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Die Basisequipe in einer örtlichen Gemeinde

Eine Basisequipe besteht immer aus fünf Personen, die auf der Grundlage ihrer Taufe (Priester – König – Prophet) und entsprechend ihren Charismen gerufen werden:

– Pastoralbeauftragter – hält die Equipe lebendig, dient ihr und ist Bindeglied zwischen der örtlichen Gemeinde und den zivilen Behörden und kirchlichen Instanzen, besonders dem Pastoralsektor

– Beauftragter für materielle Belange

– Beauftragter für das Gebet

– Beauftragter für die Glaubensverkündigung

– Beauftragter für den Dienst der Nähe und der Nächstenliebe Jede Person wird in ein Mandat über drei Jahre gerufen, das einmal für weitere 3 Jahre erneuert werden kann.

In einer Eucharistiefeier, der der Bischof vorsteht, wird die neu entstandene örtliche Gemeinde der Versammlung und dem Bischof vorgestellt, der sie dann dem Priester des Pastoralsektors anvertraut. Dieser stellt dann die Mitglieder der Basisequipe dieser örtlichen Gemeinde vor.

Was daran neu ist, könnte man so beschreiben: Wir befinden uns nicht mehr in einer Situation, in der die Laien dem „Herrn Pfarrer“ helfen, sondern auf der Grundlage ihrer Taufe dienen sie dem Leben der Menschen in der örtlichen Gemeinde. Sie versuchen Antwort zu geben auf ihre Erwartungen, ihre Bitten. Jedes Mitglied der Basisequipe wird so für den örtlichen Beziehungsraum ein Gesicht von Kirche.

Eine wesentliche Aufgabe der Basisequipe ist es daher, herauszufinden, was die jeweilige örtliche Gemeinde braucht, und dann, mit den anderen Gemeinden des Pastoralsektors und dem Pastoralrat in einem Prozess geistlicher Unterscheidung zu sehen, was umgesetzt werden sollte, oder auch nicht. Denn: Keine örtliche Gemeinde genügt sich selbst, sie ist eine Gemeinschaft von Gemeinschaften im Herzen eines Pastoralsektors.

Den Aufgabenbereich in einer örtlichen Gemeinde könnte man in etwa so umreißen:

– die Einsamen und Alleinstehenden besuchen

– den Kranken die Kommunion bringen

– Gebetszeiten initiieren, z. B. im Advent oder der Fastenzeit

– über die Projekte des Pastoralsektors informieren und sie mit den örtlichen Gemeinden verbinden

– alle möglichen Wünsche und Bitten entgegennehmen und Informationen aus dem Pastoralsektor weitergeben

– Tauf- oder Ehevorbereitung usw.

– die Sonntagsliturgie vorbereiten, sei es eine Eucharistiefeier oder ein Wortgottesdienst. Dazu gehört auch, weiträumig zu informieren und Transportmöglichkeiten zu organisieren für diejenigen, die an Gottesdienstfeiern teilnehmen möchten

– Trauernde begleiten, Begräbnisfeiern vorbereiten, sei es mit oder ohne die Anwesenheit eines Priesters. Sehr oft wird in den örtlichen Gemeinden die Beerdigung von jemandem aus der Gemeinde selbst geleitet.

Für die Sakramentenvorbereitung – Taufe, Ehe –, aber auch für andere Formen von Katechese oder z. B. auch für die Jugendpastoral sind die örtlichen Gemeinden so etwas wie ein Verbindungsglied im Nahraum. Es gilt jedoch das Prinzip der Subsidiarität, sie müssen und können nicht alles vor Ort selber organisieren, dafür ist dann auch noch der Pastoralsektor als pastorale Basiseinheit da.

Nach 17 Jahren …

Einige wesentliche Aspekte möchte ich hier benennen:

Die örtlichen Gemeinden sind Wege zum Glauben. Die Beziehungen, die dort geknüpft werden – besonders mit den Schwächsten –, machen die Kirche nahbar, liebenswert. Sie sind auch ein Ort, wo Geschwisterlichkeit eingeübt werden kann. Man wählt sich ja die Mitglieder seiner Equipe nicht aus, man empfängt den anderen als einen Bruder, eine Schwester, die es zu lieben gilt. Dies ist aber zunächst einmal nicht immer naturgegeben.

Bei ihren regelmäßigen Treffen sammeln sich die örtlichen Equipen um das Wort Gottes. Das Evangelium wird in die Mitte des Lebens der Gemeinde gestellt, wie ein Licht für den Weg.

Männer, Frauen aus allen Milieus und Lebensbereichen sind ein Gesicht von Kirche. Sie lassen das Evangelium lebendig werden, selbst an den unwahrscheinlichsten Orten. Durch sie sind wir überzeugt, dass das Evangelium Nahrung für das Leben auch der Menschen ist, die wir nie in der Kirche antreffen. Sendung, das heißt, wir werden herausgefordert und befähigt, Mittel und Wege zu finden, wie alle Menschen aus dem Evangelium Jesu Christi leben können.

Der Motor dafür heißt Vertrauen. Vertrauen in die Wirkmächtigkeit der christlichen Initiationssakramente, die den Getauften und Gefirmten die Fähigkeit verleihen, das Evangelium zu bezeugen. Vertrauen in die Christen, dass sie das kirchliche Leben neu beleben und ihre Talente in den Dienst der Gemeinschaft stellen können.

Aber dieses Vertrauen zu leben, das kostet auch etwas, im Blick auf die Zeit und die Personen. Es kostet Zeit und Hingabe, diejenigen, die gerufen sind, zu begleiten, sie zu unterstützen, ihnen Wege vorzuschlagen, wie sie ihren Glauben vertiefen können, sie zu unterstützen in ihren Schwierigkeiten und Enttäuschungen – und auch sie zu begleiten, um ihren Weg des Glaubens immer wieder neu anzuschauen, zu überprüfen und zu deuten (Relecture).

Eine örtliche Gemeinde ist nur in Gemeinschaft mit den anderen und mit den Weiheämtern wirklich christliche Gemeinde. Diese müssen dort sehr präsent sein und die Gemeinde immer wieder daran erinnern, dass sie sich nicht selber Quelle sind, sondern aus der Gnade Gottes leben, besonders in den Sakramenten.

Nähe leben: dieses Leben eines Beziehungsgeflechts, das die Diözese den örtlichen Gemeinden anempfiehlt, ist auch ein Imperativ für die Diözese selbst. Es braucht eine Bewegung „hin zu …“, um der „Welt“ zu begegnen und sie zu verstehen. Durch die Beziehungsräume der Nähe in den örtlichen Gemeinden lebt die Kirche ihre Sendung inmitten der menschlichen Gesellschaft als „Salz der Erde“.

Synodalität leben: das heißt, dass wir alle gemeinsam (Bischof, Priester, Diakone, Ordensleute, Laien mit einem kirchlichen Sendungsauftrag) lernen, geschwisterlich zu leben, gemeinsam mit dem Volk Gottes hin zu seinem Reich.

Nähe, Mut, Vertrauen, Geschwisterlichkeit, Hoffnung – diese Wörter sind die kleinen Leuchtpunkte auf unserem Weg und so etwas wie Schlüsselwörter in meiner Aufgabe der Begleitung der örtlichen Gemeinden. Einige der gestern genannten Aspekte möchte ich hier noch einmal vertiefen.

Verstehen, unterscheiden und antworten

Sehr bald ging es in den örtlichen Gemeinden nicht mehr nur um Fragen der Organisation, es kamen immer häufiger Anfragen nach Vertiefung. So besuchte ich die örtlichen Gemeinden, habe mich mit den Basisequipen getroffen. Wichtig war mir im Vorfeld immer, den verantwortlichen Priester zu informieren, aber oft war es auch so, dass der Priester selber mich gebeten hatte zu kommen. Zuhören, das war und ist, was meine Aufgabe wesentlich charakterisiert. Man könnte sagen, dass Anerkennung und Sendung einer Equipe auf der Grundlage des Vertrauens den Christen die Freiheit schenkt und sie befähigt, von dem zu sprechen, was sie bewegt.

Um meine Rolle in der Begleitung der örtlichen Gemeinden noch genauer zu beschreiben, ist es auch wichtig, klar zu sehen, dass ich nicht als Verantwortliche komme, die zur Hierarchie gehört.

Oft ist es so, dass ich einen Raum öffnen kann, in dem Probleme benannt und Antworten gefunden werden können. Es kann aber auch so sein, dass ich die geeigneten diözesanen Dienste ins Spiel bringe.

Durch dieses Leben von Beziehungen im Nahraum durfte ich Menschen entdecken, die aus einem tiefen, lebendigen Glauben heraus leben, die aber vorher nicht gewohnt waren, ihren Glauben ins Wort zu bringen und sich über ihn auszutauschen. Sie waren für meine Begleitung sehr dankbar.

Nach und nach ist dank dieser Menschen das christliche Leben in den Gemeinden wieder lebendiger geworden. An den Orten, wo sie leben, sind sie zu Akteuren geworden und sagen: „Wir haben das Recht, unser Christsein da zu leben, wo wir auch wohnen.“ohne das swir dafür immer irgendwo hinfahren müssen (in ein Zentrum oder in die Stadt, wo der Priester ist).

Keine örtliche Gemeinde ohne Priester

Im Allgemeinen besucht im Kontext der Begleitung der örtlichen Gemeinden der Priester des Pastoralsektors regelmäßig die Gemeinden. Er ist eingeladen, sich regelmäßig mit jeder örtlichen Basisequipe zu treffen und so den Glauben und den apostolischen Elan der engagierten Christen zu stärken.

Seine Gegenwart verdeutlicht die Gemeinschaft aller Gemeinden miteinander, aller Christen, die im gleichen Sektor leben, in dem er seinen Dienst tut.

Der Priester verbindet die einzelne örtliche Gemeinde mit allen anderen Gemeinden im Sektor. Er erinnert auch an die gemeinsamen Ziele im Blick auf die Sendung im gesamten Pastoralsektor. Keine örtliche Gemeinde darf sich selber genügen oder sich in sich abschließen.

Der Priester ermutigt und hilft den Christen zu beten, das Wort Gottes zu lesen und miteinander zu teilen, die Augen offen zu halten für die Zerbrechlichkeit der menschlichen Situationen in der Gemeinde: einsame Menschen, alte Menschen, die in Altenheimen leben, Einrichtungen für Behinderte, Gewalttätigkeit in Familien oder Trauerfälle. Er unterstützt – ohne dass er immer vor Ort wäre oder alles selber machen würde – die Christen in ihrem Glaubensleben.

Menschen kommen vor Strukturen

Eine lebendige örtliche Gemeinde erkennt man daran, dass sie es versteht, eine möglichst große Zahl von Menschen zu rufen, ihnen zu signalisieren: Das, was du bist, was du kannst, genau das braucht unsere Gemeinde. Komm! Es gibt keinen „fruchtlosen“ Christen. Niemand ist überflüssig. Jeder getaufte Christ ist dazu aufgerufen, seine Taufwürde zu erkennen und anzuerkennen; die verschiedenen Dienste in der Kirche geben ihm hierzu die Möglichkeit. Der Heilige Geist, der uns in der Firmung geschenkt ist, befähigt alle, auf den Ruf des Herrn zu antworten, das Vertrauen, das Gott uns schenkt, lädt uns ein, einander zu vertrauen.

 

Die örtlichen Gemeinden öffnen einen Weg des Glaubens für die, die sich darauf einlassen. In einer Basisequipe lernt man – wenn auch manchmal mühsam – sich auszutauschen, einander zuzuhören, den Standpunkt der anderen in Betracht zu ziehen. Bei den gemeinsamen Initiativen geht es um konkret gelebte Solidarität. Jede Basisequipe ist so etwas wie ein Laboratorium der Geschwisterlichkeit, um so sichtbares Zeichen für die ganze örtliche Gemeinde zu sein, dass Geschwisterlichkeit möglich ist und alle dazu eingeladen sind.

Ein alter Mann, ungefähr 80 Jahre alt, war der erste Pastoralbeauftragte seiner Gemeinde für einen Zeitraum von sechs Jahren und er sagt: „ Ich habe mich immer engagiert, im Beruf, in der Zivilgemeinde … das ist auch in der örtlichen Gemeinde so weitergegangen, aber erst jetzt, wo ich alt bin, entdecke ich, dass all mein Engagement seine Wurzel in der Taufe hat.“ Und er fügt hinzu : „Was für ein Glück habe ich doch, dass ich diese Kirche kennenlernen durfte!“ Jetzt ist er nicht mehr nur ein alter Mann, sondern ein glücklicher Christ. Lernen wir durch die örtlichen Gemeinden nicht auch die Kirche zu lieben?

Die Sendung stärken

Jährliche Treffen der Priester und der Pastoralbeauftragten jeder örtlichen Gemeinde in der Diözese mit dem Bischof und den Bischofsvikaren sind – geschwisterlich, spirituell und kirchlich – Grundlage für die örtlichen Gemeinden. Durch diese Treffen hat sich ein Bewusstsein gebildet, dass nämlich alle zusammen – Dienstamt und Diener des Evangeliums – an der gleichen Sendung teilhaben.

Formation – Ausbildung, Weiterbildung, Schulung

Der Aspekt der proximité, der Nähe, ist ein absolutes Muss für alle Christen in der Diözese, welche Verantwortung sie auch immer haben mögen. Neben dem Centre Théologique haben sich nach und nach auch neue, dezentrale Modelle herausgebildet, die so etwas sind wie ein „spiritueller Zwischenstopp“. Es gibt Angebote in verschiedenen Klöstern und auch Angebote des diözesanen Dienstes für Spiritualität. Es gibt Schulungen für Glaubensverkündigung, für Trauerbegleitung, Lektorenausbildung, liturgische Ausbildung – dieses sind aber eher Angebote des Centre Théologique.

Zeiten der Relecture und Aufgabe der Unterstützungsequipen

Mit den ersten Erneuerungen der Basisequipen wurde auch deutlich, wie wichtig es ist, den Weg anzuschauen und zu deuten, den eine Equipe gemeinsam gegangen ist.

Tatsächlich ist es oft so, dass die erste Reaktion von Personen, deren Mandat zu Ende geht, die ist, dass sie nach Nachfolgern suchen. Das Risiko ist hoch, dass es nur ein Rufen in eine bestimmte Aufgabe ist, die getan werden muss, und man übersieht, dass es in erster Linie um einen spirituellen Schritt im Herzen der örtlichen Gemeinde geht. Deshalb ist es zur Norm geworden, dass es vor jeder Erneuerung einer Basisequipe eine Zeit der Relecture gibt.

Die Relecture wird geleitet von einer Person „von außen“, die nicht zur Basisequipe gehört. Es werden einige Arbeitsblätter vorbereitet, sie sind in dem Handbuch zu finden, das jeder örtlichen Gemeinde übergeben wird. Bei der Relecture geht es darum, die Früchte des Lebens der Gemeinde zu entdecken und zu ernten. Wir könnten diese Zeit auch als „Überprüfung des Lebens“ im Licht des Wortes Gottes bezeichnen, wo jedes Mitglied der Basisequipe mit den anderen teilt, was sich in ihm/ihr ereignet hat – Entdeckungen, Freude, Schwierigkeiten und den Ruf, den er/sie wahrnimmt. Was für ein Christ bin ich geworden? Das ist immer ein großer Augenblick der Gnade. Für manche Menschen mag es zunächst schwierig sein, den anderen Mitgliedern der Basisequipe vom eigenen Glaubensweg, den Zweifeln und Freuden zu erzählen. Die Aufgabe des Leiters ist es hier, zu ermöglichen, dass jede und jeder sprechen kann.

Diese Zeit des Austauschs stärkt den Zusammenhalt der Gemeinde und ermöglicht, mit Vertrauen in die Zukunft zu blicken. Es entsteht der ernsthafte Wille, den Menschen, die wenig in der Kirche engagiert zu sein scheinen, aber trotzdem großes Interesse zeigen, auch die Möglichkeit zu geben, diese Glaubenserfahrung zu machen. Deshalb haben wir auch den starken Willen, an der „Kultur des Rufens in den örtlichen Gemeinden“ zu arbeiten.

Anwesend bei der Relecture ist auch fast immer der Priester der örtlichen Gemeinde und oft ist er es, der am meisten über die Kraft der Glaubenszeugnisse staunt.

Einige Aspekte der Erneuerung der Equipen sind hier noch zu erwähnen:

Im Blick auf die immer größer werdende Zahl der örtlichen Gemeinden haben wir den Mitgliedern der ersten Equipen signalisiert, dass sie – jetzt, wo sie ihre Aufgabe erfüllt haben – nun ihrerseits die örtlichen Gemeinden in ihrer Nähe unterstützen könnten. Die Verfügbarkeit und die Großzügigkeit dieser Menschen sind bemerkenswert. In jedem der 14 Territorien der Diözese wenden sich Menschen aus den örtlichen Basisequipen an diese Unterstützungsequipen. Sie sind wie große Brüder und Schwestern – Wegbegleiter aus einer guten Distanz heraus, aber doch auf Augenhöhe mit den Engagierten in den Gemeinden. Alle tun dies ohne Bezahlung, sie übernehmen diese Aufgabe auf der Grundlage ihrer Taufe und nicht auf der Grundlage eines besonderen Dienstes.

Besonders werden sie gerufen für Zeiten der Relecture. Sie tragen zusammen, sie ermutigen, sie teilen ihre Erfahrungen, sie erinnern an die Grundlagen und berichten, falls einige Fragen, Schwierigkeiten oder Wünsche dies erfordern, den Bischofsvikaren. Sie werden auch gerufen, wenn es in den Gemeinden Schwierigkeiten oder Konflikte zwischen einzelnen Personen zu regeln gibt.

Die Bischofsvikare, die für ein Territorium verantwortlich sind, schlagen diesen Unterstützungsequipen auch Zeiten des Austauschs und der Fortbildung für sie selber vor.

Das Handbuch

Im Nachgang zur Diözesansynode wurde ein Handbuch herausgegeben, sozusagen die Charta für das Leben der Diözesankirche. Dieses Handbuch ist Bezugspunkt, Werkzeug und gibt Erläuterungen unterschiedlicher Art. Es wird an die Ausrichtung der Diözesankirche erinnert, damit das missionarische Ziel der Diözese immer lebendig vor Augen bleibt.

Das Handbuch ist auch Instrument im Dienst an der Communio der örtlichen Gemeinden. Es wurde den Priestern, den Verantwortlichen in der Pastoral und jeder Basisequipe übergeben.

… und zum Schluss

Wir sind auf einem Weg zur Errichtung von „neuen Pfarreien“. Was wir aber heute schon sagen können, ist: Dieser Weg verstärkt und wird das Leben der örtlichen Gemeinden weiter verstärken, so dass sie ihre Sendung nahe bei den Menschen leben können und so die Relevanz des Glaubens in der heutigen Zeit bezeugen, indem sie sich in den Dienst aller stellen, besonders aber in den Dienst derer, die von der Kirche am weitesten entfernt sind.

1 Adaptiert aus dem Französischen von Gabriele Viecens, Dipl.-Übersetzerin. Vgl. zu den Erfahrungen in Poitiers auch den Beitrag von Eric Boonne in diesem Buch sowie Reinhard Feiter u. Hadwig Müller (Hg.) Was wird jetzt aus uns, Herr Bischof. Ermutigende Erfahrungen der Gemeindebildungen in Poitiers, Ostfildern 22012 und Hadwig Müller, Gemeinde und Leitung im Bistum Poitiers, in: Michael Böhnke, Thomas Schüller (Hg.), Gemeindeleitung durch Laien? Internationale Erfahrungen und Erkenntnisse, Regensburg 2011.

2 Vgl. auch Gisèle Bulteau, Örtliche Gemeinden begleiten, in: Christian Hennecke, Dieter Tewes, Gabriele Viecens (Hg.), Kirche geht … Die Dynamik lokaler Kirchenentwicklungen, Würzburg 2013, 67–73 sowie den Beitrag von Martin Alex und Thomas Schlegel in diesem Buch.

Eric Boone

Eine Kirche der Nähe 1

Wenn man auf die Errichtung von örtlichen Gemeinden in der Diözese Poitiers schaut, geht es nicht einfach um eine Strukturreform der Kirche von Poitiers. Am Anfang stand nämlich eine zweifältige Dynamik:

1. der klare Wille, die Rezeption der beiden Synoden, die Partikularrecht der Diözese geworden sind, in all ihren Ausdrucksformen ernst zu nehmen, und:

2. eine auch zeitlich sehr umfassende Reflexion des Neuen Testaments – beinahe könnte man hier schon von einer Meditation sprechen.

Die Rezeption der Synode

Wenn wir von der Erfahrung der Synoden sprechen, handelt es sich nicht einfach um historisches Geschehen. Mir ist wichtig zu bezeugen, dass die Feier einer Synode ein Ereignis von höchster Bedeutung im Leben einer Ortskirche ist. Die Diözese von Poitiers hat die Entscheidung getroffen, zwei Synoden entsprechend kanonischem Recht zu feiern. Es gibt zwar eine Reihe von Diözesen, die einzelne Schritte von synodalem Charakter unternehmen, aber wir haben beschlossen, unsere beiden Synoden entsprechend dem Kirchenrecht zu feiern: Es gab also die Einberufung der Synoden, der Bischof hat ihnen vorgestanden, die dort gefassten Beschlüsse öffentlich verkündet und so sind sie zu Partikularrecht des Bistums Poitiers geworden.

In der Synode von 1993 ging es um die Frage, ob neue Pfarreien gegründet werden sollten. Das war eine Zeit, in der auch auf nationaler Ebene in Frankreich viel um Zusammenlegungen von Pfarreien gerungen wurde. Die Antwort der Synode von Poitiers war eindeutig: Bevor neue Pfarreien entstehen könnten, geht es zunächst einmal darum, die „örtlichen Gemeinden“, d. h. die Gemeinden vor Ort, im Quartier, in den Dörfern neu zu beleben.

Am Anfang hat niemand so recht auf diese Wortschöpfung geachtet: örtliche Gemeinde, das klang sehr harmlos! Erst als einige Monate nach dem Inkrafttreten der synodalen Akte Mgr Rouet Bischof der Diözese Poitiers wurde, hat er die ganze Bedeutung dieses Wortes erkannt und uns darauf aufmerksam gemacht, wie wichtig diese Formulierung ist. Was genau wollten wir denn ausdrücken mit dem Wort „örtliche Gemeinde“? Er erwartete eine Präzisierung von uns, um so wirklich zu einer authentischen Rezeption der synodalen Beschlüsse zu kommen. Man könnte hier den 6. Abschnitt von Presbyterorum ordinis zitieren, das Konzilsdekret über den Dienst und das Leben der Priester, das heute eher ein bisschen in Vergessenheit geraten ist: „Die Einzelgemeinde darf darum nicht nur die Sorge für die eigenen Gläubigen fördern, sondern muss, von missionarischem Eifer durchdrungen, allen Menschen den Weg zu Christus ebnen. Ihre besondere Sorge gelte jedoch den Katechumenen und Neugetauften; sie sind schrittweise zur Erkenntnis und Führung eines christlichen Lebens zu erziehen.“

Halten wir also drei Punkte fest:

Die Erfahrung einer Synode – eine Erfahrung, die viel größer ist, als wir es sind – ist Ausdrucksform einer Kirche, die sich dem Heiligen Geist anvertraut, der sie weit mehr inspiriert, als sie sich hätte vorstellen können. Die Rezeption dieser Synode hat etwas ins Leben gerufen, das mehr erfordert, als nur auf die Zeichen der Zeit zu achten – es braucht vielmehr eine neue, eine andere Arbeitsweise, deren Kennzeichen Umkehr, Bekehrung ist. Ich wünsche auch der Kirche in Deutschland, Mut zu Synoden zu haben – im Vertrauen darauf, dass Gott selber seine Kirche baut!

Der Ausdruck „örtliche Gemeinde“ hat uns in eine missionarische Dynamik gebracht. Es geht nicht darum, religiöse Bedürfnisse zu befriedigen, sondern allen den Weg des Evangeliums anzubieten und so die Bedeutung eines Lebens nach dem Evangelium inmitten der Welt von heute zu zeigen. In ihrem Brief an die Katholiken Frankreichs – Den Glauben vorschlagen in der heutigen Gesellschaft – haben uns die Bischöfe von Frankreich dazu eingeladen, dies mutvoll zu tun.