicht.

"Na, dann ist doch alles in Ordnung oder?", meinte sie. "Er verlangt auch kein Geld oder so..."

Jetzt war er es, der sich vorbeugte. Er nahm den Fuß vom Tisch und auf einmal war ein seltsames Vibrieren in seiner Stimme.

"Hören Sie, Ihr Mann mag alles vergessen haben aber ich, ich kann es nicht vergessen!", zischte er. "Niemals!"

"Ach, so ist das", murmelte Katja, so als ob sie verstanden hätte, was er meinte.

Er nickte leicht.

"Ja, so ist das!", fauchte er.

Sie nahm einen erneuten Anlauf, denn um keinen Preis wollte sie das Gespräch abreißen lassen. Aus den Augenwinkeln heraus blickte sie zur Uhr. Thomas musste jeden Moment kommen.

"Sie sind ein Ossi, nicht wahr?", fragte sie. "Ich meine, ich wollte sagen, also... Ein Bürger aus den fünf neuen Bundesländern?"

Kopfschütteln.

"Nein. Ich war noch nie dort."

"Was?"

"Ihr Mann scheint Ihnen nicht alles gesagt zu haben."

"Sind Sie kein Ex-Stasi-Mann?"

"Ich?"

"Ja, sicher!"

Er lachte. "Nein, ich bestimmt nicht", murmelte er dann kopfschüttelnd.

Katja war wie vor den Kopf gestoßen.

"Aber..."

"Ich möchte, dass Sie sich Folgendes vorstellen!" forderte er und wieder vibrierte seine Stimme. Er atmete schneller, als er leise fortfuhr: "Ein kleiner Junge, vielleicht vier Jahre alt, betritt die Wohnung seiner Eltern. Er kommt vom Spielen, den Ball hat er noch unter dem Arm. Er ist hingefallen und hat das Knie blutig und nur deshalb ist er jetzt hier." Er schnappte nach Luft und machte eine Pause. Dann schluckte er. "Können Sie mir folgen?"

"Ja", sagte Katja fast tonlos. "Erzählen Sie mir, wie es weitergeht..."

"Der Junge kommt in die Wohnung. Die Tür steht auf. Er sieht seine Eltern, beide liegen auf dem Boden tot. Und daneben steht ein großer Mann mit einer sehr langen Pistole. Er sieht den Jungen an und der Junge sieht ihn an. Dann geht der Mann an ihm vorbei, verlässt die Wohnung und verschwindet."

Das Schweigen, das dann den Raum erfüllte war unangenehm und drückend. Und im Hintergrund ging immer noch die Uhr.

Unablässig ging das Pendel hin und her. Katja dachte unwillkürlich an ein Fallbeil.

"Der Junge - das waren Sie?", fragte sie.

Er nickte.

"Sie dürfen dreimal raten, wer der Mann mit der Pistole war!"

Katja hob die Augenbrauen.

"Thomas?

"Ja."

"Sie... Sie täuschen sich bestimmt!"

"Nein, ich täusche mich nicht", erklärte er. "Ich habe Jahre gebraucht, um herauszufinden, was damals geschehen ist. Aber seit es die Mauer nicht mehr gibt, ist alles etwas leichter geworden... Der Mann auf dem ersten Foto, das war der Stasi-Offizier, von dem Ihr Mann seine Aufträge erhielt!"

 

"Aufträge?", erkundigte sie sich und ihre Augen wurden schmal dabei.

"Ja, insgesamt sieben", bestätigte er. "Sieben Menschen, die er umgebracht hat. Politische Gegner, die in den Westen geflohen waren, Überläufer, was weiß ich... Missliebige eben.“

"Das wusste ich nicht."

"Sie haben geglaubt, dass Ihr Mann nur ein paar Panzer fotografiert hat, was? Nein, er hatte ganz spezielle Aufgaben. Aber er wird dafür bezahlen!"

"Mein Gott... Können wir uns nicht irgendwie einigen? Ich meine..."

Der Helm hob sich ein wenig. Katja blickte in ihr eigenes Spiegelbild.

"Einigen?", fragte er höhnisch.

"Geld, vielleicht. Unsere Firma geht gut, da..."

"Vergessen Sie's!"

"Wie, bitte?"

"So etwas lässt sich nicht mit Geld regeln. Das ist ausgeschlossen. Ich sehe jede Nacht diesen Mann vor mir, mit seiner Pistole. Können Sie sich vorstellen, wie das ist? Können Sie das?"

"Wahrscheinlich nicht", gab Katja zu und dachte gleichzeitig fieberhaft nach. "Wenn Sie so sehr von der Schuld meines Mannes überzeugt sind - weshalb gehen Sie dann nicht zur Polizei, anstatt hier mit einer Pistole aufzutauchen?“

Er schüttelte den Kopf.

Sein Ton wurde bitter.

"Das ich nicht lache! Wissen Sie, wie viel man auf die Erinnerung eines Vierjährigen gibt? Nein, das würde nur im Sande verlaufen. Ihr Mann war Profi. Er hat seine Sache gut gemacht. Es dürfte schwer sein, heute noch Beweise beizubringen, die ein Gericht akzeptieren könnte!" Er machte eine Pause. Dann fragte er unvermittelt: "Ist Ihr Mann eigentlich bewaffnet?"

"Nein", sagte Katja.

"Soll ich das glauben?"

"Glauben Sie, was Sie wollen! Er hat eine Pistole. Aber nicht bei sich. Soll ich sie Ihnen zeigen?"

Der Mann zögerte und schien einen Moment lang nachdenken zu müssen.

Dann nickte er schließlich langsam, aber bestimmt.

"Ja."

Er fuchtelte mit der Pistole hin und her. Katja erhob sich vorsichtig.

"Seien Sie ja vorsichtig mit dem Ding, hören Sie?", murmelte sie.

"Lassen Sie das ruhig meine Sorge sein! Wo ist die Waffe?"

"In der Küche."

"Versuchen Sie keine Tricks, ja? Es würde Ihnen schlecht bekommen!"

Er ließ Katja vor sich her gehen.

"Werden Sie mich nicht ohnehin töten?", fragte sie, als sie die Küche erreicht hatten.

"Warum sollte ich?"

Plötzlich klang Katjas Stimme sehr stark und bestimmt.

"Das sagen Sie nur, um mir Hoffnung zu machen!", stellte sie kühl fest.

"Ich sage, weil es die Wahrheit ist. Außerdem habe ich einen ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit. Ihr Mann hat den Tod verdient, sogar mehr als das! Aber sie haben damit nichts zu tun."

"Aber ich wäre eine Zeugin."

"Wirklich?" Er lachte. "Was wissen Sie von mir? Nichts. Ihr Mann war Profi, aber ich werde nicht weniger geschickt vorgehen. Wo ist jetzt die verdammte Pistole?

Katja öffnete eine Schublade. "Hier!", sagte sie.

"Finger weg!", fauchte er. „Das ist ein ziemlich altes Ding, was?"

Da klang so etwas wie Zweifel mit und deshalb beeilte sich Katja zu sagen: "Er hat sie auch ziemlich lange nicht mehr gebraucht!"

Er wandte den Kopf zu ihr. Vielleicht musterte er sie.

Katja sah den blicklosen Helm fest an und hoffte, dass man ihr glaubte.

"Sie wollen mich wohl für dumm verkaufen, was?", kam es ihr kalt entgegen.

"Das würde ich nie wagen!"

"Ach, nein?"

"Nicht solange Sie mit Ihrer Waffe vor meinem Gesicht herumfuchteln!"

Er nahm die Waffe in die Linke und hielt sie Katja entgegen.

"Das ist eine Sportpistole!", stellte er fest. "Ich will ja nicht bestreiten, dass man damit nicht auch jemanden umbringen kann, aber..."

Er richtete den Lauf auf Katja und bohrte in dann schmerzhaft in ihren Hals. Vielleicht fünf volle Sekunden lang machte er das. Katja wagte nicht einmal zu schlucken.

Dann nahm er das Eisen wieder weg und schüttelte den Kopf.

"Sie haben gefragt, ob Thomas eine Waffe bei hat", sagte sie dann so ruhig sie eben konnte. "Und ich habe Sie Ihnen jetzt gezeigt. Mehr kann ich dazu nicht sagen."

"Ja, ja... Die Rolle des Unschuldslamms, die steht ihnen prächtig!", versetzte er zynisch.

"Mein Gott, was erwarten Sie denn von mir?"

"Schon Gut. Gehen wir wieder ins Wohnzimmer."

Er wandte ein wenig den Kopf und dann ging alles sehr schnell.

Ein Ruck ging durch seinen Körper. Er wollte die Rechte hochreißen, aber es war zu spät.

Zwei Schüsse kurz hintereinander abgefeuert trafen ihn im Oberkörper, rissen ihn nach hinten und ließen ihn dann der Länge nach zu Boden schlagen. Blut sickerte auf den kalten Kachelboden in der Küche.