Das Kind der Königin

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Aus der Reihe: Das Licht von Asconien #3
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Das Kind der Königin
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R. S. Volant

Das Kind der Königin

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Inhaltsverzeichnis

Titel

1. Die Reise durch Austrien

2. Zwischen Wahnsinn und Liebe

3. Die Königin

4. Ein verhängnisvoller Fehler

5. Das Wunder von Austra

6. Der Bruder des Königs

7. Hauptmann Satorius

8. Die Rundreise

9. Ein Erbe für den König

10. Die Heimkehr des Königs

11. Auch ein Heiler ist nur ein Mann

12. Noch mehr Abschiede

13. Der Adjutant des Königs

14. Sybilla

15. Epilog

16. Anmerkungen zum Buch

Impressum neobooks

1. Die Reise durch Austrien

Amanoue saß wie ein Häufchen Elend auf dem Bett und blickte starr vor sich hin, als der König zu ihm trat und sich neben ihn setzte. Verstohlen sah sein Sklave kurz zu ihm auf, bevor er wieder betroffen den Blick senkte. „`err“, sagte er leise, „es ist nischd so, wie Ihr denkt“, erneut sah er schuldbewusst auf, „isch bin gerne, bei Eusch und mit Eusch susammen, wirklisch. Isch weiß selbst nischd, warum isch misch immer so dumm benehme und Eusch enttäusche, wahrscheinlisch, weil isch eben doch nur dumm bin, genau wie Ihr immer sagt. Isch…“

„Sch“, machte Henry sanft, beugte sich zu ihm hin und küsste ihn zärtlich. Dabei drückte er ihn zurück in die weichen Felle, wälzte sich auf ihn und begann ihn zu liebkosen. Voller Zärtlichkeit und Rücksicht liebte er ihn, doch so sehr er sich auch Mühe gab, Amanoue ließ alles nur still über sich ergehen, presste sein Gesicht in die Kissen, um ja keinen Laut von sich zu geben und krallte sich mit beiden Händen darin fest. Erst als Henry wohlig aufstöhnte, atmete er regelrecht erleichtert auf und lockerte langsam seinen Griff, während Henry ihm immer wieder sanfte Küsse in den Nacken hauchte.

„Was ist mit dir, was hast du?“, fragte er, noch immer etwas keuchend und außer Atem. „War es nicht schön, für dich? Oder habe ich dir wehgetan?“, flüsterte er, ihn streichelnd und glitt neben ihn.

Amanoue biss sich verlegen auf die Unterlippe. „Doch `err, es war sehr schön und Ihr `abt mir nischd wehgetan“, antwortete er vorsichtig und ohne ihn anzusehen.

„Du lügst schon wieder“, seufzte Henry. „Amanoue, wenn es schön gewesen wäre, hättest du dich anders verhalten, schließlich war es nicht unser erstes Mal und ich weiß sehr wohl, wenn du es genießt! Siehst du mich bitte mal an?!“, sagte er durchschnaufend, da Amanoue noch immer auf dem Bauch und mit abgewandtem Gesicht neben ihm lag.

„`err, isch“, stammelte der verzweifelt, ohne der Aufforderung nachzukommen, „isch weiß nischd, wie isch misch ver`alten soll“, schluchzte er auf, „bitte, isch `abe solsche Angst, dass isch wieder alles falsch mache und Eusch wieder enttäusche. Bitte, sagt mir, was isch tun soll, damit isch Eusch erfreue.“

Henry beugte sich zu ihm rüber und strich ihm über den Hinterkopf. „Du kleines Dummerchen, sei einfach wieder du, sei mein liebes, sanftes Kätzchen, so wie früher! Du weißt doch, dass ich es mag, wenn du stürmisch im Bett bist und wir uns leidenschaftlich lieben. Und ich genieße es sehr, wenn du unter mir kommst. Oder denkst du, dass es mir so wie eben, lieber ist? Wenn du nur still daliegst und wartest, bis ich endlich fertig bin? Ich mag es nur nicht, wenn du mir etwas vormachst und dich mir anbietest, als wäre ich einer deiner ehemaligen Freier! Verstehst du? Amanoue, wenn du dich so benimmst, dann verletzt du mich derart, dass ich meine, mein Herz müsste zerspringen, vor lauter Schmerz! Es ist in Ordnung, wenn du keine Lust empfindest, es macht mich zwar traurig, denn ich würde dir sehr gerne Lust bereiten und ich liebe es, wenn du es genauso genießt wie ich, wenn wir miteinander schlafen“, erwiderte er mitfühlend und küsste ihn aufs Ohr. „Siehst du mich jetzt an?“

Amanoue drehte sich auf den Rücken und wandte ihm auch das zarte Gesicht zu, doch sein Blick blieb weiterhin gesenkt. „Es tut mir so leid, dass isch nischd Eure Erwartungen erfüllen konnte, wo Ihr doch so viel Geld für misch besahlt `abt. Vielleischd `ättet Ihr doch lieber die nordische Junge nehmen sollen, den Ihr mir ja anfangs auch vorgesogen `abt. Er `atte auch viel schöneres `aar, blond, wie Ihr es bevorsugt und seine `aut war weiß wie frischgefallener Schnee und nischd so schmudsisch braun, wie die von eine Bauernjunge, nach die `euernte“, kam es leise über seine Lippen und Henry sah verdutzt auf ihn nieder.

„Wie kommst du denn darauf?“, fragte er, sich das Lachen verkneifend.

„Benny sagt, dass isch so aussehe, eben, wie eine Bauernjunge, der su oft in die Sonne war“, murmelte Amanoue frustriert und sah kurz zu ihm hoch, was Henry breit grinsen ließ.

Wieder beugte er sich hinab und küsste ihn zärtlich auf den Mund. „Um nichts in der Welt, würde ich dich eintauschen wollen, mit keinem noch so blonden, weißhäutigen Jungen der Welt! Ich liebe dich, hörst du?! Alles an dir und gerade dein wunderschönes, braunes Haar und deine zarte, bronzefarbene Haut! Das habe ich dir doch schon einmal gezeigt, dass ich einfach alles an dir liebe und total verrückt nach dir bin“, meinte er ernstgemeint und überzeugend nickend.

„Wirklisch?“, hauchte Amanoue tränenerstickt und als Henry erneut nickte, schlang er seine schlanken Arme um dessen Hals und drückte sich schluchzend an ihn.

„Mein dummer kleiner Liebling“, flüsterte Henry ihm ins Ohr, „alles wird wieder gut werden, ja? Beruhige dich, komm mein Kätzchen“, sagte er, sich zurücklegend und Amanoue an sich ziehend.

Amanoue konnte nur noch ergriffen nicken. Er schmiegte sich eng an ihn, legte wie früher ein Bein angewinkelt über Henrys Oberschenkel, während der beide Arme um ihn legte und ihn an sich drückte. Seit ewigen Zeiten schlief er endlich mal wieder mit einem kleinen, glücklichen Lächeln auf den sinnlichen Lippen, ein.

Sie frühstückten gemeinsam im Bett und währenddessen warf Amanoue seinem Herrn immer wieder verstohlene Blicke zu, bis der sich zurücklehnte und ihn fragend ansah. „Kätzchen?“

„`err?“

Henry seufzte und hob die Augenbrauen. „Was?“

„Nischds“, antwortete Amanoue, den Blick senkend, aber nur um gleich darauf wieder verstohlen zu ihm aufzusehen. Dabei legte er den Kopf auf seine süße, einschmeichelnde Art leicht schräg und ein unschuldiges Lächeln umspielte seinen schönen Mund.

„Amanoue! Wenn du so mit deinen Augen spielst und mich ansiehst, als könntest du kein Wässerchen trüben, willst du etwas von mir! Also, was?“, gab Henry leicht genervt zurück.

Amanoue nahm die Hand des Königs in seine, spielte kurz mit dessen Fingern, führte sie an seine Lippen und küsste jeden einzelnen zärtlich. „Isch“, begann er sich verlegen windend, „also isch, würde so gerne wieder bei Bracs Männern mitreiten. Bitte, `err“, flötete er honigsüß, drehte sich zu ihm um und schlug die Beine unter. Im Schneidersitz saß er nun vor Henry und schenkte ihm sein schönstes Lächeln, woraufhin der entnervt aufstöhnte.

„Ich habe dir doch gesagt, dass du bis auf weiteres bei Sebastian im Wagen mitfährst“, antwortete er und entzog ihm seine Hand, um seinen Becher zu ergreifen.

„Aber wieso?“, fragte Amanoue sofort auf seine kindlich trotzige Art und rutschte näher an ihn heran. „Die Jungs `aben gestern alle danach gefragt, warum isch nischd wieder bei ihnen `inten mitreite und isch reite doch so gerne! Oh bitte, `err! Meine Arm ist doch wieder gesund und isch werde auch nischds anstellen“, gurrte er, Henry mit einem unwiderstehlichen Wimpernschlag von unten herauf ansehend. „Hm?“

Henry seufzte erneut schwer. „Sieh mal, Kätzchen, ich sorge mich doch nur um dich! Du trägst noch immer den Verband und sollst den Arm in einer Schlinge tragen! Du hast also nur einen freien Arm und das ist mir eben zu gefährlich“, erwiderte er und schüttelte auch gleich noch energisch seinen Kopf.

„Bitte, bitte `err“, begann Amanoue sofort zu betteln und rutschte noch näher heran, so dass Henry gezwungen war gleichzeitig weiter nach hinten zu rücken, um ihm zu entgehen.

„Wenn du noch näherkommst, sitzt du gleich auf meinem Frühstückstablett“, sagte er, hob es an und sein Diener Sebastian nahm es ihm sogleich ab.

„Aber isch brauche die blöde Schiene doch gar nischd mehr!“, versuchte Amanoue es wieder und wedelte demonstrativ mit seinem Arm vor ihm herum. „Seht Ihr? Alles wieder gut, die Schlinge ist völlig überflüssig!“

 

„Amanoue, jetzt ist Schluss! Ich sagte, nein! Du wirst im Wagen mitfahren und aus!“, schimpfte Henry ihn, keinen Widerspruch mehr duldend und Amanoue ruckte augenblicklich mit einem wütenden Gesichtsausdruck von ihm fort.

„Jawohl, wie die `err befiehlt“, antwortete er schnippisch und verschränkte trotzig die Arme vor seiner aufgeplusterten Brust. Doch dann schien er regelrecht in sich zusammen zu sinken, stieß entmutigt die Luft dabei aus und ließ enttäuscht den Kopf hängen.

„Na gut, pass auf“, begann Henry nun doch davon erweicht und Amanoues Kopf schoss augenblicklich in die Höhe. „Hör zu“, bremste ihn Henry allerdings sofort ab und hob die Hände, „ich werde heute noch mit Gregorius reden und wenn er es gutheißt, darfst du morgen mitreiten! Einverstanden?“, fragte er versöhnlich und mit einem unweigerlichen Schmunzeln.

Amanoue verzog zwar etwas schmollend die Mundwinkel, nickte aber einsichtig. „Ja, `err“, murmelte er dabei mürrisch, was Henry herzlich auflachen ließ.

Er zog ihn an den Schultern zu sich heran und gab ihm einen spontanen Kuss, den Amanoue mit einem leisen Knurren quittierte, doch Henry sah einfach darüber hinweg. „So, mein Schatz und jetzt raus, aus den Federn!“, rief er fröhlich und stemmte sich hoch.

Zwangsläufig schob sich auch Amanoue hinter ihm aus dem Bett und beeilte sich, noch vor Henry fertig angezogen zu sein. Doch als er wie selbstverständlich mit dem zusammen das Zelt verlassen wollte, hielt ihn Sebastian auf. „Halt! Hiergeblieben, mein Lieber“, sagte er und fasste ihm ins Genick. „Du wirst schön brav mithelfen! Was siehst du mich so an? Na los!“, rief der alte Diener und scheuchte ihn wieder nach hinten. „Du kannst gleich mit dem Bettzeug anfangen und es zu den Wagen bringen“, befahl er unnachgiebig und Amanoue gehorchte murrend. Widerstandslos half er das Zelt leerzuräumen und fuhr anschließend brav in der Kutsche der Diener mit.

Auch am Abend half er ohne zu meckern all die Sachen wieder zurück ins königliche Zelt zu schaffen und wartete anschließend am Eingang auf Henry. Er kniete nieder, als der König eintrat, erhob sich auf dessen Wink hin wieder und folgte seinem Herrn bis zum Reisethron, der wie immer an der kurzen Stirnseite des Tisches stand.

Henry sah ihn kurz verwundert an, setzte sich und deutete auf den Stuhl neben sich. Amanoue ging mit gesenktem Blick um den Tisch herum und nahm Platz. „Und?“, fragte er etwas zittrig und knetete dabei seine zarten Finger.

„Was und?“, fragte Henry zurück und bedeutete Falco, der hinter ihm das Zelt betreten hatte, sich ebenfalls zu setzen.

„Gregorius! Was `at er gesagt?“, gab Amanoue ungeduldig zur Antwort.

Henry hob die Augenbrauen und lehnte sich mit einem erkennenden Gesichtsausdruck zurück. „Ach, das ist es! Ich habe mich schon gewundert, warum du schon da bist. Ich habe mir doch beinahe eingebildet, es wäre meinetwegen!“

Amanoue zog etwas beschämt den Kopf ein und lächelte verlegen. „Aber ja, verseiht mir, `err. Ähm, `attet Ihr eine schöne Tag?“

Henry lachte erst einmal kopfschüttelnd, nahm Amanoues Hand und küsste sie schmunzelnd. „Du!“, sagte er und drohte ihm mit dem Zeigefinger. Doch dann wandte er sich einfach zu Sebastian um. „Was gibt es zum Abendmahl? Ich habe einen Mordshunger und der Hauptmann sicher ebenfalls! Schenk uns doch schon mal Wein ein“, meinte er fröhlich, woraufhin sich der Diener leicht verbeugte.

„Eure Majestät, es gibt gefülltes Rebhuhn“, antwortete er, während Kai die Trinkbecher füllte.

„Mmh! Lecker“, grinste Henry und zwinkerte ihm verschmitzt zu. Es war ihm nicht entgangen, dass Amanoue währenddessen ungeduldig auf seinem Stuhl herumrutschte. „Ist irgendetwas mit deinem Stuhl nicht in Ordnung?“, fragte er erstaunt.

„Nein, `err“, antwortete Amanoue, vor und zurück wackelnd.

Der König bückte sich und warf einen Blick unter die Tischplatte. „Seltsam, der Stuhl scheint es nicht zu sein! Hauptmann, könnt Ihr mir vielleicht sagen, weshalb Amanoue so herumzappelt?“

Falco schüttelte schmunzelnd seinen Kopf. „Eure Majestät? Keine Ahnung!“, antwortete er achselzuckend.

„Tja, vielleicht kann uns ja Gregorius weiterhelfen?“, sinnierte Henry übertrieben nachdenklich, als der Heiler in diesem Moment das königliche Zelt betrat. Amanoue wollte schon aufspringen, doch ein strenger Blick von seinem Herrn genügte, um ihn zurück zu halten. „Mein guter Gregorius, Ihr kommt wie gerufen! Mit Amanoue scheint irgendetwas nicht zu stimmen! Seht nur, wie er herumzappelt“, rief er seinem Leibarzt entgegen, woraufhin seinem Sklaven ein klagend-ungeduldiger Laut entfuhr.

Endlich schien der König ein Einsehen zu haben und nickte leicht. Amanoue sprang sofort auf, stolperte um ihn herum und eilte dem verwunderten Heiler entgegen. „`ier!“, rief er, dem seinen geschienten Arm entgegenstreckend und riss sich bereits die Schlinge vom Hals. Henry und Falco lachten, als sie mit amüsierten Blicken verfolgten, wie Amanoue den Heiler einfach an der Hand nahm und mit sich zum Bett zog.

Gregorius versuchte noch, sich vor dem König zu verbeugen, doch Amanoue zerrte ihn ungeduldig weiter. „Halt, halt, mein junger Freund, nicht so ungestüm“, rief er noch, „in meinem Alter komme ich da nicht mehr mit!“

„Ach was!“, gab Amanoue zurück, „so alt, seid Ihr doch noch gar nischd und nun befreit misch endlisch von diese Ding!“, rief er, sich setzend und begann auch schon sich den Verband abzuwickeln.

Gregorius ließ sich neben ihm nieder und half ihm dabei, dann nahm er die Schiene fort und begutachtete kritisch Amanoues Unterarm. „Hm“, machte er, drehte ihn zaghaft ein wenig hin und her und tastete vorsichtig den Knochen ab. „Tut das weh?“

Amanoue schüttelte hastig seinen hübschen Kopf. „Gar nischd! Und?“

„Hm!“

„Was, `m? Ist doch wieder gut, oder? So redet doch endlich!“, entfuhr es Amanoue ungeduldig und ihn erwartungsvoll anblickend.

„Und?“, fragte schließlich auch Henry.

Gregorius, der immer noch Amanoues Arm hielt, strich daran auf und ab und nickte lächelnd. Er ließ ihn los, stand auf und Amanoue sprang mit einem Freudenschrei auf. „Dann darf isch mitreiten?“, rief er aufgeregt und mit glühenden Wangen.

„Langsam“, ermahnte ihn Henry grinsend, „warte erst einmal ab, was Gregorius dazu sagt und dann, ist da immer noch Hauptmann Falco“, meinte er, den ansehend und Amanoue riss geradezu seine Augen auf. „Also, Meister Gregorius, was sagt Ihr?“, wandte der König sich wieder dem Heiler zu, während Falco vor sich hin schmunzelte.

„Eure Majestät, nun, von mir aus, spricht nichts dagegen. Vielleicht sollte er den Arm noch ein wenig schonen, aber Amanoue ist ein guter Reiter und schafft das sicher schon…“

„Oh ja, gans sischer!“, rief Amanoue dazwischen und nickte schnell. Dabei sah er Henry so bittend an, dass der augenblicklich laut aufseufzte.

„Und, Hauptmann? Meint Ihr, dass Amanoue bei Euren Männern unterkommen kann? Habt Ihr ein Plätzchen für ihn in Euren Reihen?“, fragte er und Falco verzog kritisch seinen Mund.

„Nur, wenn er sich benimmt! In ordentlicher Kleidung erscheint und keinen Ärger macht“, erwiderte er streng. Er sah Amanoue ernst an und der schluckte unwillkürlich, was Henry wieder auflachen ließ.

„Kätzchen, wirst du dich benehmen und brav sein?“, fragte er und winkte ihn zu sich heran.

Amanoue kam zögernd näher und warf einen kurzen, fast ängstlichen Blick auf Falco, bevor er demütig die schönen Augen vor Henry senkte. Zu ihrer aller Überraschung zuckte er sehr hilflos wirkend mit den Schultern und all seine Fröhlichkeit schien mit einem Schlag verschwunden. „Isch weiß es nischd“, antwortete er leise und mit einem bitteren Unterton. „Ob isch die `auptmann gereschd werden kann, meine isch, wo isch doch weiß, dass er misch nischd mag und misch so sehr ablehnt und es ihm suwider ist, wenn isch bei Brac `inten mitreite. Aber isch verspresche, dass isch es ehrlisch versuchen werde und misch escht anstrenge, ihn nischd su verärgern, obwohl es eigentlisch völlig gleisch ist, was isch mache oder wie isch misch benehme, die `auptmann kann isch es eh nie reschd machen“, murmelte er traurig.

Falcos Herz verkrampfte sich dermaßen, dass er sich unwillkürlich an die Brust fasste. Keiner erwiderte ein Wort darauf und irgendwie traute sich keiner, den anderen anzusehen, bis sich der König schließlich befreiend räusperte. „Kätzchen, das ist doch Unsinn! Wenn du artig bist und gehorsam, ist sicher auch Hauptmann Falco mit dir zufrieden und wird nichts dagegen haben, wenn du wieder bei der Garde mitreitest“, sagte er sanft und wandte sich auffordernd zu Falco um. „Nicht wahr?“

„Er kann mitreiten“, antwortete der Hauptmann mit einem knappen Nicken. Seine Kehle schien wie zugeschnürt und er schluckte trocken. Ohne Aufzusehen nahm er seinen Becher und trank einen großen Schluck.

„Danke“, sagte Amanoue leise und auch Henry musste erst einmal trinken.

„Tja, da wäre allerdings noch was“, meinte er danach übertrieben nachdenklich, um die Anspannung etwas zu entschärfen und Amanoue nahm fragend den Kopf zurück.

„`err?“, kam es vorsichtig über seine Lippen und Henry drehte sich um.

„Sebastian! Er muss natürlich auch damit einverstanden sein, schließlich verliert er damit eine Hilfskraft! Wobei wir noch immer einen Diener zu wenig haben, seit Benedicto mein Knappe ist“, raunte er zu seinem Leibdiener hoch. „Und?“

Sebastian, der das Spiel natürlich durchschaut hatte, zwinkerte schelmisch zurück und strich sich nachdenklich über sein Kinn. „Hm“, machte er und sah schmunzelnd zu Kai. „Was meinst du, mein Lieber, werden wir es auch ohne Amanoues Hilfe schaffen?“

Amanoue schluckte zwangsläufig und der junge Diener konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Tja, ich denke“, sagte er überlegend, „das schaffen wir schon. Er ist uns eh keine große Hilfe! Viel zu langsam“, stöhnte er abwinkend und zum ersten Mal seit langem, lächelte Amanoue ihn wieder an.

„Na dann, wäre die Angelegenheit also geklärt“, meinte Henry nur achselzuckend dazu und deutete wieder neben sich. „Setz dich endlich und mach nicht so ein ernstes Gesicht, der Hauptmann wird dich schon nicht fressen, wenigstens nicht gleich heute! Allerdings bin ich mir fast sicher, dass du ihn in Kürze wieder so weit bringen wirst“, seufzte er und alle lachten kurz auf.

Amanoue schnaufte erleichtert durch, drückte sich um Henrys Stuhl herum und setzte sich etwas verspannt. „Isch werde misch wirklisch anstrengen und gans artig sein“, beteuerte er nochmals verlegen und traute sich den ganzen Abend lang nicht, Falco anzusehen.

***

Am nächsten Morgen beeilte sich Amanoue noch mehr. Er schlang regelrecht sein Frühstück hinunter, zog sich danach ohne auf Henry zu warten an und rief nur ein, „bis später“, über seine Schulter zu den anderen hin.

Der König räusperte sich laut und sah ihm vorwurfsvoll hinterher. „Na?!“

Amanoue, der bereits am Zelteingang angelangt war, blieb wie angewurzelt stehen und lugte vorsichtig zurück. „`err?“

„Hast du nicht etwas vergessen?“, brummte Henry und deutete unmissverständlich vor sich.

Amanoue biss sich auf die volle Unterlippe, machte kehrt und marschierte wieder zurück. Mit einem entzückenden Augenaufschlag blickte er verlegen zu Henry hoch und der lachte amüsiert auf, als er Amanoues peinlich berührtes Gesicht sah. Sanft legte er seine großen Hände an die zarten Wangen seines Sklaven und küsste ihn innig. „Na geh schon“, raunte er, ihm einen liebevollen Klaps auf den kleinen Hintern gebend und Amanoue grinste übers ganze Gesicht. „Du kannst es ja kaum noch erwarten!“

„Danke“, erwiderte Amanoue so zärtlich, dass Henrys Herz vor Freude einen kleinen Sprung machte, dann drehte sich sein kleiner Wirbelwind um und rannte hinaus.

Natürlich warteten die Soldaten der Garde allesamt bereits in Reih und Glied, als Amanoue schnurstracks auf Maid zuhielt, die für ihn gesattelt worden war. Er trat wie selbstverständlich neben sie, grinste dabei wie ein Honigkuchenpferd und alle aus Bracs Truppe, außer Benny selbstverständlich, umringten ihn sogleich und hießen ihn freudig wieder in ihrer Mitte willkommen. Erst als Mati mit ernster Miene an der Reihe entlangritt, stellten sie sich wieder neben ihren Pferden auf und nahmen Haltung an. Falcos Stellvertreter gab den Befehl zum Aufsitzen, die Soldaten bestiegen recht lässig ihre Pferde und auch Amanoue schwang sich in seinen Sattel. Er wartete kurz, besah sich die Positionen, die die Soldaten daraufhin einnahmen und erst als Brac ihn zu sich winkte, ritt er freudig auf den großen Mann zu. „Auf was hast`n gewartet?“, fragte der Riese.

 

„Isch wusste doch nischd, neben wem isch reiten soll“, antwortete Amanoue stirnrunzelnd und blickte sich nochmals verwundert um. „Alles, ist anders“, meinte er grübelnd und sah fragend zu seinem großen Freund auf.

„Na klar“, gab der achselzuckend zurück, „irgendwie, musste ich sie ja neu aufteilen, jetzt, da die Reihen wieder aufgefüllt sind!“

Amanoue nickte verstehend. Hinter ihnen ritten nun Matto und Alecto, vor ihnen Benny und Finn, dann kamen die beiden Savoyer Bernard und Luc und davor bildeten zwei ihm fremde Soldaten ein Pärchen, was ihn erneut erstaunt den Kopf zurücknehmen ließ. „Da vorne“, sagte er und deutete in die Richtung der ihm unbekannten Männer, „die swei, kenne isch gar nischd und davor, sind das nischd swei von `erriks Leuten? Diese rodsfresche Lusius und Marcus?“

Brac nickte knapp. „Jepp! Hast `n gutes Gedächtnis! Die zwei neuen sind vom Herzog! Sie haben sich bei uns beworben und uns fehlten ja `n Haufen Leute, seit der Schlacht! Ich hab mir die Beiden natürlich genau angesehen, sind gute Männer und, was sehr wichtig ist, sie sind keine Frischlinge mehr sondern haben dem Herzog von Averna schon einige Jahre als Soldaten gedient! Das Gardemaß, haben sie auch“, meinte er erklärend und Amanoue hob die Augenbrauen. „Sind ganz lustig, die zwei und passen irgendwie zu uns, wirst schon sehen“, erzählte Brac weiter und grinste ihn augenzwinkernd an. „Und die anderen beiden, die von Hauptmann Herrik, wollten auch gerne zu unserem Haufen dazu, also hab ich mit ihm geredet und er hat sie mir überlassen. Herrik hat ja fast seine gesamte Truppe komplett und in Austra wird er dann `n paar Frischlinge rekrutieren, sozusagen als Ausgleich. Sonst würde ja unsere Abteilung zur Hälfte aus Rekruten bestehen und er hätte die ganzen alten Hasen, verstehst du?“

Amanoue nickte erneut. „Und wie heißen die swei Neuen?“

Brac deutete mit seiner riesigen Pranke nach vorne. „Der links, heißt Amadeus und der rechte Frowin! Wir haben sie auf der Burg kennengelernt und schon so manches Bierchen mit ihnen gebechert! Ich sag dir, die zwei können vielleicht `n Stiefel vertragen! Die saufen mich glatt unter den Tisch“, antwortete er vergnügt.

Amanoue zog seine glatte Stirn kraus und sah ihn zweifelnd an. „`aben die denn keine eigene? Isch dachte, Stiefel wären bei die Ausrüstung mit dabei?“

Alle um ihn herum, fingen augenblicklich an schallend zu lachen, sogar Benny, so dass Amanoue sich verdutzt zu allen Seiten umblickte.

„Oh Mann, Manou“, keuchte Matto hinter ihm, „der war wieder mal echt hammermäßig gut!“

Finn drehte sich noch immer grinsend zu ihnen um. „Manou, das bedeutet nicht, dass die armen Kerle keine Stiefel haben, sondern dass sie eben so viel Bier saufen können, wie eben in einen Stiefel passt“, erklärte er.

„Ja, ja, isch weiß schon, das sagt man eben bei eusch so“, winkte Amanoue genervt ab. „Ihr seid eine wirklisch komische Volk!“

„Der einzige, der hier komisch ist, bist wohl du“, gab Benny spöttisch über seine Schulter zurück.

Amanoue verdrehte seine Augen und warf Brac einen noch nervigeren Blick zu, doch der grinste ihn nur aufmunternd an. „Also ehrlisch, mit jedem könnte isch klarkommen, aber der, `at mir noch gefehlt! Konntest du den nischd auch eintauschen?“, brummte er, was Brac erneut auflachen ließ.

„Vielleicht beim nächsten Mal, hm? He, Benny! Willste nich lieber weiter vorne mitreiten? Da wärste auch viel näher bei seiner Majestät, wo du doch sein Knappe bist“, rief der riesige Mann scherzhaft nach vorne.

Benny drehte sich mit einem überheblichen Blick im Sattel um. „Ph! Das hätte unser asconisches Flittchen wohl gerne! Aber Pustekuchen, mir gefällt es hier außerordentlich gut und außerdem hat seine Majestät mich freigestellt! Er sagte, dass ich viel mehr lernen würde, wenn ich mit einem so erfahrenen Ritter“, er deutete auf Brac und verbeugte sich spöttisch, „wie Euch, reiten würde!“

„Pass bloß auf, du Rotzlöffel, sonst reiten wir wirklich mal `ne Runde!“, gab Brac empört lachend zurück. „Bengel!“, meinte er noch kopfschüttelnd, als Benny es nur mit einer lässigen Handbewegung abtat.

Amanoue sah Brac wieder zweifelnd von der Seite her an. „Brac?“

„Hm?“

„Isch denke, du bist su gutmütig! Wieso langst du ihm nischd eine paar?“

„He!“, schnauzte Benny zurück, „das habe ich gehört!“ Er drehte sich weit zu ihm um, „pass du bloß auf, sonst fängst du `n paar! Wäre nicht das erste Mal, dass du von mir Prügel beziehst“, meinte er schnippisch.

Jetzt stieß Amanoue nur ein arrogantes „Ph!“ aus und tat so, als würde es ihn nicht im Geringsten kümmern.

„Jetzt hört schon auf, alle beide! Sonst kann`s echt passieren, dass ihr beide eine von mir geknallt kriegt“, raunte Brac zwar kopfschüttelnd, aber auch grinsend.

Der restliche Tag verlief relativ ruhig und zur Mittagspause stellte Brac ihm die neuen Männer vor, die sich als recht sympathisch erwiesen. Lucius neckte daraufhin Amanoue sofort wieder und zog ihn bei jeder Gelegenheit an seinem langen Zopf, worüber sich Amanoue fürchterlich aufregte, was Lucius allerdings nur noch mehr anstachelte, ihn fortwährend zu ärgern.

„So eine Blödmann“, murrte Amanoue, als sie weiterritten und stopfte seinen zerrupften Zopf hinten in den Kragen. „Wieso musstest du ausgerechnet so eine Idiot bei dir aufnehmen?“

„Tja“, meinte Brac achselzuckend und breit grinsend, „ich sagte dir doch, die passen zu uns!“

Am Abend versorgte er selbst sein Pferd, dann verabschiedete er sich und marschierte zum königlichen Zelt. Gut gelaunt trat er ein und sah zu seinem Erstaunen Henry über einige Briefe brüten. Er näherte sich ihm zögerlich und wollte gerade vor ihm niederknien, doch Henry hielt ihn auf und zog ihn stattdessen auf seinen Schoß.

„So früh schon da, mein kleiner Schatz?“, fragte der König und gab ihm einen Kuss.

Amanoue lächelte zart und legte ihm seine Hände auf die breiten Schultern. „Isch wollte nischd wieder `erumstreunen“, antwortete er schmunzelnd, „und außerdem `abe isch eine Bären`unger! Und“, er sah ihn verschmitzt an, „die Jungs, `aben keine Birr mehr“, meinte er, mit einer Achsel zuckend, „`ier gibt es wenigstens Wein, wenn er auch sauer wie Essig ist“, sagte er noch und Henry lachte schnaubend auf.

„Du kleines Biest“, raunte er vorwurfsvoll, doch dann küsste er Amanoue liebevoll. „Warum bilde ich mir jedes Mal ein, dass du vielleicht doch Sehnsucht nach mir gehabt haben könntest?!“, brummte er, ihn von seinem Schoß schiebend und gab ihm einen Klaps. „Geh und wasche dich, du riechst nach Pferd!“, scheuchte er ihn fort und Amanoue schlenderte lachend nach hinten.

Er zog sich aus, wusch sich gründlich und zog sich wie selbstverständlich Henrys Morgenrock über. Danach stiefelte er wieder zurück zum Tisch und spähte neugierig über Henrys Schulter. „Von wem, sind diese Briefe?“, fragte er geradeheraus, „isch `offe, es sind gute Nachrischten?“

Der König rollte den Brief, den er gerade gelesen hatte, zusammen und legte ihn zu zwei weiteren Pergamentrollen dazu. Wie Amanoue erkennen konnte, trug eine der Botschaften das königliche Siegel und eine das Zeichen von Herzog Richard, Henrys Onkel. Das dritte Siegel war ihm allerdings unbekannt. „Ihr `abt eine Nachrischt von die Königin er`alten?“, hakte er nochmals wie nebenbei nach.

Henry sah ihn erstaunt an. „Woher weißt du das?“

„Es trägt die königlische Siegel und diese dort, ist doch die Siegel von Eure Onkel, nischd?“

Henry nickte lächelnd. „Ja, mein Schatz! Richard bittet mich um Verzeihung und möchte sich mit mir aussöhnen“, erwiderte er, wobei er nachdenklich die Briefrollen ansah.

„Aber das werdet Ihr doch, oder `err?“ Amanoue glitt wieder auf seinen Schoß und strich ihm mit beiden Händen über die Brust.

Henry lehnte sich zurück und sah ihn ernst an. „Weißt du, Kätzchen, das ist nicht so einfach, wie du denkst. Er hat mich im Stich gelassen! Und ist einfach ohne meine Erlaubnis abgezogen! Gut, wir hatten einen heftigen Streit und ich war ziemlich ungehalten, aber das rechtfertigt nicht sein Verhalten, mir gegenüber! Schließlich bin ich der König und auch wenn er mir ein lieber Verwandter ist, kann er nicht so handeln! Das hat mich tief verletzt“, sagte er betrübt.

Amanoue nickte verlegen. „`abt ihr wegen mir gestritten?“, fragte er vorsichtig.

Henry seufzte tief und zog ihn an sich. „Kätzchen, es ist letztlich völlig gleich, über was wir gestritten haben, ich bin der König und Richard hätte meine Entscheidung akzeptieren müssen!“

„Misch mitsunehmen“, seufzte Amanoue und schmiegte sich an Henrys breite Brust.

Der König strich ihm zärtlich über den Rücken, als Falco hereinkam und am Zelteingang salutierte. „Kätzchen, sei so lieb und setz dich auf deinen Stuhl, ja?“, flüsterte er Amanoue ins Ohr und schob ihn sanft von sich.