Martin Luthers theologische Grundbegriffe

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Arbeit

1. Wesen: Luther sagt nicht, dass niemand arbeiten und Nahrung suchen soll, sondern nicht sorgen, nicht geizig sein, nicht verzagen, er werde genug haben, denn wir sind in Adam alle zur Arbeit verurteilt (6, 271, 33–35; vgl. 2, 115, 33–39). Wie der Mensch durch die Sünde im Geist fiel, so fiel er auch im Leib in Strafe. Denn die Arbeit ist Strafe, die im Zustand der Unschuld Spiel und Vergnügen war (42, 78, 19–21). Aber der Mensch ist nicht zum Müßiggang, sondern zur Arbeit geschaffen, auch im Zustand der Unschuld (42, 78, 26f.). Arbeit wird in der Schrift als Sünde verstanden, weil sie die Seele betrübt und ermüdet. In Sünden und gemäß dem Fleisch leben ist Arbeit und Tod des Gewissens (3, 309, 1–27).

2. Sinn: Wir sind nicht zum Müßiggang berufen, sondern zur Arbeit als Kampf gegen die Leidenschaften (56, 350, 8f.). Darum hat Gott mancherlei Stände verordnet, in welchen man sich üben und Leiden lehren soll, den einen den ehelichen, den anderen den geistlichen, den andern den regierenden Stand, und allen befohlen, Mühe und Arbeit zu haben, dass man das Fleisch töte und gewöhne zum Tode (2, 734, 24–28; 6, 246, 7–11). Die Arbeit dient nicht der Rechtfertigung des Menschen vor Gott (7, 31, 22–25).

|27|3. Gottes Hilfe: Der Christ soll nicht faul und müßig sein, auch nicht auf eigene Arbeit und Tun sich verlassen, sondern arbeiten und doch alles von Gott allein erwarten. Es muss alles im Glauben und Vertrauen zu Gott geschehen (31I, 437, 12–15; 444, 29f.). Wo Gott nicht durch sein Wort alles schafft, so hülfe doch alle unsere Mühe und Arbeit nichts (31I, 446, 11f.). Gott heißt uns arbeiten, und dann gibt er die Frucht nicht um unserer Arbeit willen, sondern aus reiner Güte und Gnade (10I.2, 377, 23f.; vgl. 10I.2, 379, 7–10; 16, 263, 28f.; 22, 81, 23f.; 267, 9f.).

4. Arbeit als Abgott: Wir haben einen anderen Gott, nämlich unsere Arbeit und unser Handwerk (28, 731, 20f.). Mühe und Arbeit heißt die Schrift Abgötterei oder falschen Gottesdienst und was ohne Glauben geschieht (DB 8, 513). Mühe und Arbeit machen den Menschen nicht gerecht vor Gott (5, 241–247. 337f. 346. 419).

📖 Gerhard Müller, Martin Luther über Kapital und Arbeit, in: Reinhold Mokrosch, Hg., Humanismus und Reformation, 2001, 109–122. Hellmut Zschoch, Sinn und Grenze menschlicher Arbeit nach Martin Luther, in: H. Kasparick, Hg., Die neue Frage nach der Arbeit, 2007, 29–46.

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Armut

→ Elend

1. Es gibt drei Arten von Armen, dem Leib nach, die nicht arm sein wollen, dem Leib und dem Geist nach, was den Mönchen eigen sein soll, und allein der Seele und dem Geist nach, was von allen die härteste Armut ist, wenn man muss mitten unter den Kreaturen sein und doch sich nicht auf sie verlassen, Gott Ehre, Leib und Seele allein befehlen und sich sonst keiner Kreatur trösten (9, 380, 2–6; vgl. 8, 641, 27–642, 18; 10I.1, 700, 24–701, 6). Es ist klar, dass das Gelübde der Armut den äußeren Gebrauch der Dinge ablegt. Die geistliche Armut geloben wir allgemein in der Taufe (8, 332, 34f.). Die Armut ist eine doppelte, leiblich und geistlich. Evangelisch arm wird nicht einer genannt, der nichts hat, sondern der arm im Geist ist, nicht am Leib, das heißt, dass, obwohl er viel besitzt, sein Gefühl dennoch das gleiche bleibt, ob die Güter da sind oder weniger, ob sie hinzugefügt werden oder weggenommen, er ist im Gefühl frei, als ob das Äußere nicht zu ihm gehöre (4, 610, 39–611, 3).

2. Leibliche Armut: Armut nimmt Gott nicht von seinen Heiligen, aber er lässt sie nicht untergehen noch verderben (8, 226, 8f.). Die arm sind, gelten vor Gott nicht mehr als ein Reicher, denn vor Gott ist kein Unterschied der Person. Es gilt ein weiser Mensch genauso viel wie ein Unweiser, ein reicher wie ein armer, ein junger wie ein alter, eine Magd wie ein Knecht, obwohl es vor der Welt einen Unterschied hat, aber vor Gott nicht (10III, 403, 31–404, 3). Das ist der Trost der Gerechten, dass sie in der Armut reich sind, in der Schande Ehre haben und mitten in der Unlust haben sie Lust und Freude (19, 315, 24f.). Armut und Reichtum tun beide der Kirche nicht gut. Armut hält die Personen auf, Reichtum wehrt ihrem Werk und Amt (22, 117, 35–38). Ein Priester oder Mönch, der die Werke seiner Regel, also Keuschheit und Armut gehalten hätte, um durch sie gerechtfertigt und gut zu werden, ist gottlos und leugnet Christus, da er sie als schon Gerechtfertigter gebrauchen muss, um das Fleisch und den alten Menschen zu läutern, damit der Glaube an Christus wächst (2, 562, 40–563, 3).

|28|3. Geistliche Armut: Evangelische Armut bedeutet, nichts zu begehren im Geist und die Dinge frei zu verwalten zum Wohl der anderen (8, 587, 3f.). In denen, die durch Qual ihrer Gewissen nach Hilfe und Trost durch einen gnädigen Gott verlangen und weder zeitliches Gut noch Ehre begehren, ist rechte geistliche Armut (10I.2, 160, 3–7). Jeder muss vor Gott, das ist geistlich und von Herzen, arm sein. Das ist, dass er seine Zuversicht und Trost nicht setze auf zeitliche Güter noch das Herz daran hänge (32, 307, 30–34).

4. Christus hat sich um unseretwillen arm gemacht, der überschwenglich reich war, hat uns seine Güter dienen lassen, auf dass wir in seiner Armut reich würden (10III, 217, 11–13).

📖 Christian Peters, Der Armut und dem Bettel wehren, in: Irene Dingel, Hg., Gute Ordnung, 2014, 239–255. Fritz-Rüdiger Volz, Armut, in: Volker Leppin, Hg., Das Luther-Lexikon, 2014, 74–77.

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Auferstehung

→ Jüngster Tag

Dass im Glaubensbekenntnis ‚Auferstehung des Fleisches‘ steht, ist nicht gut deutsch geredet. Denn wo wir ‚Fleisch‘ hören, denken wir nicht weiter als an die Fleischläden. Auf rechtes Deutsch aber würden wir so reden: Auferstehung des Leibes oder Leichnams (30I, 191, 12–16).

1. Auferstehung Christi: Paulus zeigt, dass Christus gestorben ist um unserer Sünde und auferstanden um unserer Gerechtigkeit willen, das ist, in seinem Leiden macht er unsere Sünde bekannt und überwindet sie, aber durch sein Auferstehen macht er uns gerecht und frei von allen Sünden, wenn wir das glauben (2, 140, 22–26; 5, 636, 15–19). Durch seine Auferstehung vernichtete Christus die Sünde, richtete Gerechtigkeit auf, überwand den Tod und gab das Leben zurück, besiegte die Hölle und schenkte die ewige Herrlichkeit (6, 132, 37–133, 2). Wichtig ist, dass man auch glaube, dass er mir auferstanden ist und dass ich mit ihm auferstehe (9, 659, 4–16). Glauben an die Auferstehung Christi ist nichts anderes, als glauben, dass wir einen Versöhner vor Gott haben, welcher Christus ist, der uns Gott dem Vater angenehm macht (10III, 2–4). Allein der Glaube erfasst Christi Tod und Auferstehung ohne alle Werke, so dass er versteht, dieser Tod und Auferstehung sei unser Leben und unsere Gerechtigkeit (30II, 642, 17–19). Wie wir gehört haben in dem Leiden des Herrn, dass es nicht genug ist, die Historien und die Geschichte allein zu wissen, so ist es auch nicht genug, dass wir wissen, wie und wann der Herr Christus auferstanden ist, sondern man muss auch predigen und wissen den Nutzen und Gebrauch des Leidens und der Auferstehung, nämlich was er uns damit erworben hat. Denn wenn die Historie allein da ist, so ist es eine unnütze Predigt, die der Teufel und die Gottlosen ebenso wohl wissen, lesen und verstehen wie wir anderen. Dann aber, wenn man predigt, wozu es dient, so ist es eine nützliche, heilsame, tröstliche Predigt (10I.2, 214, 8–16; vgl. 17I, 183, 31–34). Also ist seine Auferstehung und Himmelfahrt unser Trost, Leben, Seligkeit, Gerechtigkeit und alles miteinander (12, 547, 8f.). Das ist die Kraft und Frucht seiner Auferstehung, dass wir Friede und Freude haben, das ist getröstet, fröhlich und lebendig gemacht werden in den schweren Gedanken, Traurigkeit und Jammer unseres Herzens. Denn aus dem |29|Tode kommen, des Herzens Furcht, Angst und Schrecken überwinden, dazu gehört eine göttliche Kraft (28, 465, 37–39). Paulus hat bewiesen, dass Christi Auferstehung die Ursache ist, dass auch wir auferstehen müssen. Gleichwie Adam der Anfang und Erstling ist, durch welchen wir alle sterben müssen, wie er gestorben ist, so ist Christus der Erstling, durch welchen wir alle zum neuen Leben auferstehen sollen, wie er zum ersten auferstanden ist (36, 551, 12–18).

2. Auferstehung der Christen: Wer an den sterbenden Christus glaubt, stirbt zugleich selbst in seiner Sünde mit Christus, und wer an den auferstehenden und lebenden Christus glaubt, erfährt durch diesen Glauben selbst die Auferstehung und lebt in Christus und Christus in ihm. Also ist die Auferstehung Christi unsere Gerechtigkeit und unser Leben, nicht nur durch ihr Beispiel, sondern auch durch ihre Kraft. Ohne die Auferstehung Christi aufersteht niemand, wieviele gute Werke er auch getan hätte (2, 455, 19–23; vgl. 57II, 54, 9–12; vgl. 2, 455, 23–25). Wenn wir an Christus glauben, dann auferstehen wir mit ihm und sterben unserem Grab, d.h. dem Gesetz, das uns gefangen hält, entkommen ihm und es hat nicht das Recht, uns anzuklagen und zurückzuhalten, weil wir auferstanden sind (40I, 270, 8–10). Die Taufe bedeutet Tod und Auferstehung, die wir Neuschaffung, Wiederherstellung und geistliche Geburt nennen, die man nicht nur allegorisch vom Tod der Sünde und dem Leben der Gnade verstehen darf, wie es viele tun, sondern vom wahren Tod und der wahren Auferstehung. Denn wenn wir beginnen zu glauben, fangen wir an, dieser Welt abzusterben und Gott zu leben im zukünftigen Leben, da der Glaube wahrhaftig ist Tod und Auferstehung (6, 534, 8–16). Durch Gnade und Glaube werde ich befreit von Gesetz, Sünde und Tod, lebe ich wahrhaft. Deshalb ist jene Kreuzigung und jener Tod, durch den ich gekreuzigt werde und dem Gesetz, der Sünde, dem Tod und allen Übeln sterbe, für mich Auferstehung und Leben (40I, 281, 24–26). Ich glaube die Auferstehung nicht allein des Geistes (wie die Ketzer sagten), sondern eben des Fleisches oder Leibes, dass er auch ein himmlischer, geistlicher Leib werden soll (36, 671, 26–28).

 

3. Auferstehung allgemein: Wer verneint und leugnet, dass eine Auferstehung der Toten sei, der verneint und leugnet auch zugleich, dass Gott allmächtiger Schöpfer Himmels und der Erden sei (49, 400, 9–11). Der Artikel von der Auferstehung ist aus dem Artikel von der Schöpfung stark und gewaltig geschlossen (49, 400, 26f.). Es ist alles zu tun um diesen Artikel von der Auferstehung, dass er fest in uns gegründet werde, denn er ist unser endlicher, seliger ewiger Trost und Freude wider den Tod, Hölle, Teufel und alle Traurigkeit (35, 479, 16–18).

📖 Ulrich Asendorf, Die Theologie Martin Luthers nach seinen Predigten, 1988, 115–149. Axel Wiemer, Martin Luthers eschatologische Theologie, 2003.

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Auslegung

→ Allegorie, Bedeutung, Buchstabe/Geist, Figur, Geheimnis, Schrift, Sinn, Verstehen

Auslegen ist, den Sinn anderen vorgeben (DB 7, 125).

1. Grundsätze: Der die Bibel lesen will, der muss eben darauf schauen, dass er nicht irre, denn die Schrift lässt sich wohl dehnen und leiten, aber keiner leite sie nach seinem Affekt, sondern führe sie zu dem Brunnen, das ist, zu dem Kreuz Christi, so |30|wird er es gewiss treffen und nicht verfehlen (1, 52, 15–18). Die heilige Schrift will in Furcht und Demut behandelt und eher mit dem Bemühen des frommen Gebets als mit der Schärfe des Geistes durchdrungen werden, denn sie ist kein menschliches Wissen (1, 507, 25f.). Wer nicht geistliche Anfechtung erfährt, bleibt in leiblichen Gedanken und kann deshalb die heilige Schrift nicht recht auslegen (40III, 515, 7–9). Man darf nicht so freveln an Gottes Worten, dass jemand ohne ausdrückliche klare Schriftzeugnisse einem Wort der Schrift eine andere Bedeutung geben wollte, als seine natürliche Bedeutung ist (11, 434, 19–22). Das heißt nicht christlich gelehrt, wenn ich einen Sinn in die Schrift trage und ziehe danach die Schrift darauf, sondern wenn ich zuvor die Schrift klar habe und danach meinen Sinn darauf ziehe (11, 438, 12–14). Den göttlichen Worten darf keine Gewalt angetan werden, sondern sie sollen so weit wie möglich in ihrer einfachsten Bedeutung erhalten bleiben, und, wenn nicht offensichtliche Umstände nötigen, sollen sie nicht außerhalb der grammatischen und eigentlichen Bedeutung verstanden werden, damit nicht den Gegnern Gelegenheit gegeben werde, mit der ganzen Schrift zu spielen (6, 509, 8–12). Die Aussagen der heiligen Schrift dürfen nicht so verstanden werden, dass sie das eine sagen, das andere aber meinen (11, 434, 30–435,4). Eine solche figürliche Interpretation entzöge der heiligen Schrift ihre Kraft. Aber was geistlich gedeutet wird, das soll man immer auf den Glauben an Christus und aufs Evangelium beziehen (16, 283, 13f.; vgl. 16, 275, 15–18; 18, 179, 39). Wer die heilige Schrift, das Wort Gottes, falsch auslegt, indem er es seinen Interessen anpasst, verstößt gegen das achte Gebot (1, 506, 17–27). Nichts darf in der heiligen Schrift ausgelegt werden, ohne dass es von der Autorität beider Testamente bestätigt wird und mit ihnen übereinstimmt (4, 180, 11f.).

2. Methode: Die Schrift kann nicht genug ausgelegt werden, wenn sie nicht durch Beispiele der gegenwärtigen Zeit angepasst und bewährt wird (5, 227, 15f.). Wenn die Väter einen Ort der Schrift auslegen, so tun sie es nicht mit ihrem eigenen Sinn oder Wort, sondern bringen einen anderen Ort herzu, der klarer ist, um also Schrift mit Schrift zu erleuchten und auszulegen (7, 639, 3–11). Man soll nicht leichtfertig Mysterien suchen, bevor man die Historie ausgelegt hat. Darum ist es unrecht, dass man von zweierlei Meinung oder Verstand der Schrift spricht: Der heilige Geist und die Wahrheit sind einfältig und ungeteilt (9, 601, 16–26). Die heiligen Lehrer haben die Weise, die Schrift auszulegen, dass sie helle klare Sprüche nehmen und damit die dunkeln, wankenden Sprüche klarmachen. Es ist auch des heiligen Geistes Weise, mit Licht die Finsternis zu erleuchten (23, 225, 1–3). Wer die Schrift geistlich auslegen will oder in einem verborgenen Sinn, soll vor allen Dingen darauf sehen, dass es sich reime mit dem Glauben oder, wie Paulus lehrt, dass es dem Glauben ähnlich sei (24, 549, 18–32).

3. Wirkung: Ein falsch verstandenes Wort kann in der ganzen heiligen Schrift Verwirrung stiften (3, 579, 5–7). Die Schrift auszulegen, das ist die edelste, höchste und größte Gabe der Weissagung (17II, 39, 26f.).

4. Christus als Kriterium: Das Evangelium lehrt nichts anderes als Christus, so hat auch die Schrift nichts anderes als Christus zum Inhalt. Wer aber Christus nicht erkennt, der mag das Evangelium hören oder das Buch wohl in den Händen tragen, aber seinen Verstand hat er noch nicht, denn Evangelium ohne Verstand haben, ist kein Evangelium haben. Die Schrift haben ohne Erkenntnis Christi, ist keine Schrift haben (10I.1, 628, 3–7). Christus hat alle Deutung der Schrift. Alles deutet auf ihn und spricht von ihm (26, 263, 22–27).

|31|5. Auslegungsinstanzen: Die Papisten lehren, es gebühre die Schrift niemandem auszulegen, als dem Papst (6, 406, 27f.). Aber dies ist eine frevelhaft erdichtete Fabel, und sie mögen auch keinen Buchstaben aufbringen, womit sie beweisen, dass es des Papstes allein sei, die Schrift auszulegen oder ihre Auslegung zu bestätigen, denn sie haben sich die Gewalt selbst genommen (6, 411, 33–35). Es kann kein rechter Verstand durch eigene Auslegung getroffen werden (14, 31, 15f.). Allein mit dem heiligen Geist kann man die Schrift auslegen und Christus erkennen (30I, 218, 8–12).

6. Freiheit: Man darf nicht Regel oder Maß, die Schrift auszulegen, vorschreiben, weil das Wort Gottes, das alle Freiheit lehrt, nicht soll noch muss gefangen sein (7, 9, 30f.). Es ist wichtiger, dass jeder Christ selbst die bloße Schrift und lauteres Gottes Wort vor sich nehme, als dass er anderen Auslegungen folge (10I.1, 728, 9–11).

7. Falsche Auslegung: Wo die Schrift mit menschlichen Meinungen oder erfundenen Glossen vermischt wird, entsteht durch eine verkehrte Auslegung aus dem Evangelium Christi ein bloßes Evangelium des Menschen (2, 465, 26–31). Es ist unfromme Verkehrtheit, dass wir die heilige Schrift nicht durch sich selbst und ihren eigenen Geist, sondern durch die Zufügungen der Menschen lernen wollen, dem Beispiel aller Väter entgegen, und uns in dieser Verkehrtheit der tiefsten Frömmigkeit rühmen (7, 98, 17–20). Die Schrift erlaubt keine Zerwürfnisse oder verschiedene Sinne, sondern die Gedanken müssen mit der Schrift übereinstimmen, nicht die Schrift mit den Gedanken (46, 464, 30–465, 23).

📖 Gerhard Ebeling, Evangelische Evangelienauslegung, 1942. Ders., Die Anfänge von Luthers Hermeneutik, in: ZThK 48 (1951) 172–230. Karl Holl, Luthers Bedeutung für den Fortschritt der Auslegungskunst, in: ders., Gesammelte Aufsätze zur Kirchengeschichte I. Luther, 1948, 544–582.

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Äußeres/Inneres

→ Buchstabe/Geist, Mensch

1. Es gibt drei Arten von Gütern für die Menschen. Die ersten sind äußerlich, wie Geld, Kleider, Äcker, Häuser, Diener, Frauen, Kinder usw. Diese werden äußerlich genannt, weil sie außerhalb des Menschen sind. Die zweiten sind die Güter des Leibes und der Person, wie Gesundheit, Kraft, Schönheit, Ausstattung des Körpers und der Sinne, auch Ruf und Ehre. Diese werden mittlere Güter genannt, weil sie nicht äußerlich außerhalb der Person sind wie die ersten, auch nicht innerlich wie die dritten, sondern in der Mitte zwischen diesen beiden. Die dritten sind geistlich und innerlich, wie Wissen, Tugend, Liebe, Glaube. Diese Güter werden innerlich und geistlich genannt, weil sie nur in der Seele und im Geist sind (4, 590, 11–22). Theologisch wird anders unterschieden: Innerlich ist das, wie wir in uns sind, in unseren Augen, nach unserem Urteil, äußerlich, wie wir bei Gott und seinem Urteil nach sind. Also sind wir äußerlich gerecht, wenn wir nicht aus uns noch aus unseren Werken, sondern allein nach dem Urteil Gottes gerecht sind. Innerlich aber sind wir Sünder nach der Natur (56, 268, 31–267, 8). In anderer Hinsicht gilt: Das Äußere verändert sich, das Innere bleibt. Nicht in allen Christen ist dasselbe Werk, aber ein Glaube, es gibt viele Gaben, aber nur einen Geist, viele Dienste, aber nur einen Herrn, viele Taten, aber nur einen Gott, der wirkt alles in allem (5, 571, 29–33).

|32|2. Es gibt eine doppelte Gemeinschaft der Glaubenden: eine innere und geistliche und eine äußere und leibliche. Geistlich ist sie ein Glaube, eine Hoffnung, eine Liebe zu Gott. Leiblich ist sie die Teilhabe an den Sakramenten, also an den Zeichen von Glaube, Hoffnung, Liebe, die dennoch weiter ausgedehnt werden auf die Gemeinschaft der Dinge, des Gebrauchs der Kommunikation (1, 639, 2–7). Nichts ist so fleischlich und äußerlich, dass es nicht, wenn es durch den Geist des Glaubens geschieht, geistlich wäre (2, 509, 37f.). Das Geistliche wiederum ist nichts Äußerliches: Nehmen wir uns den inwendigen geistlichen Menschen vor, so ist es offenbar, dass kein äußerliches Ding ihn frei oder fromm machen kann, denn seine Frömmigkeit und Freiheit wie seine Bosheit und Gefangenschaft sind nicht leiblich noch äußerlich (7, 21, 18–22). Gott richtet nicht nach dem äußerlichen Ansehen und äußeren Formen, sondern nach dem Geist, wie sich der innerlich verhalte (7, 592, 11–13). Ein christliches Wesen unterscheidet sich nicht äußerlich von anderem, sondern innerlich, es gibt ein anderes Herz, einen anderen Mut, Willen und Sinn, der aus dem Glauben kommt (10I.1, 137, 18–22; 10I.2, 339, 30–38).

3. Alle Werke und Wunder, die Christus sichtbar und äußerlich tut, sollen so verstanden werden, dass sie anzeigen die Werke, die er unsichtbar, geistlich und innerlich bei den Menschen tut (10I.2, 388, 25–27).

4. Weisheit, Gerechtigkeit, Wahrheit, Tugend sind nicht in uns, sondern in Christus, außerhalb von uns in Gott (1, 139, 34f.).

📖 Karl-Heinz zur Mühlen, Nos extra nos, 1972. Ders., Innerer und äußerer Mensch, in: ders., Reformatorisches Profil, 1995, 199–207. Jens Wolff, Martin Luthers ‚innerer Mensch‘, in: LuJ 75 (2008) 31–66.