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Daniel Jesus

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Die Augen des Trunkenen wurden groß und tief und ziellos wie die eines Blinden. Ein Zucken ging durch seinen Körper und ein Schrei. Dann flog er die Treppe hinauf.

Und auf einmal, wie auf eine Gebärde, schwieg die Musik. Die Instrumente krochen zusammen und duckten sich. Die schwarze Carmen riß noch einmal den Mund auf und fiel mit gespreizten Beinen bewußtlos zur Erde.

Und mitten unter ihnen, fest und sicher wie ein König, trotz seines Buckels, stand Daniel Jesus.

Eine Viertelstunde und noch mehr stand er und schaute zur Tür: ein Kampf – dachte er.

Dann plötzlich, mitten in der Stille, in der selbst die Petroleumlampen scheu erblaßten und lauschten, kam es die Treppe herunter. Langsam und schwer und hartnäckig und sinnlos. Wie eine plumpe, klebrige Masse, die nicht von der Stelle will.

Die Tür sprang auf, weit und kreischend, wie im Schreck, und herein kam Josef, die Haare von Blut und Schweiß verklebt, eine zackige Wunde über der ganzen Wange, aus der das Blut wie aus einem zerbrochnen Gefäße floß.

An den Haaren hatte er seine nackte Mutter gefaßt und warf sie Daniel Jesus zu Füßen.

Da sprang sie auf. Mit schönem flammenden Gesicht stand sie und das Haar umflocht ihren Kopf wie eine rote Krone. Den mächtigen, nackten Körper reckte sie und zeigte den Trunknen ringsumher ihre herrliche, leuchtende Haut und die Narben der Geburt, die ihren Leib zerrissen hatten. Ihre Augen erstarben fast in ihrem großen Glänze, als sie fragte: Wer hat das getan?

Eine weite, flüsternde Pause entstand, in der die schwarze Carmen aufstöhnte und ihre rechte Hand erhob.

Ich – sagte Daniel Jesus.

Da ging ein Schauer durch Frau Margaretens Leib und ein unbarmherziger, schüttelnder Frost.

Und Daniel Jesus kniete nieder und küßte ihre Füße und sagte dann:

Ich liebe Dich. Ich bin der Herr über Dein Leben, denn ich weiß, daß auch Du mich liebst. Du kannst nicht gegen mich streiten, ich bin stärker als Du.

Sieben Tage will ich warten. Dann komm in die Villa Jesus vor der Stadt, wenn es Abend geworden ist. Komm, denn ich will es.

Marta Bianka hatte die Geschichte der armen Valeska dennoch gehört. Keiner wußte, daß sie lautlos und starr in der halbgeöffneten Tür des Nebenzimmers gestanden hatte und daß die Worte vom Munde Daniels wie große, blühende Tropfen in ihre wunde Sehnsucht gefallen waren.

Seit dieser Stunde ging seine Erzählung nicht von ihr. Lag sie auf ihrer Seele und spann sie in ein dichtes, schimmerndes Netz ein und ließ sie nicht los. Es war ihr mitunter, daß jenes Geschehnis groß und unbestimmt sie bedrückte und sie mitnahm auf langen Irrfahrten und Träumen der Liebe, von denen ihr niemand gesprochen hatte, die sie aber trotzdem hell und deutlich kannte, wie die Geschichte einer Vision.

Marta Bianka war eine Phantastin. In der scheuen Stille ihrer Kinderjahre, die ihre Mutter um ihr Leben legte wie ein Kleid, war langsam und sonderbar ein roter Rauch in ihrer Seele aufgestiegen, in dem sie wunderliche Gestalten und Dinge sah. Und wenn sie am Spätnachmittag in dem dunkeln Salon saß und die Gräfin in einem Buche las, dann sah sie zu den großen Fensterscheiben hin, die die müde Sonne klar und glühend brannte und hinter denen die kalte Gasse und ihre Abenteuer lagen. Da spann sich allmählich ein fremdes Dasein vor ihr weiter, das ihr neu war und dem sie zusah. Mit hundert Begebenheiten und Wünschen, die ineinander griffen und sich vollendeten wie in einem Roman. Leute, mit denen sie schon einmal irgendwo zusammengekommen war, tauchten wieder auf, aber sie hatten andre Gesichter, wenn sie näher hinschaute. Sie waren alt geworden unterdessen, oder es lag etwas in ihrem Wesen, das überraschte und staunen machte. Eine herrische und wilde Art, in plötzlichen Gebärden Reue und Haß, Liebe und Falschheit zu zeigen. Dann kam es wohl auch zuweilen vor, daß Marta Bianka ihr Leben und ihre Mutter und das einsame Zimmer vergaß, in dem sie wohnte, und in die Welt ging mit einem von den Menschen, die sie vor sich sah und die mit ernsten und drohenden Händen in die rote Luft redeten, als ob noch jemand hinter ihr stände. Oder daß sie selber einer dieser Leute wurde und mit drängendem Herzen irgend ein Schicksal erlebte, das jemand listig oder gewaltsam schuf und in dem sie ging und tat wie in einem Spiel.

So war auch die Geschichte des Daniel Jesus in ihr Herz wie ein funkelndes Messer gedrungen und hatte ihr eignes Erleben und alle seine Reflexe in einem wirren Traume getötet, in dem sie auf einmal von Marta Bianka hinweg und stumm und hilflos auf einem Wege lief, der hinter Steinen und blutigen Schatten in den Tod Valeskas führte.

Die dumpfen trostlosen Stunden der Entsagung und der Angst wuchsen in ihr zu einer Kraft der Sehnsucht und der Erlösung, die sie hineinreifen ließ in die Liebe, wie einen Baum, in dem der Atem Gottes schlief. Diese Liebe verwirrte ihr Gedächtnis und trug sie hinüber bis über das Ende und die Traurigkeit der Geschichte Daniels. Sie wußte noch leise und schmerzlich erschrocken, daß Valeska gestorben war, aber ihre Augen bohrten ungläubig in den sammtnen Vorhang der Nächte, und ihre Seele konnte nicht schweigen. Jene große, kostbare Stunde stand vor ihr, wo Daniel Jesus zwischen Tränen und Glück ihren weinenden Mund geküßt hatte. In der alles offenbar wurde und das Wunder in ihr Leben gekommen war, zum ersten Male seit Jahren.

Vielleicht auch in sein Leben – dachte Valeska. Mit bunten Schlacken hatte er gespielt und mit dem flackernden Zauber seines Herzens. Er war nicht glücklich dabei geworden. Aber er mußte es werden. Sie mußte ihm die Liebe bringen, die ihm gehörte, heute noch. Sie war nicht gestorben, wer log das nur? Sie hatte einen bösen Traum gehabt, und der war jetzt vorüber.

Es stieg eine hohe und leuchtende Nacht, gerade so wie jene, von der Daniel Jesus erzählt hatte. Der Mond hatte über den Boden ihres Schlafgemachs einen wundervollen, sehnsüchtigen Teppich gerollt, und nur noch ihr Bett stand im Dunkeln. Sie erhob sich und sprang im Hemde in die Stube. Ihre schönen, weißen Füße standen im Licht, und ihr bernsteingelbes Haar verdeckte zur Hälfte ihr Gesicht, das bleich und regungslos auf jemanden wartete. Da ging sie zögernd mit kleinen kindischen Schritten zu der alten Rokokotruhe und nahm einen schimmernden, weichen Mantel heraus, eine ruhige, träumende Seide, und ihre Füße flohn vor dem Mond in zwei tiefblaue, winzige Pantoffel. Dann schlug sie den Mantel um ihr Hemd und drückte die Tür auf. Unhörbar schlich sie durchs Haus und tappte die Stiegen hinunter und öffnete mit dem schweren, eisernen Schlüssel das Haustor.

Durch die weiße, glänzende Gasse flog der Wind. Es war warm und wollüstig, und der Frühling goß einen rieselnden Schauer auf die Kirchen und Dächer der Stadt, und der Spätmärz rief mitunter laut und vernehmbar irgend ein Wort aus der Ferne. Und oben auf dem Rücken des schauernden Windes schwamm der Mond wie eine Braut, die auf die Hochzeit harrt.

Marta Bianka lief. Sie wußte nicht, wohin, und sie dachte nur dunkel und unbestimmt an ein helles, schlankes Haus, das sie einmal gesehn hatte, als sie mit ihrer Mutter im Wagen vorüberfuhr und die Gräfin etwas sagte, das sie vergessen hatte. Und dann – das war sie ja gar nicht, jenes Mädchen im Wagen. – Wer war das nur? – War das nicht Marta Bianka? – Marta Bianka – natürlich. Sie hatte sie einmal sehr lieb gehabt, es war eine stille Träumerin, aber sie war noch jung, viel zu jung für die Liebe.

Wohin ging sie denn eigentlich? Sie war doch Valeska und mußte die Liebe zu jemandem bringen, heute nacht. Er wußte noch gar nicht, was sie ihm brachte.

Sie lächelte.

Er wird staunen, dachte sie und merkte es gar nicht, daß die Straße ihre beiden kostbaren Pantoffel mit den traurigen Perlen gestohlen hatte und daß sie jetzt mit bloßen Füßen über die Steine lief.

Er wird glücklich sein und wird sie küssen. Und sie wird niemals mehr fortgehen und sich den Kopf zerschmettern wie in jener Nacht. Sie wird bei ihm bleiben und nicht von ihm gehn. Er war gut und hatte Augen wie ein Kind, er würde den Weg zum Frieden finden.

Er – ja, wer war es nur? – Ein Windstoß blies sie an, und eisiger Frost durchrann sie. Großer Gott, das hatte sie ganz vergessen! Sie war so verwirrt und irr durch die Liebe. Und die Tränen stiegen in ihre Kehle. Sie suchte hastig und angstvoll in ihren Träumen und weinte. letzt stand sie draußen auf der Straße barfuß und in Hemd und Mantel und wußte nicht, zu wem sie ging.

War sie denn nicht Valeska? Und da mußte sie doch zu Daniel Jesus gehn –. Sie erinnerte sich jetzt ganz genau. Der hatte es ja ihrer Mutter erzählt, und sie stand in der Tür und hörte zu.

Ihre Füße wurden müde und schleppend wie die einer Kranken.

Zu Daniel Jesus also – dachte sie. Aber wie war das nur? Das konnte gar nicht sein. Den liebte sie gar nicht. Der, den sie liebte, war anders. Er war jung und schön und hatte einen sehnsüchtigen Mund. Manchmal, da ging ein Fieber über sein Gesicht, und seine Augen blieben stehn wie im Traum.

Marta Bianka sah auf. Vor ihr stand hell und schlank mit silbernen Fenstern ein Haus. Sie drückte das Schloß, und die Tür sprang auf, Sie wunderte sich, daß sie nicht verriegelt war, und mußte dann wieder daran denken, daß es nicht anders hätte sein können, und daß ihr Leben ein Zauber war.

Diese Nacht und ihre Liebe mußten so sein. Und leise stieg sie die Treppe hinauf und trat ein.

Zu wem geh ich eigentlich? – dachte sie vergrämt und schloß die Türe hinter sich zu.

Dann stand sie schön und schweigend in dem weißen Zimmer und sah dem Baron von Sterben in die großen Augen, in denen vor kurzem noch ein wilder und banger Traum geglüht hatte.

Sie stand auf dem Eisbärenfell vor seinem Bett, und ihr nackter Fuß zertrat das Blut von Hagars Munde, das unter den Küssen des Barons aus den zerrissnen Lippen getaumelt war. Ihr weicher, zärtlicher Mantel tat sich auf, und Baron Sterben sah, daß sie mit bloßen Füßen im Hemde zu ihm gekommen war. Ihr gelbes Haar verdeckte ihre Augen, und sie sagte:

 

Das Tor von der Straße stand offen, und ich ging hinauf. Aber wie kommt es, daß Du Deine Tür nicht verschließest, wenn Du schläfst?

Da ging ein Lachen durch die Seele des Barons.

Marta Bianka – rief er.

Marta Bianka – ich hab sie seit Jahren offen gelassen – für das Glück.

Schuster Anton hatte ein seltsames, wunderbar verwirrtes Mädchen aus dem Dorfe mitgebracht, in jener Nacht, als Daniel Jesus sein großes und verwegnes Gauklerspiel mit der Liebe Margaretens spielte. Blond und dünn wie eine Heilige sprach sie mit keinem und tat auch nichts. Die Leute im Dorfe, die an ihre Träume nicht glaubten, waren froh, als der Schuster sie mitnahm, denn sie war eine Waise, und sie wußten nicht, was sie mit ihr beginnen sollten. Jetzt wohnte sie in seinem Hause, und seine kleine Gemeinde liebte sie und lauschte andächtig und scheu ihren inneren Geschehnissen, wenn sie an langen Gebetabenden zwischen Liedern und den tollen ekstatischen Schreien der Schustersfrau lächelnd und heiter in einen schönen und heißen Schlaf kam und dann mit hartem, zersprungnem Munde von dem Bilde redete, das Tag um Tag in ihre Seele fiel wie das Licht von einem leuchtenden Spiegel. Oft ging es auch wie eine Wolke über ihren Traum, wenn dann der Schuster zu ihr kam und ihre fliegenden Hände hielt. Dann sprach sie heiser und stockend von einem bösen und gewaltigen Messias der Sünde, der sein Reich neben dem seinen gebaut habe und das Reich Gottes zerstören werde. Von bunten und zerbrochnen Tagen, die vor der Türe ständen und in der nächsten Stunde kämen, wo sie alle unter der Peitsche des Satans keuchen würden, als ob ein Wind ihnen alle Gebete genommen hätte. Dann wird der böse Feind das Reich seines Herzens über euch werfen wie einen Fluch. Und keiner wird fehlen in seinem Gefolge. Keiner.

Auch Du nicht –

Auch Du nicht –

Sie rief es dem Schuster in das totenbleiche Gesicht und sank bewußtlos in seine Hände.

An diesen Abenden ging ein Graun durch die Seele der Beter. Sie fürchteten sich unsagbar vor diesen Dingen, von denen das verzückte Mädchen redete und vor dem Tag, der ihnen den Weg zum Frieden aufs neue nahm. Wo sie wieder arm und gehetzt im Dunkeln taumelten, trunken vor Angst und vor der Verzweiflung. Wo ist der Feind? schrie es in ihnen – daß wir ihn töten!

Und langsam, wie ein schwarzer, gurgelnder Blutstrom, der über ihre Augen und ihre Hände floß, rang sich ein Name von den Lippen wie ein letztes Stöhnen:

Christus! Christus!

Frau Margarete wußte, wer der Feind war. Sie sah auch das Reich, gerade so wie es das ohnmächtige Mädchen schaute, sein Reich, wie es groß und herrlich und finster in ihre Herzen fiel, daß sie nimmer dagegen kämpfen konnten. Es kam und kam, und sie alle waren müde und mutlos. Sie vermochten nichts mehr. In ihm aber war eine Kraft, stahlhart und ungebändigt, die hoch und siegreich aus seiner Seele kam, ruchlos und ohne Scham, die sich berauschte an der eignen Missetat und die Glut und Sünde hatte und Schönheit. Sie wußte nicht, ob diese Seele einmal im Leben aus dem irren, flackernden Tanz seiner Begierde in eine Stunde hineingeflüchtet war, die mit ruhigen, guten Händen sein jagendes Herz ergriff und ihm die Straße zeigte, nach der sie alle suchten, über die Liebe vielleicht oder über Gott zum Frieden, Das aber mußte eine heilige und schmerzhafte Liebe sein, aus Wunden und Schlacken geboren und jählings offenbar. Frau Margarete glaubte nicht an eine solche Stunde in seinem Leben, denn die Geschichte Valeskas kannte sie nicht. Sie kannte nicht den tiefen, moortiefen Grund seines Herzens, in dem zwischen grünen, felsigen Kerkern und wilden Korallenschlössern, zwischen den schwarzen, gespenstischen Schatten der Steine und den schaurigen Fahrten der Meerfrau seit vielen vergeudeten Jahren in einem kleinen Haus ein blasses, wunderbar verhärmtes Gesicht mit den verlöschenden Augen der Sehnsucht sich an die Fensterscheiben drückte und nach dem Schiffe der Meerfrau sah. An dieses Haus und an dieses Fenster hatte Daniel Jesus fast schon vergessen. Jene andere große und törichte Sehnsucht führte ihn durch die Wunder und die blinden Lichter der Täuschung steuerlos irgendwohin. Es hatte einen sonderbaren und großen Reiz für seine Seele, daß sie nicht wußte, wohin sie fuhr, und wo das Riff war, das das Schiff der Meerfrau verschlänge. Damals, in Jener hellen, kostbaren Mondnacht, in der Nacht Valeskas, war es ihm unter den suchenden Augen wie die Barke des fliegenden Holländers in der Weite verschwunden. Es wäre niemals wiedergekommen, und er hätte in dem Hause mit dem weißen Fenster lange und lange gelebt und seine abenteuernde Sehnsucht – die wäre wie ein Traum von ihm gegangen. Aber das Blut Valeskas wollte es nicht. So fuhr er denn weiter ins Dunkle hinein. Und er erhellte seinen Weg mit den roten Bränden seiner Wünsche und Taten. Sein Herz war stark, und er vermochte viele Menschen damit zu bezwingen. Er konnte das Reich Schuster Antons wegblasen wie der Sturm ein Boot. Was ging ihn ihr Notruf und ihr Schrei nach Hilfe an. Die alternde Frau des Schusters wollte er mitnehmen ein kurzes Stückchen seiner Fahrt. Er wollte ihr brandrotes Haar wie eine Leuchte durch den Abend führen, der voll von den stumpfen, glotzenden Fischen und wunderlichen Wolken war.

Frau Margarete sah umher. Sie sah die Menschen feige und geknickt auf der Erde liegen und atmen. Ihre Gebete kamen wie ein Schluchzen zu ihr hinauf und rannen über ihren Leib beinahe wie eine sinnliche Berührung. Sie stand und schaute zu ihnen hinunter. In viermal zwölf Stunden waren es sieben Tage, seit Daniel Jesus ihr befohlen hatte, zu kommen. Sie mußte sich schmücken und schön sein. Ihr blühendes, glutrotes Haar mußte sie kämmen und wieder um ihren Kopf wie eine Krone binden. Und ihren wilden Leib wollte sie kastein für ihn, damit seine Lüste ihr Blut nicht leer und ohne Flammen fänden, damit sie eine rote Stunde um einen Körper legen könnte wie ein brennendes Tuch. – Auch der Schuster stand aufrecht und gerade wie ein Baum. Er wußte nichts von dem Kampfe Margaretens und ahnte nur alles, was sie litt, wenn er ihre Stimme in den frommen Liedern taumeln hörte, die sie abends sangen. Es kam eine Traurigkeit und eine barmherzige Strenge über ihn. Von den Erlebnissen jenes Abends, da sie in Scham und Liebe zitternd vor Daniel Jesus stand, nackt und voll Demut, hatte ihm niemand ein Wort gesagt, und er fragte auch nicht danach. Er hatte damals einen großen Schrecken in den Augen seiner Frau gefunden und gewartet, bis sie zu ihm käme, um ihm alles zu erzählen. Sie kam nicht und schwieg, und er überließ sie ihren Zweifeln. So ein bischen Verachtung erhob sich in ihm für diese Menschen, die mit Gott und dem Teufel zankten, die nicht beten und nicht sündigen konnten und mit tastenden Händen im Finstern standen ohne Licht. Auch Margarete war so eine. Nur besser als die andern und sie lag nicht auf der Erde wie jene. Sie stand aufrecht wie er und ließ sich schütteln. Wie hatte er sich früher groß gefühlt neben diesen allen! Er war stark, und seine Seele hatte kein Fieber. Er hob seine Hände weit empor, hoch über alle andern und rief zu Gott. Und Gott war immer gekommen bisher und hatte ihm geholfen, seinen Glauben zu tragen. Er hatte gemeint, daß er wirklich der Messias dieser Armen und Kranken sei, die zu seinen Füßen weinten wie die Kinder. Nicht Christus und kein Prophet, aber ein starker und ruhiger Mensch, der sie durchs Leben hätte führen können bis zum Ende. –

Und nun kam dieses Mädchen da, diese blonde Heilige, deren Verstand von Visionen zerrüttet war, und sagte ihm, es sei alles umsonst gewesen. Es sei ein andrer und schlimmer Prophet gekommen, um sie zu züchtigen. Und sie alle würden unter seiner Peitsche den Rücken krümmen, hilflos und bereit, ihm zu dienen.

Auch er! Auch er!

Schuster Anton sah umher. Ueberall sah er Lippen, die Gebete sprachen, und Hände, die sich falten wollten vor der Gnade. Wo war nur der Feind? fragte er sich wie jene, wo war er nur? Und sein totenbleiches Gesicht zuckte vor Qual.

Ihm zu Füßen lag Hagar, die Zigeunerin. Seit dem Abend, da sie dem Baron mit der Hand ins Gesicht geschlagen hatte, war das Gift in ihrem Blute wie ein böses Kraut toll und verderblich geworden. Es wuchs und blühte unter ihrer Haut und nahm ihr das Lachen aus der Kehle und quoll unter ihren heißen Nägeln hervor, wenn sie in Gier und Entsetzen ihre Zähne in die Finger grub. Sie war damals noch am selben Abend aus dem Hause des Barons gegangen, und keiner wußte, wo sie seit jener Zeit aß und schlief, und was sie tat. Jeden Abend kam sie zu dem Schuster Anton, wenn alle die Menschen da waren, um zu beten, und legte sich neben ihn zu Boden. Sie sah ihm zu, wenn er sprach und sang, und ihre Augen tranken seine Geberden. Ihr Mund sprach wie im Irrsinn alle Worte mit, die er zu seinem Gotte sagte, und keuchte nach seiner Liebe. –