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3. MÄRZ

»Hast du etwa von den verbotenen Früchten gegessen?«

Der Mann erwiderte: »Die Frau, die du mir gegeben hast,

reichte mir die Frucht, da habe ich gegessen.«

1. MOSE 3, 11 – 12

Seit dem Sündenfall versteht der Mensch meisterhaft, Schuld und Verantwortung abzuschieben.

Ein Seelsorger hat das Verantwortungsgefühl des Menschen einmal in einem Bild beschrieben: »Das Leben ist wie ein kompliziertes Teppichgewebe, das mit Webstuhl und Weberschiff hergestellt wurde. Vererbung, Umwelt, alle Kindheitserlebnisse mit Eltern, Spielkameraden, alle Hemmnisse des Lebens, das steht alles auf der einen Seite des Webstuhls, und all das schiebt uns das Weberschiffchen zu. Wir sollten uns aber daran erinnern, dass wir das Weberschiffchen durch den Webstuhl zurückreichen. Diese Handlungen und die Antworten, die wir darauf geben, weben das Muster in den Teppich unseres Lebens. Wir sind für unsere Handlungen verantwortlich. Wir werden erst dann Heilung für unsere beschädigte Gefühlswelt erlangen, wenn wir aufhören, andern die Schuld in die Schuhe zu schieben, und wenn wir unsere Verantwortung erkennen.«

Seit dem Sündenfall schieben wir Schuld und Verantwortung ab. Wir verschaffen uns eine reine Weste. An unseren Problemen und Schwierigkeiten sind nur die anderen schuld. Die Eltern, die Großeltern, die Erzieher, die Lehrer, die Schulen, die Kirche, die Politiker, die Umstände, die Strukturen und selbst Gott. In der Eheberatung läuft das gleiche Spiel ab. Der andere hat mich unglücklich gemacht, der andere vernachlässigt mich, der andere liebt mich nicht mehr richtig, der andere fängt immer Streit an. »Der andere hat mir die Frucht gegeben.« Wir sind nicht schuld, sondern der andere hat mich angeschmiert. Wann lernen wir, vor dem lebendigen Gott unseren Kopf für Probleme, Schwierigkeiten und Sünden hinzuhalten?

4. MÄRZ

Die Seele des Gottlosen gelüstet nach Bösem und

erbarmt sich nicht seines Nächsten.

Sprüche 21,10

Sehen wir die Verantwortung unserem Nächsten gegenüber? Als ich Generalsekretär im CVJM Hamburg war, hielt ich jede Woche einige Stunden Religionsunterricht an einem Privatgymnasium. In einer Klasse sammelten wir monatlich einen Mindestbeitrag von 25,00 DM für einen indischen Jungen, dem wir ein Leben in dieser Welt ermöglichen wollten. Ich wollte, dass die Kinder mit einem Betrag von ihrem persönlichen Taschengeld bezahlten und nicht aus der Geldbörse ihrer reichen Eltern. Nur wenige opferten ehrlich einen Teil ihres Taschengeldes. Und die waren es, die sich ernsthaft um ein Menschenleben in Indien kümmerten, die Nächstenliebe und Weltverantwortung praktizierten. Sie schrieben Briefe und nahmen Anteil. Sie dachten nicht nur an sich, sondern an einen Menschen, dessen Leben durch Armut und Hunger bedroht war.

Dietrich Bonhoeffer, der im Konzentrationslager ermordet wurde, schrieb vor seiner Hinrichtung: »Die letzte verantwortliche Frage ist nicht, wie ich mich heroisch aus der Affäre ziehe, sondern wie eine kommende Generation weiterleben soll.« Wer sich aus der Affäre zieht, überlässt den Nächsten seinem Schicksal. Wer verantwortungslos handelt, handelt gottlos. Wer sich seines Nächsten erbarmt, tut es für Christus: »Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.«

Christusliebe und Nächstenliebe gehören unzertrennlich zusammen. Christusliebe ohne praktizierte mitmenschliche Liebe ist Heuchelei. Jesus hat nicht umsonst die Gottesliebe und die Nächstenliebe zum Fundament des Glaubens erklärt. Es ist logisch: Auch für die Flucht vor der Verantwortung sind wir verantwortlich.

5. MÄRZ

Und vergib uns unsere Schuld,

wie wir vergeben unseren Schuldigern.

MATTHÄUS 6, 12

In einer großen Wochenzeitung griff Walter Kempowski die inflationäre Behandlung der Vergebung an. Er kritisierte, dass das Entschuldigen wild um sich greife. Im Geschäft, am Telefon, im Fernsehen – überall verwende man floskelhaft das neudeutsche Wort »sorry«. Er beklagte, dass ein anderer Stil in unserer Dienstleistungs- und Mediengesellschaft Einzug gehalten habe. Die öffentliche Entschuldigung sei zum Ritual verkommen; man bitte selbst für Taten um Verzeihung, die man nicht begangen habe. Er schreibt: »Bill Clinton entschuldigt sich für den amerikanischen Sklavenhandel, der Papst für die Kreuzzüge ins Heilige Land und die Inquisition, Johannes Rau in Jerusalem für die Verbrechen des Nationalsozialismus, die PDS für die Zwangsvereinigung von KPD und SPD. Ist denn den Opfern damit gedient? Mit einer unverbindlichen Floskel, die einem so leicht über die Lippen kommt, die zu nichts verpflichtet, am allerwenigsten zur Übernahme der Verantwortung? Ein Symptom der neuen Oberflächlichkeit unserer geschwätzigen Zeit.«

Da ist die christliche Bitte um Vergebung der Sünden etwas anderes. Es geht dabei um das Eingeständnis persönlicher Schuld. Nur wer wirklich bereut, dem kann die Gnade der Vergebung zuteilwerden.

Hat Herr Kempowski nicht recht? Im Vaterunser formuliert Jesus unmissverständlich: »Vergib uns unsere Schuld.« Es geht um mein persönliches Versagen. Die »Sorry«-Floskel hat nichts mit wirklicher Vergebung zu tun. Nur wer ehrlich bereut und den himmlischen Vater um Vergebung bittet, der erfährt die Gnade der Vergebung. Denn Gott hat seinen Sohn geopfert, damit unsere Schuld bereinigt wird, wenn wir ihn herzlich um Vergebung bitten.

6. MÄRZ

Was ist denn schon Besonderes daran,

wenn ihr nur zu euren Brüdern freundlich seid?

Das tun auch die, die Gott nicht kennen.

MATTHÄUS 5, 47

Es geht um die Vollkommenheit der Menschen, die zu Christus gehören. Diese Forderung macht vielen Christen Kopfzerbrechen. Sie verwechseln Vollkommenheit mit Perfektionismus, Vollkommenheit mit Fehlerlosigkeit. Wer dem Perfektionismus huldigt, macht sich und die Umgebung unglücklich.

Wer kennt nicht den Spruch: »Nobody is perfect!« Aber wie viele dahergesagten Worte trifft er den Nagel auf Kopf. Es gibt immer wieder Christen, die weisen auf Jesu Wort in der Bergpredigt hin, wie er seinen Jüngern sagt: »Nein, ihr sollt vollkommen sein, weil euer Vater im Himmel vollkommen ist.« Das griechische Wort im Grundtext, das fast immer mit »vollkommen« übersetzt wird, lautet »teleios« (von telos = Ziel, Ende). Es steht also gar nicht die Makel- und Fehlerlosigkeit im Vordergrund. Man sollte eher »reif« oder »vollendet« sagen. Wenn Jesus seinen Anhängern gebietet, sie sollen »vollendet« sein, dann würde das in heutiger Sprache vielleicht so klingen: »Werdet reif, werdet so, wie Gott euch geplant hat.«

Der Zusammenhang des Wortes über die Vollkommenheit macht deutlich, dass kein Perfektionismus gemeint sein kann, sondern geistliche Reife, ein vollendetes Verhalten, wie Christus es von Menschen erwartet, die sich der Herrschaft Gottes und seinen Maßstäben unterstellen. Die Maßstäbe, die Jesus in der Bergpredigt seinen Nachfolgern zumutet, kommen uns in unserer Moralvorstellung fremd vor. Jesus spitzt den Verhaltenskodex der Christen zu: »Ihr wisst, dass zu den Alten gesagt ist, ich aber sage euch … « Wer Perfektionismus und damit Fehlerlosigkeit anstrebt, redet der Selbsterlösung das Wort. Christus ist aber für Sünder gestorben und nicht für Perfektionisten, die Fehlerlosigkeit auf ihre Fahnen geschrieben haben.

7. MÄRZ

Nein, ihr sollt vollkommen sein,

weil euer Vater im Himmel vollkommen ist.

MATTHÄUS 5, 48

Wie ist unsere Vollkommenheit zu verstehen? Dazu zwei Gedanken. Der eine stammt von Karin Hübner, die ein Beispiel aus Japan berichtet: »Etwa 100 Kilometer nördlich von Tokio, im Gebirge in einem Zedernwald, stehen die Tempel von Nikko. Künstlerische Schönheit und handwerkliches Können des alten Japan sind dort in Vollendung zu bewundern. Am Haupttor eines Tempels stehen zwölf reich verzierte Säulen. Sie gleichen einander bis in die winzigsten Kleinigkeiten. Bei elf Säulen laufen die Muster von rechts nach links, bei der zwölften von links nach rechts. – Ein grober Fehler mitten in der Präzision? Ein Fehler, der so raffiniert eingebaut ist, dass er uns gar nicht aufgefallen wäre ohne den Hinweis unserer japanischen Führerin. Sie sagte uns auch, dass es ein beabsichtigter Fehler ist, den die Tempelbauer eingefügt haben, um sich vor der Strafe der Götter zu schützen. Sie könnten neidisch werden auf die makellose Arbeit des Menschen. Fehlerlosigkeit, glaubten die alten Japaner, steht nur den Göttern zu und nicht den Menschen. ›Und dennoch streben wir Japaner fanatisch danach, ohne Fehler zu sein‹, erklärte die Japanerin.«

Der Schintoismus ist eine Religion, in der Schmutz, Krankheit, Unordentlichkeit und Fehlerhaftes keinen Platz haben. Für einen Japaner ist es schlimm, einen Fehler zu machen. Und wir? Wie viele Christen gibt es unter uns, die fehlerlos sein wollen? Die sich Fehler nicht verzeihen können? Nur einer ist gut, vollkommen und fehlerlos – Christus. Fehlerlosigkeit, die wir anstreben, ist Sünde.

Der zweite Gedanke stammt von einem katholischen Theologen. Er schreibt: »Seid vollkommen wie euer Vater im Himmel. Gemeint ist: ›Seid ungeteilt.‹ Ihr könnt nicht Gott und dem Mammon dienen.«

 

Gott und einige Lieblingsgötter, Gott und der Fußball, Gott und das Geld, das ist personifizierte Unvollkommenheit. »Ungeteilt« sollen wir unseren Herrn lieben. Können wir das?

8. MÄRZ

Da Jesus den sah liegen und vernahm,

dass er schon lange gelegen hatte, sprach zu ihm:

Willst du gesund werden?

JOHANNES 5, 6

Können Sie sich vorstellen, dass Kranke nicht gesund werden wollen? Alle Menschen wollen heute gesund sein. Wie kommt das, dass Jesus einen Menschen fragt: »Willst du wirklich gesund werden?« Können Sie sich vorstellen, dass jemand in eine Krankheit flieht? Ich habe die Frage von Jesus einmal als völlig überflüssig, ja als provozierend empfunden. Will nicht jeder Mensch gesund werden, wenn er krank ist? Eine Patientin erzählt: »Bereits voll im Dienst habe ich mich oft als ›krank‹ erlebt. Immer wieder kamen Resignation und der Gedanke an Selbstmord. Gerade in einer solchen Zeit sagte mir Gott durch einen Christen: ›Gott will, dass du lebst!‹… Plötzlich wurde mir beim Nachdenken klar, dass ich eigentlich gar nicht gesund werden will. Bisher hatte ich fromm und bemäntelnd gesagt: ›Gott will meine Krankheit, damit seine Herrlichkeit groß werden kann.‹ Heute denke ich anders: ›Gott will meine Heilung, damit seine Herrlichkeit offenbar wird.‹ Aber besonders ist mir bewusst geworden, dass es eigentlich ganz bequem ist, in die Krankheit zu fliehen, wenn es schwierig wird. Dann müssen die anderen eben auf mich Rücksicht nehmen; dann habe ich ein Recht, bemitleidet zu werden, denn ich bin ja krank.«

Diese Patientin beschreibt ihre Empfindungen. Die Krankheit kommt ihr entgegen. Sie bringt ihr viele Vorteile. Die Kranke wird geschont. Sie trägt keine Verantwortung. Da müssen andere für sie einspringen. Jesus fragt an dieser Stelle nicht rhetorisch. Seine Frage trifft den Kern der Sache: »Willst du wirklich gesund werden, oder bringt dir die Krankheit größere Vorteile?« Willst du vor dem lebendigen Gott und im Leben die Verantwortung übernehmen, oder ist dir die Flucht lieber?

9. MÄRZ

Du, Herr, bist mein Hirte; darum kenne ich keine Not.

Du bringst mich auf saftige Weiden, lässt mich

ruhen am frischen Wasser und gibst mir neue Kraft.

Auf sicheren Wegen leitest du mich.

PSALM 23, 1 – 3

Gesundheit und Krankheit spielen bei uns Menschen eine große Rolle. Die Frage, was uns krank macht, hat die Wissenschaft längst beantwortet: Stress, Umweltfaktoren, psychische Probleme, Erbfaktoren und ein geschwächtes Immunsystem – um die wichtigsten Aspekte zu nennen. Aber, was hält gesund? Der Diplompsychologe Manfred Beutel von der Poliklinik für Psychosomatische Medizin der Universität München hat wesentliche Faktoren zusammengestellt, die die Gesundheit nachweislich aufrechterhalten:

Zuversicht. Trotz Misserfolg und Niederlagen lassen sich diese Menschen nicht entmutigen.

Internale Kontrollüberzeugungen. Diese Menschen glauben zuversichtlich, dass sie ihr Leben selbst in die Hand nehmen können.

Selbstvertrauen. Gesund hält uns die Einstellung: »Ich schaffe das schon!«

Selbstwertgefühl. Wer Selbstvertrauen lebt, hat Selbstwertgefühl. Stabiles Selbstsystem. Gemeint ist eine emotionale Stabilität. Eine unbekümmerte Selbsteinschätzung. Trotz einschneidender Erkenntnisse können diese Menschen mit seelischen Belastungen umgehen.

Interpersonales Vertrauen. Er kann sich auf seine Mitmenschen verlassen.

Wer den 23. Psalm aus innerer Überzeugung mitbeten kann, der besitzt genau die wesentlichen Faktoren, die gesundheitsstabilisierend sind, die vor vielen seelischen Störungen und Krankheiten bewahren. Wie glücklich können wir Christen sein, dass wir einen Herrn und Hirten haben, der uns lenkt und leitet, der uns auf saftige Weiden führt und der unseren Lebensmut vergrößert!

10. MÄRZ

Und auch ihr habt nun Traurigkeit; aber ich will euch

wiedersehen, und euer Herz soll sich freuen,

und eure Freude soll niemand von euch nehmen.

An dem Tage werdet ihr mich nichts fragen.

JOHANNES 16, 22 – 23

Jeder von uns hat ungeklärte Fragen. Wenn ich Beileidsbriefe verschicke, weil ein Kind an Krebs gestorben ist oder weil junge Menschen »plötzlich und unerwartet«, wie wir das nennen, aus dem Leben gerissen wurden, dann zitiere ich gern folgenden Satz: »An jenem Tage werdet ihr mich nichts fragen.« Wenn wir unserem Herrn begegnen, verstummen alle Fragen. Oder, wie es eine andere Bibelübersetzung formuliert: »Am Tage unseres Wiedersehens werden alle eure Fragen beantwortet sein.«

Eine schöne Geschichte habe ich über Mose gelesen. »Als Mose zum Himmel hinaufstieg, um einen Teil der Bibel zu schreiben, bat ihn der Allmächtige, über einige Buchstaben der Thora Kronen zu malen. Moses fragte: ›Schöpfer des Universums, warum soll ich dorthin Kronen malen?‹

›Weil in Hunderten von Generationen ein Mann namens Akiva den wahren Sinn der Zeichen deuten wird.‹

›Zeig mir die Deutung dieses Mannes‹, bat Moses. Und der Herr führte Moses in die Zukunft und setzte ihn in einen der Schulräume, in denen Rabbi Akiva lehrte. Ein Schüler fragte: ›Rabbi, warum gibt es über einigen Buchstaben Kronen?‹

›Ich weiß es nicht‹, antwortete Akiva. ›Und ich glaube, nicht einmal Moses wusste es. Aber da er der größte aller Propheten war, hat er dies nur getan, um uns zu zeigen, dass wir, auch wenn wir nicht alles verstehen, was der Herr tut, tun sollen, was er uns sagt.‹

Moses bat den Herrn, ihm zu vergeben.«

So ist es: Wir wollen tun, was der Herr sagt. Wir wollen akzeptieren, was er macht. Wenn wir ihm begegnen, verstummen alle Fragen. Wir geben ihm die Ehre.

11. MÄRZ

Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?

Ich schreie, aber meine Hilfe ist ferne.

PSALM 22, 2

Es ist eine Katastrophe, wenn man sich völlig verlassen fühlt. Die Angst, verlassen zu werden, kann Leib und Seele zerbrechen. Auch David hat solche Tage und Stunden durchlitten. Er fühlt sich wie ein Wurm, nicht wie ein Mensch. Und Jesus hat am Kreuz ebenfalls diese Verlassenheitsangst erlebt. In seiner Todesangst betete er diesen Psalm.

In seinem Buch »Die Nacht« beschreibt Elie Wiesel eines der dunkelsten Kapitel deutscher Geschichte. Er erlebte den Holocaust an den Juden. Er sah, wie Juden auf Viehwagen geladen und in die Verbrennungsöfen abtransportiert wurden. Wiesel erlebte, wie seine Mutter, seine kleine Schwester und alle Familienangehörigen in einem Ofen verschwanden, der mit menschlichem Fleisch geheizt wurde. Er selbst wurde misshandelt und entkam dem Inferno nur durch einen Zufall. Als er im KZ Birkenau ankam, roch er den Geruch von brennendem Fleisch. Wörtlich schreibt er: »Nie werde ich den Rauch vergessen; nie die kleinen Gesichter der Menschen, deren Körper zu Rauchwölkchen wurden, die in einen ruhigen blauen Himmel aufstiegen, wie die Augenblicke, die meinen Gott und meine Seele mordeten und meine Träume in Staub verwandelten.«

Millionenfach ist die Frage gestellt worden: Wie kann Gott so etwas zulassen? Niemand kann darauf eine erschöpfende Antwort geben. Wir können uns nur vertrauensvoll an die Hoffnung klammern: »Und wenn ich auch nichts spüre von deiner Macht, du führst mich doch zum Ziele, auch durch die Nacht.«

Die letzte Einsamkeit, die letzte Hoffnungslosigkeit und letzte Verzweiflung hat Jesus für uns am Kreuz durchlitten. Gott schenkt uns die Gewissheit, er bringt uns durch alle Dunkelheit und Verlassenheit zum Ziel.

12. MÄRZ

Selig sind, die da Leid tragen,

denn sie sollen getröstet werden.

MATTHÄUS 5, 4

Wer kann das Leid in der Welt verstehen? Immer wieder werden die Fragen gestellt: »Gibt es einen Gott? Wo ist er? Wie kann er das zulassen? Warum hat er das Leid nicht verhindert?«

»Wenn nur Bösewichte sich das Genick brächen oder Krebs bekämen, wenn nur Gauner und Betrüger die Parkinsonkrankheit hätten, dann sähen wir wenigstens eine Art himmlische Gerechtigkeit im Universum walten«, schrieb der Agnostiker Sheldon Vanauken, der eines Tages Christ wurde.

Aber ist es nicht so, dass nur nach leidvollen Erfahrungen, nur nach Katastrophen sich das Volk Israel im Alten Testament Gott wieder zuwandte? Wie formulierte es der englische Professor, Schriftsteller und Christ C. S. Lewis: »Gott flüstert in unseren Freuden, er spricht in unserem Gewissen; in unseren Schmerzen aber ruft er laut. Sie sind sein Megafon, eine taube Welt aufzuwecken.«

Aus der Hölle des Konzentrationslagers schrieb Corrie ten Boom: »Egal, wie tief unsere Finsternis, er ist immer noch tiefer.« Ja, das ist wahr: Christus wurde in Auschwitz vergast. Er wurde in Soweto verhöhnt. Er wurde und wird in Nordirland verspottet und im Sudan versklavt. Jesus steigt zu uns in die Hölle hinab. In den tiefsten Abgründen unseres Lebens steht er neben uns.

Wenn wir von Menschen verraten werden, dann sollen wir wissen: Er wurde geschmäht und verraten – für uns. Wenn wir im Leid zerbrochen werden, dann sollen wir wissen: Er wurde am Kreuz zerbrochen – für uns.

Jesus wird uns nicht allein lassen. In den Seligpreisungen schenkt er uns seine Zusage: »Selig sind, die da Leid tragen, denn sie sollen getröstet werden.« Denn nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die, die leiden, die krank sind und von Schmerzen und Kummer niedergedrückt werden.

13. MÄRZ

Niemand flickt ein altes Kleid mit einem Lappen von

neuem Tuch; denn der Lappen reißt doch wieder vom Kleid ab,

und der Riss wird ärger.

MATTHÄUS 9, 16

Jesus ist kein Flickschuster. Das alte Leben wird nicht einfach überlackiert oder mit einem Flicken heil gemacht. Er schafft Neues und einen neuen Menschen.

Bei Michael Depuhl habe ich das so formuliert gesehen: »Da lese ich also folgende Werbung: ›You will never become an e-business by piecing together software you already have‹– was ungefähr übersetzt heißt: ›Sie werden nie ein E-Business werden, wenn Sie Teile zusammenstückeln, die Sie schon haben.‹ Mit anderen Worten: Wenn Sie einen wirklichen Neuanfang wollen, können Sie nicht Teile Ihres alten Lebens, das Sie schon haben, verwenden. Entweder wurschteln wir weiter mit Dingen, von denen wir denken, ›die sind noch gut‹– meine Energie, meine Geduld, meine Liebe, mein Leben – oder, nun ja, wir bekommen ein komplett neues Leben.«

»Das Alte ist vergangen«, heißt es in der Bibel, »ein Neues ist im Werden.« In der alten Lutherübersetzung stand noch: »Alles ist neu geworden.« Luther hatte recht: Nicht aus Alt mach Neu, sondern neu geboren, das ist das Prinzip. Eine neue Schöpfung.

Vor Jahren habe ich mal ein altes Auto sehr schön überlackieren lassen. Es sah wirklich wie neu aus. Aber schon nach einem Jahr kamen die alten Roststellen überall zum Vorschein. Der neue Lack war überflüssig, die Lackierung hat sich nicht gelohnt.

Jesus will neue Menschen, keine reparierten und teilüberholten Wesen. Aus einer Raupe wird ein Schmetterling, ein wirklich neues Geschöpf. Das ist auch Gottes Ziel mit uns.

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