Begnadet - Wiedergeburt - Buch 3

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Aus der Reihe: Begandet #3
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Begnadet - Wiedergeburt - Buch 3
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Charakterguide

Was bisher geschah:

Aeia - 13 Jahre nach dem Tag im Louvre

Michail - 21 Jahre nach dem Tag im Louvre

Naomi - Kulturen

Zac - Naomi

Levi - DNA

ATON - Beweislast

Aeia - Brief von Levi

Aeia - Schlechte Nachrichten

Naomi - Gehackt

Aeia - Away-Mission

Naomi - News

Naomi - Jayden

Aeia - Traum

Jarno und Lu - Away-Team

Soldat - Nachts

Naomi - Zac

Naomi - Gesetze der Mathematik

Naomi - Jiu Jitsu

Naomi - Genesungsgate

Aeia - Naomi

Aeia - Ich liebe Dich!

Naomi - Hausarrest

Naomi - Eve

Naomi - Zacs Zimmer

Naomi - Das Foto

Naomi - denkt nach

Aeia - Männer

Aeia - Frauen

Aeia - Der Auftrag

Aeia - Flug

Naomi - Phoenix

Naomi - Nachricht von Aeia

Zac - Naomi

Naomi- begnadete Mädchen

Auftragskiller - Sayed Moawad

Aeia - Ankunft in Kairo

Naomi - Gespräch mit Eve im Abteil

Aeia - Sayed Moawad

Naomi - Aufprall

Davidi - Ziconotid

Aeia - Untergang

Naomi- Überlebende

Vigor - Gespräche mit Jarno

Aeia - Hieroglyphen

Aeia - Alte Freundinnen

Eve - 1334

Naomi - Flucht

Aeia - kryptologische Abteilung

Naomi - Stimmen

Aeia - Vigors Gabe

Jarno und Lu - Kairo

Kyala - 1334

Aeia - Traum

Naomi - Nachts

Eve - Entscheidungen

Naomi - Sonnenaufgang

Aeia - 1330 v. Chr.

Eve - ATON

Aeia - Tal der Könige

Aeia - Tutanchamun

Aeia - Götter

Naomi - Dorf

Eve - Maxim

Naomi - Zukunft und Vergangenheit

Naomi - Flussufer

Naomi - Kontaktperson

Naomi- Flug nach Sankt Petersburg

Aeia - Ausgrabungsstätte

Naomi - Nenestra

Aeia - Ausgrabungen

Naomi - Sonnenenergie

Aeia - Mumie

Naomi - Nächtlicher Besucher

Naomi - Wiedergeburt

Aeia - Phaeton

Nenestra - Ramires

Naomi - Gostiny Dwor

Naomi - Shakti

Naomi - ATON

Aeia - Flug 7SK5597

Naomi - Es werde Licht

Naomi - Geständnisse

Naomi - Einsatzkommando

Naomi - Schachfiguren

Aeia - Sankt Petersburg

Aeia - Alte Wunden

Naomi - Licht

Naomi - Eve

Naomi - Zeremonie

Phoenix - Die Auserwählte

Naomi - Phoenix

Naomi - Liebe

Epilog

Danke!

Vorschau auf Violet

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Impressum neobooks

Begnadet - Wiedergeburt - Buch 3

Von Sophie Lang

Charakterguide

Aeia: Sie kann spüren, ob jemand die Wahrheit sagt, und sieht in ihren Träumen, den sogenannten Highdreams, alternative Zukunftsperspektiven.

 

Levi: Levi ist ein Mensch, Arzt und der Mann dem Aeia verziehen hat, weil sie ihn liebt. Die beiden haben geheiratet und haben zusammen zwei Kinder: Joshua und Naomi.

Kyala: Eine Computerspezialistin die über außerordentliche Selbstheilungskräfte verfügt und nicht altert. Kyala ist Aeias beste Freundin.

Jarno: Bis zur Heirat mit Lu, war Jarno ein Womanizer. Bei Körperkontakt mit seinen Händen fühlt man sich vollkommen entspannt und furchtlos.

Lu: Sie ist hochintelligent und hat mit ihrer Klugheit und ihrem Scharfsinn die künstliche Intelligenz Eve erschaffen. Lu hat Jarno gebändigt und die beiden sind glücklich verheiratet.

Vigor: Vigor wurde beim Ritual mit Aeia verbunden. Es dauert Jahre seinen Beschützerinstinkt auf eine Person zu prägen. Danach spürt Vigor die Emotionen und den Aufenthaltsort der geprägten Person.

Eve: Eve ist eine künstliche Intelligenz. Sie fühlt, erinnert sich und liebt Sprüche und die schönen Künste. Sie besitzt keinen Körper, aber ihr Geist kann jeden Ort im Internet aufsuchen. Für ihr Bewusstsein hat sie sich eine Heimat auf organischen Festplatten im Silicon Valley ausgesucht.

Was bisher geschah:

Aeia Engel, die junge Psychologin aus Freiburg, hat vor 21 Jahren ihren Arbeitsvertrag bei TREECSS mit ihrem Blut besiegelt. Im Institut angekommen, erfährt Aeia vom Institutsleiter Palo Davidi, dass sie über ein einzigartiges Talent verfügt: Sie kann spüren, ob jemand die Wahrheit sagt. Aufgrund ihrer Gabe wird sie mit der Aufklärung eines Mordes beauftragt. Je weiter Aeia die immer gefährlicher werdende Spur verfolgt, umso mehr erfährt sie über sich und die Geheimnisse des TREECSS. Aeias Gene sind nicht menschlich, sie ist eine Begnadete und der Mörder offensichtlich kein Einzelgänger. Eine Verschwörung ist im Gange und Aeia ist der Spielball zwischen den Mächten, ist Davidis Joker, um den Gegner schachmatt zu setzen.

Aeia - 13 Jahre nach dem Tag im Louvre

Seit jenem Tag im Louvre sind 13 Jahre vergangen. Jahre, in denen Aeia zu ihnen gehört. Unvergessliche Jahre, in denen sie einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet hat, dass das geheim bleibt, was geheim bleiben muss.

Aber hin und wieder ist es gut, mit alten Traditionen zu brechen, damit etwas Neues entstehen kann.

Levi und Aeia sind dafür ein gutes Beispiel.

Sie haben vor sieben Jahren geheiratet. Ein Mensch und ein Wesen, wie Aeia es ist. Sie hat ihrem lieben Mann zwei wundervolle Kinder geschenkt.

Naomi und Joshua.

Wenn Eve tatsächlich auf sämtliche Informationen dieser Welt Zugriff hat und man den Geschichtsbüchern von TREECSS Glauben schenken will, dann sind es die Ersten einer neuen Art. Eine Vermischung der Gene.

Aber im Grunde spielt das nicht die geringste Rolle. Denn Aeia erfreut sich jeden Tages, den sie gemeinsam mit ihren Kindern erleben darf. Die gemeinsamen Momente fühlen sich an wie unendlich kostbare Geschenke.

Selbstverständlich ist sie gespannt, was mit dem Erreichen ihres 21. Lebensjahrs aus ihnen wird. Ob überhaupt etwas Mystisches oder Spektakuläres passieren wird? Aber egal, was es auch immer sein wird, an ihrer Liebe wird sich nichts ändern.

Der Kuchen steht in der Küche, ist noch heiß und verbreitet seinen glückselig machenden Duft im ganzen Haus.

Der Kuchen und Aeia warten auf die Freunde der Familie.

Auf Vigor, Kyala und Lu.

Und auch auf Jarno, Lus Lebensgefährten und Naomis Taufpaten.

Aeia lächelt und sinniert über die alten Zeiten.

Das hört sich so an, als wäre sie alt. Als hätte sie Runzeln im Gesicht. Nun, das eine oder andere Fältchen ist bereits ein stetiger Begleiter. Aber ganz gewiss handelt es sich um Lachfältchen.

Sie denkt gerne an den Tag zurück, an dem sie Eves Stimme zum ersten Mal gehört hat. Auch wenn sie in ihrer ersten Woche bei TREECSS dem Tod nur knapp von der Schippe gesprungen ist, konnte ihr nichts Besseres passieren.

Sie wischt über das Tablet und es startet augenblicklich. Sie legt ihren Kopf in den Nacken, bewegt ihn geschmeidig von links nach rechts. Ihr Nacken und ihr Rücken fühlen sich entspannt und gut an. Dafür sind die einfühlsamen Hände ihres Mannes verantwortlich. Vor ein paar Minuten leistete er ihr noch Gesellschaft. Jetzt zündet er die Kohlen an, bereitet alles für das Barbecue vor, während Aeia noch kurz einer alten Freundin Hallo sagen will.

Das Tablet ist nun online.

»Hallo Eve. Sind irgendwo Bösewichte auf der Welt unterwegs?«

»Genug, aber keine, die die Weltordnung ins Wanken bringen könnten.«

»Gut, dann haben wir ja noch ein bisschen Zeit für Smalltalk«, sagt Aeia und lächelt.

Michail - 21 Jahre nach dem Tag im Louvre

Mondlicht. Mystisch leuchten die Götterstatuen auf den Palastdächern. Nur noch wenige Tage bis sich die Erde vor den Mond schiebt und ihn in eine rotbraune Scheibe, einen Blutmond, verwandeln wird. Der Stealth-Helikopter hat seinen Flug quer durch Russland beendet, sein Ziel erreicht und setzt lautlos auf dem Innenhof des Winterpalastes auf. Das Gebäude ist nur ein kleiner Teil der Eremitage, aber es gilt seit über drei Jahrhunderten als ein Prunkstück des russischen Barock. Die rechteckigen Umrisse des größten Kunstmuseums der Welt umgeben die Ankömmlinge wie Mauern einer Bastille. Jede Seite ist anders gestaltet, die Fensterrahmen variieren in Größe und Form von Geschoss zu Geschoss. Hoch oben auf den Dächern beobachten argwöhnisch fast vier Meter hohe Götterstatuen das Eindringen der Besucher.

Die Helikoptertüren öffnen sich. Drei, bis unter die Zähne bewaffnete Kämpfer, steigen aus, flankieren die Seiten. Ihnen folgt ein Mann von einschüchternder Erscheinung, in einen schwarzen Ledermantel gehüllt, die Kapuze bis tief ins gefurchte Gesicht gezogen. Ihn umgibt eine Aura von Kraft und Selbstsicherheit und das Spiel der Schatten zeichnet eine sich verschiebende, ständig wandelnde Kriegsbemalung auf sein ernstes Gesicht.

»Dobro pozhalovat‘ in Sankt Petersburg, der Stadt der Zaren«, heißt Michail der Wächter den Ankömmling standesgemäß willkommen und geleitet ihn in die Eremitage.

Im Innern des Kunstmuseums folgt der mysteriöse Besucher dem hünenhaften Russen durch endlos lange Korridore, vorbei an unzähligen Räumen und tausenden Werken von Meistern aus der ganzen Welt. Die nächtliche Gruppe erreicht die Passage mit Werken des Spaniers Pablo Picasso. Niemand schenkt seinen Gemälden Aufmerksamkeit. Der Fremde ist nicht gekommen, um der Eremitage einen Museumsbesuch abzustatten, er ist nicht hier, um sich irrelevante Werke anzusehen. Sie sind hier, weil es um das Fortbestehen ihrer Spezies geht.

Sie lassen Rembrandt, Matisse und Paul Gauguin hinter sich, erreichen die Halle, die tagsüber unzählige Touristen wie ein Magnet anzieht. Der Besucher verlangsamt seinen Schritt, bleibt vor einem Gemälde des italienischen Begnadeten Leonardo da Vinci stehen. Es trägt den Namen Madonna Benois, die Madonna mit der Blume.

Er betrachtet die kleineren Mängel, das scheinbar leere Fenster im Hintergrund, die hohe, glatzenartige Stirn und den faltigen Hals des Jesuskindes. Merkmale, die einen in den Irrglauben führen könnten, dass Leonardo das Bild nie ganz vollendet hätte.

»Außergewöhnlich«, haucht er. Seine Stimme ist warm und doch durchschneidet sie die Stille wie eine geölte Rasierklinge.

»Öffnen Sie das«, befiehlt er und der Russe leistet Gehorsam; benötigt nur ein paar wenige einstudierte Handgriffe, um die Sicherheitsvorkehrungen zu deaktivieren und die Panzerglasscheibe zu entsichern. Der Besucher tritt an das Gemälde heran, streicht ehrfurchtsvoll mit seiner Hand über die Leinwand, jedoch ohne diese zu berühren. Michail hält den Atem an. Die Finger des Besuchers verharren in einem Zentimeter Abstand über dem Ölgemälde, genau im goldenen Schnitt. Es ist das gleiche Phänomen wie auf den Skizzen der Madonnenbilder im Louvre, in Paris und im British Museum in London. Wie bei der Mona Lisa.

Die scheinbare Unvollkommenheit des Jesuskindes und die vollkommene, göttliche Perfektion des Gesamtgemäldes stehen im Kontrast. Ramires kennt als einer der wenigen, das Geheimnis, den Ursprung seiner eigenen Spezies, die in diesem Gemälde zum Ausdruck kommt. Die Schöpfer wollten etwas Vergängliches erschaffen, aber das genaue Gegenteil ist eingetreten.

»Wir können weiter«, sagt er.

Minuten und dutzende Räume später, schreiten sie durch eine unscheinbare Tür, gelangen hinter die Kulissen. Über eine Steintreppe kommen sie zwei Etagen tiefer, durch eine weitere Pforte, einen Gang und noch eine Treppe, bis in eine unterirdische Galerie. Zwischen all dem alten, modrigen Holz hängen zahllose Katzengemälde. Wesen, die in ganz Ägypten als heilig verehrt wurden. Die Katze wurde als Jägerin der Nacht mit dem Mond in Beziehung gesetzt und sie ist die Verkörperung der Katzengöttin Bastet, die Tochter des Sonnengottes Ra. Götter? Schöpfer? Ein und dasselbe!

Hier und da springt ein lebendes Katzenexemplar aus einem der Schatten und beobachtet misstrauisch die Ankömmlinge.

»Katharina die Große hatte eine Leidenschaft für diese Wesen mit den Sieben Leben«, sagt Ramires. »Die Sieben steht für das Vollkommene, ist die Summe aus der Drei, die das Göttliche symbolisiert und der Vier, die für das Weltliche steht. Sie steht für die Unendlichkeit«, flüstert er, um die Katzen nicht aufzuscheuchen.

Dann, nach der Durchquerung des unterirdischen Labyrinths, hat die Gruppe ihr nächtliches Ziel erreicht, bleibt vor einer metallenen Tür stehen und wartet, bis Michail sie mit einer Chipkarte aus purem Gold öffnet. Ramires und seine Begleiter folgen ihm durch einen unterirdischen Irrgarten, der Teil der Sicherheitsvorkehrungen ist. Ramires geht nun voraus. Er kennt den Weg.

Sie betreten eine Sackgasse, bleiben vor der massiven Steinwand stehen. Er entfernt Insektenkot und Schmutz, der sich im Verlauf der letzten Jahre angesammelt hat und zwei unscheinbare Schlitze in den Fugen werden sichtbar. Er holt eine weitere goldene Karte hervor und gleichzeitig stecken sie die Schlüssel in die dafür vorgesehenen Öffnungen. Ein faustgroßer Stein schiebt sich langsam zur Seite und legt ein kleines, modernes Touchfeld frei. Michail legt den Daumen darauf und das Panel erwacht zum Leben. Ägyptische Hieroglyphen leuchten in goldenen und weißen Lettern auf und warten geduldig auf die Eingabe der korrekten Reihenfolge.

Wie zu erwarten war, entriegeln sich verteilt in der Wand die Schlösser und eröffnen ihnen den Zugang in eine alte, dahinterliegende Aufzugsanlage.

»Nehmt das. Hilft beim Druckausgleich«, sagt Michail, der seit über einem Jahrzehnt der Wachmann dieses Hochsicherheitstraktes ist, und öffnet seine Finger. Auf seiner Handfläche liegen Kaugummis, von denen sich jeder einen nimmt und in den Mund steckt.

Der Aufzug setzt sich in Bewegung, ohne dass Michail einen Knopf drücken muss.

Auf der Fahrt nach unten knallen Ramires Ohren. Die drei ausgebildeten Elitekämpfer kauen nervös weiter. Ramires sagt keinen Ton.

Michail hat seine Arme hinter seinem Rücken verschränkt und ändert weder seine Position noch seine Mimik. Auch dann nicht, als einer der Männer bewusstlos zusammenklappt.

»Was hat das zu bedeuten?«, fragt ein Mann der Leibwache. Dies sind seine letzten Worte. Er ist der Nächste und eine Sekunde später bricht auch der letzte Mann zusammen, so als wären sie alle nur Marionetten, denen jemand die Fäden durchgeschnitten hat.

»Seltsame Art und Weise, den Druck auszugleichen«, stellt Ramires fest und schaut den Wachmann an. »Was wäre, wenn ich mich für den falschen Kaugummi entschieden hätte?«

»Es ist die reinste Zeitverschwendung, Fragen zu beantworten, die mit was wäre wenn beginnen«, lächelt der Wachmann, doch Ramires verzieht keine Miene.

»Musste das wirklich sein?«

»Sie würden es nicht verstehen, was wir hier tun. Jede Sicherheitslücke, würde das ganze Unternehmen gefährden. Wir müssen bereit sein Opfer zu bringen.« Ramires schaut auf die am Boden liegenden Männer.

»Sind sie tot?«

»Nein, nur bewusstlos.« Ramires betrachtet die Körper seiner Männer, schluckt den Kaugummi hinunter.

 

»Bereit den Teufel frei zu lassen?«, fragt Michail.

»Ich bin bereit!«, antwortet Ramires.

Naomi - Kulturen

»Hilfe! Lasst uns in Ruhe! Was wollt ihr? Verschwindet!«, höre ich eins der Mädchen ängstlich rufen. Angespannt schiebe ich die Stahltür auf, schlüpfe hindurch und suche hinter einem Pfeiler Deckung.

»Halt die Schnauze!«, brüllt ein Typ.

Ich lehne mit dem Rücken an Beton, blicke über die Schulter, scanne die Situation. Sehe drei Männer in Militärkleidung, registriere das rasierte Hakenkreuz in ihren Nacken, ihre kurzgeschorenen Haare. Sie haben zwei hilflose Mädchen, zwischen zwei Elektrofahrzeugen, einem VW E-Golf und einem Ford E-Focus, in die Enge getrieben. Niemand der Anwesenden ist älter als fünfundzwanzig und jeder der männlichen Subjekte passt in das Bild eines gewaltbereiten Menschen. Ihre Mimik verströmt Ignoranz und Hass und sie scheinen jeglicher Möglichkeit beraubt, logische oder liebevolle Gedankengänge zu spinnen. Die zwei Mädchen sind jünger. Die Asiatin, versucht ihre dunkelhäutige Freundin, mit ausgestreckten Händen zu schützen, bekommt aber einen fürchterlichen Faustschlag seitlich in den Bauch gerammt und bricht stöhnend zusammen. Ihr exotisches Gesicht wird von Tränen überflutet. Sie liegt wie ein Häufchen Elend auf dem kalten Steinboden und hält sich, krümmend vor Schmerzen, den Unterleib.

»Das habt ihr davon, unser Land zu verpesten. Ihr asoziales Pack!«, werden sie mit erhobenen Fäusten beschimpft. Mein Magen zieht sich zusammen, als ich einen Schlagring aufblitzen sehe.

»Bro, die verstehen dich nicht. Die können kein deutsch. Die verstehen nur eine Sprache«, geifert der angsteinflößende Kerl neben dem Typen mit dem Schlagring.

»Ja, die Prügelsprache«, lacht der Dritte. Er zückt eine schwarze Lackdose und sprüht dem Mädchen ins Gesicht. Sie schafft es gerade noch, den Kopf abzuwenden. Der Lack trifft sie auf Hals, Nacken und in den Haaren. Das verängstigte Ding fleht um Gnade, sieht voller Furcht zu, wie der Typ ein schwarzes Hakenkreuz auf ihr Shirt sprüht, dann blickt sie zu ihrer Freundin, die niedergestreckt am Boden liegt und vor Schmerzen schluchzt. Sie hat es böse erwischt. Mir fällt sofort auf, was den drei Angreifern offensichtlich verborgen bleibt. Beide Frauen sprechen akzentfrei deutsch. Vermutlich sind sie hier geboren und aufgewachsen. Als würde das irgendetwas bedeuten oder an der Situation etwas ändern, wo jemand geboren wurde. Eine Sekunde lang überfluten mich die Eindrücke.

Der Flüchtlingsstrom aus Afrika und Asien ist seit ein paar Jahren versiegt. Die Auffanglager gehören der Vergangenheit an, denn mittlerweile sind alle Flüchtlinge ein Teil unserer Gesellschaft geworden. Die Klassen auf den staatlichen Schulen setzen sich multikulturell zusammen. Europäer, Afrikaner, Asiaten und die Nachkommen der Flüchtlinge aus dem Mittleren Osten sind nahezu zu gleichen Anteilen vertreten. Doch in gleichem Maße, wie die Integration vorangeschritten ist, haben auch die Proteste und rechtsradikalen Gruppierungen immer weiter an Stärke gewonnen. Sie haben es noch immer nicht begriffen, dass wir auf dem gleichen Planeten leben und diese drei Hirnamputierten sind der Beweis dafür, dass es eine Minderheit immer wieder schafft, Böses zu tun, während der Großteil der Bevölkerung wegsieht oder es einfach nicht mitbekommt. Ich gehöre nicht zu denen. Ich bin zur Hälfte eine Begnadete und unsere Aufgabe ist es, für Frieden in der Welt zu sorgen und das Böse auszumerzen.

Die bewaffnete Faust holt erneut zum Schlag aus. Der Schlagring fährt hinab, um auf den Kopf des asiatischen Mädchens niederzufahren. Die pure Gewalt hätte dort verheerenden Schaden angerichtet, doch die feige Attacke wird aufgehalten, abgefangen. Von mir!

Ich komme von hinten, schmettere ihm mein Knie in die Kniekehlen und packe ihn bei den Schultern. Er sackt zusammen nach allen Gesetzen der Physik.

Ich wende mich schnell wie eine Katze und wehre, seinen erneuten Versuch, mit der Faust einen Treffer zu landen, mit meinem Unterarm ab. Überrascht, verdutzt, sprachlos über die unerwartete Gegenwehr sind geeignete Adjektive, um den Gesichtsausdruck der drei Männer zu beschreiben.

»Verpiss dich du Hure!«, sagt der Typ rechts. Das ist äußerst geistreich. Immerhin ist er der Erste, der seine Sprache wiedergefunden hat, was ich ihm positiv ankreide.

Der, dessen Faust ich immer noch gefangen halte, will mich zu Fall bringen, was ich verhindere, indem ich ihn loslasse, seinen eigenen Schwung und sein Körpergewicht dazu verwende, ihn herumzuwirbeln und gegen den Golf zu katapultieren. Er kracht unsanft mit der Stirn gegen das Blech, was ein hohles Geräusch verursacht. Er flucht in seiner Muttersprache. Die beiden anderen wollen mich packen, doch ihr Versuch endet kläglich. Ich habe mich blitzschnell zur Seite gedreht, ducke mich unter den Angreifern hindurch und packe das hilflose Mädchen am Arm, um sie hinter mich zu schieben.

Die Situation hat sich um 180 Grad gewendet. Die drei dilettantischen Schwachköpfe stehen zusammengedrängt in der engen Schlucht, zwischen zwei Autos, die an der Wand in einer Sackgasse endet. Vor Wut schlägt ihr Anführer gegen die Fahrerscheibe des Ford und bringt sie mit dem Schlagring zum Bersten. Ich breite beide Arme aus, um die Mädchen zu schützen.

»Ihr kommt hier nicht raus, bis die Polizei hier ist«, sage ich und hoffe, dass mein Bluff funktioniert, denn niemand hat die Polizei informiert. Noch bevor ich den Satz beenden kann, springen sie in meine Richtung. Ich wende das an, was ich in Jiu Jitsu gelernt habe, lege alle Energie in die nächste Ausatmung, schreie und treffe den Ersten mit der flachen Hand auf der Brust. Es reißt ihn von den Füßen und er wird nach hinten geworfen, wo er seine Kumpanen zu Fall bringt.

»Jetzt! Lauft! Schnell weg hier!«, brülle ich die zwei verängstigten Mädchen an und dann fliehen wir.