Klausurenkurs im Internationalen Privat- und Verfahrensrecht

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Anmerkungen









RabelsZ 15 (1949) 116 ff.









Bergmann/Ferid/Henrich/Dutta/Ebert/

Henrich

 Italien (Stand 2017) III.B.1.









Bergmann/Ferid/Henrich/Dutta/Ebert/

Henrich

 Italien (Stand 2017 und ältere Rechtsstände) III.B.2.









Bergmann/Ferid/Henrich/Dutta/Ebert/

Henrich

 Italien (Stand 2017) III.B.2; die Änderungen durch legge 2015/55 betreffen die Trennungsfristen und sind am 26.5.2015 in Kraft getreten.









Die bei Bergmann/Ferid/Henrich/Dutta/Ebert/

Henrich

 aaO verwendete Bezeichnung „Trennung von Tisch und Bett“ erinnert an das bis zum Jahr 1900 in Deutschland geltende Rechtsinstitut; das italienische Recht spricht von

„separazione personale“

.




Strukturierung des Falles



127





Wesentliche Themen:


Anwendungsbereich der Brüssel IIa-VO; Eheaufhebung, Ehehindernisse (Spanierbeschluss); Regelwidriges Scheidungsstatut; Scheidungsstatut und Ehetrennung; Vorabentscheidungsverfahren (EuGH); Scheidungsstatutswahl nach der Rom III-VO.





Frage 1:



Eheaufhebungsantrag, hilfsweise Scheidungsantrag der Frieda






I.

Zuständigkeit deutscher Gerichte




1.

Anwendbarkeit Brüssel IIa-VO



   –Regelungsgegenstand ua die gerichtliche Zuständigkeit




a)

Intertemporale Anwendung



    –Intertemporal: Gerichtliche Verfahren seit dem 1.3.2005 eingeleitet (Art. 64 Abs. 1, 72 Brüssel IIa-VO) (+)




b)

Sachlicher Anwendungsbereich



    –Sachlich: Ehescheidung, Ehetrennung ohne Auflösung des Ehebandes und Ungültigerklärung der Ehe (Art. 1 Abs. 1 lit. a Brüssel IIa-VO); Ungültigerklärung: Eheaufhebung (+) italienische

gerichtliche

 (!) Anfechtung nach Art. 117 cc (+)




c)

Räumlicher Anwendungsbereich



    –Räumlicher Anwendungsbereich: Ausschließlich, wenn Art. 6 Brüssel IIa-VO (+), Antragsgegner ist italienischer Staatsangehöriger (Mitgliedstaat Art. 2 Nr 3 Brüssel IIa-VO); Antrag in Deutschland.




2.

Internationale Zuständigkeit



   –Art. 3 Brüssel IIa-VO, Anknüpfungskriterien alternativ




a)

Antragstellergerichtsstand im Heimatstaat



     –Wegen gewöhnlichem Aufenthalt Antragsgegner: Art. 3 Abs. 1 lit. a Str. 1-4 Brüssel IIa-VO (-)



     –Art. 3 Abs. 1 lit. a Str. 6 Brüssel IIa-VO: Frieda Deutsche, 6 Monate gewöhnlicher Aufenthalt (+)




b)

Verstoß gegen Art. 18 AEUV?



     –Verstoß gegen Art. 18 AEUV (-): Heimatrecht als Eingliederungsfaktor, für jeden EU-Bürger in seinem Heimatstaat



     –Internationale Zuständigkeit (+)




3.

Örtliche Zuständigkeit



   –nicht Art. 3 Abs. 1 Brüssel IIa-VO



   –§ 122 Nr 3 FamFG: Früherer gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt in Hamburg: Nicht bei zwischenzeitlich gemeinsamem Aufenthalt im Ausland



   –§ 122 Nr 5 FamFG (gewöhnlicher Aufenthalt der Antragstellerin) (+)



   –AG Köpenick örtlich zuständig (+).




Ergebnis:

Deutsche Gerichte sind international zuständig. Örtlich zuständig ist das AG Köpenick – FamG.




II.

Eheaufhebungsantrag




1.

Formwirksamkeit der Ehe




a)

Mögliche Formnichtigkeit



    –Vorfrage: Nicht nichtige Ehe, wenigstens formell wirksam geschlossen (Art. 13 Abs. 3 aF EGBGB iVm § 1310 Abs. 1 S. 1 BGB).




b)

Intertemporal anwendbares IPR



    –Intertemporal zum 1.9.1986: Art. 220 Abs. 1 EGBGB, Form bei Eheschließung abgeschlossen




c)

§ 15a EheG aF



    –Formanknüpfung: § 15a EheG aF bei Eheschließung im Inland; hier Art. 11 Abs. 1 aF EGBGB




d)

Ortsform



    –Dänische Ortsform nach Sachverhalt (+)




2.

Anwendbares Recht – materielle Ehemängel




a)

Qualifikation



    –Qualifikation: Eheaufhebung wegen Eingehungsmangel: Eheschließungsstatut




b)

Intertemporal anwendbares IPR



    –Intertemporal: Art. 220 Abs. 1 EGBGB, abgeschlossen, Theorienstreit nicht relevant




c)

Haager Eheschließungsabkommen



    –Anknüpfung: Haager Eheschließungsabkommen: Anwendbar ggü Italien (+), nur bei Eheschließung in Vertragsstaat (Art. 8 Abs. 1), Dänemark (-)




d)

Art. 13 Abs. 1 aF EGBGB



    –Art. 13 Abs. 1 S. 1 aF EGBGB; für jeden Verlobten dessen Heimatrecht



    –Frieda deutsches Recht, kein Ehehindernis, da wirksame Ehescheidung




e)

Gesamtverweisung



    –Marcello italienisches Recht, Gesamtverweisung (Art. 27 aF EGBGB)




f)

Italienisches IPR



    –Italienisches IPR: Intertemporal (Art. 72 IPRG 1995): Altes IPR



    –Art. 17

disp.s.l.in gen.

 nimmt Verweisung an; Art. 115 cc Klarstellung, dass 1. Abschnitt des III. Kapitels im 6. Titel cc, also auch Art. 86 cc materiellrechtlich




3.

Italienisches Eheaufhebungsrecht




a)

Art. 117 Abs. 1 cc



    –Aufhebbarkeit Art. 117 Abs. 1 cc durch Klage



    –Verstoß gegen Art. 86 cc,

wenn

 Marcello bei Zeitpunkt der Eheschließung anderweitig verheiratet




b)

Auf die Wirksamkeit der Scheidung anwendbares Recht



    –BGH (vor Spanierbeschluss) maßgeblich italienisches Heimatrecht, dann Ehescheidung vom 17.8.1968 in Italien

ordre-public

-widrig und nicht anerkannt.



    –Folge: Verstoß gegen den deutschen

ordre public

 (Art. 30 aF EGBGB), vgl Spanierbeschluss



    –Richtig hingegen: Noch bestehende Ehe ist Vorfrage im Tatbestand Art. 86 cc, Vorfrage selbstständig anzuknüpfen, also bei deutschem Scheidungsurteil Scheidung wirksam




Ergebnis:

Nach beiden Ansichten ist die Ehe von Frieda und Marcello (aus Sicht deutscher Gerichte) nicht vom Mangel der Doppelehe behaftet, der Eheaufhebungsantrag also unbegründet.




III.

Ehescheidungsantrag




1.

Anwendbares Recht – Rom III-VO




a)

Zeitlicher Anwendungsbereich



    –IPR in Rom III-VO anwendbar, wenn Scheidungsverfahren ab dem 21.6.2012 eingeleitet (Art. 18 Abs. 1 Rom III-VO). (+)




b)

Sachlicher, räumlicher Anwendungsbereich



    –Art. 1 Abs. 1 Rom III-VO Scheidung gehört zum sachlichen Anwendungsbereich



    –Art. 4 Rom III-VO universelle Anwendung, also auch dann, wenn nicht das Recht eines an der verstärkten Zusammenarbeit teilnehmen Mitgliedstaates berufen ist




c)

Rechtswahl



    –Art. 5 Rom III-VO Rechtswahl (-)




d)

Gewöhnlicher Aufenthalt im selben Staat



    –Art. 8 lit. a Rom III-VO Gewöhnlicher Aufenthalt beider Ehegatten (-)



    –Art. 8 lit. b Rom III-VO Letzter gewöhnlicher Aufenthalt beider Ehegatten, wenn nicht mehr als ein Jahr vor Anrufung des Gerichts beendet (-) (1.2.2015 Umzug, 29.3.2016 Anrufung)




e)

Gemeinsame Staatsangehörigkeit



    –Art. 8 lit. c Rom III-VO Gemeinsame Staatsangehörigkeit: Nicht abzustellen auf Art 5 Abs. 1 S. 2 EGBGB, nicht abzustellen auf effektive Staatsangehörigkeit, sondern Relevanz jeder von mehreren Staatsangehörigkeiten eines Mitgliedstaats (+)




f)

Sachnormverweisung



    –Art. 11 Abs. 1 Rom III-VO Sachnormverweisung




2.

Italienisches Ehescheidungsrecht




a)

Scheidung bei Aufhebbarkeit nach Scheidungsstatut



    –Fraglich, ob Scheidung nach italienischem Recht, da aus italienischer Sicht noch immer bigamisch, also aufhebbar



    –Da Ehe aus italienischer Sicht nicht nichtig, jedoch kein Widerspruch: Scheidung möglich, solange Ehe besteht




b)

Zerrüttungsscheidung nur bei gerichtlicher Trennung



    –Ehescheidungsgrund Art. 3 Abs. 2 lit. b italienisches Scheidungsgesetz, Voraussetzung gerichtliche Ehetrennung und nachfolgend 12-monatiges Getrenntleben oder gerichtlich bestätigte Ehetrennung und nachfolgend 6-monatiges Getrenntleben (-); rein faktische Trennung reicht nur, wenn vor 18.12.1970 begonnen




3.

Deutsche lex fori als „regelwidriges“ Scheidungsstatut



   –Art. 10 Rom III-VO



   –Scheidung in dem von Art. 8 berufenen Recht nicht vorgesehen (-)



   –Scheidung in dem von Art. 8 berufenen Recht geschlechtsspezifisch diskriminierend (-)



   –Art. 12 Rom III-VO deutscher ordre public (-), zwar ausreichender Inlandsbezug, aber selbst unter Art. 17 Abs. 1 S. 2 aF EGBGB wäre die bloße Formalisierung der Trennung angesichts der erfolgten Reduzierung der Trennungsfrist auf 12 bzw 6 Monate nicht mehr dem Ausschluss der Scheidbarkeit der Ehe vergleichbar.




Ergebnis:

Die Ehe kann derzeit nach dem maßgeblichen italienischen Scheidungsstatut im gerichtlichen Verfahren nicht geschieden werden.





Frage 2:



(Abwandlung 1): Gewöhnlicher Aufenthalt beider Ehegatten in Locarno






1.

Brüssel IIa-VO: Vorrang gegenüber lex fori

 




a)

Fehlende Zuständigkeit nach Art. 3 Brüssel IIa-VO



   –Wie Ausgangsfall: Internationale Zuständigkeit

ausschließlich

 Brüssel IIa-VO, Antragsgegner ist Italiener (Art. 6 lit. b Brüssel IIa-VO)



   –Art. 3 Abs. 1 lit. a Brüssel IIa-VO (-) keine Partei hat gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland



   –Art. 3 Abs. 1 lit. b Brüssel IIa-VO (-) keine gemeinsame Staatsangehörigkeit




b)

Lex fori bei Zuständigkeit in keinem Mitgliedstaat



   –Teleologische Einschränkung von Art. 6 Brüssel IIa-VO: Sinnvoll nur, wenn Zuständigkeit in irgendeinem Mitgliedstaat

oder

 Anwendung von Art. 7 Brüssel IIa-VO auch gegen Art. 6 Brüssel IIa-VO




c)

Vorliegen der Ausnahme



   –Voraussetzung: Kein Mitgliedstaat nach Art. 3 Brüssel IIa-VGO zuständig (+)




d)

Internationale Zuständigkeit nach § 98 FamFG



   –Folge: § 98 Abs. 1 Nr 1 FamFG anwendbar, deutsche Gerichte zuständig (+)




2.

Örtliche Zuständigkeit



  –§ 122 Nr 6 FamFG: (+) AG Schöneberg in Berlin




3.

Vorabentscheidungsersuchen zum EuGH




a)

Kein Vorlagezwang



   –Eigene Entscheidung: Jedenfalls wenn Auslegung Art. 6 und 7 Brüssel IIa-VO zweifelsfrei




b)

Vorabentscheidungsersuchen bei Zweifel



   –Bei Zweifeln fakultatives Vorabentscheidungsverfahren zum EuGH (Art. 267 Abs. 1 lit. b, Abs. 2 AEUV)




c)

Vorlagebefugnis



   –Vorlagebefugnis Art. 267 Abs. 2 AEUV, aber keine Vorlagepflicht (Art. 267 Abs. 3 AEUV), da jedenfalls noch Beschwerde § 58 FamFG statthaft (+)




Ergebnis:

Das AG Schöneberg – FamG – hat die Wahl, die Auslegung selbst vorzunehmen und die abschließende Klärung dem Instanzenzug zu überlassen oder die Frage dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen.





Frage 3:



(Abwandlung 2): Beide Italiener mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland






1.

Keine Ehaufhebung

 In dieser Variante keine Frage der Eheaufhebung, da beide Ehegatten erstmals verheiratet.




2.

Ehescheidungsstatut




a)

Zulässigkeit der Rechtswahl

 Aussichtsreicher Antrag nach dem anwendbaren Recht:



   –Rom III-VO auf Antrag im Januar 2018 intertemporal anwendbar (+)



   –Rechtswahl zu italienischem Recht statthaft (Art. 5 Abs. 1 lit. c Rom III-VO) (+)



   –Auch Rechtswahl vor Geltung der Rom III-VO wirksam, wenn Art. 6, 7 Rom III-VO gewahrt (+)



   –Keine Wirksamkeitsbedenken (Art. 6 Rom III-VO iVm italienischem Recht) (+)




b)

Form der Rechtswahl



   –Schriftlichkeit nach Art. 7 Abs. 1 Rom III-VO bei deutschem Ehevertrag gewahrt (+)



   –Zusätzlich Form des Art. 46d Abs. 1 EGBGB erforderlich und durch Ehevertrag in Deutschland gewahrt (+)




3.

Materiell aussichtsreicher Antrag



  –Scheidungsantrag nach italienischem Recht (-) mangels gerichtlicher/gerichtlich bestätigter Trennung



  –Einvernehmliche anwaltlich vermittelte Scheidung (-), da Marcello nicht zustimmen will




4.

Internationale Zuständigkeit für Ehetrennung



  –Art. 3 ff Brüssel IIa-VO



  –sachlich auch Ehetrennung Art. 1 Abs. 1 lit. a Brüssel IIa-VO



  –ausschließlich, da Antragsgegner Italiener und gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland (Art. 6 lit. a und b Brüssel IIa-VO)



  –Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte (+) Art. 3 Abs. 1 lit. a Str. 1 Brüssel IIa-VO




5.

Ehetrennung vor deutschen Gerichten



  –Im deutschen Verfahren nicht vorgesehen



  –Anpassung des deutschen Verfahrensrechts, soweit ohne tiefgreifende Verwerfungen zwischen Verfahrensrecht und materiellem Recht möglich



  –Ähnlichkeit Ehetrennung und Ehescheidung, §§ 121 ff FamFG geeignet



  –Argument Brüssel IIa-VO: Rechtsverweigerung durch nach Art. 3 Brüssel IIa-VO zuständigen Mitgliedstaat vermeiden




6.

Ehetrennungsstatut



  –Art. 1 Abs. 1 Rom III-VO: Rom III-VO auch auf Ehetrennung anzuwenden



  –Auslegung der Rechtswahl: Italienisches Recht auch für Trennungsstatut




7.

Ehetrennung im italienischen Recht

 Materielles italienisches Recht: Art. 151 cc (+) jahrelange Untreue von Marcello macht die Fortsetzung des Zusammenlebens unzumutbar




Ergebnis:

Ein Ehescheidungsantrag kommt nach dem als Scheidungsstatut wirksam gewählten italienischen Recht nicht in Betracht. Deutsche Gerichte sind jedoch für einen Ehetrennungsantrag nach italienischem Recht international zuständig; der Ehetrennungsantrag ist auch begründet.




Anmerkungen









Nur vier der elf Amtsgerichte im Bezirk des Kammergerichts haben eine Abteilung für Familiensachen (Pankow/Weißensee, Köpenick, Tempelhof/Kreuzberg, Schöneberg); diese Problematik wird im Fall dadurch ausgeblendet, dass das AG – FamG – Köpenick als einziges nur für den eigenen Amtsgerichtsbezirk zuständig ist.





Lösung

Frage 1: Eheaufhebungsantrag, hilfsweise Scheidungsantrag der Frieda

I. Zuständigkeit deutscher Gerichte

1. Anwendbarkeit Brüssel IIa-VO



128








Anwendbar könnte die Brüssel IIa-VO (Verordnung (EG) Nr 2201/2003) sein, deren

Regelungsgegenstand

 ua die gerichtliche Zuständigkeit (Art. 3 ff Brüssel IIa-VO) umfasst.





a) Intertemporale Anwendung



129





Intertemporal gilt die Brüssel IIa-VO, welche die Brüssel II-VO (Verordnung (EG) Nr 1347/2000) ersetzt, für gerichtliche Verfahren, die

seit dem 1.3.2005 eingeleitet

 wurden (Art. 64 Abs. 1, 72 Brüssel IIa-VO); auf die Frage, ob auch für Zwecke der intertemporalen Anwendung die „Einleitung“ des Verfahrens nach Art. 16 Brüssel IIa-VO oder nach der

lex fori

 zu beurteilen ist, kommt es nicht an, da der Antrag erst nach dem Stichtag eingereicht wurde. Damit ist die Brüssel IIa-VO jedenfalls zeitlich anwendbar.






b) Sachlicher Anwendungsbereich



130





Sachlich

 ist sie anzuwenden auf zivilgerichtliche Verfahren zur

Ehescheidung, Ehetrennung

 ohne Auflösung des Ehebandes und

Ungültigerklärung

 der Ehe (Art. 1 Abs. 1 lit. a Brüssel IIa-VO). Der weite Begriff „Ungültigerklärung“ soll die verschiedenen in den Mitgliedstaaten existierenden Verfahren umfassen, die sich mit der Beseitigung der Ehe aufgrund von Eheschließungsmängeln befassen. Dazu gehört sowohl die deutsche Eheaufhebung (

§§ 1313 ff BGB

) als auch die italienische

gerichtliche

 (!) Anfechtung nach Art. 117 cc (MAT g, h). Sachlich gilt die VO also für Haupt- und Hilfsantrag.






c) Räumlicher Anwendungsbereich



131





Der räumliche Anwendungsbereich der Brüssel IIa-VO ist im Gegensatz zu Art. 3, 4 Brüssel I-VO

nicht klar komplementär zur


lex fori

 geregelt. Hat der Antragsgegner/Beklagte seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats oder ist Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats, so sind die Zuständigkeiten der VO in anderen Mitgliedstaaten

ausschließlich

 (Art. 6 letzter Hs. Brüssel IIa-VO). Ergibt sich aus Art. 3 bis 5 Brüssel IIa-VO keine Zuständigkeit in einem Mitgliedstaat, kann subsidiär auf das innerstaatliche IZVR zurückgegriffen werden (Art. 7 Abs. 1 Brüssel IIa-VO). Anders als unter der Brüssel I-VO kann sich aus der Brüssel IIa-VO also durchaus auch in Fällen, in denen der Beklagte keine Unionsbürgerschaft und keinen innergemeinschaftlichen gewöhnlichen Aufenthalt hat, eine Zuständigkeit ergeben. Fraglich ist dann nur, ob in anderen Mitgliedstaaten auch auf die

lex fori

 eine internationale Scheidungszuständigkeit gestützt werden darf, was umstritten ist und vom EuGH nunmehr verneint wird.



Liegen die Voraussetzungen des Art. 6 Brüssel IIa-VO vor, ist die VO nach allen Ansichten anzuwenden und deren Zuständigkeitsregeln verdrängen das nationale IZPR. Das ist hier der Fall: Der Antragsgegner ist italienischer Staatsangehöriger (Mitgliedstaat iSd Art. 2 Nr 3 Brüssel IIa-VO – EU ohne Dänemark); der Antrag ist in Deutschland, also einem anderen Mitgliedstaat, anhängig.





2. Internationale Zuständigkeit



132





Die

internationale Zuständigkeit

 deutscher Gerichte müsste sich aus Art. 3 Brüssel IIa-VO ergeben; die dort genannten Anknüpfungskriterien sind alternativ.






a) Antragstellergerichtsstand im Heimatstaat



133





Da der Antragsgegner seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Italien hat und auf den vorvorherigen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland nicht abgestellt werden kann, weil beide Ehegatten zwischenzeitlich dort nicht mehr gelebt haben, kommt nur eine deutsche Zuständigkeit als

forum actoris

 in Betracht. Da Frieda die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, genügt ein 6-monatiger gewöhnlicher Aufenthalt unmittelbar vor Antragstellung im Gerichtsstaat Deutschland (Art. 3 Abs. 1 lit. a Str. 6 Brüssel IIa-VO). Das liegt vor, denn Frieda lebt seit 1.2.2015 „auf Dauer“ in Berlin und kann als Erwachsene ihren gewöhnlichen Aufenthalt ohne zeitliche Verzögerung verlegen.






b) Verstoß gegen

Art. 18 AEUV

?



134





Zwar wird vertreten, diese Bestimmung verstoße gegen

Art. 18 AEUV

 (ehemals

Art. 12 EGV

); Staatsangehörige des Forumstaates als Kläger würden bevorzugt, da sie dort nur 6 Monate, andere Kläger hingegen 12 Monate (Art. 3 Abs. 1 lit. a Str. 5 Brüssel IIa-VO) gewöhnlichen Aufenthalt haben müssten, um eine internationale Zuständigkeit zu begründen. Dem ist entgegenzuhalten, dass dies kein vom nationalen Recht gewährter Vorteil für eigene Staatsangehörige ist, sondern die Bestimmung jedem Unionsbürger in seinem Heimatstaat zugute kommt und ihr die zutreffende Einschätzung zugrunde liegt, dass bei Rückkehr in den Heimatstaat eine Zuständigkeitserschleichung ferner liegt als bei Zuzug in einen beliebig selbst gewählten anderen Mitgliedstaat. Im vorliegenden Fall bleibt der Streit unerheblich, da Frieda bei Antragstellung bereits mehr als 12 Monate gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte.



Deutsche Gerichte sind also international zuständig.






3. Örtliche Zuständigkeit



135





Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich nach dem klaren Wortlaut („sind

die Gerichte

 des Mitgliedstaats zuständig“ Art. 3 Abs. 1 Brüssel IIa-VO) nicht aus der VO.



Das angerufene Gericht könnte nach

§ 122 Nr 5 FamFG

 (gewöhnlicher Aufenthalt der Antragstellerin) zuständig sein. Das ist wegen des früheren gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthaltes in Hamburg fraglich (

§ 122 Nr 3 FamFG

); die Regelung geht aber nur von der innerstaatlichen Situation aus, erfasst also nicht den Fall, dass zwischenzeitlich ein gemeinsamer Aufenthalt im Ausland bestanden hat. Damit greift mangels eines inländischen gewöhnlichen Aufenthalts des Antragsgegners

§ 122 Nr 5 FamFG

 ein.



Das AG Berlin Köpenick ist also als Wohnsitzgericht der Antragstellerin örtlich zuständig; da das AG Köpenick auch über ein FamG verfügt, bleibt es hierbei auch mit Rücksicht auf die Konzentration der Familiensachen bei bestimmten AG im Bezirk des KG.





Ergebnis:



Deutsche Gerichte sind international zuständig. Örtlich zuständig ist das AG Köpenick – FamG.






II. Eheaufhebungsantrag

1. Formwirksamkeit der Ehe

a) Mögliche Formnichtigkeit



136

 





Bevor die Aufhebung einer

Ehe

 geprüft werden kann, müsste eine wenigstens formell wirksam geschlossene Ehe vorliegen. Essentielle Formverstöße könnten zu einer nichtigen Ehe/Nichtehe führen (vgl

Art. 13 Abs. 4 EGBGB

  iVm

§ 1310 Abs. 1 S. 1 BGB

).






b) Intertemporal anwendbares IPR



137


      <p/