Die Großmeister des Mordes: Alfred Bekker präsentiert 12 Strand Krimis

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9

"Gute Arbeit!", gratulierte uns Jonathan D. McKee, der Chef des FBI-Field Office New York am nächsten Morgen.

Wir saßen zur Dienstbesprechung in seinem Büro. Außer Milo und mir waren noch Orry, Clive und Fred LaRocca anwesend.

"Wie geht's der Geisel?", fragte ich.

"Physisch hat sie kaum Schäden davongetragen - wie die seelischen Folgen aussehen, wird sich erst noch zeigen", berichtete Mister McKee.

"Sie hatte verdammt viel Glück, mit heiler Haut davongekommen zu sein", kommentierte Orry.

Mister McKee nickte. Er legte ein ziemlich dickes Dossier auf den Tisch, auf dem bislang nur ein paar dampfende Becher mit Mandys unvergleichlichem Kaffee herumstanden.

"Max Carter und ein paar andere Innendienstler haben die ganze Nacht gearbeitet und die Kollegen im Labor waren auch nicht faul. Wir haben die Identität des Killers, den Sie gestern festgesetzt haben!"

"Wer ist es?", fragte Milo ungeduldig.

"Tony Lawson, ein Mann der zu den meistbeschäftigten und bestbezahlten Hit-men der letzten Jahre gehören dürfte."

"Er hat immer noch keinen Ton gesagt?", fragte ich.

"Nein. Er schweigt eisern. Aber wir haben seine Fingerabdrücke durch eine frühere Vorstrafe."

"Wissen wir etwas über seine Auftraggeber?", fragte Milo.

Mister McKee schüttelte den Kopf. "Lawson hütet sich natürlich davor, nur eine einzige Silbe herauszulassen, weil er fürchtet, dass seine Auftraggeber ihn dann erledigen."

"Was hat er noch zu verlieren?"

"Fragen Sie das nicht mich, Milo!"

Orry meldete sich zu Wort. "Jedenfalls muss der Auftraggeber über einiges an Kleingeld verfügen."

"Unsere Innendienstler haben sich das Computerequipment von Mark 'BigByte ' Sorello unter die Lupe genommen. Aber es kann eine Weile dauern, bis wir daraus irgendwelche Erkenntnisse ziehen können..."

"Sorello ist wohl ein Meister der Verschlüsselung", vermutete ich.

Mister McKee nickte. "Genau das ist das Problem. Immerhin gibt es inzwischen eine Liste seiner Email- und Telefonkontakte. Aber eine Gewähr auf Vollständigkeit würde ich da nicht übernehmen."

"Interessante Namen darunter?", fragte ich.

"Einige aus seiner ehemaligen Clique, zu der er offenbar immer noch Kontakt hatte. Der Mann hat bis zu 50 Emails am Tag erhalten und natürlich entsprechend viele geschrieben. Unsere Innendienstler haben erst einen Teil davon analysiert. In einigen ist von einer 'großen Sache' die Rede..."

"Was soll das sein?", fragte Milo.

"Da müssen Sie die Betreffenden schon selbst fragen - aber es könnte ein Zusammenhang zwischen dem Mord an Sorello und dieser 'großen Sache' bestehen."

"Wieso?"

"Weil immer wieder ein Datum genannt wird. Es stimmt mit Sorellos Todesdatum überein." Mister McKee ließ den Blick schweifen. "Jeder von Ihnen wird sich ein paar dieser Adressen vornehmen... Jedenfalls, soweit wir die tatsächlichen Wohnadressen der Mail-Schreiber ermitteln konnten."

Ich runzelte die Stirn. "Das ist wirklich alles, was wir bislang in Händen halten?"

"Im Wesentlichen ja", nickte Mister McKee. "Es gibt da noch eine andere Spur... Sorello hat regelmäßig E-Mails von jemandem bekommen, der sich 'The Virus' nennt."

"Ist doch ein typisches Pseudonym in der Szene", meinte Clive. "Wahrscheinlich einer aus der Clique..."

Mister McKee machte ein unbestimmtes Gesicht. "Einiges ist merkwürdig daran. Erstens kamen diese Mails über einen Server in Russland. Der Inhalt dagegen war vergleichsweise harmlos. Erotik-Photos in sehr grobkörniger Qualität..."

"Wovon Sie sich natürlich persönlich überzeugen mussten", grinste Orry.

Mister McKee ignorierte diese Bemerkung.

Sein Blick blieb vollkommen ernst. "Warum lässt sich jemand Fotos in unglaublich schlechter Qualität schicken, die er sich doch überall sonst in besserer Ausführung herunterladen könnte? Zumal jemand wie Sorello, der sich im Internet doch auskannte wie kaum einer sonst. Das Merkwürdigste ist, dass er solche Fotos auch wieder zurückgeschickt hat..."

"Fototausch", kommentierte Clive. "Das ist doch nichts Ungewöhnliches. Und in Russland eine E-Mail-Adresse anzumelden ist ein Kinderspiel. Das kann jeder."

Mister McKee nickte. "Das ist die harmlose Variante. Eine andere Möglichkeit wäre, dass Sorello Kontakt zum russischen Geheimdienst hatte, möglicherweise sogar für ihn tätig war."

"Ich dachte, seit dem Treffen Bush/Putin ist wieder Tauwetter angesagt!", meinte Clive.

"Was ja nicht bedeutet, dass nicht jede der beiden Seiten gerne über die Aktivitäten der jeweils anderen informiert ist", ergänzte Mister McKee.

10

Bruce Levonian legte den Koffer auf den Tisch, öffnete ihn und nahm eines der Bündel mit Dollarnoten an sich. Er strich mit dem Bündel an der Seite entlang.

Kleine gebrauchte Scheine...

Ein Lächeln flog über sein Gesicht.

Er steckte das Dollar-Bündel in die Innentasche seines Jacketts. Es war immer gut, etwas Kleingeld dabei zu haben.

Den Rest würde er sich ans Handgelenk ketten und damit so schnell wie möglich aus New York verschwinden.

Ein Flug nach Acapulco war schon gebucht.

Heute Abend ging es los. Non Stop ab JFK Airport. Und dann begann ein neues Leben...

Darauf hast du verdammt lange warten müssen, ging es ihm durch den Kopf. Aber er hatte im richtigen Moment zugegriffen, die Chance seines Lebens in Gestalt eines Geldkoffers genutzt.

Bruce blickte auf die Uhr an seinem Handgelenk, eine nachgemachte Rolex. In Zukunft wirst du dir eine echte leisten können!, dachte er. Genauso wie du nie wieder in heruntergekommenen Hotels wie diesem zu übernachten brauchst... Er wandte sich um und schaltete das Radio ein, das auf dem Nachttisch stand. Sein Interesse galt den Lokalnachrichten. Konzentriert hörte er zu. Was die Schießerei Bedford Street/Seventh Avenue anging, tappten das New York Police Department und das FBI offensichtlich noch im Dunkeln.

Und was Vondas Leiche auf dem Parkplatz betraf, schien auch alles in Ordnung zu sein. Es gab eine kurze Meldung darüber.

Die lokale Polizeibehörde ging davon aus, dass die junge Frau Selbstmord begangen hatte.

Und solange Vonda nicht so dumm gewesen war, irgendwelche Hinweise auf die 'große Sache' in ihrer Wohnung zu hinterlassen oder irgendein querulantisch veranlagter Angehöriger darauf bestand, würde es auch keine genauere Untersuchung geben.

Gelernt ist gelernt, dachte Bruce.

Wie viele Menschen hatte er umgebracht? Dutzende. Aber es hatte sich niemals so gelohnt wie in diesem Fall. Und dabei hatte er Vonda eigentlich ganz gern gehabt.

In diesem Moment sprang die Tür zur Seite.

Ein großer Kerl mit kantigem Gesicht und völlig kahlrasiertem Schädel stand dahinter.

Mit beiden Händen hielt er eine Maschinenpistole vom Typ Uzi, deren kurzer Lauf herumschwenkte und dann direkt auf Bruce Levonian zeigte.

Bruce wollte zu seiner eigenen Waffe greifen. Sie lag zusammen mit seinem Schulterholster und seiner Lederjacke auf dem Bett. Einen Schritt von ihm entfernt. Aber es war ein Schritt zuviel. Bruce erstarrte mitten in der Bewegung. Die Lederjacke war so über das Holster gebreitet, dass man die darin steckende Waffe nicht sehen konnte.

"Ganz ruhig!", zischte der Kahlkkopf und trat ein.

Er war nicht allein.

Ein zweiter Mann folgte ihm. Er war ziemlich schmächtig und trug eine Baseballkappe, die ihm etwas zu groß war. In der Rechten hielt er eine Automatik mit Schalldämpfer.

Bruce hob die Hände.

Der Kahlkopf tastete ihn ab, versetzte ihm dann einen brutalen Schlag mit dem Griff der Uzi.

Bruce taumelte stöhnend zurück, stolperte zu Boden und kam hart gegen den gerippten Heizkörper. Blut schoss ihm aus der Nase und rann ihm zwischen den Fingern hindurch.

"Sieh an, Bruce, so schnell sieht man sich wieder!", knurrte der Kahlkopf. Mit einem ratsch lud er die Uzi durch, richtete die sehr zierliche MPi dann auf den am Boden Kauernden. "Hättest wohl nicht gedacht, dass wir dich so schnell finden was?" Er lachte dreckig. "Schöne Grüße von 'The Virus'..."

Der Mann mit der Baseball-Kappe wandte sich unterdessen dem Geldkoffer zu.

Er öffnete ihn und nickte dann anerkennend.

"Scheint alles da zu sein. Auf ein langwieriges Nachzählen werden wir wohl verzichten können..."

"Es fehlen schätzungsweise zehntausend Dollar", ächzte Bruce Levonian. Er wollte sich aufrichten, aber eine ruckartige Bewegung, die der Kahlkopf mit seiner Uzi durchführte, ließ den Killer wieder erstarren.

Der Kerl mit der Baseballkappe verzog das Gesicht zu einem dünnen Lächeln. "Ach, wirklich?"

"Zehntausend Dollar sind für 'The Virus' allemal Grund genug, um jemanden umzubringen!", gab Bruce zu bedenken. Zeit gewinnen!, hämmerte es durch sein Hirn. Jede Sekunde zählte...

Er überlegte, wie er die Waffe unter der Jacke erreichen konnte. Aber die Chancen standen schlecht.

Der Mann mit der Baseball-Kappe lachte schallend.

"Du machst dir Sorgen, Mann!"

"Was habt ihr vor?", fragte Bruce, obwohl er es sich ausrechnen konnte.

Der Mann mit der Baseballkappe hob das Kinn. "Du hast Vonda umgelegt, nicht wahr?"

"Warum fragst du?"

"Weil 'The Virus' sie mochte."

"Ach, hört doch auf mit dem Mist!"

"Doch, doch, es ist wahr. Wir würden dich sonst einfach so über den Haufen schießen, kurz und schmerzlos. Und für ein paar Dollar auf die Hand würde der saubere Portier unten im Erdgeschoss deine Leiche anschließend in den nächsten Müllcontainer stopfen..."

 

Bruce bleckte die Zähne wie ein verwundetes Raubtier. Der Blutfluss aus seiner Nase hatte nachgelassen.

"Und warum tut ihr das dann nicht einfach?", knurrte er.

Der Kerl mit der Baseball-Kappe näherte sich, blickte auf Bruce Levonian herab.

"Weil 'The Virus' der Meinung ist, dass du so leicht nicht sterben darfst..."

Bruce atmete tief durch. Dass man ihm der Dollarmillion wegen auf den Fersen sein würde, damit hatte er gerechnet.

Nur nicht damit, dass seine Verfolger ihn so schnell kaltstellen würden.

Seine Gedanken rasten.

Der Puls schlug ihm bis zum Hals.

Dass der Kahlkopf ein gefürchteter Folterknecht war, wusste er. So konnte er sich ungefähr vorstellen, was ihm bevorstand.

Der Mann mit der Baseballkappe hob die Augenbrauen.

"'The Virus' hätte dir die gestohlene Million vielleicht noch verzeihen können. Möglicherweise hätte er sogar Verständnis dafür gehabt, dass du keine andere Wahl hattest, als Vonda umzubringen..."

"Hört mal!"

"...aber dass du Sex mit ihr hattest, hat ihn richtig wütend gemacht. Und deshalb wird unser Job jetzt leider etwas unappetitlich!"

"Hört mal, warum nehmt ihr nicht die Million und lasst mich laufen?", schlug Bruce Levonian dann vor. "Ihr sagt 'The Virus' einfach, dass ihr mich nicht gekriegt habt! Weder mich noch die Million!"

Der Kerl mit der Baseballkappe lachte heiser.

"Du bist auf Zack, Bruce! Ein echter Profi, gibt nie auf... Persönlich gefällt mir das. Aber 'The Virus' hat uns nun einmal diesen ekelhaften Auftrag gegeben und wir werden ihn ausführen. Und über deinen Vorschlag werden wir nicht einmal nachdenken, damit wir nicht eines Tages genauso tief im Morast stecken wie du jetzt!"

"Was soll euch denn passieren? Ich werde 'The Virus' bestimmt nicht auf die Nase binden, dass ihr die Million habt. Und solange 'The Virus' mich nicht in die Finger bekommt, kann niemand eure Darstellung widerlegen! Eine Million für mein Leben! Das ist fair!"

"Du hättest fliegender Händler werden sollen, Bruce!", murmelte sein Gegenüber. "Das Problem bei deinem Vorschlag ist, dass du 'The Virus' früher oder später doch in die Arme läufst und wir dann zum Teufel sind...."

"Quatsch!"

"Es gibt keinen Ort, an dem er dich nicht ausfindig machen könnte!"

"Mann, das ist doch Unsinn!"

"So?" Der Baseball-Kappen-Mann holte ein Kaugummi aus der Jackentasche und steckte es in den Mund. "Wohin wolltest du fliehen, du Ratte? Zufällig Acapulco?"

Bruce Levonian wurde blass.

"Ins Schwarze getroffen, schätze ich!", meinte der Kahlkopf.

Und der Mann mit der Baseball-Kappe ergänzte: "Der Chef muss wohl zufällig im Zentralrechner des JFK-Airports darauf gestoßen sein... Was immer du auch vorhast, 'The Virus' wäre dir einen Schritt voraus."

Verzweiflung überkam Bruce.

Alles oder nichts, dachte er.

Mit diesen Lakaien von 'The Virus' war wohl jeder Handel ausgeschlossen.

Bruce schnellte hoch.

Die ganze Kraft seines gut durchtrainierten Körpers legte er in diese Bewegung. Sein Ziel war die Waffe unter der Lederjacke.

Aber er war nicht schnell genug.

Der Mann mit der Baseball-Kappe ahnte Bruce' Vorhaben im voraus. Bruce bekam einen brutalen Tritt in die Magengrube, sackte stöhnend in sich zusammen. Der Mann mit der Baseballkappe drehte die Schalldämpfer-Waffe um, fasste sie am Lauf und schlug zu. Er traf Bruce Levonian genau an der Schläfe. Bruce zuckte zusammen und war dann bewusstlos.

Der Kahlkopf senkte die Uzi.

"Bringen wir ihn an einen Ort, an dem wir ungestört sind", schlug er vor. "Ich hoffe, du hast ihn nicht so fertiggemacht, dass er gar nichts mehr von den feinen Spielchen mitkriegt, die ich mit ihm vorhabe..."

11

Max O'Flaherty gehörte zu den Namen, die zu Mark 'BigByte' Sorellos Hacker-Clique gehörten und bis zuletzt Kontakt mit dem Ermordeten gehabt hatten. Wir suchten ihn in seiner Souterrain-Wohnung in der Lower Eastside auf.

Die Räume, die O'Flaherty bewohnte, waren beinahe fensterlos. Das kalte Neonlicht wirkte abweisend. Die Wände waren lediglich verputzt, aber nicht gestrichen.

Großformatige Kinoplakate von Action-Filmen bedeckten sie teilweise.

O'Flaherty verdrehte die Augen, als wir ihm unsere Ausweise entgegenstreckten.

"Was wollt ihr denn hier? Ich bin sauber und verdiene ehrliches Geld!"

Ich hob die Augenbrauen. "So?"

"Ich teste Spiele für mehrere Computermagazine."

"Reich wird man davon aber auch nicht."

"Nein, aber man bekommt die Spiele umsonst."

"'BigByte' hat irgendwie den besseren Deal gemacht, oder?"

Max O'Flaherty, seinerzeit auch unter dem Namen 'SmartMax' in der Szene bekannt, stutzte.

"Ah, daher weht der Wind..."

"Wir suchen Sorellos Mörder."

In der Nähe seiner Computeranlage bot er uns Sitzplätze an. "Wenn ihr was trinken wollt, kann ich euch höchstens Cola Light anbieten..."

Milo und ich hoben beinahe gleichzeitig die Hände.

"Danke, wir sind im Dienst", sagte mein Kollege.

O'Flaherty setzte sich auf einen drehbaren Bürostuhl und schlug die Beine übereinander.

"Was war die 'große Sache', von der in den Emails die Rede ist, die Sie mit Sorello gewechselt haben?", fragte ich.

O'Flaherty atmete tief durch. "'BigByte' war immer ein Spinner. Ihm fehlte der Realitätsbezug..."

"Allerdings hatte er den wohl durchaus, was das Finanzielle angeht!", gab ich zu bedenken.

"Ja, kann man so sehen..."

"Sie weichen meiner Frage aus", stellte ich kühl fest.

"Aber Sie sollten besser so wahrheitsgemäß wie möglich antworten. Mark Sorello starb durch einen hochbezahlen Lohnkiller. Er war offensichtlich in etwas verwickelt, was seine Fähigkeiten bei weitem überstieg... Jedenfalls war es irgendwem verdammt viel wert, 'BigByte' aus dem Weg zu räumen und dafür muss es einen Grund geben. Sollten Sie in dieselbe Sache verwickelt sein, wäre es für Sie besser, wenn Sie jetzt die Karten auf den Tisch legen würden."

"Bevor Sie vielleicht ebenfalls unerfreulichen Besuch bekommen", ergänzte Milo.

O'Flahertys Gesicht wurde nachdenklich. Er kratzte sich am Kinn. "Verdammt, 'BigByte' war ein Scheiß-Angeber. Der hat mir eines Tages von einem Plan erzählt, den er die 'große Sache' nannte."

"Was war das?"

"Er sprach davon, die Zugangscodes zu den Rechnern des Pentagon zu knacken..."

Einige Sekunden lang sagten weder Milo noch ich ein Wort.

Wir wechselten nur einen Blick.

"Wirklich eine 'große Sache'", murmelte ich.

"Mark war ganz besessen davon. Ich weiß, dass er es vor Jahren mal probiert, aber nicht geschafft hat. Aber damals hatte das wohl eher sportlichen Charakter."

"Und jetzt?"

"Mark war hinter dem Geld her wie der Teufel hinter der arme Seele..."

"Offenbar mit Erfolg."

"Kann man wohl sagen."

"Nun kommen Sie schon, lassen Sie nicht alles aus der Nase ziehen..."

Max O'Flaherty lehnte sich zurück. "Vor einigen Jahren ist es schonmal ein paar Kollegen aus Hamburg gelungen in die Pentagon-Rechner einzudringen. Aber seitdem ist man dort vorsichtig geworden. Die haben enorm in die Sicherheit investiert."

Ich hob die Augenbrauen. "Was wollen Sie damit sagen? Dass so etwas heute nicht mehr möglich wäre?"

Er schüttelte den Kopf. "Nur, dass man mehr Aufwand betreiben und vielleicht ein etwas größeres Genie an den Job heranlassen muss."

"Und 'BigByte'? War er so ein Genie?"

"Er wär's gerne gewesen."

"Aber er hatte nicht das Zeug dazu..."

"So ist es. Im Grunde war er nur Handlanger von jemand anderem, der sich 'The Virus' nennt. Mark war gut genug dafür, für 'The Virus' den Minenhund zu spielen."

"Was meinen Sie damit?"

"Na, er ging für ihn in fremde Systeme hinein, von denen aus 'The Virus' dann weiteroperieren konnte. Wenn Mark Pech gehabt hätte, hätte man so eine Aktion zu ihm zurückverfolgen können und er wäre dafür in den Bau gewandert. Dann gab es natürlich auch kleine 'Aufträge', die Mark selbständig erledigen durfte. In den Rechner einer Krankenversicherung eindringen und bestimmte Daten zu löschen, die jemand nicht gespeichert haben wollte. Oder herausfinden unter welchen Krankheiten jemand leidet... Es gibt verdammt viele Interessenten für solche Informationen."

"Daher 'BigBytes' Reichtum", schloss Milo.

O'Flaherty nickte. "Und Sie haben bei so etwas nie mitgemacht?", hakte ich etwas ungläubig nach.

O'Flaherty hob die Hände. "Mann, sieht das hier aus wie ein Penthouse oder wie ein Kellerloch?"

"Naja..."

"Na, also! Ihr kennt doch Marks Penthouse, oder? Was glaubt ihr, was der für ein Schweinegeld dafür bezahlen musste! Ich meine, die Versuchung war schon ziemlich groß, aber ich wusste doch genau, dass ihr Cops mich genau beobachtet und ich bei der nächsten Kleinigkeit am Haken hänge!"

"Mark Sorello scheint das weniger abgecheckt zu haben."

"Er war ein Dummkopf. Er hat sich von diesem 'Virus' aussaugen lassen und es nichtmal gemerkt! So sehe ich das!"

"Wer steckt hinter diesem Namen?"

"Keine Ahnung. Ich weiß noch nicht einmal, ob es eine einzelne Person oder eine ganze Gruppe ist!"

"Sie haben Mark Sorello nie danach gefragt?"

"Er wusste es doch selber nicht. Das war doch der Trick an der Sache. Wenn Mark aufgeflogen wäre, hätte das seine Auftraggeber nichtmal gekratzt. Ich glaube, der Kontakt ging über einen Server in Russland. Der Urheber lässt sich doch nie herausfinden, so korrupt wie die Zustände da sind... Schlau eingefädelt, das muss der Neid den Jungs lassen!"

Milo fragte: "Seid wann redete Sorello von 'der großen Sache'?"

"Seit etwa einem Monat. Wir trafen uns bei 'Billy's Bag', das ist ein Billard-Lokal in der 57. Straße. Da hat er mir das erste Mal davon erzählt. Er meinte, er hätte nun bald ausgesorgt. Und er bot mir an, in die Sache mit einzusteigen."

"Aber das haben Sie abgelehnt."

"Ja."

"Was wäre Ihre Aufgabe gewesen?"

Er beugte sich vor. "Hey Mann, so etwas wird auf dieselbe Art und Weise aufgezogen! Bei einer Behörde wie dem Pentagon oder der NASA gibt es Tausende von Rechnern, die miteinander vernetzt sind. Natürlich kann man nicht einfach in das Hauptsystem herein, das ist gut gesichert. Man muss es gewissermaßen durch die Hintertür schaffen. Die Statistik spricht einfach dafür, dass irgendeiner von diesen mehreren tausend Rechnern Passwort und Zugangscodes immer noch auf Werkseinstellung sind. Und da kommt man dann rein. Man muss nur lange genug suchen und genau das war die Aufgabe, für die Mark bezahlt wurde."

"Und wenn es keinen Rechner im Datenverbund gibt, der auf Werkseinstellung steht?"

"Auch kein Problem. Man braucht nur die Geburtsdaten und Vornamen der Mitarbeiter und ihrer Angehörigen. Mindestens die Hälfte aller Passwörter besteht aus derartigen Kombinationen! Und an die Daten kommt man durch andere Quellen leicht heran. Krankenkassen-Rechner sind hervorragend geeignet dafür..."

"Wie weit ist dieses Projekt Ihrer Meinung nach fortgeschritten?"

"So wie ich das sehe, muss es vor kurzem abgeschlossen worden sein."

"Wie bitte?"

"Jedenfalls hat Mark so viel an Honorar bekommen, dass er sich einen Ferrari dafür kaufen konnte! Er hat mich sogar mal damit fahren lassen. Ein heißes Ding, sag' ich euch!"

Bevor wir gingen, gab ich ihm noch meine Karte. "Falls Ihnen noch irgendetwas einfällt, das für uns interessant sein könnte..."

"...rufe ich an!", versprach er.