Martin Luthers theologische Grundbegriffe

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Andacht

→ Anbetung, Betrachtung, Gebet

„Andacht“ heißt bei Luther noch oft Meinung, Bestreben, Überlegung, aber auch frommes Bemühen und gottesdienstliche Aktivität.

1. Die rechte Andacht ist der Glaube, der sich auf das Wort Gottes verlässt. Alle andere Andacht ist lauter Trügerei und Irrtum (2, 128, 1f.; 6, 235, 17–20). Zum Empfang des Sakraments ist nicht nur der gute Antrieb notwendig, der im erworbenen Glauben oder einer Andacht besteht, sondern der beständige, durch die Gnade Gottes eingegossene Glaube, der das Herz dazu bewegt, die Sache des Sakraments zu begehren und wirklich zu erhoffen (6, 91, 38–92, 1). Maria lehrt, dass, je größer die Andacht im Geist ist, je weniger Worte zu machen sind (7, 571, 22).

2. Luther warnt öfters vor selbstbezogener Andacht: Es soll sich niemand vornehmen, einen eigenen Weg zu Gott machen, durch seine eigene Andacht oder Werk (10I.1, 356, 1f.). Was einer selbstbezogenen Andacht entspringt, ist die reinste Lüge und Wahn und gilt nichts vor Gott (14, 394, 9; 16, 175, 18–22; 24, 389, 26–28; 33, 275, 15–29; 323, 12–15; 46, 589, 35–37; 768, 7f.; 780, 10–34). Der heilige Geist kommt nicht zu uns durch unsere Andacht (47, 642, 25). Die neuen Stücke, die in der neuen Kirche des Papsts aufgekommen sind, sind alle ohne Gottes Wort, das ist, ohne Wahrheit und Leben, allein aus menschlicher Andacht oder Gutdünken erdichtet worden (51, 515, 20–23). Niemand denke, dass Gottes Wort auf Erden komme aus eigener Andacht. Soll es Gottes Wort sein, so muss es gesandt sein. Es ist unmöglich, dass die heilige Schrift könne verstanden oder ausgelegt werden aus eigener Andacht und Willkür. Denn es ist ein großer Unterschied zwischen dem Wort, das vom Himmel gesandt ist, und dem, das ich aus eigener Wahl und Andacht erfinde. Darum müssen wir lernen, unsere Seligkeit zu setzen auf die Kraft des Gottes Wortes und nicht auf unsere Andacht (47, 193, 11–38).

3. Luther berichtet über das Paradox seiner eigenen Frömmigkeit: Er habe ein heiliger, frommer Mönch sein wollen und sich mit großer Andacht zur Messe und zum Gebet bereitet, aber wenn er am andächtigsten war, so ging er als ein Zweifler zum Altar, als ein Zweifler ging er wieder davon, hatte er seine Buße gesprochen, so zweifelte er doch, hatte er sie nicht gebetet, so verzweifelte er aber, denn die Mönche waren schlicht in dem Wahn, sie könnten nicht beten und würden nicht erhört, wenn sie nicht ganz rein und ohne Sünde wie die Heiligen im Himmel wären (22, 305, 35–306, 3; vgl. 51, 21, 1–8).

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|21|Anfechtung

→ Verzweiflung, Zweifel

1. Wesen: Anfechtungen werden in der heiligen Schrift eigentlich das Kreuz Christi genannt (56, 301, 20f.). Das ganze Leben ist nichts als Anfechtung von Fleisch, Welt, Teufel (30I, 107, 32f.; vgl. 106, 34; 6, 17, 29f. 225, 14f.; 16, 11; 208, 25–28). Die Anfechtung ist eine doppelte: erstens körperlich, worin die Fleischlichen versagen, die wegen fleischlicher Güter in den Dingen, dem Leib, dem Ruhm versagen und von Gott abfallen. Die andere ist die geistliche des Gewissens, wo durch die eigene Gerechtigkeit und Weisheit alles verschlungen und aufgesaugt wird, worauf sie vertrauen (56, 306, 9–16). Denn wen der Teufel mit Armut, Mangel und Elend nicht überwinden kann, den greift er an mit Reichtum, Gunst, Ehre, Lust, Gewalt und ficht auf beiden Seiten wider uns (17II, 195, 26–27). Nach dem Urteil aller Frommen und dem Zeugnis der Erfahrung ist es aber die größte Anfechtung, keine Anfechtung zu haben (3, 420, 16f.), denn dann bestehe die Gefahr, dass der Mensch Gott vergesse und missbrauche die glückselige Zeit (6, 223, 33–35; 236, 16–20). Nicht glauben zu wollen und alles in Zweifel zu ziehen und so eine neue Lehre zu erwarten, das ist die schwerste Anfechtung (3, 578, 38f.). Die schwerste und höchste Anfechtung, mit der Gott zuweilen seine Heiligen angreift und übt, ist das Gefühl, von Gott und seiner Gnade verlassen zu sein (17II, 20, 31–38). Die größte Anfechtung ist die durch den Teufel, der Glaube, Hoffnung und Liebe bekämpft, damit das Misstrauen, dass Gott nicht barmherzig sei, angreift, wenn der Mensch zu zweifeln beginnt, ob Gott sei usw. Daraus folgt die Verzweiflung. Diese Versuchung ist die schwerste, da sie den Menschen zum Gotteslästerer macht (30I, 16, 26–29; vgl. 17II, 193–195).

2. Der Grund für die Anfechtung ist, dass der Mensch sich und Gott erkennen lerne, sich erkennen, dass er nichts vermag, als sündigen und Übel tun, Gott erkennen, dass Gottes Gnade stärker sei als alle Kreaturen, und er so lerne sich verachten und Gottes Gnaden loben und preisen (2, 125, 18–22). Durch die Anfechtung wird der Mensch dazu gedrängt, zu Gott zu laufen und ihn anzurufen (6, 223, 16–19). Wir müssen die Anfechtung annehmen als eine Reizung und Vermahnung zu beten, fasten, wachen, arbeiten und anderen Übungen, das Fleisch zu dämpfen und den Glauben an Gott zu üben (6, 270, 10–12). Wenn ein Christ anfängt zu glauben, so folgt ihm auf dem Fuß nach die Anfechtung und Verfolgung, und wenn das nicht geschieht, so ist es ein Zeichen, dass der Glaube nicht rechtschaffen ist und er das Evangelium nicht recht ergriffen hat (17I, 446, 16–19; vgl. 21, 116, 4–12).

3. Der Sinn der Verwirrung ist unendlich und jede Anfechtung in unserem Affekt ist dauerhaft. Es gibt niemanden, der das Ende der Anfechtung sieht, wenn er im Paroxismus der Anfechtung ist (25, 151, 30–32; vgl. 31II, 110, 30f.; 445, 26–28). Da Gott ewig ist, so ist auch die Versuchung ewig (31II, 549,25). Wie es notwendig ist, dass es Häresien gibt, so muss es Anstachelungen des Fleisches geben, damit die offenbar würden, die bewährt sind, und damit sie immer zum Herrn rufen, wenn sie versucht werden (4, 395, 3–5; 9, 581, 16f.). Es wird kein Christ auf Erden ohne Anfechtung sein: Gott führt uns zur Anfechtung. Wer anfängt, fromm zu werden, wird lernen, dass wir ohne Anfechtung nicht in den Himmel kommen könnten, und so würden wir sie auch überwinden lernen (9, 588, 13–26). Die Anfechtung durch Gott kommt nicht aus unserem Willen, nicht aus Gottes Gebot, sondern aus lauter Gnade, nicht aus Hass, |22|sondern aus Liebe (9, 589, 12f.). Denn alle, die Gott liebt, züchtigt er. Deshalb ist jede Anfechtung ein Zeichen des liebenden Gottes (3, 340,13f.). Gott nimmt niemanden als gerecht an, den er nicht vorher geprüft hat, er prüft nicht anders als durch das Feuer der Anfechtung. Wenn Gott uns nicht durch Anfechtungen prüfte, wäre es unmöglich, dass irgendein Mensch gerettet würde (56, 304, 9–24).

4. Umgang mit Anfechtung: Im irdischen Leben soll man nicht begehren, aller Anfechtung ledig zu sein, sondern dass man nicht falle und wider seinen Nächsten sündige (2, 125, 32–35; 6, 22, 5–10). Man soll die Anfechtung nicht nur fühlen, sondern in sie einwilligen (30I, 209, 27–35).

5. Christus hat zu unserem Trost auch selbst die Anfechtung erlitten und überwunden. Er ist ebensowohl angefochten mit dem Tod, der Sünde, der Hölle wie wir (2, 691, 22–26). Die Gemeinschaft Christi mit uns hat einen Austausch zur Folge: Ihn fechten unsere Sünden an, uns beschirmt seine Gerechtigkeit. Denn die Vereinigung mit ihm macht alles gemeinsam (2, 749, 2f.).

6. Hilfe in Anfechtung: In der Zeit der Anfechtung muss Gott selbst uns zusprechen und mit seinem Wort uns trösten (2, 115, 35f.). Trost und Vertrauen der Gerechten in der Anfechtung ist dies: zuerst, dass Gott lebt und existiert. Zweitens, dass er gegenwärtig ist. Drittens, dass er über alles regiert (55I, 86, 22–24). Man muss den Glauben stärken wider alle Anfechtungen der Sünde, sie seien vergangen, gegenwärtig oder zukünftig (6, 231, 27f.). Wer an Christus glaubt, der soll keinen Mangel leiden und keine Anfechtung soll ihm schaden, sondern er soll genug haben mitten in dem Mangel und sicher sein mitten in der Anfechtung (17II, 189, 2–4).

7. Wirkung der Anfechtung: Nach der Prüfung der Anfechtung ist Gott gnädig (5, 165, 18–20). Am Ende der Anfechtung lehrt und bringt der versuchte Glaube, dass wir schmecken und empfinden, wie süß der Herr sei (8, 379, 14–35). Durch Versuchung und Anfechtung wird der Mensch gebessert, damit er mehr und mehr zunimmt in Glauben und Liebe (8, 385, 10–14; 10I.1, 612, 8–13). Darum müssen das Kreuz und die Anfechtung kommen, damit der Glaube wachse und stark werde (10III, 425, 27f.). Der Glaube übt sich in mancherlei Anfechtungen (10III, 427, 11–13). Der Glaube ohne Anfechtungen schläft und der Glaube ist nie stärker als in den stärksten Anfechtungen (16, 234, 7–11). Nach der Anfechtung, wenn der Mensch versucht und bewährt ist, wird er nicht allein mit Gaben der Weisheit und Verstands erfüllt, sondern auch mit dem Geber solcher Gaben, dem heiligen Geist selbst, und ganz vollkommen gemacht und lehrt andere mit Weisheit und Verstand und hilft ihnen geistlich (10I.1, 302, 11–303, 3).

8. Obwohl der Glaube durch Anfechtung geübt wird, wird er durch sie auch geschwächt: Der Glaube ist nicht allezeit gleich fest, sondern zuweilen angefochten und schwach (54, 33, 9f.). Denn der böse Geist ficht nichts so sehr an als den Glauben (10I.1, 95, 2f.). Deshalb gilt für den Ungläubigen die Umkehrung der paulinischen Aussage, dass Anfechtung Geduld wirke: Die Anfechtung bewirkt Ungeduld, die Ungeduld Schlechtigkeit, die Schlechtigkeit aber Verzweiflung, die Verzweiflung dann die ewige Verwirrung (56, 303, 2–5).

📖 Horst Beintker, Die Überwindung der Anfechtung bei Luther, 1954. Sven Grosse, Anfechtung und Verborgenheit Gottes bei Luther und Paul Gerhardt, in: Paul Gerhardt und der ‚andere‘ Luther, 2008, 13–32. Otto Hof, Luther über Trübsal und Anfechtung, 1951. Marcel Nieden, Anfechtung als |23|Thema lutherischer Anweisungsschriften zum Theologiestudium, in: ders., Hg., Praxis Pietatis, 1999, 83–102. Friedrich Karl Schumann, Gottesglaube und Anfechtung bei Luther, 1938. Reinhard Schwarz, Martin Luther – Lehrer der christlichen Religion, 2015, 361–380. Michael Weinrich, Die Anfechtung des Glaubens, in: Christof Landmesser, Hg., Jesus Christus als die Mitte der Schrift, 1997, 127–158.

 

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Angst

→ Furcht, Sorge

1. Wesen: Angst ist eine Enge und Beklemmung in der Anfechtung (56, 196, 26; vgl. 5, 101, 12–15). Der Mensch ist Tyrannen unterworfen, unter welchen er große Not und Angst leidet: der Teufel, das Fleisch, die Welt, die Sünde, das Gesetz und der Tod mit der Hölle, von welchen allen das Gewissen unterdrückt wird (10I.2, 27, 9–14). Wenn der Mensch aus den Geboten sein Unvermögen gelernt und empfunden hat, so dass ihm Angst wird, wie er dem Gebot genug tue, da das Gebot erfüllt sein muss oder er verdammt wird, so ist er recht gedemütigt und zunichte geworden in seinen Augen, findet nichts in ihm, womit er möge fromm werden. Dann kommt das andere Wort, die göttliche Verheißung und Zusagung (7, 24, 5–10; vgl. 8, 8, 35–9, 2). Wir müssen lernen, dass jeder Christ, wenn er getauft ist und sich zu Christus begeben hat, sich auch darein schicken soll, dass ihm auch begegnen wird Schrecken und Angst, die ihm das Herz verzagt machen (45, 470, 11–14; vgl. 46, 104, 35). Die heilige Schrift sagt, dass das christliche Leben durch Angst zunehmen und von diesem Leben zu dem anderen kommen muss (17I, 195, 34f.).

2. Hilfe gegen die Angst: Wer in Angst und Widerwärtigkeit kommt und ein neuer Mensch wird, der halte nur stille und lass Gott mit sich machen, der wird es wohl machen ohne irgendein menschliches Zutun (10I.2, 255, 39–256, 2). Gott lässt den Menschen in solcher Angst so tief fallen, dass gar kein Rat noch Hilfe mehr da ist, und will doch, dass wir nicht verzweifeln sollen, sondern dem vertrauen, der aus einem unmöglichen Ding ein mögliches und aus nichts etwas machen kann (10I.2, 386, 19–23). Aus aller Not und Angst herauszukommen ist es notwendig, die Sünden frei zu bekennen. Man muss die Sinne von der Angst kehren und am meisten die Sünde ansehen (19, 215, 1–16). Wir sollten uns daran gewöhnen, sobald uns eine Angst und Not zustößt, nur auf die Knie zu fallen und Gott die Not vorzulegen, nicht mit unseren eigenen Gedanken Hilfe zu suchen (32, 491, 29–32). Darum wird der heilige Geist niemand gegeben als denen, die in Betrübnis und Angst stehen, da schafft das Evangelium Nutzen und Frucht (12, 574, 2f.; 21, 443, 18–20). Das ist sehr tröstlich allen Christen, dass sie wissen: schreien sie in ihrer Angst und Not zu Gott, so wird er sie erhören und aus der Verfolgung erlösen (16, 11, 21–22).

3. Angst Christi: Das Evangelium ist eine Predigt und fröhliche Botschaft, wie Christus für uns in die Angst des Todes getreten ist, alle Sünde auf sich genommen und sie ausgelöscht hat (10I.2, 236, 27–29).

📖 Thorsten Dietz, Martin Luthers theologischer Umgang mit Angsterfahrungen, in: Luther 82 (2011) 88–98. Jakob Knudsen, Angst – der junge Mann Luther, 1914.

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|24|Annehmen

1. Während für mittelalterliche Theologen die Annahme des Menschen durch Gott entweder dessen Willkür unterworfen war oder bestimmte Bedingungen erforderte, nimmt für Luther Gott den Menschen bedingungslos aus reiner Gnade an: Die Sünder hat Gott durch Christum angenommen (1, 203, 22). Gott nimmt nicht die Person wegen der Werke, sondern die Werke wegen der Person an, also die Person vor den Werken (56, 268, 4–6). Nicht ihre Verdienste sind es, sondern die Christi in ihnen, wegen derer Gott ihre Werke annimmt, die er anders nicht annehmen würde (56, 290, 16–18). Jede gute Handlung ist von Gott angenommen durch die Vergebung und durch Barmherzigkeit. Dasselbe aber ist abgelehnt, also Sünde, insofern es eine Handlung aus der Bosheit des Fleisches ist. Es gibt keine Handlung, die Gott schlechthin akzeptiert, sondern er verzeiht jede unserer Handlungen und schont uns. Wenn er also verzeiht, nimmt er nicht an oder lehnt ab, sondern er verzeiht, und so nimmt er seine Barmherzigkeit in unseren Werken an, d.h. die Gerechtigkeit Christi für uns (1, 370, 17–28). Ohne das göttliche Verzeihen wäre niemand von Gott angenommen (2, 420, 19). Die Formalursache der Rechtfertigung und unseres Heils ist das göttliche Erbarmen, die Anrechnung und Annahme durch Gott (39I, 228, 7–9). Gott nimmt keine Werke an, sondern den Glauben, der die in Christus verheißene Barmherzigkeit ergreift (39I, 238, 4f.; 40I, 233, 16–24).

2. Christus hat menschliche Natur angenommen, die sterblich und dem schrecklichen Zorn und Gericht Gottes wegen der Sünde des menschlichen Geschlechts unterworfen ist, welchen Zorn das schwache und sterbliche Fleisch in Christus gefühlt und erlitten hat (46, 632, 23–26). Denn er ist darum in die Welt gekommen, hat unsere menschliche Natur angenommen, dass er uns vom Zorn erlöste und zu Kindern Gottes machte und dass wir seine Fülle genießen sollten (46, 650, 14–16).

3. Christus soll von den Menschen im Glauben angenommen werden (10I.2, 204, 8f.). Christus kommt durch das Evangelium in unser Herz, er muss auch mit dem Herzen angenommen werden (10III, 349, 32f.). Die Christus annehmen, die sollen die Gerechtigkeit und Gewalt haben, dass sie sich rühmen können, Kinder Gottes zu sein (46, 621, 40–622, 1).

4. In den Sachen, die der Seelen Seligkeit betreffen, soll nichts als Gottes Wort gelehrt und angenommen werden (11, 263, 5f.; vgl. 33, 161, 25–30).

5. Das Leiden muss um Christi willen angenommen werden: Weil Christus selbst gelitten hat, ist das Leiden zu köstlich geworden, dass seiner niemand würdig ist, und es ist für eine große Gnade anzunehmen und anzubeten (8, 382, 2–4).

📖 Werner Detloff, Die Lehre von der acceptatio divina bei Johannes Duns Scotus, 1954. Richard Ellsworth Gillespie, Gratia creata and Acceptatio divina in the theology of Robert Holcot, 1974.

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Antichrist

Für Antichrist wird auch Endchrist gesagt, da der Antichrist am Ende der Zeiten erwartet wird (10I.2, 47, 9–13).

Nachdem im Spätmittelalter der Antichrist mehr und mehr von einer apokalyptischen Gestalt der Endzeit zu einer Personifizierung von Verfallserscheinungen in der |25|Kirche wurde und auch mit dem jeweiligen Papst identifiziert werden konnte (John Wyclif; Jan Hus), wurde er bei Luther seit Mitte 1520 zu einer Charakterisierung der Institution des Papsttums, nicht des einzelnen Papstes.

1. Seit der Dominanz der antiken Philosophie in der Theologie und dem Entstehen des geistlichen Rechts herrscht der Geist des Antichrists in der Kirche (5, 649f.; 7, 757; 8, 46). Die Kirche hat der Teufel durch den Antichrist auf zweierlei Weise angegriffen: einerseits durch epikuräische Verachtung des Sakraments und Wortes Gottes, zum anderen durch Angst und Verzweiflung des Gewissens, da kein rechter Trost der Gnaden durch Pochen auf Verdienste vorhanden ist (DB 11II, 111, 6–9). Der Antichrist beansprucht das alleinige Recht, die Schrift auszulegen und zwingt die Auslegung aller anderen, sich ihm unterzuordnen. Er hebt nicht offen das Evangelium auf, sondern mit Hinterlist und verborgener Kraft (5, 339, 14–20). Dies tut der Papst (7, 80, 30; 81, 5).

2. Der Papst ist der in der Schrift angekündigte Antichrist, geht doch all sein Wesen, Werk und Vornehmen gegen Christus, um nur Christi Wesen und Werk zu zerstören (6, 434, 3–17; 7, 242, 15–17). Der Papst handelt unter dem Namen Christi, dessen Statthalter er sich zu sein rühmt, gegen die heilige Schrift (8, 167, 17–22). Nicht der Papst als Person ist der Antichrist, wohl aber sein Amt.

3. Hilfe gegen den Antichrist: Christus, der nun wieder sein Evangelium an den Tag gebracht hat, zerstört das Reich des Antichrist (11, 395, 11–13). Durch die Taufe werden die Christen Glieder Christi und erringen den Sieg über den Antichrist (26, 148, 3–5).

📖 Volker Leppin, Luthers Antichristverständnis vor dem Hintergrund der mittelalterlichen Konzeptionen, in: KuD 45 (1999) 43–68. Hans Preuß, Die Vorstellungen vom Antichrist im späteren Mittelalter, bei Luther und in der konfessionellen Polemik, 1906. Ingvild Richardsen-Friedrich, Antichrist-Polemik in der Zeit der Reformation und der Glaubenskämpfe bis Anfang des 17. Jahrhunderts, 2003. Gottfried Seebaß, Die Antichristvorstellung in der Reformation 1. Luther, in: TRE 3, 1978, 28–31.

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Apostel

1. Wesen: Die Apostel sind die ersten Lehrer der Gnade (3, 115, 11f.). Der Apostel ist gesetzt zwischen Gott und die Menschen. Für Gott ist er Diener, den Menschen ist er der Vermittler der Geheimnisse Gottes: damit dient er Gott, dass er das Evangelium predigt, und darin vermittelt er das Geheimnis, dass er predigt (7, 495, 1–4; 10I.2, 123, 3–5). Wer dem anderen das Evangelium lehrt, der ist wahrlich sein Apostel und Bischof (10II, 301, 27f). Die Apostel haben durch ihr Sterben und Blutvergießen das Evangelium bestätigt (17II, 253, 10–13). Ihre Lehre ist der reine Glaube, denn sie haben von dem Herrn selbst das Evangelium empfangen und wurden dadurch freie, gläubige Menschen und ohne alle Werke gerechtfertigt (10I.1, 426, 20–427, 3).

2. Funktion: Die Apostel predigen allein von der Gerechtigkeit, die Gott in uns wirkt, und gar nicht die Gerechtigkeit, die die Menschen vermögen zu wirken (1, 215, 33–35; vgl. 9, 522, 11–24). Sie predigen und lehren nichts anderes als Christus, nicht ihre eigene Lehre oder Menschengebote; denn das Evangelium lehrt nur zu Christus zu kommen und Christus recht zu erkennen (10I.2, 53, 21–23).

3. Amt: Alle Apostel, Bischöfe, Priester und der ganze geistliche Stand sind allein um des Wortes willen berufen und eingesetzt (7, 22, 19–22). Das Amt eines rechten |26|Apostels ist, dass er von Christi Leiden und Auferstehung und Amt predige und den Grund desselben Glaubens lege (DB 7, 385, 22–24).

4. Lehre: Alles, was die Apostel gelehrt und geschrieben haben, das haben sie aus dem Alten Testament gezogen; denn in demselben ist alles verkündigt, was in Christus zukünftig geschehen und gepredigt werden sollte. Denn das Neue Testament ist nicht mehr als eine Offenbarung des Alten (10I.1, 181, 15–25). Die Lehre der Apostel ist das eine Evangelium, auch wenn es vier Evangelisten und vier Evangelien gibt (12, 259, 5–8).

5. Rang: Petrus war der erste der Apostel, aber er hatte keine Autorität über sie, eher umgekehrt hatten die Apostel Autorität über Petrus (2, 203, 5–7). Kein Apostel ist über den anderen gesetzt, sondern allein von Gott ist jeder gleich dem anderen berufen und eingesetzt (2, 235, 27f.). Was auch immer die Person der Apostel sei, ihr Amt ist sicherlich dasselbe und bei allen gleichwertig: sie lehren denselben Christus, haben dieselbe Gewalt, sind von demselben gesandt (2, 471, 35–37). Alle Apostel hatten dieselbe Berufung zum selben Evangelium. Alle waren göttlich belehrt und berufen, d.h. sowohl die Berufung als auch der Auftrag aller Apostel war schlechthin unmittelbar von Gott (40I, 186, 25–30).

6. Schwäche: Auch die heiligen Apostel im Evangelium, und besonders Petrus, waren schwach im Glauben (6, 234, 12f.; vgl. 17II, 26, 38–27, 4).

7. Maßgebliche Zeit war die Zeit der Apostel, da die Christenheit am besten stand (6, 256, 21f.).

8. Christus als Apostel: Jesus Christus ist ein Prediger, Lehrer, Apostel, Bote gewesen und von Gott nur zu dem jüdischen Volk geschickt worden (10I.2, 87, 19–21). Er ist ein Apostel, das ist der höchste Bote, der in die Welt gesandt ist (16, 84, 30f.).

📖 Bernt T. Oftestad, Evangelium, Apostel und Konzil, in: ARG 88 (1997) 23–56.