Buch lesen: «Seid doch einfach wieder Kirche!», Seite 2

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Vorwort

Nichts gegen Kultur! Ich schreibe dieses Vorwort gerade in der Vorweihnachtszeit. Aber Weihnachten ohne den lebendigen Jesus Christus, der als Kind in der Krippe, als Mann am Kreuz, als der Auferstandene und als der zu erwartende wiederkommende Herr der Weltgeschichte die Hauptfigur an Weihnachten ist, bleibt nach Weihnachten ein Gefühl der Leere zurück. Ja, es fällt mir schwer zu denken: Selbst ohne das Kind in der Krippe würde ich mir aber immer noch diese Weihnachtskultur wünschen, weil offenbar in den Wochen zuvor das liebevolle Aneinander-Denken, die stimmungsvollen Lieder, die herrlich geschmückten Häuser und Straßen, die Weihnachtsmärkte und vieles mehr auch schon mal was hergeben. Wenn die Schale schon so gut tut, wie wird es dann erst werden, wenn der Kern der Botschaft verstanden wird?

Christliche Kirchen sind auch bedeutsame Kultureinrichtungen. Nicht selten prägen sie ein Stadt- oder Dorfbild, geben schon durch den Kirchturm eine hilfreiche Orientierung. Und viele Veranstaltungen in den Kirchen vermitteln ein hohes Maß an Kunst und Bildung. Wir sollten schon von der Schale her auf keinen Fall darauf verzichten. Und so ist es auch mehr als gut und notwendig, dass in der zurückliegenden Lutherdekade und im Jahr des Reformationsgedenkens die Bedeutung der Reformation für Kunst und Kultur, Musik und Bildung, Sprache, Politik, Toleranzverständnis und Freiheit erörtert wurde und wird. Aber so wie Martin Luther mit seinen 95 Thesen eine Diskussion um die Inhalte des Evangeliums und die Gestalt der Kirche angezettelt hat, so braucht es jetzt erst recht die Diskussion um die wirkliche Kernbotschaft des Evangeliums und der Reformation.

„Seid doch einfach wieder Kirche!“ Mit dieser locker daherkommenden, provokant-herausfordernden Parole regt Sebastian Moll mit seinen 95 Thesen zum Nachdenken und zur Diskussion an. Man muss gar nicht allen Thesen auf Anhieb zustimmen, vielleicht sogar auch gar nicht. Denn er macht vor allem mit seinen Schlussthesen deutlich, dass ihnen weder Vollständigkeit noch Unfehlbarkeit anhaften. Er stellt sie vielmehr zur Disputation. Das verlockt zum Lesen, Studieren, Diskutieren, gerade auch bei denen, die ganz aktuelle Bezüge zur kirchlichen Gegenwartskultur aufnehmen. Dazu helfen auch die Provokationen, die Herausforderungen.

„Die hier aufgestellten Thesen sind nach bestem Wissen und Gewissen, im Bewusstsein der Verantwortung vor Gott und in treuem Hören auf sein Wort entstanden. Der Autor ist in großer Sorge um die Zukunft der Kirche, die er bei aller Kritik noch immer als die seine empfindet. Die hier vorliegende Stellungnahme hat er nicht leichtfertig formuliert, sondern nach reiflicher Überlegung und aus tiefster Überzeugung.“ Das nehme ich ihm ab. Dass beim Lesen die Lust zum Weiterlesen zunimmt und hoffentlich die ernsthafte Auseinandersetzung im fairen Gedankenaustausch, dazu hilft dann gewiss auch, dass den Leser der Eindruck nicht verlassen wird, Sebastian Moll habe dann auch beim Niederschreiben der lutherische Grundsatz nicht verlassen, dabei den „Leuten aufs Maul zu schauen“. Darum: Danke für den für mich unverzichtbaren Diskussionsbeitrag, geprägt von der Liebe zu Gott und den Menschen und der Leidenschaft für eine neue reformatorische Ausrichtung der Gemeinschaft der Kinder Gottes, der Kirche eben.

Hartmut Steeb


1

Als unser Herr Jesus Christus sagte: „Glaubt an das Evangelium“, wollte er, dass wir an das ganze Evangelium glauben.

Das Evangelium ist eine Kraft Gottes, die alle, die daran glauben, zur Umkehr und zur Seligkeit führt. Es ist verkörpert in Jesus Christus und bewahrt in den Schriften des Neuen Testaments. Um aber seine selig machende Wirkung entfalten zu können, muss es von ganzem Herzen und in seiner Gesamtheit empfangen werden.


2

Wer nur die Teile des Evangeliums akzeptiert, die ihm gefallen, glaubt nicht an das Evangelium, sondern an sich selbst.

Der natürliche Mensch macht sich selbst zum Maß aller Dinge. Der Glaube verändert diese Sichtweise, weil er Gottes Wort als Maßstab anerkennt.

Wer jedoch nur die Teile der Offenbarung annimmt, die ihm gefallen, hat diesen Wandel nicht vollzogen, sondern macht immer noch sich selbst zum Richter.


3

Das Zweifeln am Wort Gottes ist der Beginn allen Unheils.

Die Schlange war listiger als alle Tiere auf dem Felde. Deshalb sagte sie zu Eva nicht: Sündige!, sondern: Vielleicht ist es gar keine Sünde … Würde der Verführer in all seiner Boshaftigkeit offen erscheinen, kaum ein Mensch würde ihm folgen. Aber er appelliert an die Eitelkeit des Menschen, die dazu neigt, sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen. Darum liegt ihm die Menschheit zu Füßen, darum kam die Menschheit zu Fall.


4

Der Mensch ist von Natur aus rebellisch gegen Gottes Wort.

Wäre der Mensch von Natur aus geneigt, ein gottgefälliges Leben zu führen, so bräuchte es die Gebote nicht. Die Rebellion gegen Gottes Wort gehört zur natürlichen Veranlagung des Menschen. Deshalb kann der Mensch nicht über die Befolgung der Gebote entscheiden. Das wäre so, als würden Kriminelle über das Strafgesetzbuch mitbestimmen.


5

Man kann nur lesen,
was geschrieben steht.

Eine beliebte Form der Rebellion gegen Gottes Wort ist die Behauptung, man missachte das Wort nicht, man lese es lediglich anders. Es handelt sich hierbei um eine heimliche Rebellion, bei der der Rebell nicht einmal den Anstand hat, sich zu seinem Ungehorsam zu bekennen. Denn im Grunde bedeutet diese Haltung nur, dass man etwas anderes lesen will als das, was geschrieben steht. Aus einem „Du sollst nicht stehlen“ lässt sich keine Segnung für Diebesbanden ableiten. Wer Augen hat zu lesen, der lese!

Der kostenlose Auszug ist beendet.

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