Martin Luthers theologische Grundbegriffe

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Engel

1. Die Erkenntnis der Engel soll bei den Christen bleiben und ist sehr nützlich und tröstlich (32, 111, 14–17). Engel ist nichts anderes als ein Geist, der Gott lobt und ihm Ehre gibt, voll der höchsten Weisheit, reich an Kraft und Heiligkeit. Denn ein Engel ist stärker als die ganze Welt (29, 680, 25–27). Ein Engel ist ein Diener, der uns dient, wartet mit Freuden und Frohlocken. Sie haben den höchsten Geist, sind überaus heilig und mächtig, und dennoch überaus demütig und unsere Diener (29, 681, 27–29). Wenn man von den Engeln predigt, so kann man nicht umgehen, dass man auch von Teufeln predigen muss, denn die Teufel sind auch Engel. So sind nun die Engel geteilt in zwei Teile: in fromme Engel und in Teufel, denn die heilige Schrift nennt die bösen Geister auch Engel (34II, 230, 21–28). Die Schrift gebraucht das Wort Engel auf zweierlei Weise. Erstens von heiligen, himmlischen Geistern, ohne alle Sünde und Gebrechen. Zum andern nennt die Schrift auch Engel, die Fleisch und Blut haben, und Christus, Gottes Sohn selbst (49, 570, 29–571, 21).

2. Amt: Die Engel führen wie Teufel ihr Amt auch heimlich (32, 116, 24–32). Die guten Engel sind stets um und bei uns, dass sie uns helfen, dass wir bei der Wahrheit bleiben, unser Leib und Leben, Weib und Kind und was wir haben, vor dem Teufel zu schützen (32, 117, 6–9). Denn es ist ein stetiger Kampf zwischen Engeln und Teufeln (52, 716, 28–31).

3. Alle, die in der Kirche das Wort Christi lehren, sind gewissermaßen Engel, weil sie das Wort verbreiten, aber Christus, der mit dem Wort kommt, gießt den Glauben ein und sitzt über ihnen (7, 511, 16–18). Die Engel reden wohl mit Menschenzungen. Aber Menschen mögen nimmermehr mit Engelszungen reden (17II, 165, 18–20).

|60|4. Im Papsttum ist ein großer Missbrauch gewesen, dass man aus den Engeln hat Abgötter gemacht, gleichwie aus der Jungfrau Maria und anderen Heiligen, denn so haben sie gepredigt: Man solle die Engel und Jungfrau Maria anrufen, dass sie uns die Sünde vergeben und uns helfen (34II, 225, 27–226, 16). Also beten wir die Engel nicht an, vertrauen auch nicht auf sie, wie man bisher getan hat, wie wir auch in der Schrift finden, dass sie sich nirgends haben wollen anbeten lassen, sondern danken und loben Gott, dass er sie uns zugute geschaffen hat, denn sie sind ja geschaffene Geister, von Gott zu uns gesandt (32, 117, 19–23). Man soll nicht an Engel, Propheten oder Apostel glauben, sondern die göttliche Ehre gehört allein dem Sohn, denn er ist wahrhaftiger Gott mit dem Vater (47, 113, 7–9; vgl. 54, 66, 33–35).

📖 Volkmar Hirth, Luther und die Engel, in: Luther-Gedenken, 1996, 26f. Michael Plathow, Luther und die Angelologie, in: Zeitschrift für dialektische Theologie 12 (1996) 27–50. Ders., Zur Urteilskraft von Luthers Engelpredigten, in: Luther 87 (2016) 4–11.

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Erfahrung

→ Exempel, Fühlen

1. Glaubenserfahrung: Wenn beim Recht die Erfahrung notwendig ist, die eine andeutende Lehre der Gerechtigkeit ist, so ist sie es umso mehr in der Theologie (56, 447, 21–23). Wer nicht versucht wurde, was weiß er? Wer nicht erfahren ist, was weiß er? Wer nicht aus Erfahrung die Eigenschaften der Anfechtungen kennt, der gibt nicht das Gewusste, aber das Gehörte oder Gesehene oder, was gefährlicher ist, sein Erkanntes preis. Wer also gewiss sein will und andere zuverlässig beraten will, der mache zuerst selbst Erfahrungen, trage zuerst selbst das Kreuz und gehe mit dem Beispiel voraus (4, 95, 7–11). Zum Verständnis des Wortes Gottes ist Erfahrung nötig (5, 107, 13f.). Die göttliche Weisheit kann nicht verstanden und geschmeckt werden, wenn sie nicht den Menschen durch die in ihr geübte Praxis des Lebens erfahren macht und sicher und beständig in allen Wegen, durch welche Erfahrung er nicht nur über ihr Leben, sondern auch über die rechte Lehre urteilen kann. Das sind die, deren Lehre nicht Wort, sondern Leben, nicht Rauch, sondern Feuer, nicht Buchstabe, sondern Geist ist, die nicht von der Weisheit des Geistes, sondern vom Geist der Weisheit erfüllt sind (5, 411, 6–12). Es kann niemand Gott oder Gottes Wort recht verstehen, er habe es denn ohne Mittel von dem heiligen Geist. Niemand kann es aber von dem Heiligen Geist haben, er erfahre es, versuche es und empfinde es denn, und in derselben Erfahrung lehrt der Heilige Geist als in seiner eigenen Schule, außer welcher wird nichts gelehrt als nur Scheinworte und Geschwätz (7, 546, 24–29). Es ist denen, die es nicht erfahren haben, unglaublich, wie mächtig und kräftig der Glaube ist, besonders in Sünden (8, 528, 13f.). Also lehrt dich denn Gott, dass du durch Erfahrung kommst zu der rechten wahren Erkenntnis Christi und empfindest also mitten in dem Leiden einen süßen Geschmack seiner Gütigkeit, solche Erkenntnis macht in dir der heilige Geist, der dein Herz erhebt (21, 8, 12–15). Das Zeugnis des heiligen Geistes geht so zu, dass wir die Kraft des heiligen Geistes, die er durchs Wort in uns wirkt, auch fühlen und empfinden, und unsere Erfahrung mit dem Wort oder der Predigt übereinstimmt (22, 139, 1–9). Die wahre, lebendige Erkenntnis Christi, indem ich nicht nur diese |61|Erkenntnis höre und erzähle, sondern aufnehme, dass Christus für mich gelitten hat, ist nicht der historische Glaube, denn er fügt nicht diese Erfahrung, diese sinnliche und praktische Erkenntnis hinzu. Der wahre Glaube ist eine Schau, die nicht nur spekulativ ist, sondern praktisch, durch die man bewegt wird, wodurch sowohl Leib wie Seele eine Erneuerung und einen belebenden Impuls verspüren (40III, 738, 10–20). Allein die Erfahrung macht einen Theologen (25, 106, 27). Die Theologie wird durch Erfahrung gelernt, ohne Erfahrung kann sie nicht verstanden werden (40II, 463, 18–20).

2. Unterscheidung von Glaube und Erfahrung: Empfinden und Glauben sind zweierlei. Der Glaube ist derart, dass er nicht empfindet, sondern die Vernunft fallen lässt, die Augen zutut und sich schlicht ins Wort ergibt, demselben nachfolgt durch Sterben und Leben. Empfinden aber geht nicht weiter, als was man mit Vernunft und Sinnen begreifen kann, was man hört, sieht und empfindet oder mit den äußerlichen Sinnen erkennt. Deshalb ist Empfinden wider den Glauben, Glaube wider das Empfinden (10I.2, 222, 20–26). Gott möchte, dass man auf seine Güte baut, ehe man sie erfährt oder fühlt (8, 359, 5–11). Gott handelt so wunderbar, dass es wider alle Vernunft und Erfahrung ist (14, 370, 25–27). Es ist dem Fleisch und der Vernunft unmöglich zu verstehen, dass da solle Leben anfangen, wo das Leben endet. Denn es ist zu sehr wider und über Sinn, Brauch und Erfahrung aller Welt (19, 352, 19–23). Das ist die Art göttlichen Wortes, dass es höhere und widersinnige Dinge vorhält, als alle Sinne und Vernunft begreifen und alle Erfahrung fühlt (19, 394, 22f.). Dass bei Gott nichts ist als Wohltun, Lieben, Sorgen, glaube ich; auch wenn das Gegenteil in Sinn, Erfahrung, Tatsache, Wirklichkeit erscheint, gebe ich darauf nichts. Ich folge nicht dem Sinn, der Sache, sondern dem Wort (40III, 372, 8–10). Wie sehr würden wir irren, wenn wir immer, nachdem wir das Wort empfangen haben, dem Sinn und unserer Erfahrung folgen wollten (40III, 372, 17–19).

3. Der heilige Schrift ist gewisser als alles Erfahren (10II, 299, 10f.). Die heilige Schrift will nicht allein durch Nachdenken verstanden werden, sondern durch Erfahrung ganz verdeutlicht werden (26, 55, 36).

4. Wer lernt, sorgfältig das Gesetz vom Evangelium zu unterscheiden, nicht nur durch Worte, sondern auch mit dem Gefühl und der Erfahrung, das heißt in Herz und Gewissen, unterscheidet beide wohl voneinander (40I, 209, 17–20).

📖 Ulrich Köpf, Erfahrung III. Theologiegeschichtlich, III / 1 Mittelalter und Reformationszeit, in: TRE 10 (1982) 109–116. Hans Michael Müller, Erfahrung und Glaube bei Luther, 1929. Sebastian Degkwitz, Wort Gottes und Erfahrung, 1998. Karl-Heinz zur Mühlen, Mystische Erfahrung und Wort Gottes bei Martin Luther, in: Johannes Schilling, Hg., Mystik, 2003, 45–66.

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Erfüllung

→ Erhörung; vgl. Figur, Verheißung

1. Das Gesetz und die Propheten werden nur durch die Liebe erfüllt (1, 502, 23). Bei den Zehn Geboten müssen wir begreifen, dass die Erfüllung besteht in der Liebe gegen andere und nicht gegen uns, denn der Mensch tut, lässt und sucht sich selbst schon zuviel (10II, 388, 11–13). Wo Glaube und Liebe sind, da sind alle Gebote erfüllt und aufgehoben und frei gemacht, also dass nach Christi Ankunft kein Gebot mehr not |62|ist, es sei denn von Glauben oder Liebe (12, 128, 2–25; vgl. 10I.1, 12, 12–17). Gottes Gebot wird mit Werken nicht erfüllt (10I.1, 258, 9).

2. Niemand kann das Gesetz erfüllen, er sei denn vom Gesetz los und nicht mehr darunter (10I.1, 359, 21f.). Gott will freiwillige Wohltäter haben (10I.1, 363, 9).

3. Wir haben durch das Gesetz Erkenntnis, aber allein durch Christus seine Erfüllung und Durchführung (2, 523, 15). Christus hat das Gesetz erfüllt und alles getan aus freiem Willen, nicht aus Not und Zwang des Gesetzes. Ohne ihn kann niemand das Gesetz erfüllen (10I.1, 362, 4–6). Das Gesetz fordert einen freien, fröhlichen, lustigen Willen, den der Glaube Christi allein gibt, wo derselbe ist, da hört das Gesetz auf zu fordern, ihm ist genug geschehen und es ist erfüllt (10I.1, 466, 16–20). Das Evangelium lehrt, wie das Gesetz Gottes geistlich und unmöglich der Natur zu erfüllen sei, sondern der Geist Gottes müsse es durch den Glauben erfüllen (10I.1, 670, 4–6). Die Gerechtigkeit, die das Gesetz fordert, geschieht nicht durch das Gesetz, das die Sünde offenlegt und Zorn wirkt, sondern durch Christus, der allein den Willen Gottes erfüllt hat und das Gesetz erfüllte und den heiligen Geist annahm. Wer immer also diese Wohltat Christi durch den Glauben annimmt, der hat das Gesetz durch Anrechnung erfüllt und den Geist erhalten, der das Gesetz, das dem Fleisch verächtlich und lästig ist, erfreulich und süß macht (39I, 388, 1–6; vgl. 373, 23f.). Durch den Glauben wird uns die Erfüllung des Gesetzes möglich. Durch Christus werden wir gerechtfertigt, und als Gerechtfertigte erfüllen wir das Gesetz. Also geschieht die Erfüllung des Gesetzes wegen der Rechtfertigung (39I, 443, 7–10). Der Glaube allein bewirkt, dass uns alle Sünden vergeben werden und so ist der ganze Dekalog erfüllt durch den Glauben, weil allein der Glaube mir Christus schenkt, der die Erfüllung und das Ende des Gesetzes ist (39I, 482, 13–16). Die Gnade ist im eigentlichen Sinn die Erfüllung des Gesetzes, die Vergebung der Sünden, die Gerechtigkeit und das Leben in Christus (39I, 368, 11f.).

 

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Erkenntnis

→ Vernunft, Wissen

Erkennen heißt nicht mit den Augen ansehen, wie die Kuh das Tor ansieht, sondern von Herzen sich eines Dinges annehmen (51, 38, 39–39, 17).

1. Erkenntnis Christi: Christus kann niemand erkennen aus Fleisch und Blut, sondern der Vater im Himmel muss ihn offenbaren (2, 246, 30f.), allein durch Gottes Gnade (10I.1, 580, 12–15). Wer Christus nicht erkennt, der mag das Evangelium hören oder das Buch in den Händen tragen, aber seinen Verstand hat er noch nicht, denn Evangelium ohne Verstand haben ist kein Evangelium haben. Die Schrift haben ohne Erkenntnis Christi, ist keine Schrift haben (10I.1, 628, 3–7). Unmöglich ist es, dass Christus und sein Evangelium erkannt werden durch Vernunft, sondern allein der Glaube ist hier die Erkenntnis (10I.1, 628, 18–20). Die Erkenntnis Christi darf nicht als spekulative aufgefasst werden, durch die Christus nur objektiv erkannt würde. Denn diese ist tot, und die Dämonen besitzen sie so weit, so dass sie die Häretiker und Vermessenen durch sie leicht in die Irre führen. Sondern sie ist als praktische zu verstehen, d.h. als Leben, Wesen und Erfahrung am Beispiel und Bild Christi, damit |63|schon Christus nicht der Gegenstand unserer Erkenntnis sei, sondern eher wir der Gegenstand seiner Erkenntnis. Dies heißt, dass Gott zuerst Fleisch geworden ist, bevor das Fleisch Gott wird. Deshalb muss sich Gott in allen zuerst inkarnieren, bevor sie in Gott verwandelt werden, und daher hat der platonische Satz recht: Gleiches wird durch Gleiches erkannt (57II, 94, 4–13). Christus erkennen heißt nichts anderes, als ihn zu erkennen erstens als eine Gabe und Geschenk, zum andern als ein Exempel. Das heißt Christus recht erkennen, dass er uns mit allem, was er hat, aus lauter Güte Gottes geschenkt ist, und dass er für uns genug getan, die Seligkeit und das ewige Leben erworben hat, und dass uns dies alles ohne unser Verdienst gegeben wird durch ihn und um seinetwillen (10I.2, 247, 28–37). Zur Befreiung vom Tod und von den Sünden gibt es keinen anderen Grund als Christus zu erkennen und um ihn zu wissen. Allein diese Erkenntnis wird uns befreien und es gibt keinen anderen Trost. Diejenigen, die die Erkenntnis als aktive verstehen, haben Unrecht. Sie ist gemeint von einer Erkenntnis, durch die Christus erkannt und gewusst wird durch die Predigt, nämlich dass Christus der Sohn Gottes sei. Das ist eine wunderbare Definition der Gerechtigkeit, dass sie die Erkenntnis Gottes sei, damit das Herz sich nur auf die Erkenntnis des gekreuzigten Christus verlässt. Die menschliche Vernunft kann diese Gerechtigkeit weder finden noch verstehen, die ihrem Wesen nach nichts anderes ist als die Erkenntnis Christi, d.h. der Glaube, durch den Christus ins Herz aufgenommen wird (25, 337, 10–27).

2. Gotteserkenntnis: Der Apostel lehrt, dass unser Erkennen Gottes unser Erkanntwerden durch Gott sei (57II, 90, 3f.). Wer sicher zur Liebe und Erkenntnis Gottes aufsteigen will, der weise die menschlichen und metaphysischen Regeln der Erkenntnis der Gottheit zurück und übe sich zuerst in der Menschheit Christi (57III, 99, 5–8). Der erkennt Gott recht, der weiß, dass Gott auf die Niedrigen sieht und aus der Erkenntnis folgt dann Liebe und Vertrauen zu Gott, so dass sich der Mensch ihm willig ergibt und folgt (7, 564, 20–22). Wir sind von Gott erkannt und schon begriffen, aber wir erkennen und begreifen ihn noch nicht. Denn unsere Erkenntnis ist noch im Glauben zugedeckt und verschlossen (10I.1, 109, 11–13). So muss die Erkenntnis herkommen nicht aus unseren Gedanken, nicht aus unserem Vermögen, nicht aus unseren Herzen, sondern der heilige Geist muss sie geben (21, 6, 38–7, 15; vgl. 31I, 405, 3–5). So erkennt nun die Vernunft Gott aus dem Gesetz Mose, aber nach dem Evangelium weiß die Vernunft nichts von Gott, denn es ist eine neue Offenbarung, die vom Himmel gekommen ist und nicht allein uns anbietet und lehrt die Zehn Gebote, sondern dass wir Menschen alle in Sünden empfangen und verloren sind und niemand das Gesetz halte, aber die da wollen selig werden, die müssen allein aus lauter Gnade und Wahrheit durch Jesus Christus selig werden (46, 671, 26–32).

3. Selbsterkenntnis besteht darin, sich als Sünder sich selbst und Gott gegenüber einzugestehen (4, 491, 13; vgl. 3, 449, 6–11). Gott leitet seine Kirche und jeden Christen durch die Selbsterkenntnis und durch die Gotteserkenntnis (4, 132, 26–29). Weil wir in Adam zur Ähnlichkeit mit Gott aufstiegen, deshalb stieg Christus herab in die Ähnlichkeit mit uns, damit er uns zur Selbsterkenntnis führte. Dies geschah durch das Geheimnis der Menschwerdung (5, 128, 39–129, 1). Soll der Mensch geistlich werden und den Glauben bekommen, ist ihm not, dass er zuvor unter dem Gesetz sei. Darum niemand sich selbst ohne das Gesetz erkennt, was ihm gebricht, wer sich aber nicht erkennt, der sucht nicht Gnade (10I.1, 426, 1–4). Also ist diese theologische Erkenntnis notwendig, dass der Mensch sich selbst erkennt, d.h. dass er weiß, empfindet und |64|erfährt, dass er der Sünde angeklagt ist und dem Tod verfallen, dann auch, dass er das Gegenteil weiß und erfährt, dass Gott der Rechtfertigende sei und der Erlöser dieses Menschen, der sich so erkennt (40II, 328, 30–33).

📖 Gerhard Ebeling, Cognitio Dei et hominis, in: ders., Lutherstudien, Band 1, 1971, 221–271. Joachim Ringleben, Die Einheit von Gottes- und Selbsterkenntnis, in: ders., Arbeit am Gottesbegriff Band 1, 2004, 18–28.

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Erleuchtung

→ Offenbarung

1. Das Gesetz wurde der Vernunft hinzugefügt, damit es den Menschen erleuchte und ihm helfe und zeige, was zu tun und was zu lassen ist (40I, 396, 17f.). Das Evangelium erleuchtet zum Geistlichen und verhüllt das Fleischliche (4, 397, 40f.).

2. Christus erleuchtet jeden Menschen, der in die Welt kommt, durch das Evangelium. Das Evangelium wird gepredigt jedem Geschöpf (5, 267, 14–18; 10I.1, 235, 9–13; 522, 1–3). In uns sind wir Sünder und gottlos, in der Erleuchtung Christi sind wir gerecht und heilig (31II, 513, 14–18).

3. Ich glaube, dass ich nicht aus eigener Vernunft noch Kraft an Jesus Christus meinen Herrn glauben oder zu ihm kommen kann, sondern der heilige Geist hat mich durchs Evangelium berufen, mit seinen Gaben erleuchtet, im rechten Glauben geheiligt und erhalten, gleichwie er die ganze Christenheit auf Erden beruft, sammelt, erleuchtet, heiligt und bei Jesus Christus erhält im rechten einigen Glauben (30I, 367, 4–368, 3; vgl. 40I, 400, 32f.).

4. Glauben ist durch Gott erleuchtet werden und Gott erkennen, wodurch wir wissen, was Gott für uns tun will (9, 481, 5). Erleuchtet werden ist glauben und den heiligen Geist empfangen (31II, 500, 27f; vgl. 5, 118, 1–3).

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Erlösung

→ Heil

1. Dass Christus bestimmt kein Gesetzgeber, sondern Versöhner und Erlöser ist, das fasst der Glaube auf (40I, 232, 29–31).

2. Nicht die Hand vom Werk, nicht die Person vom Orden, nicht den Leib vom Stand, sondern die Seele von dem falschen Wahn und das Gewissen von dem falschen Glauben erlöst Christus. Er ist ein Erlöser der Gewissen (10I.1, 492, 12–15). Christus hat uns geistlich vom Gesetz erlöst, nicht das Gesetz zerbrochen und abgetan, sondern unser Herz, das zuvor ungern darunter war, so verwandelt, so viel Gutes ihm getan und das Gesetz so lieblich gemacht, dass es keine große Lust noch Freude hat als in dem Gesetz (10I.1, 459, 16–20). Nicht unsere Werke, sondern Christi Blut hat uns erlöst, wenn wir dies glauben (12, 155, 12–16). Obwohl dies Werk unserer Erlösung durch sein Blut am Kreuz einmal geschehen und genug ist, aller Welt Sünde wegzunehmen, so hat er es doch so gestiftet, dass dessen Kraft ewig bleibe und durch den heiligen |65|Geist täglich ausgeteilt und uns dargereicht werde (21, 287, 16–20). Erlösung bedeutet Befreiung und zwar eine allgemeine sowohl von der Schuld wie von der Strafe, wenngleich mehr von der Schuld (40III, 373, 23f.).

3. Der Glaube erlöst von Sünden, Tod und Hölle, und macht alle Dinge überwinden (10I.1, 12, 9f.). Der Glaube vertilgt die Sünde und erlöst vom Tod. Nun ist Seligkeit nichts anderes als Erlösung von Sünden und vom Tod (10I.1, 422, 2–11). Weil allein der Glaube, bevor und ehe die Werke folgen, den Erlöser ergreift, so muss es wahr sein, dass allein der Glaube, vor und ohne Werke, solche Erlösung fasse, welches nichts anderes sein kann als gerecht sein oder werden. Aber nach solchem Glauben oder empfangener Erlösung oder Sündenvergebung oder Gerechtigkeit folgen gute Werke als Früchte des Glaubens (30III, 367, 22–34).

4. Christus erlöst vom Gesetz nicht durch Zerbrechen und Abtun des Gesetzes, sondern durch Gabe eines freiwilligen Geistes, der alles tut ungetrieben, ungezwungen, unangesehen von Drohen und Lohn, gerade als wäre das Gesetz nicht. Diesen Geist bekommt man nicht anders als durch den Glauben. Denn wer glaubt, dass Christus gekommen sei und alles solches getan habe, dass er uns erlöst, der ist gewiss erlöst, denn wie er glaubt, so geschieht ihm. Der Glaube bringt mit sich den Geist, der ihn zum Kind Gottes macht (10I.1, 362, 10–363, 2).

5. Die Werkheiligen erlösen sich selbst und andere durch Gesetz oder ihre Vernunft und freien Willen von Ungerechtigkeiten, das ist, die äußeren Werke lassen sie wohl durch Gebote, Pein, Strafe oder Lohn und Genuss, aber das ist der Schaum von der Ungerechtigkeit, das Herz bleibt dennoch voll ungöttlichen, gnadenlosen Wesens und weltlicher Begierden, und sie sind weder an Leib noch Seele gerecht. Christus erlöst aber durch den Glauben von aller Ungerechtigkeit (10I.1, 51, 12–18).

6. Es gibt einen Unterschied zwischen Erlösung und Predigt der Erlösung. Durch das Werk Christi, das er am Kreuz vollbracht hat, hat er die Erlösung erworben, durch das Wort, wenn es gepredigt wird, ist Christus dein und du wirst erlöst (17I, 166, 7–20).

📖 Albrecht Beutel, Hg., Luther Handbuch, 3. Aufl. 2017, 428–439. Theodosius Harnack, Luthers Theologie 2, 1886. Wilhelm Rau, Das Zeugnis Luthers von der Verlorenheit des Menschen und seiner Erlösung durch Christus, 1991.