Buch lesen: «Dangerous Encounter», Seite 2

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Müde und noch immer in meinem Schlafanzug schlurfe ich am nächsten Morgen in die Küche und fahre mir über das Gesicht, um ein wenig wacher zu werden. Deswegen dauert es auch ein wenig, bis ich meine Freundin erblicke. Avery sitzt am Küchentisch und betrachtet mich aufmerksam mit einem neutralen Gesichtsausdruck.

Ich hasse es, wenn sie das macht. Es zeigt mir nämlich, dass sie sich auf etwas eingeschossen hat und nicht so schnell aufgeben wird, bis sie die Wahrheit herausgefunden hat. Und das ich keine Ahnung habe, was es ist, lässt mich unruhig werden. Aus Erfahrung kann ich nämlich sagen, dass man das bei ihr besser wissen sollte, um sich darauf einstellen zu können.

„Was ist los?“, frage ich sie, da ich mir nicht vorstellen kann, dass ich mich irgendwie verdächtig verhalten habe. Ich wüsste auch keinen Grund, wieso ich das getan haben sollte.

Wir hatten einen wunderbaren Abend. Beziehungsweise, ich habe gedacht, dass wir den gehabt haben. Gerade bin ich mir da aber nicht mehr so sicher.

„Das könnte ich dich fragen“, eröffnet sie mir, nachdem sie mich noch einige Sekunden angesehen hat. „Was war gestern mit dir los in dem Club? So kennt man dich ja überhaupt nicht.“

„Nichts“, gebe ich zurück und zucke mit den Schultern.

Ich weiß genau, worauf sie anspielt. Und das gefällt mir überhaupt nicht. Denn ich will mich nicht über meine Vermutung unterhalten, dass man mich verfolgt hat. Zumal sie dann wissen wollen würde, wieso ich davon ausgehe. Und das kann ich nicht beantworten. Ich habe keine Ahnung, wieso man mich verfolgen sollte. Daher habe ich mir den ganzen Abend auch eingeredet, dass ich es mir nur einbilde.

„Wieso sollte denn etwas sein?“

Ich kann nicht genau sagen, ob es die richtige Frage ist, doch ich würde schon gerne wissen, weshalb sie auf mich aufmerksam geworden ist. Man könnte auch sagen, dass ich wissen will, womit ich mich verraten habe.

„Ich habe dich gestern mehrmals dabei beobachtet, wie du dich umgesehen hast. Ein wenig kam es mir so vor, als wärst du verabredet und würdest Ausschau nach ihm halten.“ Unschuldig zuckt sie mit den Schultern, kann sich dabei aber nicht ein kleines Grinsen verkneifen.

Ihre Reaktion sorgt dafür, dass ich die Augen verdrehe und ein leises Seufzen von mir gebe. Ich kenne meine Freundin und weiß daher, dass sie Romanzen liebt. Es wäre nicht das erste Mal, dass sie irgendwo eine Liebesgeschichte sieht, wo eigentlich keine ist. Öfters habe ich ihr deswegen schon gesagt, dass sie sich entweder einen Freund suchen soll, oder selber Bücher schreiben sollte. Ich bin mir sicher, dass sie mehr als genug Ideen dafür hätte. Bis jetzt hat sie aber anscheinend noch nicht über meinen Vorschlag nachgedacht. Zumindest hat sie mir gegenüber noch nichts in diese Richtung verlauten lassen.

„Ich habe nach niemandem Ausschau gehalten“, widerspreche ich sofort und hoffe, dass ich so ihre Ideen zur Seite wischen kann.

Allerdings brauche ich nur einen Blick in ihr Gesicht zu werfen um zu wissen, dass mir das nicht gelingt. Es macht eher den Anschein auf mich, als wäre das genaue Gegenteil der Fall.

„Ich habe mich nur umgesehen, da wir noch nie da waren.“

Dieser Teil ist besser, als ihr die volle Wahrheit zu sagen. Ganz davon abgesehen ist es auch gar nicht so gelogen. Ich habe nur eine Hälfte weggelassen. Sie ist zwar meine beste Freundin, doch ich kann ihr nicht sagen, dass es mir den ganzen Abend so vorkam, als würde man mich verfolgen. Sie würde mich wahrscheinlich für paranoid halten. Und wahrscheinlich bin ich das sogar. Ich habe nämlich den ganzen Abend niemanden entdecken können, der sich auffällig verhalten hat.

Nachdenklich sieht meine Freundin mich an, als würde sie darauf warten, dass ich noch etwas sage.

„Ich kenne dich. Daher weiß ich, wie du dich verhältst, wenn dir ein Typ über den Weg gelaufen ist.“

Ich schlucke und versuche so meine Reaktion auf ihre Worte in den Griff zu bekommen. Und zu meiner Freude stelle ich fest, dass mir das auch ziemlich gut gelingt.

„Dann hast du dich dieses Mal eindeutig geirrt“, stelle ich jedoch noch fest, um ihr klarzumachen, dass ich wirklich keine Ahnung habe, was sie meint.

Ich sehe ihr an, dass sie noch etwas zu diesem Thema von sich geben will. Und aus Erfahrung weiß ich genauso gut, dass sie nur überlegt, wie sie es sagt. Doch so weit kommt sie nicht mehr, da in diesem Moment Lucas auf der Bildfläche erscheint.

„Mädels, ich sage euch, dass ich gestern eindeutig ein paar Cocktails zu viel getrunken habe“, verkündet er, gießt sich einen Kaffee ein, den er sofort trinkt und verzieht das Gesicht, als würde er Kopfschmerzen haben. Doch da ich weiß, dass er wirklich ein paar zu viel hatte, gehe ich davon aus, dass er sie wirklich hat.

Auf den ersten Blick erkennt man, dass es ihm nicht gut geht. Sein Gesicht ist blass und er hat dunkle Augenringe, was sonst eindeutig nicht der Fall ist. Würde er nicht so aussehen, würde ich einen Kommentar dazu abgeben. Doch so verkneife ich es mir. Die Kopfschmerzen sind ihm wahrscheinlich eine Lehre genug. Seitdem ich ihn kenne hat er nämlich nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass er nie viel trinkt, damit es ihm am nächsten Morgen nicht so geht.

„Du trinkst doch sonst nicht soviel“, stelle ich jedoch fest, da ich es nicht verhindern kann.

„Eigentlich nicht, da stimme ich dir zu.“

„Und wie hast du das gestern gemacht?“, frage ich weiter.

Mit hochgezogenen Augenbrauen sehe ich ihn an und lehne mich noch ein Stück nach vorne, damit er mir nicht ausweichen kann.

„Ich wohne mit meinen beiden besten Freundinnen in New York und war das erste Mal hier mit ihnen unterwegs. Da darf man doch wohl hoffentlich eine Ausnahme machen.“

Lucas verzieht ein wenig beleidigt das Gesicht, sodass Avery und ich lachen müssen.

„Vielleicht solltest du dich wieder ins Bett legen“, erklärt nun Avery, die ihn ebenfalls nicht aus den Augen lässt. „Und du solltest verdammt viel trinken.“

Es ist vielleicht gemein, doch ich bin froh darüber, dass sie sich nun auf ihn konzentriert und nicht mehr auf mich. Auch wenn ich weiß, dass es nicht für immer sein wird, so nutze ich Gelegenheit, um mir eine passende Antwort zu überlegen.

„Mein Vater schwört auf warmes Bier und Colin hat immer als Erstes das morgens getrunken, mit dem er abends aufgehört hat“, füge ich noch hinzu.

Colin ist mein Ex-Freund. Wir waren ein halbes Jahr zusammen, wobei es mir deutlich länger vorkommt. Mittlerweile würde ich aber so weit gehen und behaupten, dass ich mir nicht sicher bin, ob wir überhaupt jemals zusammen gewesen sind. Er hat mich immer gut behandelt, doch wir haben kein Geheimnis daraus gemacht, dass es zwischen uns nie richtig gefunkt hat.

Als ich mich nun wieder auf Lucas konzentriere, erkenne ich, dass er vor Ekel das Gesicht verzieht.

„Würde ich das machen, würde ich wahrscheinlich kotzen. Außerdem würde ich auch euren Tratsch verpassen“, stellt er entschieden fest. „Und darauf verzichte ich nicht freiwillig. Ich werde einfach Literweise Wasser in mich hineinschütten und hoffen, dass es dadurch wieder besser wird. Wenigstens so weit, damit ich in der Lage bin, eurer Unterhaltung zu folgen.“

Er lächelt vorsichtig. Dies macht er immer, wenn er sich nicht sicher ist, ob es die richtige Entscheidung ist. Allerdings bringt es auch nichts ihm zu sagen, dass es wahrscheinlich besser ist, wenn er noch eine Runde schläft.

„Wir haben uns gerade über Aria unterhalten“, verkündet Avery nun und sieht mich nun wieder an.

„Da gibt es aber nichts, worüber wir uns unterhalten könnten“, erkläre ich mit energischer Stimme.

„Ich bin mir da nicht so sicher.“

„Ich bin erst seit einer Woche in der Stadt. Da werde ich wohl kaum schon ein Date gehabt haben. Ich habe noch nicht einmal einen Typen getroffen, den ich genauer kennenlernen wollen würde, da ich die meiste Zeit des Tages im Büro bin“, erinnere ich sie.

„Also ich hatte bereits ein Date“, verkündet Lucas, als wäre das keine große Sache. Und für ihn ist es das wahrscheinlich auch nicht.

Mit offenem Mund drehe ich meinen Kopf dennoch wieder in seine Richtung und starre ihn ungläubig an. Aus dem Augenwinkel sehe ich allerdings, dass es unserer Freundin anscheinend nicht anders geht.

„Wann?“, erkundigt Avery sich schließlich, als sie anscheinend ihre Sprache wiedergefunden hat.

Dabei kann sie die Überraschung darüber nicht für sich behalten. Ich frage mich hingegen, wieso sie wirklich noch überrascht darüber ist. Schließlich kennt sie Lucas und weiß, dass er noch nie Probleme damit hatte, auf ein Date eingeladen zu werden. In der Vergangenheit gab es mehr als genug Männer, die eine ernsthafte Beziehung mit ihm führen wollten, allerdings wollte er dies nicht. Bis jetzt hat er immer seine Freiheit genossen und ich bin mir sicher, dass das auch so bleiben wird. Zumindest für die nächste Zeit.

„Vorgestern, es war eine spontane Geschichte. Wir sind Kollegen und er hat mich gefragt, ob wir noch etwas trinken gehen wollen. Da ich wusste, dass ihr eh noch nicht zu Hause sein werdet, wenn ich da bin, habe ich zugesagt.“

Erneut öffnet sich mein Mund und dieses Mal bin auch ich überrascht. Niemals hätte ich gedacht, dass er sich wirklich irgendwann mit einem Kollegen treffen würde. Lucas hat in der Vergangenheit mehr als einmal klargemacht, dass er diesen Schritt nicht gehen wird. Umso mehr verwundert es mich nun.

„Ich muss mehr über ihn wissen“, stelle ich fest.

„Da gibt es eigentlich nicht viel zu wissen. Wir sind Kollegen, aber das habe ich ja bereits gesagt. Außerdem ist er lustig und sieht verdammt heiß aus.“ Bei seinen letzten Worten fächert er sich theatralisch Luft zu, als würde er sich abkühlen müssen.

Avery kichert nur, während ich wieder ein Bild von dem Mann vor Augen habe, mit dem ich gestern zusammen gestoßen bin. Auch er sah verboten gut aus, daher kann ich es gerade nachvollziehen.

„Ich werde gleich einkaufen gehen“, sage ich also und versuche die Unterhaltung so in eine andere Richtung zu lenken.

Ich habe keine Lust mich weiterhin über gutaussehende Männer zu unterhalten. Auch wenn ich zugeben muss, dass ich gerne mehr über ihn erfahren würde, so vertage ich das lieber.

„Braucht ihr etwas Bestimmtes?“

„Wollen wir nicht alle zusammen gehen?“ Avery sieht mich an.

„Ich mach das schon, kein Problem“, gebe ich schnell von mir, bevor sich Lucas auch noch anschließen kann. Allerdings macht er auch nicht den Eindruck auf mich, als hätte er Lust dazu.

Bevor er es sich doch noch anders überlegen oder Avery etwas sagen kann, lasse ich die beiden in der Küche zurück, gehe ins Schlafzimmer und mache mich fertig.

In diesem Moment habe ich nur noch den Wunsch von hier zu verschwinden. Ich will den beiden, und vor allem Avery, ausweichen. Denn ich weiß, dass früher oder später wieder dieses Thema auf den Tisch kommen wird. Und wenn ich es wenigstens etwas herauszögern kann, mache ich das gerne.

4

„Aria“, dröhnt die schrille Stimme von Theresa durch das Büro, sodass ich erschrocken zusammenzucke.

Alleine von der Art und Weise, wie sie meinen Namen ausspricht, macht sich eine Gänsehaut auf meinem Körper breit. Ich kenne diesen Ton mittlerweile von ihr und weiß, dass er nichts Gutes zu bedeuten hat. Alleine deswegen kann ich schon nicht verhindern, dass ich die Augen verdrehe. In diesem Moment bin ich nur froh, dass es keiner gesehen hat, auch wenn ein paar der Kollegen in meine Richtung blicken.

In den letzten Tagen musste ich mich ein paar Mal zusammenreißen, um ihr nicht die Meinung sagen. Ich kenne sie nicht sonderlich gut, eigentlich habe ich noch keine vernünftige Unterhaltung mit ihr geführt. Das einzige, was ich über sie weiß sind die Dinge, die ich in Erfahrung gebracht habe, als ein paar der anderen sich über sie unterhalten haben. Und eigentlich habe ich dabei nur oberflächliche Dinge erfahren. Doch sie hat etwas an sich, was dafür sorgt, dass ich wütend werde. Eine leise Stimme tief in meinem Inneren sagt mir aber auch, dass sie sich keine Mühe gibt, um freundlich mit mir zu sprechen. Vom ersten Tag an hat sie sich auf mich eingeschossen und ich bezweifle, dass das in absehbarer Zukunft besser wird.

„Ja?“, frage ich sie, nachdem ich mich zu ihr umgedreht habe. Ich versuche so freundlich zu bleiben, wie es nur geht. Allerdings fällt mir das wirklich schwer.

Ich erkenne, dass sie mit großen und energischen Schritten, die keinen Widerspruch dulden, auf mich zukommt. Ihre großen Brüste hüpfen beinahe schon aus der Bluse heraus, die eindeutig mindestens eine Nummer zu klein ist, und ihre Haare fliegen von einer Seite zur anderen, so schwungvoll läuft sie.

Ein ungutes Gefühl macht sich in mir breit, als ich sie dabei beobachte. Und das gefällt mir überhaupt nicht. Ich schlucke und versuche es so loszuwerden. Doch es hält sich beharrlich.

„Was ist los?“, frage ich sie, als sie vor mir stehen bleibt und mich mit einem Blick betrachtet, den ich nicht genau einordnen kann.

„Ich muss hier gleich pünktlich raus, da ich einen wichtigen Termin habe, den ich leider auch nicht verschieben kann. Es würde erneut ein halbes Jahr dauern, bis ich einen neuen habe. Deswegen müsstest du diese Übersetzung noch fertig machen und sie dann an den Kunden schicken. Es sind nur noch zwei Absätze“, eröffnet sie mir und hält mir ein paar Unterlagen unter die Nase.

Ein hinterhältiges Grinsen hat sich auf ihr Gesicht geschlichen. Auch jetzt muss ich mir Mühe geben, damit ich ihr nicht unter die Nase halte, dass man das mit Sicherheit auch freundlicher sagen kann. Doch ich rufe mir schnell in Erinnerung, dass ich die Neue bin und es mir nicht sofort mit allen verscherzen sollte.

Und schon gar nicht mit ihr.

Mir ist klar, dass sie ein Nein nicht akzeptiert. Ich würde es ihr sogar zutrauen, dass sie zu unserem Chef geht und ihm irgendwelche Lügen erzählt, nur damit ich rausgeschmissen werde. Und das kann ich überhaupt nicht gebrauchen. Ich habe noch keine Ersparnisse zur Seite legen können und wenn ich diesen Job verliere, würde es außerdem nicht gut auf meinen nächsten Bewerbungen aussehen. Schließlich ist es meine erste Arbeitsstelle nach dem Studium und hier wäre ich dann gerade einmal zwei Wochen gewesen.

Deswegen atme ich einmal tief durch und nehme dann die Unterlagen an mich. Allerdings nehme ich mir vor, dass ich ihr beim nächsten Mal sagen werde, dass ich auch ein Privatleben habe und sie sich vielleicht erst einmal erkundigen könnte, ob ich auch pünktlich das Büro verlassen muss.

Ein letztes Mal lächelt sie mich zuckersüß an, ehe sie sich umdreht und genauso schwungvoll wieder verschwindet, wie sie gekommen ist.

Ich hingegen bleibe noch einige Sekunden sitzen und sehe ihr nach, bis sie aus meinem Sichtfeld verschwunden ist. Dann verfluche ich mich selber dafür, dass ich anscheinend zu nett bin.

Ich weiß, dass ich die Neue im Büro bin. Dementsprechend stehe ich in der Hackordnung auch ganz weit unten und muss auch mal die ungeliebten Arbeiten machen. Und das ist auch in Ordnung für mich. Ich habe mich darauf vorbereitet und es war auch nie schlimm für mich. Ganz im Gegenteil. Ich versuche aus jeder Situation das Beste zu machen und etwas zu lernen. Allerdings macht sie mittlerweile auf mich den Eindruck, als würde sie mir mit Absicht eins reinwürgen wollen. Und dagegen sage ich etwas. Schließlich arbeite ich nicht hier, um ihr alles abzunehmen.

Als ich sie das erste Mal gesehen und mehr oder weniger mit ihr aneinander geraten bin, dachte ich noch, dass sie vielleicht einen schlechten Tag hatte. Das kann jedem passieren und ich weiß, dass man dann schnell auf jemand anderen losgeht. Mir selber ist es auch schon passiert.

Nachdem ich die letzten Tage allerdings die Chance hatte sie besser kennenzulernen, bin ich mir nun sicher, dass sie keinen schlechten Tag hatte, sondern anscheinend immer einen hat.

Bevor ich doch noch Gefahr laufe, dass ich ihr endlich etwas hinterherrufe, von dem ich mir sicher bin, dass es nur zu einem Streit führen wird, drehe ich mich um und gehe zu meinem Schreibtisch. Die nächste Stunde bleibe ich daran sitzen und arbeite konzentriert. Zum Glück sind es wirklich nur noch zwei Absätze, doch das heißt nicht, dass sie schnell gehen. Der Text ist so kompliziert verfasst, dass es länger dauert, als ich es erwartet habe.

Nachdem ich endlich alles abgeschickt habe, lasse ich mich nach hinten sinken und schließe die Augen. Ich gönne mir ein paar Sekunden Ruhe, ehe ich den Computer ausschalte und ebenfalls das Büro verlasse, um mich mit meinen Freunden zu treffen.

Auch jetzt herrscht wieder geschäftiges Treiben auf den Straßen, obwohl es bereits nach acht Uhr ist, als ich endlich auf die Straße trete. So schnell es geht, versuche ich mir einen Weg durch die Menschenmenge zu bahnen, doch so einfach ist das nicht. Ich komme nur langsam voran, sodass ich es schließlich aufgebe und mit dem Strom schwimme.

Als ich einen Schritt zur Seite machen will, um einem vollgepackten Mann auszuweichen, der mir plötzlich gegenübersteht, spüre ich, wie jemand nach mir greift und mein Handgelenk fest umklammert. Erschrocken drehe ich mich um. Doch bevor ich sehen kann, wer sich hinter mir befindet, werde ich bereits zur Seite gerissen, sodass ich mich nicht einmal mehr umdrehen kann.

Es geht so schnell, dass ich es gerade so schaffe, mich auf den Beinen zu halten und nicht zu fallen.

Ich gebe einen erschrockenen Ton von mir und versuche denjenigen zu erkennen, der mich da gerade hinter sich herzieht. Doch bevor mir das gelingt, hat mir bereits jemand etwas über den Kopf gezogen, sodass ich nichts mehr sehen kann. Verzweifelt schlage und trete ich um mich. Panik macht sich in mir breit und die Verzweiflung nimmt Besitz von mir.

Ich habe die Hoffnung, dass ich denjenigen erwische, der gerade versucht mich zu entführen. Bevor mir das allerdings gelingen kann, werde ich allerdings schon auf eine harte Oberfläche geschmissen, sodass ich vor Schmerzen das Gesicht verziehe, als ich mit meinen Knien aufkomme. In der nächsten Sekunde höre ich, wie eine Schiebetür geschlossen wird. Dann wird ein Motor gestartet und der Fahrer fährt mit quietschenden Reifen an.

„Was soll das?“, frage ich wütend, als ich endlich wieder in der Lage bin, einen Ton von mir zu geben.

Meine Angst ist nicht verschwunden, doch ich will ihnen auch nicht keine Macht über mich geben.

Panik breitet sich in mir aus. In meinem Kopf überschlagen sich die Gedanken. Doch die Wahrheit ist, dass ich überhaupt keine Ahnung habe, was hier geschieht und wieso es ausgerechnet mich erwischt hat.

Das einzige, was ich nur mit Gewissheit sagen kann, ist, dass ich in Schwierigkeiten stecke, wenn ich es nicht schaffe, mich zu befreien.

„Lassen sie mich raus“, rufe ich mit energischer Stimme. Auch wenn ich mir bereits denken kann, dass das nichts bringen wird.

Gleichzeitig versuche ich den Sack über meinen Kopf loszuwerden. Allerdings hat er ihn mit einem Knoten verschnürt, den ich leider nicht auf bekomme.

„Halt endlich die Schnauze“, raunt in der nächsten Sekunde eine gefährliche Männerstimme.

Vier Wörter, die mich eigentlich noch nie beeindrucken konnten. Und dennoch sorgen sie gerade dafür, dass ich schlagartig die Luft anhalte und mein Herz aufhört zu schlagen.

Die Panik, die ich vorhin noch verspürt habe, ist nichts im Gegensatz zu dem, was jetzt durch meinen Körper schießt. Ich muss mir vor Augen halten, dass ich nur eine Chance habe hier wegzukommen, wenn ich mich beruhige und nicht die Nerven verliere. Doch das ist ehrlich gesagt gar nicht so einfach, wenn man keine Ahnung hat, wo man sich befindet und was diese Männer von einem wollen.

Es scheint eine Ewigkeit zu dauern, bis der Wagen stehen bleibt und ich erneut die Tür hören kann. Dann werde ich wieder hinaus gerissen. Zitternd bleibe ich auf meinen Füßen stehen, auch wenn meine Beine gerade am liebsten unter mir nachgeben würden. Doch ich reiße mich zusammen und hole die letzte Kraft aus meinem Körper heraus, die noch vorhanden ist.

Genauso schnell, wie mir die Mütze aufgezogen wurde, wird sie mir auch wieder vom Kopf gerissen. Ich werde von einem hellen Licht geblendet, sodass es etwas dauert, bis ich etwas erkennen kann.

Doch dann fällt mein Blick als erstes auf die Person, die ich hier überhaupt nicht erwartet habe. Obwohl das so nicht ganz richtig ist, da ich nicht weiß, was ich erwartet habe. Aber wenn ich ehrlich bin muss ich zugeben, dass ich nicht damit gerechnet habe, dass ich ihn überhaupt noch einmal wiedersehen werde.

Nur wenige Schritte von mir entfernt steht der Typ, den ich vor einer Woche beinahe über den Haufen gerannt habe. Ich sehe ihm an, dass er mindestens genauso überrascht ist, wie ich es auch bin. Und das ist etwas, was mir gerade überhaupt nicht gefällt.

„Wo bin ich?“, frage ich, nachdem ich mich einmal umgesehen habe.

Wir befinden uns in einer leeren Lagerhalle. Um uns herum kann ich ein paar schwarze Geländewagen erkennen, die ihre Scheinwerfer eingeschaltet haben und in unsere Richtung leuchten. Sonst scheint sie komplett leer zu sein. Auf jeden Fall, wenn ich danach gehe, was ich bis jetzt gesehen habe.

Ein paar der Männer, die sich um mich herum befinden, sind mir auch schon beim letzten Mal aufgefallen. Als ich in ihre Gesichter blicke, erkenne ich, dass sie anscheinend nicht wissen, wie sie reagieren sollen.

Und das zeigt mir, dass mindestens die Hälfte der Männer hier keine Ahnung hat, was hier gespielt wird. Auch wenn es vielleicht nicht hier hergehört, so bin ich doch froh darüber, dass ich anscheinend nicht die einzige Person bin.

„Es ist egal, wo wir uns befinden“, erklärt er mir und wendet sich dann dem Typen zu. „Viel wichtiger ist, dass du uns die Waffenlieferung überlassen wirst, weil wir sonst deine Freundin umbringen werden.“ Er knurrt es mehr, als dass er es sagt. „Aber keine Sorge, wir sind ja keine Unmenschen. Du wirst dich noch von ihr verabschieden können.“

Es dauert, bis seine Worte wirklich bei mir angekommen sind und ich sie verstanden habe. Doch dann reiße ich den Mund auf und spüre, wie mir die Farbe aus dem Gesicht weicht. Ich will etwas erwidern, doch gerade fällt mir nicht ein, was ich sagen könnte. Stattdessen schaue ich ihn an und versuche herauszufinden, worin ich hier gelandet bin.

Der kostenlose Auszug ist beendet.

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