Lebensbilder aus dem Bistum Mainz

Text
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

3 Lüft an Linde, Gießen, 17. Dezember 1830; BAF FN 10/32.

4 Lüft an Burg, Gießen, 22. Dezember 1830; DDAMz Generalakten 1/I, fol. 19–19a.

5 Burg an Lüft, Mainz, 10. Dezember 1830; DDAMz Pfarrakten Dekanat Gießen.

6 Burg an Lüft, Mainz, 12. Dezember 1830; DDAMz Pfarrakten Gießen 2.

7 [J. B. Rady], Chronica Parochiae Catholicae Giessen 1880, S. 223; PfAGi.

8 Lüft an Linde, Gießen, 12. Oktober 1833; BAF FN 10/32.

9 Lüft an Burg, Gießen, 24. Mai 1831; DDAMz Generalakten 1/IIk.

10 Lüft an Humann, Gießen, 9. Dezember 1833; DDAMz Generalakten 1/III, fol. 14f.

11 Staudenmaier an Kaiser, Gießen, 22. Januar 1836; DDAMz Generalakten 4, fol. 107–110.

12 Eingabe der Geistlichen des Dekanats Darmstadt, o.O., 21. Januar 1842; DDAMz Generalakten 4, fol. 45f.

13 Sacconi an Antonelli, Entwurf des Berichts Nr. 158, München, 11. Januar 1849; ASV ANM 80 pos. 87.

14 Aus dem Bistum Mainz, 5. Januar. In: Darmstädter Zeitung Nr. 7 vom 7. Januar 1849.

15 Mainz, 3. Januar. In: Frankfurter Journal Nr. 4 vom 4. Januar 1849.

16 Aus dem Großherzogtum Hessen, 12. Januar. In: Beilage zur Frankfurter Oberpostamtszeitung Nr. 12 vom 13. Januar 1849.

17 Heinrich an Moritz Lieber, Mainz, 30. Januar 1849; FDHF Hs. 24691.

18 Lüft an Lennig, Darmstadt, 28./30. Januar 1849; DDAMz Domkapitel C. 1.8a.

19 Lüft an Lennig, o.O., o.D.; ebd.

20 Lüft an Lennig, Darmstadt, 23. Februar 1849; ebd.

21 Lüft an Lennig, Darmstadt, 8. März 1849; ebd.

22 Lüft an Lennig, Darmstadt, 3. September 1849; ebd.

23 J. B. Lüft, Die Bedürfnisse der Kanzelberedsamkeit in ihrem Verhältnisse zu den Anforderungen der Zeit und der Kirche. In: Kirchenzeitung für das katholische Deutschland 3 (1832) S. 137–144, 153–158, 209–215, 225–232.

24 Ebd., S. 138.

25 Ebd., S. 140.

26 Ebd., S. 139.

27 Ebd., S. 143.

28 Ebd., S. 153.

29 Ebd., S. 154.

30 Ebd., S. 155.

31 Ebd., S. 209.

32 Vgl. Lüfts kritische Übersicht der katholischen Predigtliteratur vom Jahre 1833 bis zur Hälfte des Jahres 1834. In: Jahrbücher für Theologie und christliche Philosophie 3 (1834) S. 426–470, hier S. 427.

33 Jahrbücher für Theologie und christliche Philosophie 1 (1834) S. 55–96.

34 Ebd., S. 55–57.

35 Ebd., S. 58f.

36 Ebd., S. 59–68.

37 Ebd., S. 69.

38 Ebd., S. 80f.

39 Ebd., S. 96.

40 J. B. Lüft, Rez. F. X. Schmid, Liturgik der christkatholischen Religion, 2 Bde. Passau 1832–1833. In: Jahrbücher für Theologie und christliche Philosophie 3 (1834) S. 229–237, hier S. 229.

41 Ebd., S. 233.

42 Jahrbücher für Theologie und christliche Philosophie 2 (1834) S. 76–131.

43 Ebd., S. 77.

44 Ebd., S. 88f.

45 Ebd., S. 91f.

46 Ebd., S. 109.

47 Ebd., S. 118–120.

48 Ebd., S. 130.

49 J. B. Lüft, Rez. H. Klee, Die Ehe. Eine dogmatisch-archäologische Abhandlung, Mainz 1833. In: Jahrbücher für Theologie und christliche Philosophie 3 (1834) S. 266–276, hier S. 266.

50 J. B. Lüft, Liturgik oder wissenschaftliche Darstellung des katholischen Kultus, Bd. 1–2. Mainz 1844–1847.

51 Bang-Kaup/Kastell, Pfarrchronik, S. 30.

52 J. B. Lüft, Liturgik, Bd. 1, S. III.

53 J. B. Lüft, Liturgik, Bd. 1, S. 42.

54 Ebd., S. 47.

55 Ebd., S. 46.

56 Ebd., S. 41.

57 Ebd., S. 448.

58 Ebd., S. 191.

59 Ebd., S. 196f.

60 Ebd., S. 473.

61 Zum Ganzen Kohlschein, Auf dem Wege, hier S. 283.

62 K. J. Hefele, Rez. Liturgik oder wissenschaftliche Darstellung des katholischen Kultus, Bd. 1. Mainz 1844. In: Theologische Quartalschrift 26 (1844) S. 650–658, hier S. 651.

63 Ebd., S. 650.

64 Lüft an Burg, Gießen, 24. Mai 1831; DDAMz Generalakten 1/IIk.

65 Bang-Kaup/Kastell, Pfarrchronik, S. 23.

66 [J. B. Lüft], Betrachtungen über die neuesten Angriffe auf die Ehre der katholischen Kirche. Eine Epistel an Herrn Generalsuperintendenten Röhr zu Weimar und Herrn Hofprediger Zimmermann zu Darmstadt. Von einem Katholiken des Großherzogtums Hessen und bei Rhein, Schaffhausen 1839, S. If.

67 Ebd., S. 79.

68 Ebd., S. 23.

69 Ebd., S. 59.

70 Ebd., S. 66.

71 Ebd., S. 69.

72 Ebd., S. 68.

73 J. B. Lüft, Über das wahre Wesen der beabsichtigten neuen Glaubensspaltung und die Art und Weise, wie man ihr Eingang zu verschaffen sucht. In: Predigt-Magazin 14 (1846) Anreden, Betrachtungen, Homilien, Predigten, Predigtentwürfe und Reden, S. 170–176, hier S. 171–174.

74 Ebd., S. 175f.

75 Lüft an Linde, Darmstadt, 23. Juli 1848; BAF FN 10/32.

76 J. B. Lüft, Betrachtungen über den christlichen Glauben und das christliche Leben. Eine Auswahl von Predigten, gehalten in der katholischen Kirche zu Darmstadt. Mainz 1852, S. 54.

77 Ebd., S. 56.

78 Lüft an Ludwig I., Darmstadt, 2. Februar 1863; BayStB München, Ludwig I., Archiv, fol. 77f.

79 Ketteler an Moufang, Mainz, 12. Januar 1869; Ketteler, Sämtliche Werke, I/3, S. 32–36, hier S. 35.

80 Darmstadt, 23. April, in: Darmstädter Zeitung Nr. 112 vom 24. April 1870.

81 Ketteler an Heinrich, Rom, 11. Mai 1870; Ketteler, Sämtliche Werke, I/3, S. 303–306, hier S. 304.

82 Lüft wird als Verfasser genannt bei [J. B. Rady], Chronica Parochiae Catholicae Giessen 1880, S. 224; PfAGi und in einer handschriftlichen Ergänzung auf dem Titelblatt des Exemplars der Staatlichen Provinzialbibliothek Amberg (Sign. H. eccl. 283a).

Adam Franz Lennig (1803–1866)

Ein moderner Organisator einer konservativ ausgerichteten Kirche

Thomas Berger

Wenngleich in dem für die Zeit üblichen Pathos gehalten, so erfasst die Beschreibung Adam Franz Lennigs, die sich im November 1866 auf seinem Totenzettel fand, seine Person doch recht genau: Ein Mann voll Charakter und ein Priester voll Frömmigkeit und Begeisterung für seinen heiligen Beruf, war der Verstorbene allen ein Vorbild, Vielen eine Stütze und in den Zeiten des Verfalls und des Kampfes ein treuer und umsichtiger Vertreter des Rechts und der Freiheit der Kirche. … Gegen niemanden hart und feindselig war er stets fest und unerschütterlich in den Grundsätzen; deßhalb von denen, die ihm näher standen, geliebt und verehrt, und selbst von den Gegnern geachtet.1

Die angemessene Einordnung einer so markanten Persönlichkeit verlangt allerdings eine differenziertere Betrachtung: Unbestreitbar war Lennig erfüllt von einer starken inneren Begeisterung für die Kirche und den priesterlichen Dienst, so wie er sie schon seit seinen frühen Kindertagen kennengelernt hat. Ohne das Wissen um diese früh einsetzende und tiefgreifende Prägung sind seine Motivation und sein persönlicher Kampf für die Freiheit der Kirche nicht zu verstehen. Aus gegenwärtiger Perspektive erscheinen sie teilweise als überzogen und fremd. Schon vielen seiner Zeitgenossen, gegen die er Position bezogen hatte, musste er wegen seines beharrlichen Festhaltens an den Grundsätzen, die er in Bezug auf Christentum und Kirche vertrat, als schroff und kompromisslos erscheinen. Daher rührt auch seine Charakterisierung, er vertrete eine streng römische Richtung und sei ein Eiferer gegen Andersdenkende, die ihm das kirchenfeindlich-liberale Frankfurter Journal 1849 zugedachte.2 Dabei vermied er jedoch offen ausgetragene persönliche Feindschaften. Vielmehr erachtete er es als seine Pflicht, sich für die Verwirklichung eines Modells von Kirche, wie es ihm durch seine familiäre und gesellschaftliche Umgebung vermittelt worden war, mit vollem Engagement einzusetzen. So trat er als dezidierter Gegner des damaligen Staatskirchentums hervor, wobei er sich als typischer Repräsentant des Ultramontanismus streng am römischen Papsttum und der kirchlichen Tradition orientierte. Zugleich verstand er es, die aufkommenden modernen Organisationsformen und Informationsmittel etwa durch die Gründung des Pius-Vereins und des „Mainzer Journals“ geschickt für sein Anliegen zu nutzen. Daher verlangte die Person Lennigs – sei es in Bezug auf Religion und Kirche, sei es in der Politik – auch ihren Gegnern, wenn nicht Anerkennung so doch Respekt ab. Alle, die wie er in der Kirche aufgrund ihrer göttlichen Stiftung jene überzeitliche Kraft sahen, deren Lehren und Normen zum Wohl der menschlichen Gesellschaft Geltung zu verschaffen ist, war er eine wichtige Leitfigur.


Adam Franz Lennig 1842, Gemälde von Eduard Heuss

Herkunft – Familie – Studium

Um Adam Franz Lennig, sein Denken und Handeln als Priester zu verstehen, ist gerade in seinem Fall ein genauer Blick auf die ersten Jahre seines Lebens zu lenken. In dieser Zeit vollzog sich auf der Bühne des kirchlichen wie des politischen Lebens eine Art Zeitenwende, die alle weiteren Entwicklungen und Abläufe beeinflusste. Sein Elternhaus, heute Markt 9, lag im Zentrum von Mainz, direkt gegenüber dem Dom. Hier wurde er am 3. Dezember 1803 geboren. Sein Großvater, Kilian Lennig, stammte aus der lutherischen Gemeinde Uettingen bei Würzburg. Aus persönlicher Überzeugung hatte er die Konfession gewechselt. Als Verwaltungsbeamter des Mainzer Domdekans und Generalvikars Georg Adam von Fechenbach kam er nach Mainz, wo er 1748 eine Bürgerstochter heiratete und eine Tuchhandlung gründete. Sein Sohn Nikolaus hatte seine Schulausbildung bei Jesuiten erhalten und das väterliche Geschäft übernommen. 1782 heiratete er Elisabeth Mentzler, die Tochter eines Mainzer Arztes. Aus der Ehe gingen sechs Kinder hervor. 1796 wurde Friedrich Lennig geboren. Seinem älteren Bruder fühlte sich Adam Franz Zeit Lebens eng verbunden. Friedrich wurde ein bekannter Mainzer Dialektdichter und gehörte 1838 zu jenem Kreis angesehener Bürger, die den Mainzer Carnevalverein gründeten.

 

Die gut situierte Familie führte ein gastfreundliches Haus, in dem hochrangige Persönlichkeiten aus Kirche und städtischer Gesellschaft in gleicher Weise wie Bürger und Landbevölkerung aufgenommen wurden. Das Familienleben war geprägt von einer betonten Kirchlichkeit, die aus einer starken Gläubigkeit erwuchs. Davon waren der gesellschaftliche Umgang, den man pflegte, und besonders auch die Erziehung der Kinder bestimmt. Nach dem Tod des Vaters Nikolaus Lennig im Jahre 1815 führte der älteste Sohn Christoph das Geschäft zusammen mit seinem Schwager Wilhelm Moufang weiter, der eine der Schwestern der Lennigbrüder, Katharina Wilhelmine, geheiratet hatte. Moufang fügte sich in seiner Wesensart und Lebenseinstellung ausgesprochen gut in die Familie ein. Als engagiertes Mitglied der Dompfarrei gehörte er zum Vorstand der Pfarrschule und wirkte als Rechner der Kirchenfabrik und Armenpfleger. Zusammen mit seinem Schwager Christoph nahm er sich der Erziehung und Ausbildung seiner Neffen Friedrich und Adam Franz an.

Schon als Kind wurde Adam Franz Zeuge von Ereignissen und Entwicklungen die ihn tief geprägt haben müssen: Nachdem der Untergang von Erzdiözese und Kurstaat besiegelt waren, suchte die Familie Lennig in den neuen Verhältnissen unter französischer Regie ihren Platz zu finden. Als Kontinuitätsträger blieb nur die Kirche bestehen, die sich allerdings durch die tiefgreifenden politischen Veränderungen nach dem Ausscheiden des Adels in ihrer Führungsstruktur ganz anders darstellte. Der wichtigste Repräsentant des neuen französischen Bistums Mayence war der bürgerliche Bischof Joseph Ludwig Colmar, der auf die Unterstützung der Mainzer Bevölkerung angewiesen war, die sich allerdings erst an die so völlig veränderten Verhältnisse gewöhnen musste. Daher war für ihn der enge Kontakt zu führenden Familien wie etwa den Lennigs sehr wichtig, weshalb er oft in deren Haus zu Gast war. Es war Colmars großes Verdienst, dass er die Mainzer Kirche von Grund auf reorganisierte und das kirchliche Leben wieder erstehen ließ, das in Folge der politischen Umwälzungen und kriegerischen Ereignisse vom Mainzer Kurstaat über die Mainzer Republik hin zum französischen Kaiserreich schwer beeinträchtigt worden war. Neben Colmar weilte insbesondere dessen engster Mitarbeiter, Bruno Franz Leopold Liebermann, der gleichfalls aus dem Elsass stammende Leiter des Priesterseminars, häufig im Hause Lennig.

Beide waren typische Repräsentanten der Erneuerung des kirchlichen Lebens in Frankreich, die im Anschluss an die revolutionären Umwälzungen mit der Schreckensherrschaft des Nationalkonvents 1793/1794 nach der Machtergreifung Napoleon Bonapartes einsetzte. Weite Kreise der Kirche Frankreichs banden sich, befreit von der Instrumentalisierung durch das Königtum, eng an das Papsttum, welches als die alleinige, über allen weltlichen Institutionen und Ansprüchen stehende religiöskirchliche Konstante galt. Dabei wurde die Abhängigkeit von der Gunst Napoleons, dem man sich für die Befriedung der Verhältnisse zu Dank verpflichtet sah, in Anbetracht alles zuvor Erlittenen akzeptiert, ließ er doch genügend Freiheit für diesen innerkirchlichen Erneuerungsprozess.

Von diesen Erfahrungen waren die Gespräche und Beratungen im Hause Lennig bestimmt, und die Anwesenheit führender kirchlicher Persönlichkeiten in seinem Elternhaus dürfte die frühe Bindung von Adam Franz an die Kirche gefördert haben. So überrascht es auch nicht, dass er 1815 nach dem Besuch der Privatschule des Mainzer Bürgers Joseph Seitz und des französischen Lyzeums, in ein Gymnasium nach Bruchsal geschickt wurde, wo er Unterricht bei dem mit seinem Vater befreundeten ehemaligen Jesuiten Lorenz Doller erhielt. Durch ihn wurde der erst zwölfjährige Knabe bereits in das problematische Verhältnis zwischen Staat und Kirche eingeführt. Allerdings wird er selbst auch schon davon einen Eindruck gewonnen haben, als er 1813 aus nächster Nähe die völlige Verwüstung des Domes durch die Truppen Napoleons erlebte, die nach ihrer Niederlage bei Leipzig auf dem Weg nach Frankreich Mainz geradezu überfluteten. Doller hatte im Jahre 1816 eine Streitschrift herausgegeben, in der er sich gegen die in liberalen Kreisen vertretene Auffassung wandte, dass es den Fürsten des Rheinbundes freistehe, nach eigenem Ermessen Landesbischöfe einzusetzen. Er forderte die Freiheit der Kirche von staatlicher Bevormundung, da sie als Stiftung Jesu ein „unabhängiges Reich“ sei, und verlangte die unabhängige und eigenständige Organisation und Ausübung kirchlicher Amtsgewalt. Die Einsetzung von Bischöfen und Geistlichen in ihre Ämter obliege daher allein der Kirche, weshalb sie auch keine Staatsdiener seien, wie auch dem Staat kein Einfluss auf ihre Ausbildung zustehe und kein Recht auf die Zensur von Büchern zu Religionssachen.

Diese Bestimmung des Verhältnisses von Kirche und Staat sollte prägend werden für Lennigs ganzen weiteren Lebensweg. 1817 kehrte er in Begleitung seines Lehrers Doller in sein Elternhaus zurück. Mainz war inzwischen zur Hauptstadt der Provinz Rheinhessen im Großherzogtum Hessen-Darmstadt geworden, dem Nachfolgestaat der mit Kurmainz konkurrierenden benachbarten Landgrafschaft Hessen-Darmstadt. Dieser Staat war auch auf Kosten des Kurstaats entstanden. Damit sah sich die katholische Einwohnerschaft der Bischofsstadt und der Gebiete der Provinz, die ehemals zum Kurstaat gehörten, nun einem Landesherrn lutherischen Bekenntnisses gegenüber und ging als Minderheit in dieses neue Staatsgebilde ein. Das Verhältnis vieler Mainzer zu ihrer Regierung war folglich keineswegs spannungsfrei, da sich das katholische Bewusstsein eines großen Teils der Bürgerschaft inzwischen wieder deutlich gefestigt hatte.


Marktplatz in Mainz mit dem Haus Markt Nr. 9, dem sogenannten Lennighaus (2. Haus von rechts)

In den Jahren 1818 bis 1820 besuchte Lennig nun das noch als école secondaire eingerichtete Bischöfliche Gymnasium. Dieses war als sogenanntes „Kleines Seminar“ dem Priesterseminar angegliedert, in der Erwartung, dass etliche Absolventen den Weg in das große Seminar nähmen. Dort waren seine Lehrer Nikolaus Weis, ab 1842 Bischof von Speyer, Andreas Räß, ab 1842 Bischof von Straßburg, und Heinrich Klee, der sich in Bonn von 1829 an als Professor für Dogmatik gegen Georg Hermes, den führenden Vertreter einer katholischen Aufklärung, positionierte. Nach dem Abschluss des Gymnasiums folgte Lennigs Eintritt ins Priesterseminar. Hier hörte er Vorlesungen bei Klee zur biblischen Exegese, bei Regens Liebermann zum Kirchenrecht, bei Räß zur Dogmatik und bei dem Mainzer Pfarrer Johann Philipp Kalt zur Moraltheologie. Philosophie und Geschichte zählten zum Fächerkanon des Gymnasiums. Lennigs wichtigste Lehrer gehörten somit zu der später als „Erster Mainzer Kreis“ bezeichneten Gruppe von Theologen, die bestimmt war von einer emphatischen Kirchlichkeit und Wert legte auf eine enge Ausrichtung an der Hl. Schrift sowie eine strenggläubige scholastische Theologie. Als Exponenten der antigallikanischen Richtung orientierten sie sich eng am Papsttum und teilten die von Doller vertretenen Positionen zum Verhältnis von Kirche und Staat in allen Punkten. Zur Verbreitung ihrer Ansichten gaben Räß und Weis 1821 erstmals eine religiöse Zeitschrift zur Belehrung und Warnung mit dem Titel „Der Katholik“ heraus. Zu ihren Mitarbeitern sollte in späteren Jahren auch Lennig zählen. Regens Liebermann hatte den beschriebenen und von ihm in gleicher Weise vertretenen streng kirchlichkonservativen Kurs in seinem 1819 erschienen Lehrbuch „Institutiones dogmaticae“ entfaltet. Somit war die Atmosphäre im Mainzer Priesterseminar von einer starken Gegnerschaft zum Staatskirchentum geprägt. Liebermann führte die Alumnen mit strenger Hand, wobei er sich am Vorbild des Jesuitenordens orientierte.

Den größten Einfluss auf den jungen Lennig sollte sein Lehrer Räß ausüben, der gleichfalls häufig Gast in seinem Elternhaus war. Da Lennig 1824 nach dem Abschluss seines Studiums für die Zulassung zur Priesterweihe noch nicht das kanonisch vorgeschriebene Alter hatte, setzte er bis 1827 sein Studium in Paris fort, wohin er seinen Lehrer Räß begleitete, der inzwischen Liebermanns Nachfolger als Regens geworden war. Nach einigen Anfangsschwierigkeiten fand Lennig Aufnahme im Hause des Abbé Martin de Noirlieu. In die orientalischen Sprachen Hebräisch, Syrisch und Arabisch wurde er durch Sylvester de Sarcy eingeführt. Neben seinem Sprachstudium hörte er auch theologische und philosophische Vorlesungen und kam durch Noirlieu mit Abbé Hugo Félicité Robert de Lamennais und mit dem Grafen Charles René Montalambert in Kontakt. Letzterer war ein Wortführer des französischen Katholizismus im Kampf gegen das Staatskirchentum. Inspiriert von der Romantik setzte er sich für eine Koexistenz von Kirche und Staat nach mittelalterlichem Vorbild ein.

Starken Einfluss übte auf Lennig auch das Werk „Du Pape“ (Lyon 1819) des französischen Staatstheoretikers Joseph Marie de Maistre aus, das er bereits in der Übersetzung durch den Publizisten Moritz Lieber kannte. Lieber war ein Schwiegersohn des aus Mainz stammenden Philosophen Karl Joseph Windischmann, eines Neffen des Mainzer Weihbischofs Joseph Freiherr von Kolborn. De Maistre kritisierte Aufklärung, Volkssouveränität, Staatsvertrag- und Autonomiedenken sowie den Nationalismus. Allein der Papst galt ihm als unübertreffbare Autorität in der Auslegung der göttlichen Vorsehung. Ihm stehe somit letztlich auch die Führung der Menschen zu. Daneben wirkte Abbé de Lamennnais’ Schrift „De la religion considérée dans ses rapports avec l’ordre politique et civil“ (Paris 1825) auf Lennigs Denken. Schon im ersten Band seines Essais „Sur l’indifférence en matière de religion“ (Paris 1817), der ihn europaweit bekannt machte, übte er Kritik an dem in Reformation, Aufklärung und französischer Revolution wirkenden Individualismus. Seine Position wurde, trotz einiger innerkirchlicher Gegnerschaft, zum wichtigen Baustein des Ultramontanismus. Räß und Weis bezogen diese französische „Restaurationsphilosophie und -theologie“ in das Konzept ihrer Zeitschrift ein und verhalfen den Gedanken von Lamennais zu bestimmender Wirkung. Es lässt sich leicht nachvollziehen, welchen tiefen Eindruck die Begegnungen mit diesen Persönlichkeiten bei dem jungen Mainzer Theologiestudenten hinterlassen haben. Die ultramontane Ausrichtung seiner Vorstellung von der Kirche fand hier ihre Vertiefung und bleibende Begründung. Später wird er versuchen, dieses Konzept mit allen ihm zu Gebote stehenden Möglichkeiten in Anwendung auf die Verhältnisse der Mainzer Kirche zu entfalten und es in der Pastoral, in der Kirchenorganisation, im kirchlichen Schul-, Sozial- und Gesundheitswesen sowie in der Politik umzusetzen.

Als Lennig 1827 nach Mainz zurückkehrte, war der seit dem Tod Bischof Colmars 1818 vakante Bischofsstuhl der neu umschriebenen „hessischen“ Diözese Mainz immer noch nicht besetzt. Daher trat er nun eine Reise nach Rom an, um dort zum Priester geweiht zu werden. Die vier niederen Weihen hatte er bereits 1821 nach dem Abschluss seiner theologischen Studien in Mainz empfangen. 1826 war ihm gelegentlich eines Ferienaufenthalts in seinem Elternhaus am 22. Dezember die Weihe zum Diakon durch den Trierer Weihbischof Heinrich Milz in der Koblenzer St. Castorkirche gespendet worden. Seinen Aufenthalt in Rom nutzte Lennig auch, um hier an der neu eröffneten päpstlichen Universität Gregoriana noch einige weitere Studien zu betreiben. In dieser Zeit machte er die Bekanntschaft mit Graf Karl von Reisach, dem späteren Bischof von Eichstätt, der ihm als Erzbischof von München und schließlich als römischer Kardinal eng verbunden blieb, sowie mit Georg Müller, dem späteren Bischof von Münster in Westfalen. Weiter lernte er den Kunstmaler Philipp Veit kennen und Christian Brentano, den inoffiziellen Mittelsmann für deutsche Angelegenheiten an der Kurie. Auch diese freundschaftlichen Verbindungen sollten durch sein weiteres Leben bestehen bleiben. Seine Wohnung hatte Lennig bei den Verwandten eines Abbé Sabelli genommen, mit denen er ebenfalls eine Freundschaft schloss, die lange bestehen bleiben sollte. Aufgrund seiner Begabung eignete er sich rasch hervorragende Italienischkenntnisse an und verbrachte die Abende nach seinen Studien im Café Greco, wo er auf viele deutsche Künstler und Gelehrte traf. Daneben besuchte er auch die bedeutenden religiösen und historischen Stätten Roms und der Umgebung. Am 22. September 1827 empfing Adam Franz Lennig schließlich in der Kirche St. Johannes im Lateran durch Monsignore de la Porta, Patriarch von Konstantinopel, die Priesterweihe. Bei seiner am Tag darauf folgenden Primiz ministrierten Christian Brentano und Philipp Veit. Nach seiner Weihe war ein Angebot an Lennig ergangen, eine wissenschaftliche Tätigkeit an der Gregoriana aufzunehmen, was er ablehnte, da er endlich in Mainz als junger Priester in den Dienst seiner Heimatdiözese treten wollte.

 

Ein schwieriger Anfang im Dienst des Bistums

Nach Mainz heimgekehrt war Lennig sogleich als Professor für Philosophie und Geschichte am Bischöflichen Gymnasium in Mainz bis zu dessen Schließung am 18. Oktober 1829 tätig. Diese erfolgte auf Anordnung der großherzoglichen Regierung und mit der Zustimmung des designierten Mainzer Bischofs Joseph Vitus Burg aus Freiburg. Sie war der Auftakt zur Verlegung des theologischen Studiums der Priesteramtskandidaten an die Landesuniversität in Gießen. Burg sah darin eine Maßnahme zur Hebung der Wissenschaftlichkeit der Priesterausbildung. Die Ausbildung im Mainzer Priesterseminar sollte sich nach seiner Auffassung allein auf den pastoralpraktischen Teil im Anschluss an das Studium beziehen. Für sein Vorgehen wurde er von jenen, die das Colmarsche Seminar als eine Mustereinrichtung für die Priesterausbildung in Deutschland erachteten, heftig kritisiert. In ihren Augen hatte er alles an die protestantischen Hessen verraten und verkauft3 und dadurch eine beklagenswerte Wende in der Entwicklung der Mainzer Verhältnisse eingeleitet. Dem für sein diplomatisches Geschick bekannten Burg, der sich so noch vor der offiziellen Einführung in sein Amt als Mainzer Diözesanbischof Gegner geschaffen hatte, fehlte offensichtlich das Gespür für die Befindlichkeiten in seinem neuen Wirkungskreis, sonst wäre er behutsamer vorgegangen. Dem jungen Lennig musste die Schließung des Gymnasiums natürlich als schwerer Eingriff in die Freiheit der Kirche und als Akt landesherrlicher Willkür erscheinen. Seine gegen das Staatskirchentum gerichtete Grundhaltung wurde bestätigt und bestärkt, denn der evangelisch dominierte Staat griff auf diesem Weg in elementare Rechte der katholischen Kirche ein. Sein Briefkontakt mit dem designierten Bischof in dieser Angelegenheit musste für ihn eine arge Enttäuschung gewesen sein, hatte er diesen doch um Hilfe zur Abwehr der Schließung des Gymnasiums gebeten. Burg war hingegen zur selben Zeit schon mit Vorschlägen zur Besetzung der Professorenstellen an der katholisch-theologischen Fakultät der Landesuniversität in Gießen befasst. Bereits am 22. Mai 1829, lange vor seinem Amtsantritt, hatte er der Gründung einer katholisch-theologischen Fakultät im tief protestantischen Gießen zugestimmt.

Die nächste schwere Enttäuschung war für Lennig das Ausbleiben eines geharnischten Protests Bischof Burgs gegen die Anfang 1830 als „Landesherrliche Verordnung“ in 39 Artikeln erlassenen Bestimmungen zur Regelung des Verhältnisses der Staaten in der oberrheinischen Kirchenprovinz gegenüber der katholischen Kirche. Das Bestreben des evangelischen Landesherrn und seiner Regierung, auf die kirchlichen Verhältnisse der katholischen Staatsangehörigen in gleicher Weise Einfluss zu nehmen wie auf jene evangelisch-lutherischen Bekenntnisses, wurde von konservativen Katholiken als massive Bedrohung erachtet, die es abzuwehren galt. Die Darmstädter Regierung bekämpfte – wie auch die Regierungen in Württemberg, Baden und Nassau – das Papalsystem und wollte ihre Einflussnahme in kirchliche Belange durch eine vollständige Kontrolle der von ihr abhängigen territorial verfassten Staatskirche sichern. Die vom spätabsolutistischen Herrschaftsstil Großherzog Ludwigs I. geprägte Regierung provozierte bewusst mittels einseitiger staatlicher Gesetzgebung unausweichliche Konflikte, um dann der katholischen Kirche ihren Platz zuzuweisen. Doch die Herrschaftsansprüche über die Kirche, welche der Staat aus seiner vermeintlichen Allgewalt ableitete, weckten vor allem den Widerspruchsgeist der Katholiken und festigten ihre Bindung an den Papst und die römische Kurie. Gerade die Bindung an eine Autorität außerhalb des Staates machte die Katholiken der Regierung wiederum suspekt. Lennig berichtete nach Rom über die 39 Artikel der Landesherrlichen Verordnung und wurde dafür seinerseits durch Bischof Burg beim zuständigen Ministerium in Darmstadt als Unruhestifter denunziert, was zwangsläufig zu einer weiteren Entfremdung führte. Ein Versuch Burgs, Lennig doch noch für seine kirchenpolitische Linie zu gewinnen, indem er ihm eine Professur am Mainzer Seminar mit späterer Transferierung nach Gießen anbot, schlug fehl. Folglich stellte sich Burg dem Vorhaben Lennigs, zu Studienzwecken für einige Zeit Mainz zu verlassen, nicht entgegen.

An diesem Vorgang wird beispielhaft deutlich, wie mit dem jungen Priester Lennig und dem um eine Generation älteren Bischof Burg Repräsentanten zweier gegeneinander hermetisch abgeschlossener und sich einander ausschließender Konzepte von Kirche und Theologie aufeinander trafen: hier der Ultramontanismus mit enger Bindung an den Papst als höchste und unabhängige Autorität in der Kirche und einer Theologie, die vor allem der Tradition von kirchlicher Lehre und kirchlichem Leben dient, dort das Staatskirchentum, das die Kirche als eine ihrer Natur nach zwar überzeitliche, aber gleichwohl staatstragende Einrichtung sieht, die einer modernen, von der Aufklärung beeinflussten Theologie bedarf.

Adam Franz Lennig erreichte im Mai 1830 in Begleitung seines Bruders Friedrich Bonn, wo er das Studium bei dem aus Mainz stammenden Philosophen Karl Joseph Windischmann aufnahm, der in Gegnerschaft zu Georg Hermes stand. Während Hermes ein rein vernunftbegründetes Konzept von Theologie zu entwickeln suchte, bemühte sich Windischmann um ein aus der göttlichen Offenbarung abzuleitendes philosophisches System. In Windischmanns Haus konnten die beiden Lennigbrüder ihre Wohnung nehmen, da ihre Familien denselben Mainzer Kreisen zugehörten und miteinander bekannt waren. Weiter hörte Lennig Vorlesungen bei dem Juristen und Kanonisten Ferdinand Walter, nach Moritz Lieber der zweite Schwiegersohn Windischmanns. Durch ihn wurde Lennig abermals in seinem Denken bestärkt, leitete Walter doch die staatliche Autorität ganz aus der Religion ab. Auch sein ehemaliger Mainzer Lehrer, der inzwischen zum Dogmatikprofessor berufene Heinrich Klee, verfolgte einen streng kirchlichen Kurs: Nationalkirchen in der Gestalt von Territorialkirchen seien das Gegenteil der von Christus gestifteten Kirche, die ja gerade als Weltkirche alle Völker zu einer geistigen Einheit und Allgemeinheit verbinden will. Die territorialkirchliche Zersplitterung führe dagegen zu einer Vernichtung der Katholizität, letzten Endes zur Vergötterung des Staates und schließlich zu dessen eigenem Verderben.

Als Lennig 1831 nach Mainz zurückgekehrt war, blieb sein Verhältnis zu Bischof Burg weiter angespannt, da er sich getreu seinen Prinzipien weigerte, eine gemäß den Bestimmungen der Landesherrlichen Verordnung durch den Großherzog vergebene Pfarrei zu übernehmen. Die Ausübung des Patronatsrechts durch den Großherzog wertete er als einen direkten Eingriff des Staates in die Autonomie der Kirche. Durch diese Haltung geriet er in einen offenen Konflikt mit Bischof Burg, der ihm verschiedene Pfarreien anbot, die anzunehmen Lennig sich aber stets auch im direkten Gespräch mit dem Bischof weigerte. All diese Konflikte mit Burg sollten noch Jahre später ihre Wirkung in Lennigs Denken und Handeln entfalten. Zwar kam Lennig seinen priesterlichen Pflichten an verschiedenen Mainzer Kirchen nach, nicht aber in der ordentlichen Pfarrseelsorge. Der Mangel an Priestern veranlasste Bischof Burg schließlich, einen Ausweg zu suchen.