Canaris Abwehrchef unter Hitler

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Canaris Abwehrchef unter Hitler
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Walter Brendel

Canaris –

Abwehrchef unter Hitler

Impressum

Texte: © Copyright by Alexandre Dumas

Umschlag: © Copyright by Gunter Pirntke

Übersetzer: © Copyrigh by Walter Brendel

Verlag:

Das historische Buch, Dresden / Brokatbookverlag

Gunter Pirntke

Mühlsdorfer Weg 25

01257 Dresden

gunter.50@gmx.net

Inhalt

Impressum

Einleitung

Der Weg nach oben

Die Zeit nach dem 1. Weltkrieg

Die Revolution von 1918/19 und die Folgeerscheinungen

Noske, der Bluthund

Die Liebknecht/Luxemburg-Affäre

Lüttwitz-Kapp-Putsch

Der Weg zu Hitler

Die Machtergreifung Hitlers

Als Chef der Abwehr

Der erste Tag als Abwehrchef

Die Struktur der Abwehr

Die Familie Canaris

Die anderen Geheimdienste

Der „Kontrolleur“ des III. Reiches und seine Helfer

Hinter den Kulissen

Der Freund Heydrich

Die Fritsch-Blomberg-Affäre

Verhandlungen Berlin-Rom-Tokio

Der deutsch-sowjetische Nichtangriffspakt

Der Führer und sein Vasall

Die Außenpolitik des Admirals

Der Überfall auf Polen

Blitzkrieg Strategie

Die Legenden und der Widerstand

Canaris und die Juden

Epilog

Das Ende

Ich kann nicht mehr mitmachen

Im KZ

Schlussbemerkungen

Quellen

Einleitung

Zu den undurchsichtigsten Figuren der Epoche Hitlers gehört sein Geheimdienstchef Admiral Wilhelm Franz Canaris. Wo er politisch stand, blieb im Zwielicht. Wenige führende Persönlichkeiten des NS-Regimes sind so faszinierend und zugleich so umstritten wie Admiral Wilhelm Canaris, Hitlers legendärer Abwehrchef. Die tatsächlichen und die vermeintlichen Erfolge des deutschen Geheimdienstes im Zweiten Weltkrieg ließen ihn auch im Ausland zum Mythos werden. Nachdem der Fund von Geheimakten des Widerstands das Ausmaß der von ihm gedeckten Aktivitäten gegen das Hitler-Regime offenbart hatte, wurde Canaris noch kurz vor Kriegsende im Konzentrationslager Flossenbürg hingerichtet.

"Ich war kein Vaterlandsverräter. Ich habe als Deutscher meine Pflicht getan." Diese letzten Worte sind von Admiral Wilhelm Canaris überliefert, bevor man ihn am 9. April 1945 um sechs Uhr morgens im KZ Flossenbürg zum Galgen führte. Bis heute ranken sich Legenden um diesen Mann, der in Hitlers militärischer Hierarchie jahrelang das Vertrauen des "Führers" genoss, als Geheimdienstchef brillante Arbeit leistete, halb Europa mit einem dichten Netz von Agenten überzog - und doch anscheinend nichts anderes im Sinn hatte, Deutschland von diesem Diktator zu befreien.

Er war beteiligt an den - gescheiterten - Attentaten auf Hitler im März 1943, hielt unterstützenden Kontakt zu den verschiedensten Widerstandskreisen, half verfolgten Juden und konspirierte mit ausländischen Diensten und Diplomaten. In seinem Stab versammelte er Renegaten und Dissidenten, und dennoch verstand er es stets, jeglichen Verdacht von sich abzulenken.

Befreundet mit dem SS-Schlächter Reinhard Heydrich. Auf gutem Fuß mit Heinrich Himmler, erweckte Canaris den Eindruck eines überzeugten Nationalsozialisten, bei Heydrichs Tod vergoss er echte Tränen. Erst der zufällige Fund von Akten, die seine Mitwisserschaft über das Attentat vom 20. Juli 1944 eindeutig belegten, brachte ihm Haft und Hinrichtung.

Man soll ihm auf Anordnung Hitlers einen besonders qualvollen Tod bereitet haben. Das trug ihm den Ruf ein, zu den Vertretern des »anderen Deutschland« zu gehören. Bisheute sind die Urteile über seine Persönlichkeit höchst widersprüchlich: Canaris – der gefährliche Spionagechef, Canaris – der Unterstützer des Widerstandes, Canaris – der Kollaborateur und Karrierist, Canaris – der Geheimdiplomat, der den Krieg beenden wollte.

Canaris’ Lebensweg war exemplarisch für einen deutschen Offizier in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts – seine Karriere als junger Marineoffizier im Kaiserreich, sein Kampf gegen die Weimarer Republik, seine Beteiligung an der heimlichen Wiederaufrüstung Deutschlands bis zu seiner Verstrickung in die Hitler-Diktatur.

Was machte den Bürgersohn aus Dortmund zu einem von Hitlers wichtigsten Helfern? Wie zutreffend ist die Legende vom erfolgreichen Geheimdienstchef? Wie eng war die Verzahnung zwischen Canaris´ Abwehrapparat und Hitlers Vernichtungsmaschinerie? Wie nahe war Canaris dem Widerstand gegen Hitler?

Hitlers Abwehrchef spielte stets eine Doppelrolle; er war Wegbereiter und Regimekritiker in einem. Er konspirierte gegen Hitler, aber den Aufstand wagte er nicht, er verriet und verabscheute doch den Verrat – und glich darin vielen Offizieren, die sich zur Militäropposition zählten.

Wilhelm Canaris, klein, schlank, schrullig, Menschenkenner und klassischer Fatalist, den klassische Schuld- und Schicksalsvorstellungen quälten, evangelischer Christ mit buddhistischen Beimengen, Spion aus Passion, Nationalist aus Mission, Patriot und Verräter, fiel durch das Regime, das er selber mit aufgerichtet hatte. Er war, wie Hitlers einstiger Staatssekretär im Auswärtigen Amt Ernst von Weizsäcker schrieb, „eine der interessantesten Erscheinungen der Epoche, wie Diktaturen sie zutage bringen und zur Vollkommenheit entwickeln.“

Eine deutsche Vita allemal.

Als der ungeliebte Staat von Weimar zerbrach, ging es, so sahen es die Republikaner -Verächter, wieder aufwärts. Kapitän Canaris, schon als Festungskommandant nach Swinemünde (Ostsee) abgeschoben, wurde 1935, Chef der Abwehr im Reichswehrministerium.

Fortan half er Hitlers Coups und Hitlers Kriege vorzubereiten und abzusichern. Sobald jedoch sichtbar wurde, dass solche Machtentfaltung nicht nur die neu gewonnene Macht, sondern darüber hinaus auch den Machtstaat insgesamt gefährdete, mühte er sich, die Aktionen, die er selben mit durchzuführen half, zugleich auch zu sabotieren – aber stets nur, bis der Coup gelungen oder der erste Schuss gefallen war. Dann stimmte er in den vaterländischen Jubel ein, wenngleich ihm beim Anblick zerschossener Straßenzüge und erschossener Menschen übel wurde.

Zwischendurch war viel von Widerstand die Rede, und darüber wurde verhängnisvoller Weise, auch noch Tagebuch geführt. Doch dabei blieb es. Canaris neigte „mehr zur konspirativen Resistenz“, urteilte ein Canaris-Zeitgenosse, „als zur revolutionären Aktion“.

Derart Widersprüchliches in Person, Aufstieg und Fall des Wilhelm Canaris soll dieses Buch aufdecken. Von dem Canaris, den das deutsche Film- und Fernsehpublikum kennen und weiterhin achten gelernt hat, bleibt da nicht viel.

Die Geschichte von Canaris ist zugleich ein frappierendes Beispiel historischer Kontinuität, von Canaris selbst auf den Nenner gebracht: „Wie der Offizier vor dem Weltkrieg selbstverständlich Monarchist war, wie er nach dem Weltkrieg sich selbstverständlich darum bemühte, das Erbe des Fronterlebnisses zu bewahren, so selbstverständlich ist es heute …..Nationalsozialist zu sein und wir sind als Soldaten glücklich, uns zu einer politischen Weltanschauung bekennen zu dürfen, die zutiefst soldatisch ist.“ (Heinz Höhne: Canaris, Bertelsmann-Verlag)

Der Weg nach oben

Am 1. Januar 1887 wird Wilhelm Franz Canaris wird in Aplerbeck (Westfalen) als Sohn des Industriellen Carl Canaris und dessen Frau Auguste (geb. Popp) geboren.

Nach dem Abitur tritt Canaris 1905 in die kaiserliche Marine ein, wo er zahlreiche Fahrten in südamerikanische Gewässer unternimmt. 1914, im Ersten Weltkrieg dient er auf dem Kreuzer "Dresden" und nimmt an der Seeschlacht bei den Falklandinseln teil.

 

Nach der 1915 in der Schlacht um die Falkland-Inseln durchgeführten Selbstversen-kung der "Dresden" flieht Canaris beim zweiten Versuch nach Chile und wird interniert. Er kann jedoch von dort fliehen und nach Deutschland zurückkehren. Als Kapitänleutnant führt er 1916 im Auftrag der Admiralität einen Geheimauftrag in Spanien aus. 1917/18 wird er auf eigenen Wunsch wieder an der Front eingesetzt und hat das Kommando über ein U-Boot im Mittelmeer.

In der Novemberrevolution 1918/19 unterstützt Canaris als Verbindungsoffizier die Bildung von Bürgerwehren zur Niederschlagung der revolutionären Bewegungen. Er ist Mitglied des Kriegsgerichts, das die des Mordes an Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg beschuldigten Angehörigen des Freikorps der Garde-Kavallerie-Schützendivision größtenteils freispricht.

1919 wird Canaris wird zur Adjutantur von Reichswehrminister Gustav Noske berufen. Im gleichen Jahr erfolgt die Heirat mit der Industriellentochter Erika Waag, mit der er zwei Kinder hat.

Canaris unterstützt im März 1920 den Putsch von Walther von Lüttwitz und Wolfgang Kapp. Er wird inhaftiert, aber nach kurzer Zeit wieder freigelassen. Trotz seiner Ablehnung der Weimarer Republik und des Versailler Vertrags verbleibt er in seiner Position. Im Juli wird er als Admiralstabsoffizier in der Ostseeflotte Erster Offizier auf dem Kreuzer "Berlin". Zwischen 1924 und 1928 ist Canaris in der Marineleitung tätig.

1928 wird er Erster Offizier auf dem Linienschiff "Schlesien" und 1930 wird Canaris Chef des Stabs der Nordseestation. Als Kapitän übernimmt er 1932 das Kommando über die "Schlesien".

Aus seinem Antikommunismus heraus begrüßt Canaris 1933 die Machtübernahme der Nationalsozialisten und hofft auf eine Revision von Versailles. 1934 erhält er als Festungskommandant von Swinemünde einen so genannten Verabschiedungsposten.

1935 wird Canaris überraschend als Konteradmiral zum Chef der Abwehrabteilung im

Reichskriegsministerium berufen, nachdem sein Vorgänger mit dem NS-Regime in Konflikt geraten war. Obwohl kein grundsätzlicher Gegner der Nationalsozialisten, bringen Hitlers Kriegsvorbereitungen Canaris in größere Distanz zum NS-Regime, zumal er sich auch dem zunehmenden Druck des Sicherheitsdiensts (SD) ausgesetzt sieht. Zu dessen Chef Reinhard Heydrich hat er ein freundschaftliches Konkurrenzverhältnis.

Nach der Fritsch-Blomberg-Affäre und den Rücktritten von Werner von Blomberg und Werner Freiherr von Fritsch 1938 nutzt Canaris seine Stellung zur Organisation von Widerstand in der Wehrmacht. Er deckt die Widerstandsaktivitäten seines Stabschefs Hans Oster, fördert die Oppositionshaltungen von Ludwig Beck und gibt mehreren Widerstandsgruppen Informationen für einen Staatstreich. Seine Oppositions-aktivitäten werden durch seine Erfolge in der Spionageabwehr lange Zeit verdeckt.

Um Adolf Hitler von einem Krieg abzuschrecken, warnt Canaris zahlreiche Vertraute Hitlers vor einem Krieg und versucht über seine Auslandskontakte auch Italiens Regierungschef Benito Mussolini zu beeinflussen.

1940 erfolgt die Beförderung zum Admiral.

Nach dem Überfall auf die Sowjetunion 1941 und mit zunehmendem Zweifel an der Handlungsbereitschaft der Generalität gegen Hitler verringern sich Canaris' organisatorische Widerstandsaktivitäten.

Er nutzt jedoch weiterhin seine Position gegen das NS-Regime: Er protestiert gegen die Erschießung russischer Kriegsgefangener und ermöglicht zahlreichen Verfolgten

die Flucht. Mit der Verhaftung seines Mitarbeiters Hans von Dohnanyi 1943 gerät Oster unter Verdacht und wird beurlaubt. Damit steht auch Canaris von nun an unter ständiger Beobachtung.

Im Februar 1944 ist das Überlaufen eines Abwehragenten zu den Briten der Anlass, Canaris seines Postens zu entheben. Die Abwehrabteilung im Reichskriegs-ministerium wird vom Reichssicherheitshauptamt (RSHA) übernommen.

Im Juli wird Canaris drei Tage nach dem Attentat vom 20. Juli verhaftet. Obwohl er ein Attentat auf Hitler abgelehnt hat, wird er durch die bei Angehörigen von Widerstandsgruppen gefundenen Informationen belastet.

Am 9. April 1945, kurz vor Einrücken der amerikanischen Truppen wird Canaris gemeinsam mit Oster und Dietrich Bonhoeffer im Konzentrationslager (KZ) Flossenbürg (Oberpfalz) von Angehörigen der Schutzstaffel (SS) gehängt.

Militärische Laufbahn

1. April 1905 Eintritt in die Kaiserliche Marine als Seekadett (Crew 1905)

7. April 1906 Fähnrich zur See

28. September 1908 Leutnant zur See

29. August 1910 Oberleutnant zur See

16. November 1915 Kapitänleutnant

1. Januar 1924 Korvettenkapitän

1. Juni 1929 Fregattenkapitän

1. Oktober 1931 Kapitän zur See

1. Mai 1935 Konteradmiral

1. April 1938 Vizeadmiral

1. Januar 1940 Admiral

30. Juni 1944 verabschiedet

Auszeichnungen

• Ehrenkreuz für Frontkämpfer

• U-Boots-Kriegsabzeichen (1918)

• Kriegsverdienstkreuz mit Schwertern 2. und 1. Klasse

• Eisernes Kreuz (1914) 2. und 1. Klasse

• Eisernes Kreuz (1939) 2. und 1. Klasse (Wiederholungsspange)

• Deutsches Kreuz in Silber

Die Zeit nach dem 1. Weltkrieg

Die Zeit im 1. Weltkrieg war für Canaris vor allem durch die Fahrt auf der „Dresden“ geprägt. Das Schiff war im 1. Weltkrieg ein Auslandkreuzer. Am 12. Oktober 1914 traf sie mit dem ostasiatischen Kreuzergeschwader unter Graf von Spee zusammen und nahm an der Seeschlacht bei Coronel teil. Während der Seeschlacht bei den Falklandinseln erhielt der Kreuzer das Signal "Entlassen - versuchen sie zu entkommen". S.M.S. Dresden wurde danach mehrfach von Deutschen in Chile, bzw. deutschstämmigen Chilenen tatkräftig unterstützt.

Der schlechte Zustand des Schiffes, infolge der Gefechte, erlaubte jedoch keine schnelle Rückkehr nach Deutschland. Am 14. März 1915 hatten britische Kriegsschiffe die "Dresden" aufgespürt.

Der letzte Akt begann am 14. März 1915, als die englischen Verfolger am Horizont erschienen und ohne Umschweife das Feuer auf die desolate „Dresden“ eröffnete und tödliche Verwüstungen anrichteten. Auch aufgenommene Verhandlungen durch einen Parlamentär namens Oberleutnant zur See Wilhelm Canaris, konnten das Schicksal nicht abwenden.

Nachdem Canaris mit einer ablehnenden Antwort zurückgekehrt war ("Wir haben die „Dresden“ zu versenken, wo und wie wir sie antreffen. Andere Fragen kümmern mich nicht, sie müssen durch die Diplomatie geregelt werden."), wurden auf Befehl des Kommandanten die Bodenventile geöffnet und die Sprengladungen zur Selbstversenkung geschärft und gezündet, nachdem zuvor die Besatzung in Beibooten an Land in Sicherheit gebracht worden war.

Der Panzerkreuzer „Kent“, der Kleine Kreuzer „Glasgow“ und das Hilfsschiff „Oram“ hatten ihren Befehl ausgeführt - um 11.15 Uhr Ortszeit ging die „Dresden“ mit wehender Flagge und unter einem dreifachem Hurra auf Kaiser und Schiff auf den Grund der Cumberlandbucht.

Hier liegt sie in ca. 60 Meter Tiefe und heute ist die Stelle mit zwei gelben Bojen als Nationales Denkmal markiert. Später bot der britische Außenminister Sir E. Grey im Namen seiner Regierung der chilenischen Regierung "unbedingte weitestgehend Entschuldigung für das Vorgehen der britischen Einheiten" an. Damit war für England der eklatante Verstoß gegendas Völkerrecht erledigt.


Der Überfall auf die „Dresden“ vor der chilenischen Robison-Insel Juan Fernandez"


Die SMS „Dresden“ mit weißer Flagge


Der letzte Mann

Für die nun internierte Besatzung der „Dresden“ war zwar mit dem Untergang ihres Schiffes der Krieg zu Ende, nicht aber ihre Irrfahrt fern der Heimat, in einem fremden Land und vor einer ungewissen Zukunft. Die kleine Insel Mas a Tierra war natürlich nicht für die Unterbringung und Versorgung so vieler zusätzlicher Menschen eingerichtet. So wurden bald die Schwerverletzten vom englischen Hilfskreuzer „Orama“ und die übrige Besatzung von zwei chilenischen Kriegsschiffen zum Festland nach Valparaiso gebracht. Nachdem die Verwundeten in Valparaiso im Deutschen Hospital, aber auch auf dem englischen Kriegsschiff versorgt worden waren, brachte man die gesamte Dresden-Besatzung auf eine kleine Insel im Süden Chiles, namens Quiriquina, ganz in der Nähe der Bucht von Coronel. Bald entwickelte sich ein geordnetes Lagerleben mit der gewohnten militärischen Disziplin und Ordnung.

Jeder Tag begann wie an Bord mit einer Musterung, Arbeitsverteilung, Tagesroutine und endete schließlich abends mit einem Zapfenstreich. Schneider, Schuster, Gärtner, Enten-, Tauben- und Kaninchenzüchter sorgten für das leibliche Wohl, eine Künstlerkapelle und Theatergruppe für das geistige. In der Freizeit wurden Versteinerungen gesammelt und katalogisiert,

Indianergräber untersucht, Modelle gebaut, der Jagd nachgegangen und allerlei Kunstgegenstände hergestellt, die man an die Bevölkerung der nahen Umgebung auf dem Festland verkaufte und so die Lagerkasse aufbesserte.


Lager auf der Insel

Das Lagerleben auf der Insel war keinesfalls langweilig. Eine Zeitung wurde herausgegeben und der Kontakt mit der Bevölkerung im Süden Chiles wurde immer enger, besonders mit den vielen Deutsch-Chilenen, die ja vornehmlich im vorigen Jahrhundert dort ins Landesinnere als Kolonisten eingewandert waren und die Region in eine fruchtbare Landschaft verwandelten.

Mit seinen charismatischen Führungseigenschaften und einer strengen Disziplin gelang es dem Kommandanten, Fregattenkapitän Lüdecke, die Isolation fernab der Heimat für die Seeleute erträglich zu gestalten. Trotzdem konnte es nicht ausbleiben, dass den einen oder anderen die Flucht aus dem losen Gefängnis reizte und mit Hilfe von außen auch gelang - unter anderem dem Oberleutnant zur See Canaris, der auf abenteuerlichsten Wegen über Argentinien, Brasilien, Portugal und sogar England in die Heimat gelangte, um weiter in der kaiserlichen Marine zu dienen. Mit der kleinen Bark „Tinto“ gelang einer ganzen Gruppe, unter ihnen Canaris, eine mehr als entbehrungsreiche und voller Gefahren steckende Flucht, die letztlich nach 124 Seetagen glücklich im neutralen Drontheim, Norwegen und dann schließlich in Kiel endete.

Die Revolution von 1918/19 und die Folgeerscheinungen

Lassen wir die Schlachten des ersten Weltkriegs hinter uns beginnen die Stationen von Canaris mit der Revolution 1918/19. Zur Ausgangslage: Ende September 1918 war auch der deutschen Obersten Heeresleitung (OHL) klar, dass der Erste Weltkrieg verloren war. General Erich Ludendorff forderte einen sofortigen Waffenstillstand, verbunden mit der Parlamentarisierung, denn die Entente war nur bereit, mit demokratisch legitimierten Politikern zu verhandeln.

Doch der Fahrplan war außer Kraft getreten. Die Bildung einer parlamentarischen Reichsregierung unter Prinz Max von Baden kam daher zu spät. Die Dynamik der innenpolitischen Verhältnisse ließ sich damit nicht aufhalten. Rohstoffmangel, Lebensmittelknappheit und soziale Missstände sowie die große Anzahl von Toten und Versehrten hatten die kriegsmüden Massen verbittert.

Das Ende der Monarchie und des Kaiserreichs rief in der entkräfteten Bevölkerung kaum noch öffentliches Interesse hervor. Erst als die Revolution Ende Dezember 1918 in eine radikale Phase überging, überwog die Angst vor Bolschewismus und politischer Anarchie gegenüber ökonomischen Existenzsorgen.

Am 29. Oktober 1918 verweigerten Matrosen der Hochseeflotte in Kiel und Wilhelmshaven den Gehorsam, um ihr Leben bei einem letzten "ehrenvollen" Gefecht gegen britische Verbände nicht aufs Spiel zu setzen. Wie ein Flächenbrand weitete sich der Matrosenaufstand innerhalb weniger Tage über Deutschland aus. Bis zum 10. November bildeten sich praktisch in allen größeren deutschen Städten ohne nennenswerten Widerstand revolutionäre Arbeiter- und Soldatenräte, welche die städtische Verwaltung übernahmen. Zunehmend verlagerte sich dabei die Initiative zur Revolte von den Soldaten und Matrosen auf die Arbeiterschaft.

 

Nunmehr stellten die Aufständischen über das Militärische hinausgehend politische Forderungen. Der Ruf nach Abdankung des Kaisers und nach Umwandlung des Deutschen Reichs in eine demokratische Republik wurde lauter.

Am Morgen des 9. November erreichte die Revolution die Reichshauptstadt. Die Berliner Arbeiter traten in den Ausstand. Zu Hunderttausenden formierten sie sich zu gewaltigen Demonstrationszügen durch das Zentrum.

Reichskanzler Max von Baden erklärte zur Beruhigung der revoltierenden Massen schließlich eigenmächtig den Thronverzicht des Monarchen. Baden übergab in einem verfassungswidrigen Akt dem Parteivorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD), Friedrich Ebert, das von diesem geforderte Amt des Reichskanzlers.

Unter allen Umständen wollte Ebert vermeiden, dass der bislang nahezu unblutig verlaufende Umsturz ähnlich der russischen Oktoberrevolution zu einem Bürgerkrieg ausartete. Einer demokratisch zu wählenden Nationalversammlung sollte die Entscheidung über die zukünftige Staatsform des Deutschen Reichs vorbehalten bleiben.

Empört reagierte Ebert, als Parteifreund Philipp Scheidemann ohne Rücksprache um 14 Uhr von einem Fenster des Reichstags die Republik ausrief. Die Ausrufung der "freien sozialistischen Republik Deutschland" durch Karl Liebknecht um 16 Uhr vom Balkon des Berliner Schlosses führte nun zu einer doppelten Republik. Was für ein Zustand. Neben den Überresten der alten staatlichen Gewalten, Armee und Verwaltung, standen die gemäßigten Kräfte der aus Sozialdemokratie, Zentrum und Linksliberalen bestehenden Reichstagsmehrheit.

Hinzu kam die heterogene Sammlung linksrevolutionärer Gruppen, allen voran der Spartakusbund unter Führung Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts. In ihrem Zentralorgan "Die Rote Fahne" riefen Luxemburg und Liebknecht unermüdlich zur Bildung einer sozialistischen Räterepublik auf.

Am 10. November bildeten SPD und USPD auf paritätischer Grundlage den Rat der Volksbeauftragte. Die Vollversammlung der Berliner Arbeiter- und Soldatenräte bestätigte am 10. November die provisorische Regierung. Zur Kontrolle der Volksbeauftragten bildeten sie allerdings einen Vollzugsrat.

Die Reichswehr bzw. das alte kaiserliche Heer erklärte am 10. November die Loyalität gegenüber der neuen Regierung ab und sicherte ihre militärische Unterstützung im Fall linksradikaler Angriffe zu. Im Gegenzug garantierte Ebert die Autonomie der militärischen Führung.

Erstmals musste Ebert in den Berliner Weihnachtskämpfen 1918 reguläre Truppen um militärische Hilfe bitten, nachdem meuternde Soldaten der "Volksmarinedivision" am 23. Dezember 1918 die Regierung festgesetzt hatten.

Die Revolutionären Obleute, die USPD und die zur Jahreswende 1918/19 gegründete Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) riefen für den 5. Januar 1919 zu einer Protestdemonstration gegen die SPD-Regierung auf. Vom 5. bis 12. Januar besetzten revolutionäre Arbeiter Teile der Innenstadt sowie das Berliner Zeitungsviertel und erklärten die Regierung für abgesetzt.

Im protzigen Wilhelminismus fühlte der Seeoffizier Canaris sich heimisch, der starke Staat war ihm Bedürfnis, Revolution und Republik waren ihm verächtlich. Jetzt hielte es der aus dem Weltkrieg heimgekehrte U-Boot-Kommandant mit dem Sozialdemokraten Gustav Noske, damals Volksbeauftragter, weil der in Kiel dien Matrosen-Revolte abwiegelte, und, so schien es Canaris, immer noch ein Stückchen Staat verkörperte; Canaris kam in Noskes Adjutantur.

Wer war nun dieser Republikaner Noske, den Canaris diente?