Klausurenkurs im Internationalen Privat- und Verfahrensrecht

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173

Das AG Schöneberg – FamG – hat die Wahl, die Auslegung selbst vorzunehmen und die abschließende Klärung dem Instanzenzug zu überlassen oder die Auslegungsfrage dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen.

Frage 3: (Abwandlung 2): Beide Italiener mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland
1. Keine Eheaufhebung

174

Da beide Ehegatten in dieser Variante in erster Ehe verheiratet sind, geht es nicht um Fragen der Eheaufhebung.

2. Ehescheidungsstatut
a) Zulässigkeit der Rechtswahl

175

Bevor Überlegungen zur internationalen Zuständigkeit angestellt werden können, ist (Anwaltsfrage) zunächst zu erwägen, welcher Antrag nach dem anwendbaren Recht aussichtsreich wäre.

176

Auf den im Januar 2018 zu stellenden Antrag sind wie im Ausgangsfall die Kollisionsnormen der Rom III-VO anzuwenden (Rn 151).Vorrangig ist nach Art. 5 Rom III-VO eine Rechtswahl zu prüfen. Das italienische Recht gehört gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. c Rom III-VO zu den für die Ehegatten wählbaren Rechten; es genügt, dass ein Ehegatte zum Zeitpunkt der Rechtswahl Italiener ist.

Fraglich ist, ob die vor Geltung der Rom III-VO (ab dem 21.6.2012) getroffene Rechtswahl zulässig ist; dies ist gemäß Art. 18 Abs. 1 UAbs. 2 Rom III-VO zu bejahen, sofern die Voraussetzungen der Art. 6, 7 Rom III-VO vorliegen. Zustandekommen und Wirksamkeit der Vereinbarung bestimmen sich gemäß Art. 6 Abs. 1 Rom III-VO nach italienischem Recht als dem gewählten Recht; wie der Vergleich von Art. 6 Rom III-VO mit dem nahezu wortgleichen Art. 10 Rom I-VO zeigt, bedeutet dies keine Verweisung hinsichtlich der Zulässigkeit; diese folgt aus Art. 18 iVm Art. 5 Rom III-VO. Vielmehr geht es hier nur um Fragen der materiellen Einigung (Schweigen, AGB, Stellvertretung); solche stellen sich bei der ausdrücklichen ehevertraglichen Regelung nicht.

b) Form der Rechtswahl

177

Die Formgültigkeit der Rechtswahl unterliegt Art. 7 Rom III-VO; das Mindesterfordernis der Schriftform, der Unterschrift beider Ehegatten und der Datierung ist durch einen vor einem deutschen Notar geschlossenen Ehevertrag gewahrt. Jedoch sind bei gewöhnlichem Aufenthalt im selben teilnehmenden Mitgliedstaat zusätzlich Formvorschriften im Recht dieses Mitgliedstaates zu wahren (Art. 7 Abs. 2 Rom III-VO). Da Deutschland, gewöhnlicher Aufenthalt beider Ehegatten, teilnehmender Mitgliedstaat ist, bedarf die Rechtswahl gemäß Art. 46d Abs. 2 EGBGB der notariellen Beurkundung. Fraglich könnte sein, ob diese Bestimmung, die als Ausführungsregelung zur Rom III-VO verspätet in Kraft getreten ist, auf eine vor ihrem Inkrafttreten geschlossene Rechtswahl anzuwenden ist, oder ob, was höchst misslich wäre, für eine Zwischenphase die Form des Art. 7 Rom III-VO genügt. Dies kann hier dahinstehen. Zwar unterscheidet das BGB zwischen der notariellen Beurkundung (§ 128 BGB) und der Form des Ehevertrages (§ 1410 BGB). Nach dem Zweck des Art. 46d Abs. 2 EGBGB genügt jedoch, wie schon für die mittelbare Wahl des Scheidungsstatuts nach Art. 14 Abs. 4 S. 1, 17 Abs. 1 aF EGBGB, der zur Niederschrift eines Notars geschlossene Ehevertrag, so dass die Form des Art. 46d Abs. 2 EGBGB gewahrt ist.

Damit ist die Rechtswahl wirksam und italienisches Recht Scheidungsstatut.

3. Materiell aussichtsreicher Antrag

178

Damit ist aber ein Scheidungsantrag nicht aussichtsreich, weil (Rn 157) ohne gerichtliche Ehetrennung kein Scheidungsgrund nach materiellem italienischem Recht vorliegt. Eine einvernehmlich anwaltlich vermittelte Scheidung kommt nicht in Betracht, da Marcello der Ehescheidung nicht zustimmen will. Der Rechtsanwalt kann also nur ein Ehetrennungsverfahren (separazione personale) erwägen, um nach Fristablauf in einem neuen Verfahren eine Scheidung nach italienischem Recht (MAT i) zu beantragen.

4. Internationale Zuständigkeit für Ehetrennung

179

Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für ein Ehetrennungsverfahren ist wiederum nach Art. 3 ff Brüssel IIa-VO zu beurteilen. Sachlich erfasst die VO (Art. 1 Abs. 1 lit. a Brüssel IIa-VO) auch Ehetrennungsverfahren ohne Auflösung des Ehebandes. Die Zuständigkeiten sind wiederum ausschließlich, denn der Antragsgegner Marcello ist Italiener und hat gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland (Art. 6 lit. a und b Brüssel IIa-VO). Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ergibt sich aus Art. 3 Abs. 1 lit. a Str. 1 Brüssel IIa-VO im gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthaltsstaat. Nach der örtlichen Zuständigkeit ist nicht gefragt.

5. Ehetrennung vor deutschen Gerichten

180

Fraglich ist, ob einem Verfahren vor deutschen (Familien-)Gerichten der Umstand entgegensteht, dass das deutsche Recht eine Ehetrennung ohne Auflösung des Ehebandes nicht (mehr) kennt. Eine solche ablehnende Haltung konnte die deutsche Rechtsprechung zu einer Zeit einnehmen, in der selten Ausländer in Deutschland lebten und die Heimatzuständigkeit in Statussachen ohnehin das überragende Zuständigkeitsprinzip war. Angesichts großer Zahlen von in Deutschland lebenden Ausländern muss das deutsche Verfahrensrecht, soweit dies ohne tiefgreifende Verwerfungen zwischen Verfahrensrecht und materiellem Recht möglich ist, Statusverfahren fremden Rechts durchführen. Eine Ehetrennung ist, abgesehen von der schwächeren Rechtsfolge, einer Ehescheidung nicht unähnlich. Sie lässt sich im Verfahren der §§ 121 ff FamFG ohne Weiteres bewältigen.[13] Erst recht muss das nach Inkrafttreten der Brüssel II-VO, der die Brüssel IIa-VO nachfolgt, gelten; es erschwert in einem vereinheitlichten Zuständigkeitssystem den Rechtsverkehr erheblich und könnte sogar zu Rechtsverweigerung führen, wenn im Aufenthaltsstaat eine nach Heimatrecht erforderliche Ehetrennung nicht durchgeführt würde. Die Ehegatten auf die Rechtssuche im Heimatstaat zu verweisen, wäre einigermaßen hinderlich für die Wahrnehmung der Niederlassungsfreiheit.

6. Ehetrennungsstatut

181

Festzustellen ist damit das anwendbare Recht. Gemäß Art. 1 Abs. 1 Rom III-VO gilt diese nicht nur für die Anknüpfung der Ehescheidung, sondern ausdrücklich auch für die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes, was insbesondere die gerichtliche Trennung und die gerichtlich bestätigte Trennung umfasst.

Fraglich könnte allerdings sein, ob die ehevertragliche Rechtswahl des „für die Scheidung unserer Ehe“ vereinbarten italienischen Rechts auch für das Ehetrennungsstatut gilt. Dies ist eine Frage der Auslegung der Rechtswahl; würde man sie dem Wortlaut entsprechend eng auslegen, so hätten die Ehegatten italienisches Recht als Scheidungsstatut gewählt; die damit heraufbeschworene Notwendigkeit einer gerichtlichen Ehetrennung wäre jedoch abhängig von einer anderen Rechtsordnung (hier deutschem Recht nach Art. 8 lit. a Rom III-VO), das eine gerichtliche Ehetrennung nicht ermöglicht. Einen solchen Widerspruch wird man schwerlich den Ehegatten unterstellen können, so dass mit der Wahl des Scheidungsstatuts auch das Ehetrennungsstatut gewählt wurde. Die Formbedürftigkeit der Vereinbarung steht einer Auslegung nach allgemeinen Grundsätzen nicht entgegen.

7. Ehetrennung im italienischen Recht

182

Auch nach materiellem italienischem Recht ist der Antrag auf gerichtliche Trennung aussichtsreich; für die Antragstellerin Frieda ist die jahrelange Untreue von Marcello ein Umstand, der iSd Art. 151 cc (MAT m) die Fortsetzung des Zusammenlebens unzumutbar macht.

Ergebnis:

183

Ein Ehescheidungsantrag kommt nach dem als Scheidungsstatut wirksam gewählten italienischen Recht nicht in Betracht. Deutsche Gerichte sind jedoch für einen Ehetrennungsantrag nach italienischem Recht international zuständig; der Ehetrennungsantrag ist auch begründet.

Anmerkungen

[1]

EuGH Rs. C-68/07 ECLI:EU:C:2007:740 (Sundelind Lopez/Lopez Lizazo); zum Streitstand: Rauscher/Rauscher (2015) Art. 6 Brüssel IIa-VO Rn 6 f; Hau FamRZ 2000, 1333, 1340 ff.

[2]

Zum Streitstand: Staudinger/Spellenberg Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen (2015) Art. 3 Brüssel IIa-VO Rn 42 f; Rauscher/Rauscher (2015) Art. 3 Brüssel IIa-VO Rn 45 f.

[3]

 

BGH IPRspr 1996 Nr 65.

[4]

Jayme/Hausmann19 Nr 30 Fn 1; zum Anwendungsbereich OLG Hamm FamRZ 2007, 656.

[5]

BVerfGE 31, 58.

[6]

BGH NJW 1997, 2114.

[7]

Erst seit Inkrafttreten des FamFG ergeht die Scheidung durch Scheidungsbeschluss.

[8]

Vgl BVerfGE 31, 58, 81.

[9]

Praktiziert wurde der „Tondern-Trick“ deshalb, weil geschiedenen Ausländern aus Staaten, die keine Scheidung kannten (zB Italien, Spanien, Andorra) vom Heimatstaat kein Ehefähigkeitszeugnis – hier: Art. 4 Abs. 1 Haager Eheschließungsabkommen, sonst § 1309 BGB – für eine weitere Eheschließung ausgestellt wurde; vor dem Spanierbeschluss wurde diesen Ausländern aber in Deutschland die Befreiung vom Erfordernis des Ehefähigkeitszeugnisses verweigert, weil sie nicht nur aus formellen Gründen kein Zeugnis beibringen konnten, sondern nach dem relevanten Heimatrecht materiell nicht unverheiratet waren. Das dänische IPR knüpft die materiellen Eheschließungsvoraussetzungen – ohne Weiterverweisung – an das Domizil der Eheschließenden an, in der Praxis wird bei Eheschließungen häufig dänisches Recht als lex fori angewendet.

[10]

EuGH Rs C-168/08 ECLI:EU:C:2009:974 (Hadadi/Mesko-Hadadi).

[11]

Dazu BGH NJW 2007, 220.

[12]

Hierzu Rauscher/Rauscher (2015) Art. 6 Brüssel IIa-VO Rn 9 ff; auch die Ansicht, die Art. 7 Brüssel IIa-VO nicht als Ausnahme zu Art. 6 Brüssel IIa-VO, sondern als einen umfassenden ungeschriebenen ausschließlichen Anwendungsbereich der Art. 3 ff Brüssel IIa-VO versteht, kommt zu diesem Ergebnis.

[13]

Zum Wandel der Rechtsprechung in dieser Frage BGHZ 47, 324; zum Verbund: OLG Saarbrücken IPRspr 1997 Nr 93.

Literaturhinweise

Behandlung der fallrelevanten Themen in:

Rauscher Internationales Privatrecht (5. Aufl., 2017)


Anwendungsbereich der Brüssel IIa-VO: Rn 2113 ff
Eheaufhebung, Spanierbeschluss: Rn 711
Regelwidriges Scheidungsstatut Art. 17 Abs. 1 aF EGBGB: Rn 849 ff
Regelwidriges Scheidungsstatut Art. 11 Rom I-VO: Rn 834 f
Scheidungs- und Trennungsstatut in der Rom III-VO: Rn 825 ff
Vorabentscheidungsverfahren: Rn 1664 ff

Weitere Literatur

1. Anwendungsbereich der Brüssel IIa-VO

Staudinger/Spellenberg (2015) Art. 1 EheGVO Rn 1 ff.

Rauscher/Rauscher (2015) Art. 1 Brüssel IIa-VO Rn 1.

Kemper Internationales Familienrecht – (K)ein Buch mit sieben Siegeln – Grundlagen und Familienverfahrensrecht, FuR 2018, 352.

2. Eheaufhebung/Spanierbeschluss

Staudinger/Mankowski (2010) Art. 17 EGBGB Rn 242, Art. 13 EGBGB Rn 435 ff.

BVerfGE 31, 58 = NJW 1971, 1509.

3. Regelwidriges Scheidungsstatut

Staudinger/Mankowski (2010) Art. 17 EGBGB, Rn 87 ff.

Kroll Scheidung auf europäisch? – Die (derzeit) nicht scheidbare Ehe im IPR, StAZ 2007, 330.

4. Scheidungsstatut und Ehetrennung

Staudinger/Mankowski (2010) Art. 17 EGBGB, Rn 214 ff.

Rauscher Anpassung des IPR an die Rom III-VO, FPR 2013, 257.

5. Vorabentscheidungsverfahren

Rauscher/Staudinger (2016) Einl Brüssel Ia-VO, Rn 43 ff.

Dettmers Das Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV, SchlHA 2018, 109.

Mächtle Das Vorabentscheidungsverfahren, JuS 2015, 314.

6. Rom III-VO

Althammer Das europäische Scheidungskollisionsrecht der Rom III-VO unter Berücksichtigung aktueller deutscher Judikatur, NZFam 2015, 9.

Helms Reform des internationalen Scheidungsrechts durch die Rom III-VO, FamRZ 2011, 1765.

Winkler von Mohrenfels Die Rom III-VO, ZEuP 2013, 699.

2. Teil Klausuren › II. Familienrecht › Fall 4 Morgen- und andere Gaben

Fall 4 Morgen- und andere Gaben

184

Die iranischen Staatsangehörigen shi‘itischen Bekenntnisses Ali Akbar Arami und Laila Lubarian haben 1985 nach Verbüßung einiger Haftstrafen wegen offener Meinungsäußerungen über den Wächterrat und Verbot der von ihnen herausgegebenen Zeitung gemeinsam ihr Heimatland verlassen. Im Februar 1986 wurden beide in Deutschland als Asylberechtigte anerkannt. Am 1.3.1986 haben sie vor dem Standesamt München III die Ehe geschlossen. In einem privatschriftlichen Vertrag vom selben Tag verpflichtete sich der aus vermögendem Elternhaus stammende Ali Akbar der Laila eine Morgengabe (Farsi: mehriye; Arab.: mahr) von 100.000 USD zu bezahlen. Aus dem Vertrag ergibt sich, dass die Ehegatten hofften, die Verhältnisse im Iran würden ihnen bald eine Rückkehr ermöglichen und deshalb ihre ehelichen Verhältnisse den islamischen Rechtsvorstellungen entsprechend regeln wollten.

Ali Akbar führte zunächst sein im Iran abgebrochenes Studium der Informatik an der TU München fort und war vom 1.1.1991 an bei einem Softwareunternehmen in Mannheim als Angestellter rentenversicherungspflichtig beschäftigt.

Laila erwarb 1993 nach Verzicht auf die iranische Staatsangehörigkeit auf ihren Antrag die deutsche Staatsangehörigkeit.

Ali Akbar plante schon seit längerem, sich in den USA niederzulassen, wo er sich bessere Berufschancen erwartete. Im Herbst 1994 gewann er in der jährlichen Verlosung der US-Einwanderungsbehörde eine „Green-Card“, die den Inhaber und seinen Ehegatten zum dauernden Aufenthalt und zur Arbeitsaufnahme in den USA berechtigt. Schon im Februar 1995 brachen die Ehegatten in Deutschland ihre Zelte ab und zogen nach Tallahassee (Florida, USA). Ali Akbar erwarb dort auf Kredit ein Einfamilienhaus, der Kredit wurde aus seinem reichlichen Einkommen bedient. Zudem zahlte er Beiträge in einen der Altersvorsorge dienenden pension plan ein. Im Dezember 1995 gab er im deutschen Generalkonsulat in Miami seinen deutschen Reiseausweis unter Verzicht auf seine Rechtsstellung als Asylberechtigter zurück.

Laila war zunehmend mit dem gemeinsamen Leben unzufrieden. Im Dezember 2010 verließ sie ihren Ehemann und kehrte nach Deutschland zurück, wo sie wieder in München Wohnsitz nahm und eine ihren Lebensunterhalt sichernde Stelle als Redakteurin bei einer Zeitung für in Deutschland lebende Iraner fand.

Ali Akbar beantragte am 5.1.2015 bei dem Family Court für den County of Tallahassee die Scheidung der Ehe. Der Scheidungsantrag wurde Laila auf Ersuchen des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz persönlich am 16.6.2015 durch die Post zugestellt. Laila, die selbst die Scheidung wollte, sah keinen Grund, sich an dem Verfahren zu beteiligen und teilte dies dem Gericht auch brieflich mit. Am 17.7.2017 wurde die Ehe durch das Gericht in Florida nach dem Recht von Florida geschieden; weitere Entscheidungen enthält das Urteil nicht.

Nachdem ihr das Urteil zugestellt ist, beginnt Laila über finanzielle Ansprüche nachzudenken, die ihr gegen Ali Akbar aus dem Morgengabeversprechen zustehen könnten. Eine durch ein deutsches Gericht geschiedene Freundin erzählt ihr außerdem von den deutschen Rechtsinstituten des Versorgungsausgleichs, des Zugewinnausgleichs und des Aufstockungsunterhalts, die ihr viel Geld gebracht hätten.

Laila beauftragt einen Rechtsanwalt, der am 30.1.2019 beim AG München – Familiengericht – folgende Anträge gegen Ali Akbar Arami erhebt:


Zahlung von Zugewinnausgleich nach § 1378 BGB; bei der Berechnung geht er zutreffend davon aus, dass das Haus in Tallahassee das einzige relevante Vermögen eines der Ehegatten darstellt
Verurteilung zu einem – nach § 1573 Abs. 2 BGB berechneten – nachehelichen (Aufstockungs-) Unterhalt von 750 €
Durchführung des Versorgungsausgleichs unter Hinweis auf den pension plan
Zahlung, hilfsweise Herausgabe von 100.000 US-$ aus dem mehriye-Versprechen


1. Welches Recht ist auf die von Laila erwogenen Ansprüche anzuwenden? Ali Akbar Arami wendet insbesondere ein, dass es nicht sein könne, nach einer so lange in Florida gelebten Ehe nun deutsches Recht auf den nachehelichen Unterhalt anzuwenden.
2. Ist das angerufene Gericht zuständig?
3. Wie verfährt das Gericht, soweit es zuständig ist und für einen der geltend gemachten Ansprüche die erfolgte Ehescheidung materielle Anspruchsvoraussetzung ist? Sind die Ehegatten im Ergebnis wirksam geschieden?

185

Materialien

I. Iranisches Recht[1]

Iranisches ZGB, für shi‘itische Muslime uneingeschränkt anwendbar:

a) Art. 1062 iran ZGB

Eine Ehe entsteht als Folge eines Angebots und einer Annahme mit Wörtern, die eindeutig auf die Absicht, eine Ehe eingehen zu wollen, schließen lassen.

b) Art. 1078 iran ZGB

Jede Sache, die einen Wert hat und sich auch in Besitz nehmen lässt, kann man als Mahr einsetzen.

Art. 1080 iran ZGB

Die Festlegung der Menge des Mahr hängt von dem beiderseitigen Einvernehmen der Parteien ab.

Art. 1082 iran ZGB

Sofort nach der Eheschließung wird die Frau Eigentümerin des Mahr und kann darüber jede Art der Verfügung, die sie möchte, tätigen.

[Anmerkung: In der Praxis wird dennoch die Übergabe eines großen Teiles des Mahr aufschiebend auf Anforderung vereinbart, so dass die Leistung meist erst bei Scheidung gefordert wird.]

Art. 1087 iran ZGB

Falls in einer dauernden Ehe kein Mahr erwähnt oder das Fehlen eines Mahr festgelegt sein sollte, ist die Ehe gültig, wobei die Ehegatten das Mahr nach der Eheschließung einverständlich festlegen können; falls vor der Einigung über ein bestimmtes Mahr zwischen ihnen Geschlechtsverkehr stattfinden sollte, wird die Ehefrau das Recht auf ein übliches Mahr haben.

 

c) Art. 1109 iran ZGB

Der Unterhalt einer widerruflich geschiedenen Frau obliegt während des Ede [Farsi Ede = Arab. Idat = Wartezeit = 3 Perioden] dem Ehemann, es sei denn die Scheidung hat wegen Ungehorsams stattgefunden, obgleich in dem Fall, dass das Ede auf Grund einer Eheauflösung oder einer unwiderruflichen Scheidung besteht, die Frau keinen Unterhaltsanspruch hat, außer bei Schwangerschaft durch ihren Ehemann, so dass sie in diesem Fall bis zur Niederkunft einen Anspruch auf Unterhalt haben wird.

[Hinweis: Weitere Bestimmungen über nachehelichen Unterhalt enthält das iranisch shi‘itische Recht nicht.]

d)

Ehegüterrechtliche Bestimmungen enthält das iranisch-shi‘itische Recht nicht; es gilt Gütertrennung.

II. Recht von Florida

e)

Ehegüterrechtliche Beteiligungen eines Ehegatten an Immobilien beurteilen sich nach dem Recht des Belegenheitsstaates (lex situs-Regel). Wird während der Ehe Grundbesitz mit Mitteln erworben, die einem anderen Recht unterstehen, so setzen sich die an den Mitteln bestehenden Rechte am Grundbesitz fort (tracing-rule)[2].

f)

Es ist zu unterstellen, dass der geltend gemachte Aufstockungs-Unterhaltsanspruch nach dem Recht von Florida im konkreten Fall nicht bestünde.