Buch lesen: «Deutsche Geschichte», Seite 11

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Welfen und Staufer

Mit Lo­thar von Süpp­lin­gen­berg kam noch ein­mal ein Kai­ser aus säch­si­schem Stam­me auf den Cäsar­en­thron. Lo­thars Va­ter, Graf Geb­hard, fiel 1075 in ei­ner Schlacht ge­gen Hein­rich IV., der Sohn über­nahm sein Re­bel­len­tum. Durch sei­ne Hei­rat mit Ri­chen­za, ei­ner rei­chen Er­bin, der Schwes­ter Eck­berts von Mei­ßen, der ei­ner der mäch­tigs­ten Geg­ner Hein­richs IV. und auf sei­ne Ver­an­las­sung, wie man sag­te, er­mor­det war, ver­stärk­te sich ihm die kai­ser­feind­li­che Tra­di­ti­on. Trotz­dem er­hob ihn Hein­rich V., als im Jah­re 1106 die Bil­lun­ger ausstar­ben, zum Her­zog von Sach­sen, um den nicht ver­ächt­li­chen Feind zu ge­win­nen. Aber der Auss­pruch Her­zog Bern­hards, zwi­schen ei­nem Erz­bi­schof von Bre­men und ei­nem Her­zog von Sach­sen kön­ne so we­nig Freund­schaft sein wie zwi­schen Feu­er und Was­ser, konn­te man auch auf den Kai­ser und Sach­sen an­wen­den: es kam bald wie­der zu Feind­se­lig­kei­ten und im Jah­re 1115 zu der furcht­ba­ren Schlacht am Wel­fes­hol­ze, wo Graf Hoy­er von Mans­feld, der Un­ge­bo­re­ne, Nie­bes­ieg­te, der auf kai­ser­li­cher Sei­te focht, fiel, und durch wel­che Hein­rich V. aus Sach­sen ver­drängt wur­de. Sein Tod ver­hin­der­te ihn, das auf­rüh­re­ri­sche Land zu un­ter­wer­fen, das un­ter Lo­thar selbst­stän­di­ger als je war. Lo­thar ver­stärk­te die her­zog­li­che Ge­walt über die Gro­ßen, wähl­te mit kun­di­gem Blick ge­eig­ne­te Per­so­nen für die wich­ti­gen Stel­lun­gen und be­trieb er­folg­reich was jetzt für Sach­sen die Haupt­auf­ga­be war, die Erobe­rung des sla­wi­schen Ge­biets. Fast wie ein Kai­ser des Nor­dens stand er dem sa­li­schen Kai­ser ge­gen­über und war für des­sen Geg­ner der ge­ge­be­ne Prä­ten­dent. Dass die Erz­bi­schö­fe von Köln und Mainz sich ihm ver­ban­den, ver­schaff­te ihm die Wahl im Ge­gen­satz zum Her­zog Fried­rich von Schwa­ben, der als Nef­fe Hein­richs V. sich zur Nach­fol­ge be­rech­tigt füh­len durf­te. Fried­rich war der Sohn der Ag­nes, der ein­zi­gen Toch­ter Hein­richs IV., die er sei­nem An­hän­ger, dem Gra­fen Fried­rich von Bü­ren, zur Frau ge­ge­ben hat­te. In­des­sen, wäh­rend her­kömm­li­cher­wei­se das Wahl­recht der Fürs­ten durch Berück­sich­ti­gung der Ver­wandt­schaft be­schränkt wur­de, be­ton­ten jetzt die Fürs­ten gern ihr Wahl­recht, in­dem sie die Ver­wand­ten über­gin­gen. Den­je­ni­gen Fürs­ten, der als Schwie­ger­va­ter Her­zog Fried­richs von Schwa­ben na­tur­ge­mäß auf stau­fi­scher Sei­te stand, der als mäch­ti­ger Herr ein ge­fähr­li­cher Geg­ner war, Her­zog Hein­rich den Schwar­zen von Bay­ern, ge­wann Lo­thar da­durch, dass er ihm die Hand sei­ner ein­zi­gen Toch­ter und Er­bin, Ger­trud, für sei­nen Sohn ver­sprach. Durch die­se Hei­rat ver­dich­te­te sich der Ge­gen­satz zwi­schen dem Nor­den und Sü­den Deutsch­lands zum Ge­gen­satz zwi­schen den Fa­mi­li­en der Wel­fen und Stau­fer, der jahr­hun­der­te­lang Deutsch­land und auch Ita­li­en zer­ris­sen hat. Die Wel­fen, ur­sprüng­lich ein schwä­bi­sches Ge­schlecht, führ­ten ih­ren Ur­sprung tief in die Ver­gan­gen­heit zu­rück: ihre Stamm­vä­ter sol­len un­ter Odoa­ker ge­gen den letz­ten rö­mi­schen Kai­ser ge­foch­ten ha­ben. Zu Karls des Gro­ßen Zeit wa­ren sie Gra­fen im süd­li­chen Schwa­ben; die schö­ne Wel­fin Ju­dith wur­de die zwei­te Frau Lud­wigs des From­men. Ihr Bru­der Eti­cho I. be­trach­te­te es als Er­nied­ri­gung, dass sein Sohn Le­hens­mann des Kai­sers wur­de, zog sich in ein Klos­ter zu­rück und sah den Sohn, der sei­ne Un­ab­hän­gig­keit preis­ge­ge­ben hat­te, nie wie­der. Welf III., der letz­te des al­ten Stam­mes, be­gab sich auf den Ruf Hein­richs IV. nach den Ron­ka­li­schen Fel­dern süd­lich von Pia­cen­za, wo nach al­tem Brauch die Reichs­ver­samm­lun­gen in Ita­li­en ab­ge­hal­ten wur­den; als er drei Tage lang ver­geb­lich ge­war­tet hat­te, da der Kai­ser am recht­zei­ti­gen Er­schei­nen ver­hin­dert wor­den war, zog er mit sei­nem Ge­fol­ge ab und ließ sich vom Kai­ser, den er un­ter­wegs traf, we­der durch Bit­ten und Ver­spre­chun­gen noch durch Dro­hun­gen zur Rück­kehr be­we­gen. Durch die Hei­rat der Schwes­ter die­ses Welf, Ku­niz­za, mit dem Mark­gra­fen Azzo von Este, ver­band sich die aus­ster­ben­de äl­te­re mit ei­ner jün­ge­ren Li­nie, die nach Ita­li­en ge­wan­dert und dort be­gü­tert war. Der Sohn des Azzo und der Ku­niz­za, Welf IV., wur­de Her­zog von Bay­ern und war der ers­te aus der Fa­mi­lie, der Gü­ter von Bi­schö­fen und Äb­ten zu Le­hen nahm. Dass die­se stol­ze und rei­che Fa­mi­lie sich zur Kai­ser­wür­de be­ru­fen fühl­te, ist na­tür­lich. Die Stau­fer hat­ten der rühm­li­chen Her­kunft und dem Reich­tum der Wel­fen ihre Ver­bin­dung mit den Sa­li­ern und spä­ter be­deu­ten­de Per­sön­lich­kei­ten ent­ge­gen­zu­set­zen.

Lo­thar war ein tüch­ti­ger Herr­scher. Er er­reich­te, dass so­wohl Böh­men wie Dä­ne­mark in ein Va­sal­len­ver­hält­nis zu ihm tra­ten; die Chro­ni­ken be­rich­ten mit Ge­nug­tu­ung, wie bei der Os­ter­fei­er in Hal­ber­stadt der dä­ni­sche Kö­nig dem mit dem Dia­dem ge­schmück­ten Lo­thar als Le­hens- und Ge­folgs­mann das Schwert nachtrug. Auch in Ita­li­en ver­trat er das Reich wür­dig. Wäh­rend sei­ner Re­gie­rung kam das Zu­sam­men­wir­ken von Kai­ser und Papst, das die Theo­rie ver­lang­te, wie kaum je­mals sonst zu­stan­de. Al­ler­dings be­stand er nicht auf der Rück­ga­be des In­ve­sti­tur­rech­tes, ob­wohl er ein­sah, dass ohne dies Recht eine kraft­vol­le Re­gie­rung nicht mög­lich war, und es des­halb auch for­der­te; al­lein er gab nach, um im ein­zel­nen Fal­le doch selbst­herr­lich zu han­deln. So hielt er das Reichs­klos­ter Mon­te Cas­si­no fest, das der Papst an sich zie­hen woll­te, und setz­te durch, dass der Nor­man­nen­her­zog in Sü­dita­li­en nicht vom Papst al­lein, son­dern vom Papst und ihm ge­mein­sam be­lehnt wur­de. Vor­wer­fen konn­te man ihm, dass er die so­ge­nann­ten Mat­hil­di­schen Gü­ter, ein zer­streu­tes Ge­biet, das sich teil­wei­se mit dem heu­ti­gen To­s­ka­na deckt, vom Papst zu Le­hen nahm, wo­durch der Papst in die Lage kam, den Kai­ser als sei­nen Le­hens­mann zu be­zeich­nen. Er un­ter­ließ nicht, sich in ei­ner In­schrift im La­te­ran­pa­last, die er über dem Bil­de Lo­thars an­brin­gen ließ, da­mit zu brüs­ten. Lo­thar konn­te zu sei­ner Ent­schul­di­gung sa­gen, dass es nur zwei­er­lei gab, ent­we­der Nach­gie­big­keit des Kai­sers in ge­wis­sen Punk­ten, um da­durch Nach­gie­big­keit von sei­ten des Paps­tes zu er­han­deln, oder dau­ern­den Kampf. Per­sön­lich war Lo­thar tap­fer, meist glück­lich im Krie­ge, Fein­den und Be­sieg­ten ge­gen­über so grau­sam, so er­schre­ckend roh, wie es im Cha­rak­ter der Zeit lag, un­er­müd­lich tä­tig, ob­wohl er, als er Kö­nig wur­de, sech­zig Jah­re alt war. Schon krank be­schleu­nig­te der Zwei­und­sieb­zig­jäh­ri­ge sei­ne Rück­kehr aus Ita­li­en, um in der Hei­mat zu ster­ben; aber nur der Tote er­reich­te sie und wur­de in der von ihm ge­grün­de­ten Stifts­kir­che zu Lut­ter, seit­dem Kö­nigs­lut­ter, be­stat­tet. Ne­ben ihm ru­hen sei­ne ge­lieb­te Frau Ri­chen­za, die ihn im­mer be­glei­te­te, sein Schwie­ger­sohn, Her­zog Hein­rich der Stol­ze von Bay­ern, der sein sieg­rei­cher Mit­strei­ter in Ita­li­en ge­we­sen war, und sei­ne Toch­ter Ger­trud.

Gro­ße Macht emp­fahl da­mals nicht zur Kai­ser­wahl; die Fürs­ten sa­hen des­halb nach Lo­thars Tode von Hein­rich dem Stol­zen ab, der zu­gleich über Sach­sen und Bay­ern ge­bot, und wähl­ten Kon­rad von Stau­fen, den Bru­der des­sel­ben Fried­rich, der sich ge­gen Lo­thar nicht hat­te durch­set­zen kön­nen. Um sei­nes Geg­ners Macht zu min­dern, nahm ihm Kon­rad das Her­zog­tum Bay­ern und gab es sei­nem Halb­bru­der Leo­pold, dem Sohn des Mark­gra­fen von Ös­ter­reich, den sei­ne Mut­ter Ag­nes, die Toch­ter Hein­richs IV., nach dem Tode ih­res ers­ten Man­nes ge­hei­ra­tet hat­te. Nach dem frü­hen Tode Hein­richs des Stol­zen er­neu­er­te Kon­rad den Ver­such, Wel­fen und Stau­fer durch eine Hei­rat zu ver­söh­nen, in­dem er die Wit­we Ger­trud, die be­rühm­te Säch­sin, wie die Chro­ni­ken der Zeit sie nen­nen, mit sei­nem Halb­bru­der Hein­rich ver­hei­ra­te­te. Sie starb schon im fol­gen­den Jah­re an ei­ner schwe­ren Ge­burt und hin­ter­ließ ihr Erbe ih­rem Sohn aus ers­ter Ehe, der wie sein Va­ter Hein­rich hieß und spä­ter der Löwe ge­nannt wur­de.

Kon­rad III. war so­wohl an Lie­bens­wür­dig­keit wie an Er­folg­lo­sig­keit dem frän­ki­schen Kö­nig Kon­rad I. ähn­lich, und auch dar­in, dass er hoch­her­zig ge­nug war, mit Über­ge­hung sei­nes ei­ge­nen, noch im kind­li­chen Al­ter ste­hen­den Soh­nes sei­nen be­reits be­währ­ten Nef­fen, Fried­rich, Her­zog von Schwa­ben, zur Nach­fol­ge zu emp­feh­len. Fried­rich I., der in Ita­li­en, wo seit der Zeit des Ar­mi­ni­us das blon­de Ge­lock der Ger­ma­nen ge­liebt wur­de, den Bein­amen Bar­ba­ros­sa er­hielt, ist ein Sym­bol der Kai­ser­zeit ge­wor­den, ei­ner, des­sen Name für alle steht, viel­leicht des­halb, weil der Mit­tags­hö­he sei­ner Re­gie­rung so bald der Ab­sturz folg­te. Wie die ers­ten Sa­lier wa­ren die Stau­fer ein her­ri­sches Ge­schlecht, streng ge­gen an­de­re und streng ge­gen sich im Er­fas­sen ih­rer kai­ser­li­chen Pf­licht. Die Mög­lich­keit, dass das Reich eine Erb­mon­ar­chie wer­de, in den Au­gen der Fürs­ten und des Paps­tes eine große Ge­fahr, brach­ten sie der Ver­wirk­li­chung nah. Karl den Gro­ßen und Otto den Gro­ßen hat­te Fried­rich I. als Vor­bil­der stets vor Au­gen; was ihn per­sön­lich von ih­nen un­ter­schied, war sei­ne wach­sa­me Selbst­zucht an Stel­le ih­res brei­te­ren, arg­lo­se­ren Sich­ge­hen­las­sens. Fried­rich hat­te nicht den ho­hen Wuchs der Sa­lier, er war nur mit­tel­groß, aber sei­ne Hal­tung war so kö­nig­lich, dass er trotz­dem durch sei­ne Er­schei­nung im­po­nier­te. Das Im­pe­ra­to­ri­sche sei­ner Ge­sin­nung äu­ßer­te sich in sei­nen Mie­nen, die im­mer das Be­wusst­sein der Grö­ße sei­ner Auf­ga­be wi­der­spie­gel­ten. Es mach­te großen Ein­druck, dass er nach der Sal­bung und Krö­nung in Aa­chen, als ei­ner sei­ner Dienst­man­nen, der we­gen ei­nes schwe­ren Ver­bre­chens in Un­gna­de ge­fal­len war, sich ihm zu Fü­ßen warf in der Mei­nung, in die­sem Au­gen­blick auf Ver­zei­hung rech­nen zu kön­nen, ihn ab­wies mit der Be­grün­dung, nicht aus per­sön­li­cher Ab­nei­gung, son­dern um der Ge­rech­tig­keit wil­len sei der Schul­di­ge von sei­ner Gna­de aus­ge­schlos­sen und müs­se es blei­ben; da­mit schi­en er an­zu­deu­ten, dass er sich mehr von der Ge­rech­tig­keit als von der Gna­de wol­le lei­ten las­sen. Stren­ge Beo­b­ach­tung des Rech­tes hat er sich wäh­rend sei­ner gan­zen Re­gie­rung an­ge­le­gen sein las­sen.

Sei­ne ers­te Sor­ge ließ es Fried­rich sein, die Spal­tung im Rei­che, die sich im Ge­gen­satz der Stau­fer und Wel­fen aus­drück­te, zu über­win­den. War er doch im Hin­blick dar­auf ge­wählt wor­den, dass er aus der Ehe ei­nes Stau­fers mit ei­ner Wel­fin stamm­te – sei­ne Mut­ter war Ju­dith, Toch­ter Her­zog Hein­richs des Schwar­zen von Bay­ern – so­dass man sag­te, er kön­ne wie ein Eck­stein die Kluft zwi­schen den zwei Häu­sern schlie­ßen. In groß­ar­ti­ger Wei­se führ­te er die Ver­söh­nung da­durch her­bei, dass er sei­nem um sie­ben Jah­re jün­ge­ren Vet­ter Hein­rich, dem Her­zog von Sach­sen, das Her­zog­tum Bay­ern wie­der­gab. Das war des­halb schwie­rig, weil Bay­ern zu­vor dem Mark­gra­fen Hein­rich Ja­so­mir­gott von Ös­ter­reich wie­der ab­ge­nom­men wer­den muss­te, der Fried­richs Halb­bru­der war und kei­nen An­lass zu ir­gend­ei­ner Kla­ge ge­ge­ben hat­te. Nach um­ständ­li­chen Ver­hand­lun­gen glück­te es dem Kö­nig, den Be­sitz­wech­sel ohne Er­re­gung von Feind­se­lig­kei­ten zu voll­zie­hen, in­dem er einen Teil von Bay­ern ab­trenn­te und mit Ös­ter­reich ver­ei­nig­te und die bis­he­ri­ge Mark­graf­schaft zum Her­zog­tum Ös­ter­reich er­hob. Vor der Stadt Re­gens­burg fand im Sep­tem­ber 1157 die in der Fol­ge so be­deu­tungs­vol­le Hand­lung statt: Hein­rich Ja­so­mir­gott ver­zich­te­te auf Bay­ern, in­dem er dem Kai­ser sie­ben Fah­nen übergab, die der Kai­ser sei­nem Vet­ter Hein­rich über­reich­te; von die­sen gab Hein­rich zwei, die die Ost­mark be­deu­te­ten, dem Kai­ser zu­rück, der sie nun­mehr sei­nem Halb­bru­der gab als Zei­chen der Be­leh­nung, nach­dem er die Ost­mark mit den üb­ri­gen ös­ter­rei­chi­schen Graf­schaf­ten zu ei­nem Her­zog­tum Ös­ter­reich zu­sam­men­ge­schlos­sen hat­te. Eine be­son­de­re Be­güns­ti­gung war es, dass Hein­rich Ja­so­mir­gotts Frau an der Be­leh­nung teil­nahm, da­mit die Erb­fol­ge auch in weib­li­cher Li­nie Gel­tung habe. Fried­rich hat­te be­wusst einen Feind, sei­nen Vet­ter Hein­rich, zu ei­nem sehr mäch­ti­gen Man­ne ge­macht, in­dem er dar­auf rech­ne­te, einen mäch­ti­gen und dank­ba­ren Freund zu ge­win­nen. Der groß­mü­ti­ge Ge­dan­ke war klug, wenn der Her­zog von Bay­ern und Schwa­ben sei­ne Macht für den Kai­ser ein­setz­te. Dann stand die ge­sam­te Macht des ge­ei­nig­ten Deutsch­land dem Kai­ser zur Ver­fü­gung.

Die zwei­te schwe­re Auf­ga­be, die den jun­gen Kö­nig er­war­te­te, war das Ver­hält­nis zum Papst und zu Ita­li­en zu ord­nen. Wie er das Ver­hält­nis zum Papst auf­fass­te, zeig­te er da­durch, dass er ge­gen den Wil­len des Paps­tes auf der Ein­set­zung des Bi­schofs Wich­mann von Zeitz zum Erz­bi­schof von Mag­de­burg be­stand und sie durch­setz­te.

Kaiser und Papst

Das Ge­fühl des deut­schen Vol­kes war so be­lei­digt durch die Art und Wei­se, wie Hein­rich V. sei­nen Va­ter über­lis­tet und ver­ge­wal­tigt hat­te, dass es in ihm als dem ein­zi­gen in der Rei­he sei­ner Kai­ser nur den Bö­sen se­hen konn­te; aber wenn er auch ganz ohne die ge­müt­li­chen Züge war, die dem Deut­schen das Bild sei­ner Gro­ßen lie­bens­wert ma­chen, hat er doch tat­kräf­tig und fol­ge­rich­tig re­giert, und zwar ge­ra­de in Be­zug auf das Ver­hält­nis des Reichs zur Kir­che. Hein­rich V. hat­te sich mit päpst­li­cher Un­ter­stüt­zung ge­gen sei­nen Va­ter auf­ge­lehnt, um das Reich an sich zu brin­gen, nicht um ein Werk­zeug des Paps­tes zu wer­den. Da er als Kö­nig fort­fuhr, Bi­schö­fe ein­zu­set­zen, als ver­ste­he sich das von selbst, brach der Streit zwi­schen Kai­ser und Papst so­fort wie­der aus. Pa­scha­lis II. lieb­te die Deut­schen nicht, aber er war ein ehr­li­cher Geg­ner und rein in sei­ner kirch­li­chen Über­zeu­gung, zu ehr­lich, zu rein für einen Papst, der zu­gleich Be­herr­scher Ita­li­ens und der Welt sein woll­te. Als der Kö­nig den Papst fra­gen ließ, was denn aus ihm wer­den sol­le, und was denn die Grund­la­ge des Rei­ches bil­den sol­le, wenn ihm die In­ve­sti­tur der Bi­schö­fe ent­ris­sen wer­de, da ja die frü­he­ren Kö­ni­ge fast al­les der Kir­che über­ge­ben hät­ten, ant­wor­te­te der Papst: die Kir­che sol­le mit dem Zehn­ten und Op­fer zu­frie­den sein, der Kö­nig aber sol­le alle Gü­ter und Re­ga­li­en, die von Karl, Lud­wig, Otto, Hein­rich und sei­nen üb­ri­gen Vor­gän­gern der Kir­che über­ge­ben wor­den wä­ren, für sich und sei­ne Nach­fol­ger zu­rück­er­hal­ten. Er selbst wol­le die Gü­ter und Re­ga­li­en auf recht­li­che Wei­se der Kir­che neh­men. Es war eine Ant­wort, wie ein Kind sie hät­te ge­ben kön­nen, die ein­zi­ge Ant­wort, die dem Recht ent­sprach, ver­blüf­fend in der Ein­fach­heit und Schär­fe, mit der sie den un­lös­ba­ren Kno­ten des Kon­flik­tes durch­schnitt. Der Kai­ser, ein bes­se­rer Men­schen­ken­ner als der Papst, glaub­te nicht an die von je­nem er­öff­ne­te Mög­lich­keit; aber er konn­te da­bei nur ge­win­nen und stimm­te zu. Eine Be­rei­che­rung der Kro­ne, wie kein Kö­nig sie mehr zu den­ken wag­te, wäre die Rück­ga­be des Kir­chen­gu­tes ge­we­sen, von un­ab­seh­ba­ren, viel­leicht um­wäl­zen­den Fol­gen für das Reich. So wur­de im Jah­re 1111 die merk­wür­di­ge Ver­ein­ba­rung ab­ge­schlos­sen, bei wel­cher der Kö­nig auf die In­ve­sti­tur ver­zich­te­te, und der Papst eine Ur­kun­de auf­setz­te, um im Na­men der kirch­li­chen Wür­den­trä­ger die Re­ga­li­en, die sie seit Karl dem Gro­ßen er­hal­ten hat­ten, zu­rück­zu­ge­ben. Der ent­rüs­te­te Wi­der­spruch der ita­lie­ni­schen wie der deut­schen Bi­schö­fe zwang Pa­scha­lis, sein ge­ge­be­nes Wort zu­rück­zu­neh­men, wor­auf der Kö­nig um den Ver­rat zu rä­chen, mit ei­nem Heer Rom über­fiel und den Papst nebst ei­ni­gen Bi­schö­fen und Kar­dinälen ge­fan­gen­nahm. Al­lein er hat­te zu viel Fein­de, um in die­sem Strei­te sie­gen zu kön­nen: ein Teil der Bi­schö­fe, Bur­gund und Frank­reich tra­ten auf die Sei­te des Paps­tes, vor al­len Din­gen war es aber wie­der der Ab­fall der Sach­sen, der ihn nö­tig­te, sei­ne Macht ge­gen den Nor­den zu wen­den. Bei­de Tei­le sa­hen end­lich ein, dass sie vom Äu­ßers­ten ih­rer An­sprü­che et­was auf­ge­ben muss­ten, und so kam im Jah­re 1122 auf ei­nem Fürs­ten­ta­ge zu Worms das Kon­kor­dat zu­stan­de; der un­glück­li­che Pa­scha­lis war ei­ni­ge Jah­re vor­her ge­stor­ben. Der Kai­ser ge­währ­te al­len Kir­chen so­wohl im Kö­nig­rei­che wie im Kai­ser­rei­che die ka­no­ni­sche Wahl, näm­lich die Wahl der Bi­schö­fe durch das Ka­pi­tel, und über­ließ dem Papst und der Kir­che die In­ve­sti­tur mit Stab und Ring; der Papst, es war Ca­lix­tus II., er­teil­te dem Kö­nig das Pri­vi­leg, dass die Wahl der Bi­schö­fe und Äbte in sei­ner Ge­gen­wart voll­zo­gen wer­de, dass er bei strit­ti­ger Wahl das Recht des Schiedss­pruchs habe und dass in Deutsch­land der Ge­wähl­te vor dem Empfang der kirch­li­chen Wei­he mit den Re­ga­li­en zu be­leh­nen sei. Im Kai­ser­reich hin­ge­gen, das heißt in Bur­gund und Ita­li­en, sol­le die Wei­he der Be­leh­nung mit den Re­ga­li­en vor­an­ge­hen. Der Papst ließ den Text des Worm­ser Kon­kor­da­tes als In­schrift in ei­nem Ge­mach des La­te­r­ans an­brin­gen, ob­gleich er sich kaum ein­bil­den konn­te, er habe einen be­deu­ten­den Er­folg er­run­gen. Im Grun­de war das, wor­auf der Kö­nig ver­zich­te­te, ge­rin­ger, als das, was er ge­wann. Dass ei­ner be­deu­ten­den Per­sön­lich­keit die Mög­lich­keit blieb, einen be­herr­schen­den Ein­fluss auf die Bi­schö­fe aus­zuü­ben, zeig­te sich wäh­rend der gan­zen Re­gie­rung Fried­richs I.

Von Fried­rich Bar­ba­ros­sa könn­te man viel­leicht sa­gen, dass er die Ge­nia­li­tät der Ge­sund­heit be­saß. Er war nicht her­vor­ra­gend be­gabt, aber doch ge­nug, um alle Ver­hält­nis­se gut be­ur­tei­len zu kön­nen, der ge­sun­de Men­schen­ver­stand er­setz­te, was ihm an Bil­dung fehl­te. Er sprach gut und gern; als er die ers­ten Pro­ben sei­ner Re­de­kunst gab, herrsch­te all­ge­mei­nes Er­stau­nen über dies Ver­mö­gen ei­nes Un­ge­lehr­ten. Man be­haup­te­te, wenn er nicht la­tei­nisch spre­che, un­ter­las­se er es nur, um als Deut­scher die deut­sche Spra­che zu eh­ren. Er konn­te lie­bens­wür­dig und fröh­lich sein, aber im­mer auf dem Grun­de des ge­sam­mel­ten Erns­tes, den sein ho­hes Amt for­der­te. An­de­rer­seits ließ er sich durch kei­nen Schick­sals­schlag, de­ren ihn so man­che tra­fen, ent­mu­ti­gen oder nur nie­der­drücken; nie­mand sah ihn je an­ders als auf­recht und zu­ver­sicht­lich. Das wur­de ihm durch sei­ne kräf­ti­ge Kör­per­lich­keit er­leich­tert. Er war wie in Dra­chen­blut ge­ba­det, ohne dass eine ver­letz­li­che Stel­le ge­blie­ben wäre; noch als äl­te­rer Mann war er im Tur­nier und in der Schlacht im­mer frisch, im­mer freu­dig bei der Sa­che, im­mer kö­nig­lich si­cher. In der Kraft sei­ner Per­sön­lich­keit be­saß er den Zau­ber, der das Glück und die Men­schen fes­selt.

Im Be­ginn sei­ner Re­gie­rung hat­te der Kö­nig Ge­le­gen­heit, einen Vor­teil über den Papst da­von­zu­tra­gen. Schon zur­zeit sei­nes Vor­gän­gers mach­te die Stadt Rom den Ver­such, sich vom Papst un­ab­hän­gig und zu ei­ner selbst­stän­di­gen Re­pu­blik zu ma­chen. In Erin­ne­rung an ihre eins­ti­ge Grö­ße wur­de ein Se­nat ein­ge­setzt, der Kon­rad III. auf­for­der­te, zu kom­men und nach Be­sei­ti­gung des kle­ri­ka­len Wi­der­stan­des von ihm die Kro­ne zu emp­fan­gen. Kon­rad ant­wor­te­te nach län­ge­rem Zö­gern so, dass er für die Ein­la­dung dank­te und sein Kom­men in Aus­sicht stell­te, die ge­mel­de­te Neu­ord­nung aber un­er­wähnt ließ. So ging, ohne dass von kai­ser­li­cher Sei­te da­von No­tiz ge­nom­men wur­de, die rö­mi­sche Be­we­gung wei­ter und ver­band sich mit dem von re­li­gi­ösen Ide­en aus­ge­hen­den Kamp­fe des Ar­nold von Bre­s­cia ge­gen die welt­li­che Macht der Ku­rie. Was die­ser vom geist­li­chen Stand­punkt aus ver­lang­te, dass der Papst sich auf das Geist­li­che be­schrän­ke, woll­ten die Rö­mer, um von der päpst­li­chen Herr­schaft un­be­hin­dert ihre Stel­lung als herr­schen­der Welt­staat wie­der­ge­win­nen zu kön­nen. Papst Eu­gen IV. wur­de ver­trie­ben, Ar­nold und die Stadt Rom for­der­ten Fried­rich auf, sich in Rom die Kai­ser­kro­ne zu ho­len. Ver­mut­lich kam ihm so we­nig wie Kon­rad auch nur auf einen Au­gen­blick der Ge­dan­ke, sich auf die­se Wei­se von sei­nem mäch­ti­gen Geg­ner zu be­frei­en. Die Rö­mi­sche Re­pu­blik hat­te kein Ge­wicht im Ge­dächt­nis der ger­ma­ni­schen Kö­ni­ge ge­gen­über der Erin­ne­rung an das Rö­mi­sche Kai­ser­reich. Ge­wiss war Rom für sich kein Macht­be­reich und mit sei­nem an­spruchs­vol­len, un­ru­hi­gen Adel und sei­ner be­schäf­ti­gungs­lo­sen Be­völ­ke­rung un­ei­nig und un­zu­ver­läs­sig; aber Ar­nold von Bre­s­cia hat­te An­hän­ger, und es war denk­bar, dass ein über ein star­kes Heer ge­bie­ten­der Kö­nig mit den Kräf­ten, die sich ihm in Rom zur Ver­fü­gung stell­ten, et­was aus­rich­ten könn­te. Das al­les aber, was die Rö­mer vor­brach­ten, war für den Kö­nig lee­rer Schall. Wirk­lich­keit hat­te für ihn nur das Im­pe­ri­um, das von Gott den deut­schen Kö­ni­gen ver­mit­tels des Paps­tes über­tra­gen war, wo­von die Krö­nung und Sal­bung durch den Papst in Rom die vollen­den­den Zei­chen wa­ren. Er zwei­fel­te an der Kir­che mit ih­rem Ober­haupt, dem Papst, so we­nig wie an Gott, so we­nig wie am Im­pe­ri­um der deut­schen Kö­ni­ge und sei­nem ei­ge­nen Recht.

Dem glück­li­chen po­li­ti­schen Ge­dan­ken Fried­richs, der Ver­söh­nung mit den Wel­fen, dank­te er es, dass er sich un­ge­hemmt nach Ita­li­en wen­den konn­te; es zeig­te sich, dass ei­nem deut­schen Kö­ni­ge, der über alle Mit­tel des Rei­ches ver­fü­gen konn­te, noch eine große Macht­fül­le zu Ge­bo­te stand. Das ei­ni­ge Reich, ei­nig durch das Zu­sam­men­wir­ken zwei­er Fürs­ten, er­reg­te über­all Be­wun­de­rung und Schre­cken. Die Kö­ni­ge von Dä­ne­mark, Un­garn, Po­len, durch dy­nas­ti­schen Zwist ge­schwächt, muss­ten sich ab­hän­gig be­ken­nen. Nach Ita­li­en zog Fried­rich mit dem Ent­schluss, die­sel­be Stel­lung wie­der­zu­ge­win­nen, die Karl der Gro­ße und Otto der Gro­ße ein­ge­nom­men hat­ten. Er fand Ent­ge­gen­kom­men beim Adel und Wi­der­stand bei den Städ­ten, na­ment­lich bei Mai­land, der größ­ten und reichs­ten; aber ge­ra­de dar­auf leg­te er Wert, dass er die Mit­tel der rei­chen han­del­trei­ben­den Städ­te in die Hand be­käme. Nach al­tem Her­kom­men hielt er eine Ta­gung auf den Ron­ka­li­schen Fel­dern, wo die Le­hens­trä­ger zu er­schei­nen und ihre Le­hen in Empfang zu neh­men hat­ten. Dort wur­de mit Hil­fe von ju­ris­tisch ge­bil­de­ten Per­so­nen un­ter­sucht, was dem Kai­ser zu­ste­he, was nicht; denn es war Fried­rich ernst da­mit, sein Recht, aber nichts als das in An­spruch zu neh­men. Die Ju­ris­ten der be­rühm­ten Schu­len von Bo­lo­gna und Pa­do­va un­ter­stütz­ten ihn über Er­war­ten; für ihre for­ma­lis­ti­sche Den­kart kam ei­nem rö­mi­schen Kö­nig deut­scher Na­ti­on als Nach­fol­ger der rö­mi­schen Cäsa­ren die­sel­be un­um­schränk­te Herr­schaft zu wie den Kai­sern des Al­ter­tums. Nach ih­ren An­sprü­chen war ein rö­mi­scher Kö­nig nicht sehr ver­schie­den von ei­nem De­spo­ten, der über Hab und Gut sei­ner Un­ter­ta­nen ver­fü­gen kann. Fried­rich war sich be­wusst, dass er in Rechts­fra­gen an die Zu­stim­mung der Gro­ßen sei­nes Rei­ches ge­bun­den war; aber die aus dem rö­mi­schen Recht ge­schöpf­ten Sen­ten­zen über die Gött­lich­keit der Kai­ser­wür­de ho­ben doch sein im­pe­ra­to­ri­sches Selbst­ge­fühl. Vor al­len Din­gen den Städ­ten ge­gen­über glaub­te er un­be­ding­ter Herr zu sein; er sah in ih­nen nicht wie im ho­hen Adel Ge­nos­sen, nicht we­nigs­tens durch den krie­ge­ri­schen Be­ruf ihm An­ge­gli­che­ne wie die Dienst­leu­te, die Mi­nis­te­ria­len, son­dern dem Stan­de nach Tie­fer­ste­hen­de, em­por­ge­kom­me­ne Un­ter­ta­nen, die schlecht­weg zu ge­hor­chen hat­ten. Al­ler­dings ach­te­te er die von sei­nen Vor­gän­gern er­teil­ten Pri­vi­le­gi­en, nicht aber, was durch Ge­wohn­heit üb­lich ge­wor­den, von den Aus­üben­den als Recht be­trach­tet wur­de. Fried­richs Auf­tre­ten war un­wi­der­steh­lich, der An­blick schon sei­ner kriegs­tüch­ti­gen deut­schen Rit­ter, ih­rer gleich­mä­ßig kraft­vol­len, elas­ti­schen, blit­zen­den Ge­stal­ten ver­brei­te­te Schre­cken. Den be­fes­tig­ten Städ­ten ge­gen­über mit ih­ren ge­wal­ti­gen Tür­men und Bas­tio­nen ge­nüg­ten al­ler­dings die Kat­zen und Igel und Wid­der nicht, wie denn im gan­zen Mit­tel­al­ter sehr sel­ten eine Be­la­ge­rung den Zweck er­reich­te; aber in of­fe­ner Schlacht blie­ben die Deut­schen Sie­ger.

Ob­wohl Fried­rich das auf­rüh­re­ri­sche Rom un­ter­warf, Ar­nold von Bre­s­cia aus­lie­fer­te und dem Papst die Rück­kehr in sei­ne Stadt er­mög­lich­te, blieb Ha­dri­an I., der ein­zi­ge Eng­län­der auf dem rö­mi­schen Stuh­le, miss­trau­isch ab­leh­nend. Da bei der Be­geg­nung Fried­rich sich wei­ger­te, dem Papst den Stall­meis­ter­dienst zu leis­ten, näm­lich ihm beim Be­stei­gen des Pfer­des den Steig­bü­gel zu hal­ten, wei­ger­te sich der Papst, ob­wohl Fried­rich ihm den Fuß küss­te, ihm den Frie­dens­kuss zu ge­ben. Ge­treu sei­nem Ge­rech­tig­keits­sinn rief Fried­rich die Fürs­ten, die ihn be­glei­te­ten, zu­sam­men und über­ließ ih­nen zu ent­schei­den, was Rech­tens sei. Das Reich soll­te dar­über ent­schei­den, was sich mit kai­ser­li­cher Ehre ver­ei­nen las­se. Das Ur­teil der Her­ren fiel zu­guns­ten des Paps­tes aus: es war Über­lie­fe­rung, dass Pi­pin der Kur­ze dem Papst, als er ins Fran­ken­reich kam, den Mar­schalls­dienst ge­leis­tet habe, und die äl­te­ren un­ter den An­we­sen­den er­in­ner­ten sich, von Lo­thar das­sel­be ge­se­hen zu ha­ben. Fried­rich füg­te sich der Ent­schei­dung und hielt im An­ge­sicht des Hee­res dem Papst die Steig­bü­gel, wor­auf er den Frie­dens­kuss emp­fing. Zwei in der Wur­zel feind­li­che Ge­wal­ten wur­den durch künst­li­che Ver­an­stal­tung auf der schma­len Schnei­de des Ein­ver­ständ­nis­ses er­hal­ten. Nun wur­de Fried­rich nach al­tem Ri­tu­al zum Kai­ser ge­weiht. Vor der sil­ber­nen Pfor­te der Pe­ters­kir­che hielt der Bi­schof von Al­ba­no das ers­te Ge­bet, mit­ten in der Kir­che der Bi­schof von Por­to das zwei­te: »Gott, du ge­heim­nis­vol­ler Schöp­fer der Welt – schüt­te auf die Für­bit­te al­ler Hei­li­gen über die­sen Kö­nig das Füll­horn dei­nes Se­gens aus und fes­ti­ge den Thron sei­nes Rei­ches. Su­che ihn heim wie den Mo­ses im Dorn­busch … und über­gie­ße ihn mit dei­nem Ster­nen­se­gen und dem Tau dei­ner Weis­heit wie Da­vid und sei­nen Sohn Sa­lo­mon.« Es folg­te die Sal­bung durch den Erz­bi­schof von Os­tia und ein Ge­bet, dass durch das hei­li­ge Öl der Se­gen des Trös­ter­geis­tes in das Herz des Kö­nigs ein­drin­gen und ihm die Gabe ver­lei­hen möge, Un­sicht­ba­res zu emp­fan­gen, und, nach­dem er in Ge­rech­tig­keit und Er­bar­mung sei­nes zeit­li­chen Rei­ches ge­wal­tet, ewig­lich mit Chris­tus zu herr­schen. Dann war der Au­gen­blick ge­kom­men, wo der Papst dem Kni­en­den das Dia­dem auf­setz­te mit den Wor­ten: »Empfan­ge das Ruh­mes­zei­chen im Na­men des Va­ters, des Soh­nes und des Hei­li­gen Geis­tes, da­mit du un­ter Ver­ach­tung des al­ten Fein­des und al­ler Sün­den­be­rüh­rung Recht und Ge­rech­tig­keit lie­best und dich in die­sem Le­ben so er­bar­mungs­voll zei­gest, dass dir un­ser Herr Je­sus Chris­tus in der Ge­mein­schaft der Hei­li­gen die Kro­ne des ewi­gen Rei­ches ver­lei­he.« Als der er­schöpf­te Kai­ser sich zu­rück­zie­hen und spei­sen woll­te, über­fie­len die Rö­mer den Papst, und er muss­te den gan­zen Tag durch kämp­fen. Am an­de­ren Mor­gen ver­ließ er, den Papst und die Kar­dinäle mit sich neh­mend, Rom, und der Papst er­teil­te de­nen, die im Kamp­fe Blut ver­gos­sen hat­ten, Ablass. Da­bei be­rief er sich auf ge­wis­se kirch­li­che Zeug­nis­se, wo­nach der Krie­ger, der, im Ge­hor­sam ge­gen sei­nen Fürs­ten, kämp­fend Blut ver­gießt, nach ir­di­schem und himm­li­schem Ge­setz kein Mör­der, son­dern ein Straf­voll­stre­cker sei.

Eine merk­wür­di­ge Schi­ckung woll­te, dass die­ser selbst­be­wuss­te und den­noch, ob­wohl zu­wei­len hart und zu­wei­len durch Zorn und das Ge­fühl ge­kränk­ter Ma­je­stät zu grau­sa­men Hand­lun­gen be­wo­gen, maß­vol­le Kö­nig, sich dem Ein­fluss ei­nes Man­nes er­gab, der ihn auf eine ge­fähr­li­che Bahn und in dra­ma­ti­sche Ver­wick­lun­gen riss, wie sein ei­ge­ner Cha­rak­ter sie wo­mög­lich ver­mie­den hät­te. Die­ser Mann war der Kanz­ler des Reichs, Rainald, aus dem Ge­schlecht der an der We­ser be­gü­ter­ten Gra­fen von Das­sel. Be­herrsch­te er den Kai­ser, weil er so sehr von ihm ver­schie­den war? In ganz an­de­rer Art wie Fried­rich war auch er zum Herr­scher ge­bo­ren, so wie ein heid­nischer Wi­kin­ger­füh­rer, dem die Welt ge­hört, so­weit er sie er­obern kann. Fried­rich war ganz und gar Im­pe­ra­tor, sich im­mer der furcht­ba­ren Verant­wor­tung be­wusst, mit der die Kro­ne des großen Karl ihn be­las­te­te, und die nur ein streng zu­sam­men­ge­fas­s­ter Geist er­tra­gen konn­te. Rainald von Das­sel fühl­te sich nur sei­nem Ge­nie ver­ant­wort­lich. Sein Ge­nie schuf ihm ein Reich, in dem er auch das Aben­teu­er­li­che wa­gen konn­te, wenn es he­ro­isch war. Er er­kann­te die Mäch­te sei­ner Zeit wohl an, die Kir­che, den Kai­ser und sei­ne Ge­nos­sen, die Fürs­ten; aber sie ban­den sei­nen Geist nicht und kaum sei­ne Hän­de. In sei­nem Ge­fol­ge be­fand sich häu­fig ein Dich­ter, der der Nach­welt un­ter dem Na­men des Erz­poe­ten be­kannt ist. Die­sem Na­men­lo­sen, der nichts be­saß als sei­ne klang­vol­len Ver­se, mag der Kanz­ler sich mehr ver­wandt ge­fühlt ha­ben als dem Kai­ser oder ir­gend­ei­nem an­de­ren Men­schen. Der Dich­ter spiel­te ihm eine Mu­sik jen­seits al­ler Din­ge, jen­seits auch al­les des­sen, was die Kir­che lehr­te. In sei­nem per­sön­li­chen Le­ben war Rainald ta­del­los, ent­halt­sam, un­an­greif­bar; man weiß nichts von Frau­en­lie­be in sei­nem Le­ben. Er war ge­bil­det, las gern die al­ten Schrift­stel­ler, aber sein Ele­ment war das tä­ti­ge Le­ben als Staats­mann und Kriegs­mann. Wie von den Kö­ni­gen ha­ben die Zeit­ge­nos­sen von ihm über­lie­fert, dass wei­ches Blond­haar sein schö­nes ge­bräun­tes Ge­sicht um­gab; das Jahr sei­ner Ge­burt hin­ge­gen ha­ben sie nicht auf­ge­zeich­net. Man kann an­neh­men, dass er etwa 35 Jah­re alt war, als er zum ers­ten Male maß­ge­bend in der Öf­fent­lich­keit her­vor­trat.

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Altersbeschränkung:
0+
Umfang:
1861 S. 2 Illustrationen
ISBN:
9783962817725
Rechteinhaber:
Bookwire
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